Titel: | Ueber die Theorie des Hrn. Leplay hinsichtlich der Reduction der Metalloxyde durch die Kohle; von Hrn. Gay-Lussac. |
Fundstelle: | Band 101, Jahrgang 1846, Nr. XXIX., S. 122 |
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XXIX.
Ueber die Theorie des Hrn.
Leplay hinsichtlich der Reduction der
Metalloxyde durch die Kohle; von Hrn. Gay-Lussac.
Aus den Annales de Chimie et de Physique, Jun. 1846, S.
221.
Gay-Lussac, über die Theorie des Hrn.
Leplay hinsichtlich der Reduction der Mettaloxyde durch die
Kohle.
Man verdankt Hrn. Leplay eine neue
Theorie der Reduction der Metalloxyde durch Kohle.Polytechn. Journal Bd. LXIII S. 282. Dieselbe läuft darauf hinaus, daß dem Kohlenstoff als
festem Körper alle directe Wirkung auf die Oxyde abgesprochen
und deren Reduction durch das Kohlenoxydgas erklärt wird,
welches sich in allen Oefen bildet, worin man die Erze
behandelt. Man hatte früher allgemein angenommen, daß die
Reduction der Oxyde entweder direct durch die Kohle
bewerkstelligt wird, nämlich im Fall ihrer Vermengung damit,
oder durch Cementation bis ins Innere der Massen, wenn keine
hinreichende Berührung stattfindet. Da nun die Cementation nach
Hrn. Leplay eine unerklärte,
geheimnißvolle Operation ist, so hielt er den Kohlenstoff für
einen anormalen Körper und gerade dieß lenkte seine
Aufmerksamkeit auf die Reduction der Metalloxyde. Als er die
Zinkhütten im nördlichen Deutschland besuchte, wo man das Zink
durch Erhitzen eines Gemenges von Zinkoxyd und Kohle gewinnt,
bemerkte er mit Erstaunen, daß man die mehr oder weniger große
Innigkeit des Gemenges als einen für das Gelingen der Operation
sehr gleichgültigen Umstand betrachtet und dieß brachte ihn auf
den Gedanken, daß die Reduction der Oxyde nicht durch Kohle,
sondern durch Kohlenoxyd hervorgebracht wird. Diese Operation
wird allerdings sehr leicht begreiflich mittelst der
Dazwischenkunft des Kohlenoxyds, wenn sich solches erzeugen
kann; dieses Gas würde eine Atmosphäre um die mineralischen
Massen bilden und muß sie, indem es in ihre kleinsten
Zwischenräume eindringt, viel schneller reduciren, als die
Kohle, womit ihre Berührung weniger innig ist. Man muß folglich
das Kohlenoxyd als das reducirende Agens und das Mittel
betrachten, welches den Sauerstoff des Metalloxyds auf die Kohle
überträgt. Seine Wirkung pflanzt sich in der Art fort, daß wenn
man sich zwei Massen von Kohle und einem Oxyd vorstellt –
welche sich in Entfernung von einander in einem geschlossenen
Gehäuse befinden, aus dem jedoch die Gase
austreten können – sie dennoch auf einander wirken
werden, vorausgesetzt, daß das Gehäuse anfänglich mit Kohlenoxyd
oder Kohlensäure oder bloß mit atmosphärischer Luft gefüllt war,
und die Temperatur so hoch ist, daß sich die Kohlensäure im
Augenblick ihrer Berührung mit der Kohle in Kohlenoxyd
verwandeln kann.
Hr. Leplay hat sich auf zahlreichen
metallurgischen Reisen überzeugt, daß in allen Oefen mit
gepreßtem Luftstrom, worin man die Oxyde des Eisens, Bleies,
Kupfers und Zinns reducirt, keine bemerkliche Berührung zwischen
den Erzen und der Kohle stattfindet; daß die Operation sogar
mißlingt, wenn die Vermengung derselben so vollkommen als
möglich ist und daß im Gegentheil der Gang der Oefen um so
vollkommner ist, je unbedeutender die Berührung ist. Hieraus zog
er den Schluß, daß die Behandlung der Oxyde und der Metalle mit
Kohle sowohl auf dem Wege der Vermengung, als durch Cementation,
in allen Fällen bloß ein einfaches und wohlfeiles Mittel ist,
sie der Wirkung des Kohlenoxyds zu unterziehen, und er stellte
als Grundsatz auf, daß das Kohlenoxyd alle Verbindungen reducirt
und alle Metalle mit Kohlenstoff verbindet, welche durch
Cementation reducirt und mit Kohlenstoff verbunden werden
können.
Bei dieser Theorie bietet der Kohlenstoff nichts anormales mehr
bar, weil sich seine Wirkung durch diejenige des Kohlenoxyds und
der Kohlensäure erklärt, welche ihm bei den meisten
Erscheinungen im Großen, wobei er intervenirt, als Vehikel
dienen. Obgleich die angegebene Theorie sich auf eine große
Anzahl metallurgischer Beobachtungen gründete, wollte sie Hr.
Leplay doch noch durch Versuche
im Kleinen auf die Probe stellen und verband sich zu diesem
Zweck mit Hrn. Laurent. Die
Abhandlung, welche diese zwei ausgezeichneten Gelehrten
veröffentlichten,Polytechn. Journal Bd. LXVIII S. 49. führt den Titel: „Theorie
der Cementation, mit dem Denkspruch: Corpora non agunt nisi
soluta.“
Ich will zuerst auf den Sinn dieses Denkspruchs aufmerksam
machen, durch welchen die Ansicht der HHrn. Leplay und Laurent sich eigentlich erst recht klar herausstellt;
die Körper wirken nur im aufgelösten
Zustand und können folglich, so lange sie im festen
Zustand bleiben, unter den Umständen, worin sie sich befinden,
nicht wirken. Wir wollen nun zu den erwähnten Versuchen über
gehen.
Die HHrn. Leplay und Laurent haben verschiedene Oxyde und
Salze einem Strom Kohlenoxydgas in einer Porzellanröhre
ausgesetzt, welche auf 25 oder 30 Grade Wedgwood erhitzt war und
dabei folgende Resultate erhalten.
Ein Stück faseriger Rotheisenstein und ein Krystall von
Oligonspath wurden vollkommen reducirt. Als man sie gegen die
Mitte der Operation herausnahm, fand man sie in sehr compactes
Oxydul-Oxyd verwandelt, welches mit einem Häutchen
weichen Eisens überzogen war. Die Oxyde von Kobalt, Nickel und
Zinn wurden zu Metall reducirt. Die Wolframsäure wurde in
Wolfram verwandelt. Die Oxyde von Cerium, Chrom und Titan
hingegen erlitten keine Veränderung.
Krystalle von schwefelsaurem Baryt und schwefelsaurem Kalk wurden
vollkommen in Schwefelmetalle verwandelt.
Um zu beweisen, daß das Kohlenoxyd das reducirende Agens in den
(mit Kohle) gefütterten Tiegeln ist, haben die HHrn. Leplay und Laurent in eine auf 30 bis 35 Grade Wedgwood erhitzte
Porzellanröhre einen Krystall von rothem Eisenoxyd und ein Stück
Holzkohle gebracht, wovon sich jedes besonders in einer kleinen
Platinschale befand. Während der ganzen Dauer der Operation
entwickelte sich ein Gemisch von Kohlenoxyd und Kohlensäure,
wovon ersteres gegen letztere immer im Ueberschuß war. Nach
beendigter Operation fand sich das Oxyd vollkommen zu Metall
reducirt. Bei diesem Versuch beginnt die chemische Wirkung durch
die Erzeugung von Kohlenoxyd mittelst des Sauerstoffs der im
Apparat enthaltenen Luft: wenn dieses Gas nun mit dem Eisenoxyd
in Berührung kommt, so reducirt es dasselbe und verwandelt sich
dadurch in Kohlensäure, welche sich ihrerseits an die Kohle
begibt und neuerdings Kohlenoxyd bildet. Auf diese Art wird das
Oxyd nach und nach vollständig reducirt.
Was in der Porzellanröhre zwischen einer Masse Oxyd und einer
Masse Kohle, welche von einander getrennt sind, vorgeht, muß
nach den HHrn. Leplay und Laurent auch in den gefütterten
Tiegeln stattfinden; nach ihrer Meinung liefert dieser Versuch
den evidentesten Beweis, daß der Contact nicht nöthig ist.
„Man hat uns eingewandt, sagen sie, unser Versuch
beweise nicht, daß der Contact gar keinen Einfluß in den
gefütterten Tiegeln habe und daß das Oxyd nicht gleichzeitig
sowohl durch das Kohlenoxydgas als durch Cementation
reducirt werde. Was versteht man aber unter Cementation?
Dieses Wort wurde erfunden, um eine unbekannte Ursache, eine
unerklärliche Wirkung, eine Anomalie anzuzeigen. Wir haben
gezeigt, daß diese Anomalie nur eine scheinbare ist; warum
will man also noch ferner eine geheimnißvolle Wirkung
annehmen, nachdem sich eine einfache Erklärung darbietet,
welche mit den allgemeinen chemischen Gesetzen vereinbar ist
und darin besteht, z.B. hinsichtlich der Verwandlung des
Eisens in Stahl zu sagen, daß er keineswegs durch Berührung
der Kohle selbst mit dem Eisen, sondern vielmehr durch das
Kohlenoxydgas erzeugt wird?“ Die HHrn. Leplay und Laurent haben zwar diese Theorie der
Kohlenstoffaufnahme selbst umgestürzt, indem sie später
anerkannten, daß das Eisen das Kohlenoxyd nicht zersetzt; neuere
Versuche aber, welche von Hrn. Laurent angestellt wurden, führten ihn auf die
Annahme, daß sich der Kohlenstoff bei einer sehr hohen
Temperatur in Dampf verwandelt und daß die Kohlenstoffung des
Eisens diesem Dampf zuzuschreiben ist, während der Kohlenstoff,
so lange er im festen Zustand bleibt, sie nicht bewirken
kann.
Dieß ist also die neue Theorie der HHrn. Leplay und Laurent
hinsichtlich der Reduction der Metalloxyde durch die Kohle und
der Kohlenstoffung durch Cementation. Diese zwei Operationen
werden beide entweder durch das Kohlenoxyd oder den
Kohlenstoffdampf bewerkstelligt; und da sie durch
Dazwischenkunft dieser zwei elastischen Flüssigkeiten ganz klar
und begreiflich werden, auch mit dem Princip der alten Chemiker
„Corpora non agunt nisi
soluta“ Harmoniren, so muß die Wirkung
des Kohlenstoffs als fester Körper Null seyn, weil man sie nicht
begreift, weil sie geheimnißvoll ist. Wie viele Erscheinungen
sind jedoch für uns in das tiefste Geheimniß gehüllt! Wenn man
sie läugnet, werden sie dadurch erklärt? Die HHrn. Leplay und Laurent, obgleich sie bewiesen, daß das Oxyd und der
Dampf des Kohlenstoffs Oxyde reduciren und Metalle mit
Kohlenstoff verbinden können, hätten doch auch beweisen sollen, daß der Kohlenstoff als fester
Körper unfähig ist dieselben Wirkungen hervorzubringen; die
Erklärungen, welche so leicht zu finden sind, wären
nachgekommen. Ihre Theorie ist also eine unvollständige,
vielleicht in gewisser Hinsicht ungenaue, was ich durch einige
kurze Bemerkungen nachweisen werde.
Ist es wahr, daß der Kohlenstoff als fester Körper, weder die
Metalloxyde reduciren, noch die Metalle in Kohlenstoffmetalle
verwandeln kann? Wenn man mit stark calcinirtem Lampenschwarz
ein leicht reducirbares Metalloxyd, wie die Oxyde von
Silber,Wenn das Silberoxyd mäßig mit Lampenschwarz in einer
Glasröhre erhitzt wird, reducirt es sich rasch mit einer
sehr starken Explosion. Quecksilber, Kupfer, Blei, Wismuth etc. erhitzt, so
erfolgt die Reduction vor der Rothglühhitze und weit
unter der Temperatur, wobei der Kohlenstoff die Kohlensäure in
Kohlenoxyd verwandeln kann, und es entwickelt sich nur
vollkommen reine Kohlensäure. Bei allen diesen Oxyden wird also
die Reduction direct durch den Kohlenstoff bewerkstelligt und
kann nicht dem Kohlenoxyd beigemessen werden, welches gar nicht
vorhanden ist. Ohne Zweifel würde das Kohlenoxyd diese
Metalloxyde bei einer geeigneten Temperatur ebenfalls sehr gut
reduciren und gewiß schneller als der Kohlenstoff; darum handelt
es sich aber nicht; es genügt mir zu zeigen oder vielmehr daran
zu erinnern, daß der Kohlenstoff allein und bei einer sehr
mäßigen Temperatur die Metalloxyde ohne alle Dazwischenkunft von
Kohlenoxyd oder irgend einer andern elastischen Flüssigkeit
reducirt.
Aber abgesehen von den Oxyden, welche der Kohlenstoff direct
reducirt, bei einer niedrigem Temperatur als diejenige ist,
wobei er die Kohlensäure zersetzen könnte – gibt es noch
viele andere Oxyde, welche dem Kohlenoxyd sogar bei einer sehr
hohem Temperatur widerstehen, hingegen durch den Kohlenstoff
reducirbar sind. Solche sind die Oxyde von Mangan, Chrom,
Cerium, Titan, Kalium etc.
Da nun der Kohlenstoff sowohl diejenigen Oxyde reducirt, welche
nur eine mäßige Hitze erheischen, als auch diejenigen, welche
eine sehr hohe erfordern, während unter diesen Umständen das
Kohlenoxyd unwirksam bleibt, so ist es klar, daß er auch die
Oxyde wird reduciren können, welche eine dazwischenliegende
Hitze erfordern, bei welcher das Kohlenoxyd seine Wirkung äußern
könnte; indem ich aber bemerke, daß der Kohlenstoff in diesem
Fall gemeinschaftlich mit dem Kohlenoxyd die Reduction der Oxyde
bewerkstelligen würde, will ich bloß die Thatsache hinstellen,
indem ich übrigens überzeugt bin, daß das Kohlenoxydgas wegen
seiner viel innigern Berührung mit dem Erz die Reduction viel
schneller als die Kohle bewirken muß.
Man wird ohne Zweifel sagen, daß wenn ein Oxyd zu seiner
Reduction durch Kohle eine sehr hohe Temperatur erfordert, nicht
die Kohle, sondern der Kohlenstoffdampf das reducirende Agens
ist. Dagegen läßt sich einwenden, daß die Dazwischenkunft des
Kohlenstoffdampfs bei der Reduction der Oxyde und sogar dessen
Existenz noch sehr problematisch ist; aber abgesehen hievon,
warum soll man dem Kohlenstoff die Eigenschaft absprechen, bei
einer hohen Temperatur die Oxyde unmittelbar (etwa durch
Cementation) reduciren und die Metalle mit Kohlenstoff verbinden
zu können, während es unbestreitbar ist, daß er unter den
ungünstigsten Umständen, bei einer wenig hohen Temperatur direct
eine große Anzahl von Metalloxyden reducirt?
Wir müssen also nach directen Versuchen und den stärksten
Analogien zugeben, daß der Kohlenstoff im festen Zustande auf
andere ebenfalls feste Körper wirken kann, obgleich seine
Wirkung unter gleich günstigen Umständen langsamer seyn muß, als
die des Kohlenoxyds. Die HHrn. Leplay
und Laurent nehmen, um die
Cementation und Kohlenstoffung durch einfache Berührung zu
erklären, Operationen welche für sie dunkle und geheimnißvolle
sind, ihre Zuflucht zum dampfförmigen Zustand, welchen der
Kohlenstoff annehmen kann und glauben damit alle Schwierigkeiten
gelöst zu haben; aber die Cementation oder die Fortpflanzung
einer chemischen Wirkung durch die Masse eines festen Körpers
erfolgt eben so gut durch Hinzuthun von Substanz als durch
Entziehen solcher; und wenn im letztern Fall die entzogene
Substanz, z.B. der Sauerstoff eines Oxyds, wirklich Poren
hinterläßt, welche einem elastischen Fluidum wie dem Wasserstoff
oder Kohlenoxyd zugänglich sind, so ist dieß doch keineswegs bei
der Cementation mittelst Zugabe von Substanz der Fall, z.B. bei
der Vereinigung des Eisens mit Kohlenstoff, wobei das Metall
seine ganze Undurchdringlichkeit beibehält. Wenn man also auch
annimmt, daß der Kohlenstoffdampf anfangs eine Schicht
Kohlenstoff auf der Oberfläche des Eisens abgelagert und
daselbst eine Verbindung stattgefunden hat, wie soll sich diese
Kohlenstoffung in das Innere der Masse fortpflanzen, welche dem
Kohlenstoffdampf unzugänglich ist, und worin wird sie sich von
derjenigen unterscheiden, welche sich durch die bloße Berührung
der Kohle bewerkstelligt? Inwiefern wird sie endlich weniger
geheimnißvoll seyn? Allerdings ist die Cementation in ihrer
Allgemeinheit genommen, noch nicht hinreichend erklärt, aber man
kann behaupten, daß sie gänzlich unabhängig ist von dem
Flüssigwerden des cementirenden Körpers; denn sobald man
annimmt, daß die Flüssigkeit in die Poren des festen Körpers
eindringen und darin ihre Wirkung ausüben kann, findet
eigentlich keine Cementation oder Fortpflanzung einer chemischen
Wirkung durch seine Masse mehr statt, sondern bloß eine Wirkung
vermittelst der Berührung oder Vermischung.
Dem Kohlenoxyd wird Niemand die Eigenschaft bestreiten, daß es
als reducirendes Agens wirken kann; dieß weiß man schon lange;
dafür zeugt seine große Verwandtschaft zum Sauerstoff genügend,
und letztere wird durch die große Hitze bewiesen, die es während
seiner Verbrennung hervorbringt; aber Hr. Leplay hat das Verdienst, auf die Wichtigkeit dieses
Umstandes in der Metallurgie zuerst aufmerksam gemacht zu haben.
Ich wollte auch mit diesen Bemerkungen nur den von ihm
aufgestellten Grundsatz bestreiten, daß feste Körper nicht
aufeinander wirken können, wenn nicht wenigstens
einer von ihnen flüssig ist. Hr. Leplay täuschte sich dadurch, daß er auf den Hütten
die Oxyde im großen Maßstab scheinbar durch die bloße Beihülfe
des Kohlenoxyds reduciren sah und daß er folgerte, die Wirkung
des Kohlenstoffs sey Null, weil sie ihm unbedeutend schien. Der
Unterschied in der Wirkung des Kohlenoxyds und Kohlenstoffs,
wenn diese Körper mit einem Oxyd zusammenkommen, welches sie
beide zu reduciren vermögen, ist ohne Zweifel sehr groß; er
beruht jedoch auf rein mechanischen Ursachen, derentwegen man
die chemische Wirkung nicht vernachlässigen darf, welche jeder
von ihnen, je nach den Umständen worin sie sich befinden,
ausüben kann.
Wir wollen nicht bestreiten, daß die Cementation eine dunkle und
geheimnißvolle Operation ist, wie die HHrn. Leplay und Laurent glauben; wir wollen aber auch nicht zugeben,
daß dieß in so hohem Grad der Fall ist, daß man, um sie zu
erklären, die evidentesten chemischen Sähe vergessen müßte. Die
Cementation läßt sich begreifen, wenn die vorhandenen Körper in
unbestimmten Proportionen wirken, wie der Kohlenstoff bezüglich
des Eisens; wenn die Körper aber einmal im Zustand der
Verbindung von Atom mit Atom sind, so ist die Mittheilung der
einen Schichte an die andere sehr schwierig zu erklären.
Indessen gestatten die merkwürdigen Versuche des Hrn. Berthier über die Cementation nicht
zu zweifeln, daß sie hinsichtlich der stöchiometrischen
Verhältnisse auch sprungweise erfolgt. Er fand nämlich, daß eine
Masse rothen Eisenoxyds sich in einem gefütterten Tiegel
gänzlich in magnetisches Oxyd verwandelt, bevor sich noch
metallisches Eisen bildet; dann pflanzt sich die Reduction von
der Oberfläche gegen den Mittelpunkt fort und zwar so, daß in
dem Maaße als metallisches Eisen auf der Oberfläche entsteht,
sich Hammerschlag im Innern und bis zum Mittelpunkt bildet, aber
in abnehmenden Verhältnissen von der Oberfläche gegen diesen
Punkt. Endlich wenn die Cementation sehr vorgerückt ist, besteht
die Oberfläche des Königs bis auf eine beträchtliche Dicke aus
stahlartigem Eisen. (Berthier.
Essais par la voie sèche, Tom.
II pag. 186.)
Die HHrn. Leplay und Laurent haben auch gefunden, daß ein
Stück faserigen Rotheisensteins und ein Krystall von Oligonspath
durch Einwirkung des Kohlenoxyds vollkommen reducirt werden
können, daß sie aber gegen die Mitte der Operation
herausgenommen, in sehr compactes Oxyd-Oxydul verwandelt
waren, welches mit einer Schicht weichen Eisens überzogen
war.
Dieses Resultat scheint zu beweisen, daß die Reduction sogar mit
dem Kohlenoxyd (obgleich dasselbe in die durch die Entziehung
von Sauerstoff freigelassenen Poren eindringen kann) durch bloße
Cementation wie mit dem Kohlenstoff bewirkt wurde, nämlich durch
successive Uebertragungen von der Oberfläche gegen den
Mittelpunkt. Es ist sogar möglich, hievon eine genügende
Erklärung zu geben.
Man muß sich erinnern, daß das Kohlenoxyd das Eisenoxyd reducirt
und daß das metallische Eisen seinerseits die Kohlensäure
zersetzt.
Wir wollen nun annehmen, daß das Kohlenoxyd gerade so stark
reducirend wirke, als die Kohlensäure oxydirend. Es würde daraus
folgen, daß ein Gemenge von einem Molekül Kohlenoxyd und einem
Molekül Kohlensäure in Gegenwart eines Moleküls Eisenoxyd oder
eines Moleküls metallischen Eisens, weder ersteres reduciren
noch letzteres oxydiren könne. Es muß, damit eine Wirkung
stattfinden kann, eines der beiden Gase im Verhältniß zum andern
im Ueberschuß vorhanden seyn, und sie wird stets im Sinne des
vorwaltenden Gases erfolgen.
Wenn wir uns also vorstellen, es sey eine molekulare Pore durch
die Entziehung des Sauerstoffmoleküls, welches sie ausfüllte,
frei geworden, und es habe sich ein Molekül Kohlenoxyd in sie
gelagert, so ist kein Grund vorhanden, daß dasselbe auf ein
Molekül umgebenden Oxyds wirken sollte; denn wenn die Reduction
stattfinden könnte, hätte man ein Molekül Eisen und ein Molekül
Kohlensäure nebeneinander, welche durch ihre gegenseitige
Wirkung eben so gut Eisenoxyd und Kohlenoxyd reproduciren
könnten. Unter der Voraussetzung, welche wir uns gestellt haben,
wäre die Reduction nur möglich, wenn in die moleculare Pore
mehrere Moleküle Kohlenoxyd gelangen könnten, was
begreiflicherweise nicht stattfinden kann.
Es könnte also in dem gewählten Beispiel und vielen andern
ähnlichen Fällen das Kohlenoxyd nicht in das Innere der Massen
durchdringen und darin die Reduction bewirken. Wenn es also, wie
wir glauben, wirklich das Hauptagens bei der Reduction der
Eisenerze ist, so ist der Grund davon keineswegs, daß sich in
denselben molekulare Poren befinden, sondern unzählige Spalten,
welche seinen Zutritt in Masse zu jedem Molekül Eisen
erleichtern. Wenn die Reduction auf diese Weise nicht
vollständig erfolgte, weil die Massen von dem Kohlenoxyd nicht
hinreichend durchdringbar sind, so gestattet das Schmelzen der
Gangart diesem Gase sie vollends zu bewerkstelligen.
Dieses Beispiel zeigt, daß das Kohlenoxyd selbst unter solchen
Umständen nicht ausreicht, wo seine Kraft zur Reduction
hinreicht, und daß seine Wirkung weder so einfach noch so
allgemein ist, wie die HHrn. Leplay und Laurent
glaubten. Wenn ich nun auch keineswegs die Ansicht dieser Herren
theile, daß die Cementation eine ganz geheimnißvolle Operation
ist, so gestehe ich doch zu, daß sie besser studirt werden muß,
als es bisher geschah und ich bin überzeugt, daß die Bemühungen
in dieser Hinsicht nicht fruchtlos bleiben werden.
Wir dürfen nicht mehr blind an den Grundsatz der alten Chemiker
glauben: „Corpora non agunt
nisi soluta,“ im Gegentheil wirken alle
Körper, feste, flüssige und gasförmige auf einander, nur ist von
diesen drei Zuständen der Körper der feste Zustand für die
Ausübung ihrer Verwandtschaft der ungünstigste.