Titel: | Ueber die Verfälschung der Branntweine (in Frankreich); von Girardin und Morin zu Rouen. |
Fundstelle: | Band 101, Jahrgang 1846, Nr. LXIII., S. 297 |
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LXIII.
Ueber die Verfälschung der
Branntweine (in Frankreich); von Girardin
und Morin zu Rouen.
Aus dem Journal de Chimie médicale, März 1846, S.
183.
Girardin, über die Verfälschung der
Branntweine.
Anfangs März 1844 wurden wir von dem königl. Procurator zu Rouen
aufgefordert, 35 Branntweinmuster von verschiedenen Kaufleuten
auf der Gesundheit schädliche Stoffe zu untersuchen.
Das Verfahren, welches wir dabei einschlugen, war folgendes:
– Der Branntwein wurde zuerst am Tralles'schen Alkoholometer gewogen und mit
Lackmuspapier geprüft. – Hierauf wurden ihm einige
Tropfen neutrales schwefelsaures Eisenoxyd zugesetzt, um die
Natur seines Färbestoffs zu erkennen. – Dann wurde eine
Portion destillirt, um einerseits den Alkohol und die flüchtigen
Bestandtheile, andererseits die fixen Bestandtheile zu erhalten.
Das Destillat wurde auf saure und ölige Substanzen
geprüft. – Unter den fixen Bestandtheilen wurde der
(braungeschmolzene) Zucker, die adstringirenden oder gerbenden
Substanzen, die von Pfeffer oder Piment herrührenden Stoffe,
endlich die fremdartigen Säuren aufgesucht.
Mehrere dieser Branntweine hinterließen nach dem Abdampfen einen
sehr sauren Rückstand, welcher mit Barytsalzen einen weißen, in
Wasser und Salpetersäure unauflöslichen Niederschlag
hervorbrachte, der getrocknet und mit Kohle ausgeglüht, mit
schwachen Säuren Schwefelwasserstoffgas entwickelte und
befeuchtet das Silber schwärzte; Wasser zog aus ihm
Schwefelbaryum aus, worin salpetrige Säure Schwefel abschied.
Diese Branntweine enthielten sonach offenbar freie
Schwefelsäure, freilich, wenn sie auch noch so sauer waren, nur
eine äußerst geringe Menge.
Die Färbung ist bei einigen durch braungeschmolzenen Zucker, bei
andern durch adstringirende Stoffe, wie Catechu hervorgebracht,
bei manchen auch durch den Farbstoff des Eichenholzes. In
erstern bringt schwefelsaures Eisenoxyd keine Farbenveränderung
hervor; diejenigen welche Catechu enthalten, werden davon mehr
oder weniger dunkelgrün oder braungrün gefärbt und mit dem
Eichenfarbstoff erzeugt es eine schön blauschwarze Farbe.
Einige Branntweine enthielten nicht unbeträchtliche Quantitäten
Essigsäure.
Eine scharfe Substanz, wie von Pfeffer, Piment, Bertram und
andern brennenden und scharfen Stoffen, die dem Weingeist einen
pikanten und brennenden Geschmack ertheilen, war in keinem
Muster zu entdecken.
Von diesen 35 Mustern enthielten
21
Schwefelsäure und nur
5
Essigsäure in sehr merklicher
Menge;
20
waren durch Catechu oder
adstringirende Substanzen, welchedie Eisenoxydsalze
grünen, und nur
5
durch den Gerbstoff des
Eichenholzes, endlich
7
durch braungeschmolzenen Zucker
gefärbt.
Die Branntweine der Detailleurs haben in der Regel einen geringen
Alkoholgehalt, manchmal nur 35 bis 36 Volumsprocente, sie werden
aber auch sehr wohlfeil verkauft. Es ist gerade auch nicht zu
tadeln, daß so schwache Branntweine ausgeschenkt werden, wenn
diese Schwäche nur nicht durch scharfe Substanzen maskirt
wird.
Der Gehalt an Essigsäure ist nicht Folge eines betrügerischen
Zusatzes, sondern diese Säure wird durch die Luft erzeugt; sie
findet sich vorzüglich in den alten Branntweinen
von mittlerer Stärke, und solchen welche lange in theilweise
leeren Fässern aufbewahrt wurden.
Die Ursache, weßhalb man den Branntweinen Schwefelsäure zusetzt,
ist nicht um ihren Geschmack zu verbessern, sondern um ein
Bouquet (eine Blume) darin zu entwickeln, wie es die alten
Weinbranntweine charakterisirt. Die Schwefelsäure, indem sie
nach und nach auf den Alkohol wirkt, erzeugt Aether, welcher die
Flüssigkeit aromatisirt und ihr den Schein des Alters gibt. In
den alten Weinbranntweinen ist nämlich stets etwas Aether
enthalten; in ihnen wird er jedoch durch die Einwirkung der
Essigsäure auf den Alkohol erzeugt, welche Säure sich mit der
Zeit unter dem Einfluß der Luft und der gährungsfähigen
Substanzen bildet.
Die von uns in den Branntweinen gefundene Quantität Schwefelsäure
ist zu gering, als daß sie der Gesundheit nachtheilig seyn
könnte. Dessenungeachtet ist dieser Zusatz nicht zu dulden, weil
Kaufleute, welche die heftige Wirkung dieser Säure nicht kennen,
mehr hinzusetzen könnten, als zur Erzeugung des Bouquets
nothwendig ist.
Wir stellten uns die Frage, ob die Schwefelsäure nicht davon
herrühren könne, daß der Branntwein in geschwefelte Fässer
gebracht wird; glauben aber, sie verneinen zu müssen, erstens
weil sie dann in allen Branntweinen vorkommen müßte, und
zweitens, weil die Branntweine der Detailleurs immer mehr davon
enthalten, als diejenigen der Großhändler, während jene überdieß
mit Wasser verdünnt werden.
Vor 20 Jahren bediente man sich eines ganz andern Mittels um die
künstlichen Branntweine scheinbar alt zu machen; man setzte
ihnen nämlich etwas essigsaures Ammoniak zu, um ihnen Perle und Blume (chapelet) zu
verleihen (bekanntlich Eigenschaften der guten f. g. holländischen Liköre, auf welche
Feinschmecker einen großen Werth legen), und löste etwas weiße
Seife darin auf. Einige wandten auch Traganthschleim an, welchen
sie in den Branntwein rührten; zwar fiel der größte Theil dieses
Gummis wieder zu Boden, doch blieb genug davon aufgelöst, um der
Flüssigkeit das dem guten alten Branntwein eigene ölartige
Ansehen zu verleihen.
Die Anwendung des Catechu zum Färben des verdünnten Weingeists
ist vielleicht 15 Jahre alt. Doch bedient man sich desselben
selten allein, sondern setzt noch andere adstringirende und
aromatische Substanzen zu, um dem Branntwein sowohl Bouquet als
Farbe zu geben. Jeder Likörhändler hat, so zu sagen, sein
besonderes Recept zur Bereitung seiner sogenannten Sauce. Folgende Vorschrift wurde unseres Wissens vor 10 Jahren angewandt; wir geben sie als
Beispiel einer solchen Sauce.
Catechu,
gepulvert
250 Gramme.
Sassafras
468
„
Ginsterblüthen
500
„
Schweizerthee
192
„
Hyswinthee
128
„
Frauenhaar aus
Nordamerika (Adiantum
pedatum)
128
„
Süßholz
500
„
Florentiner
Violenwurzel
16
„
Alkohol von 33
Volumsprocenten
6
Liter.
Man läßt mehrere Tage bei gelinder Temperatur digeriren und
bedient sich nachher dieser Tinctur zum Färben des mit Wasser
auf den gewöhnlichen Grad der Branntweine verdünnten Weingeists.
– Zuweilen bereitet man, statt diese Substanzen mit
Weingeist zu behandeln, einen Aufguß mit so viel Wasser, als zur
Verdünnung des Alkohols von 33 Proc Tralles erforderlich ist und
schüttet das noch warme Infusum in den Weingeist.
Im Jahr 1832 fanden wir in vielen schlechten Branntweinen ein
wenig essigsaures Blei; man bediente sich desselben zum Klären
des mit Wasser verdünnten Korn- und Kartoffelbranntweins.
In den neuerdings untersuchten Branntweinen fanden wir dieses
Salz nicht mehr; vielleicht macht die bessere Beschaffenheit des
Weingeists in Folge der Vervollkommnung der Destillirapparate
die Anwendung dieses sonderbaren Klärungsmittels nicht mehr
nöthig.