Titel: | Neues Verfahren zur Prüfung des Rohzuckers, der Syrupe und Melassen auf ihren Gehalt an reinem krystallisirbaren Zucker; von E. Peligot. |
Fundstelle: | Band 101, Jahrgang 1846, Nr. XXXII., S. 136 |
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XXXII.
Neues Verfahren zur Prüfung
des Rohzuckers, der Syrupe und Melassen auf ihren Gehalt an reinem
krystallisirbaren Zucker; von E. Peligot.
Aus den Comptes rendus, Jun. 1846, Nr. 23.
Peligot's Verfahren zur Prüfung des Rohzuckers
etc.
In den letzten Jahren wurden mehrere saccharometrische Proben in
Vorschlag gebracht; abgesehen von der optischen des Hrn. Biot hat Hr. Barreswil ein Verfahren bekannt gemacht, welches auf
der Eigenschaft einer alkalischen Kupferoxyd-Auflösung
beruht, keine Einwirkung auf den gewöhnlichen Zucker zu zeigen,
während sie durch den Stärkezucker reducirt wird, welcher daraus
das Kupfer als Oxydul niederschlägt) endlich hat Hr. Payen kürzlich ein einfaches und
praktisches Verfahren angegeben (polytechn. Journal Bd. C S. 127), um durch eine Art
augenblicklichen Raffinirens die Menge weißen krystallisirbaren
Zuckers zu bestimmen, welche im käuflichen Rohzucker enthalten
ist.
Das saccharometrische Verfahren, welches ich nun beschreiben
will, beruht auf ganz andern Principien, als die erwähnten
Methoden; es eignet sich übrigens sowohl für festen Zucker, z.B.
den Rohzucker, als auch für Syrupe aller Art; die dazu
erforderlichen Instrumente und Reagentien findet man in allen
Fabriken, und es erheischt keine größere Geschicklichkeit, als
nöthig ist, um eine alkalimetrische Probe zu machen.
Dieses Verfahren gründet sich auf die wesentlich verschiedene
Wirkung, welche die Alkalien auf die zwei Zuckergattungen,
nämlich den gemeinen Zucker (Rohr- oder
Runkelrübenzucker) und den Stärkezucker (Trauben-,
Schleim- und Harnruhrzucker) ausüben.
Der gemeine Zucker verbindet sich mit den Alkalien; er bildet mit
den Basen Verbindungen in bestimmten Proportionen, woraus man
den Zucker abscheiden kann, ohne daß er die geringste
Veränderung erlitten hat. Der Stärkezucker vereinigt sich
ebenfalls mit den Alkalien, aber die dabei entstehenden
Verbindungen zersetzen sich schon in einigen Augenblicken; wenn
man z.B. eine Auflösung von Stärkezucker und Kali bei der
gewöhnlichen Temperatur sich selbst überläßt, so bemerkt man,
daß die Menge des in der Flüssigkeit enthaltenen freien Kalis
täglich abnimmt, und daß es endlich, falls der Stärkezucker im
Ueberschuß angewandt wurde, gänzlich verschwindet; der
Stärkezucker verwandelt sich nämlich in eine oder mehrere
Säuren, welche die Flüssigkeit braun färben und mit dem Kali
neutrale Salze bilden.
Die Wirkung, welche die Alkalien bei der gewöhnlichen Temperatur
langsam aus den Stärkezucker ausüben, erfolgt augenblicklich,
wenn man die Auflösung dieses Zuckers zum Kochen bringt; in
einigen Minuten hat sich der Stärkezucker vollständig in jene
Säuren verwandelt.
Das Alkali welches ich zu den saccharometrischen Proben benutze,
ist der Kalk. Bekanntlich löst das reine Wasser nur 1/1000
seines Gewichts Kalk auf, während das Zuckerwasser eine
beträchtliche, seinem Zuckergehalt entsprechende Menge davon
auflöst. Die Verbindung, welche sich bildet, wenn man eine
Auflösung von gemeinem Zucker in Berührung mit gelöschtem Kalk
bringt, der in Ueberschuß angewandt wurde, hat Hr. Soubeiran untersucht; sie entspricht
der Formel 2C²⁴ H¹¹ O¹¹, 3CaO; ein doppeltes Aequivalent
Zucker = 4275 verbindet sich also mit 1050 Kalk oder 3
Aequivalenten.
Um einen Rohzucker zu Probiren, wiegt man 10 Gramme von demselben
ab und löst sie in 75 Kubikcentimeter Wasser auf; man seht nach
und nach zu dieser Auflösung, welche man in einer Reibschale aus
Glas oder Porzellan macht, 10 Gramme gelöschten und gesiebten
Kalk; man rührt das Ganze 8–10 Minuten lang um und bringt
dann das Gemenge auf ein Filter, um den unaufgelösten Kalk
abzusondern, welche Basis im Ueberschuß angewandt wurde. Man
thut gut, die hindurchgegangene Flüssigkeit noch einmal auf das
Filter zu gießen, um schnell allen Kalk aufzulösen, welchen der
Zucker aufzunehmen vermag.
Aus der Auflösung von zuckersaurem Kalk nimmt man mit einer
Saugröhre 10 Kubikcentimeter, welche man mit 2–3
Decilitern Wasser verdünnt; man gießt in diese Flüssigkeit
einige Tropfen blauer Lackmustinctur und sättigt sie dann genau
mit verdünnter Schwefelsäure von bekanntem Gehalt. Letztere
Probeflüssigkeit enthält im Liter 21 Gramme reine Schwefelsäure
mit 1 Aequivalent Wasser. 1 Liter dieser Flüssigkeit sättigt die
Quantität Kalk, welche durch 50 Gramme Zucker aufgelöst
wird.
Man bringt die Probeflüssigkeit (Schwefelsäure) zuerst in ein
Maaßgläschen (burette), wie man es
für die alkalimetrischen Proben benutzt, woran jeder
Kubikcentimeter in zehn Theile abgetheilt ist. Man füllt das
Maaßgläschen bis zum Nullstrich an und gießt dann die saure
Flüssigkeit in die alkalische Auflösung, welche man dabei
beständig umrührt, bis ihre blaue Farbe sich durch die letzten
Tropfen Säure in Roth umgeändert hat. Wenn man nun an den
Abtheilungen des Maaßgläschens die Menge Normalsäure abliest,
welche man zur Sättigung anwenden mußte, so hat man die Menge
von Kalt und folglich von Zucker, welche in der Auflösung des
zuckersauren Kalks enthalten ist. Hiemit ist die Probe von
gewöhnlichem Rohzucker beendigt; ich habe mich nämlich
überzeugt, daß sein Gehalt an Stärkezucker zu klein ist, als daß
man ihn durch die zweite Operation, welche ich nun beschreibe,
bestimmen könnte.
Es ist jedoch schon öfters vorgekommen, daß man den zum
Raffiniren bestimmten Rohzucker mit gekörntem Stärkezucker
verfälscht hat. Um diesen Betrug nachzuweisen, so wie um die
Melassen zu analysiren und die geringen im Handel vorkommenden
Zuckersorten, welche Stärkezucker in verschiedenem Verhältniß
enthalten (entstanden durch theilweise Veränderung des gemeinen
Zuckers bei den verschiedenen Operationen in den Zuckerfabriken
und Raffinerien), um diese zu analysiren, also ein Product,
welches gemeinen Zucker und Stärkezucker enthält, verfährt man
zuerst wie ich es für den Rohzucker beschrieben habe. Nach
der ersten alkalimetrischen Probe bringt man aber einen Theil
der alkalischen Flüssigkeit in einen Kolben und erhitzt ihn im
Wasserbad einige Minuten lang bis 80° R. Wenn die
Flüssigkeit nur zuckersauren Kalk enthält, welcher durch
gemeinen Zucker erzeugt wurde, so trübt sie sich durch die
Einwirkung der Wärme wegen der merkwürdigen Eigenschaft dieser
Kalkverbindung, gerade so wie das Eiweiß zu gerinnen, wenn man
sie auf 80° R. erhitzt. Diese Trübung verschwindet aber
beim Erkalten der Flüssigkeit, welche keine dunklere Farbe
annimmt, als sie vor dem Erhitzen besaß; unterzieht man sie nach
ihrem Erkalten einer zweiten alkalimetrischen Probe, so findet
man wieder ihren anfänglichen Gehalt.
enthalten hingegen die Zuckerproducte Stärkezucker, so nimmt die
im Wasserbad erhitzte Auflösung eine braune Farbe an; sie
liefert einen braunen Niederschlag, welcher bei ihrem Erkalten
nicht verschwindet, wenn viel Stärkezucker vorhanden war; sie
riecht deutlich nach verbranntem Zucker; endlich findet man bei
der zweiten alkalimetrischen Probe weniger Kalk als bei der
ersten; letzterer war ausschließlich mit gemeinem Zucker
verbunden, denn aller Kalk, welcher in der Kälte von dem
Stärkezucker aufgelöst wurde, erzeugte neutrale Salze, worauf
die Probeflüssigkeit (Schwefelsäure) nicht wirkt.
Falls man es mit reinem Stärkezucker zu thun hätte, würde die
erste alkalimetrische Probe, nachdem die Zuckerauflösung in der
Kälte mit Kalk angerührt wurde, beiläufig denselben Kalkgehalt
ergeben, wie mit gemeinem Zucker; die zweite Probe mit einer
Portion der auf 80° R. erhitzten Flüssigkeit würde gerade
so viel Kalk anzeigen, als durch ein gleiches Volum reinen
Wassers aufgelöst werden kann. Diese Quantität ist sehr klein;
ein Deciliter sättigt 4 Kubikcentimeter der Probeflüssigkeit.
Obgleich die Flüssigkeit alsdann braun gefärbt ist, kann man
doch leicht ihren Sättigungspunkt treffen, wenn man etwas mehr
Lackmustinctur zusetzt und in dem Augenblick aufhört, wo die
Auflösung, welche grünlich wird, durch Zusatz von Schwefelsäure
eine hellere Farbe annimmt.
Die Syrupe oder Melassen werden auf so eben angegebene Weise
probirt, nur muß man die Vorsicht gebrauchen, Flüssigkeiten
anzuwenden welche 6 bis 8° an Baumé's Aräometer
zeigen. Der Saft der Runkelrüben und des Zuckerrohrs werden
natürlich eben so probirt. Würde man verdünntere Auflösungen
anwenden, so könnte der Fall eintreten, daß sich nicht aller
Kalk, welchen sie aufzunehmen vermögen, rasch auflöst; sind sie
aber concentrirter, so werden sie zu klebrig, als daß man sie
schnell filtriren könnte. Man muß für diese Flüssigkeiten so
viel gelöschten Kalk anwenden, daß sein Gewicht beiläufig dem
Zuckergehalt der zu prüfenden Flüssigkeit gleich kommt, welcher
durch ihren aräometrischen Grad annähernd angezeigt wird.