Titel: | Busse's patentirte Construction der Anti-Vibrations-Räder aus Holz und Eisen, welche größere Sicherheit gegen Rad- und Achsenbrüche als die jetzt auf Eisenbahnen gebräuchlichen Räder gewähren. |
Fundstelle: | Band 101, Jahrgang 1846, Nr. LXIX., S. 332 |
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LXIX.
Busse's patentirte Construction der
Anti-Vibrations-Räder aus Holz und Eisen, welche
größere Sicherheit gegen Rad- und Achsenbrüche als die jetzt
auf Eisenbahnen gebräuchlichen Räder gewähren.
Mit Abbildungen auf Tab. V.
Busse's Construction der
Anti-Vibrations-Räder aus Holz und Eisen.
Die auf Eisenbahnen allgemein gebräuchlichen sogenannten Losh-Patent-Räder hält
man bis jetzt für die besten, und mit Recht, wie die Erfahrung
lehrt. Ein Uebelstand jedoch, nämlich daß diese Räder sich
aufrollen und der Wagen niederstürzt, wenn der Radreif (Tyre) abspringt, kann bei denselben
nicht verhütet werden und ebenso wenig das Lockerwerden des
Radreifens.
Diesen Uebelstand habe ich beseitigt in der Construction meiner
Räder, welche nach den schon vorliegenden Ergebnissen eines
Jahrs folgende Vortheile gegen die jetzt bekannten gewähren:
1) Größere
Sicherheit und Dauer, da
z.B. ein Bruch der Speichen, wodurch andere Räder unbrauchbar
werden, nicht eintreten, auch sogar beim Abspringen des Tyre das
Rad selbst nicht zusammenbrechen kann, sondern rund bleiben
muß.
2) Geringere
Anschaffungskosten, mehr bleibender Materialwerth, längere Benutzung des Radreifens und überhaupt weit
vortheilhaftere Ausnutzung gegen andere Räder.
3) Leichtere
Anfertigung. Diese Räder können in jeder
Reparaturwerkstätte einer Eisenbahnstation durch gewöhnliche
Arbeiter angefertigt werden.
4) Mehr
Tragfähigkeit.
5) Weniger
Vibration, wodurch nicht nur das Geräusch des Wagens
sehr vermindert wird, sondern auch durch die Unterbrechung der
Vibration zwischen den Schienen und der Nabe die Achsen weit
weniger erschüttert, also länger gesund und haltbar bleiben als
bisher.
Die Anfertigung der Räder geschieht
folgendermaßen:
Die Nabe zu diesen Rädern ist von Gußeisen. In dieselbe ist, wie
Fig.
14 im Durchschnitt rechtwinkelig gegen die Achse und
Fig.
15 im Durchschnitt durch die Achse des Räderpaares
zeigt, eine Vertiefung, deren Basis ein regelmäßiges Achteck
bildet, eingegossen.
Diese Vertiefung wird an den Seiten rechtwinkelig mit dem
Nabenloche abgedreht, um aufs vollkommenste zur Aufnahme der 16
Holzkeile, welche die Speichen ersetzen, geeignet zu werden. Die
für gut befundenen Dimensionen der Nabe ergibt die
Zeichnung.
Eichenholz, Rothbuche, Weißbuche sind am brauchbarsten. Wenn man
dazu auf dem Spiegel geschnittenes Holz nimmt, was keine
Holzrisse nach außen sichtbar werden läßt, so wird das Rad um so
schöner.
Die Fasern der einzelnen Stücke dieser Speichhölzer oder Keile,
deren auf jede Grundfläche der achteckigen Vertiefung zwei zu
stehen kommen, laufen überall so, daß dem heiß darüber zu
ziehenden Radreifen (Tyre), so wie
den Keilflächen der Speichenhölzer und der Grundfläche in der
Nabe nur Hirnholz dargeboten wird, wodurch also ein Schwinden in
dieser Richtung vermieden wird.
Sollte man ein Schwinden der Speichenhölzer von der Nabenwandung
befürchten, so hat man nur nöthig durch jedes Stück Holz, wie
bei a, a angegeben, ein Loch zu
bohren und in dieses ein Querstück Eisen, was sich genau an die
Wände der Nabe anlegt, einzuschlagen, oder auch nur ein Stück
Hirnholz, so daß die Fasern dieser Stücke gegen die Nabenwände
stehen. Uebrigens ist dieses Verfahren bei der nachstehend
beschriebenen Zubereitung des Holzes hier noch niemals
erforderlich gewesen.
Die Speichenhölzer werden vorerst so zugeschnitten, daß ihre
Dimensionen in allen Richtungen etwas stärker sind als sie bei
ihrer Vollendung zum Gebrauch seyn dürfen.
Nachdem dieses vorläufige Zurichten geschehen ist, werden die
Holzstücke, wenn sie von Eichenholz genommen, 6–10
Stunden lang mit Dampf ausgelaugt, dann in Leinöl mit
Bleiglätte, oder, was noch besser erscheint und wohlfeiler ist,
in einer Mischung von 1/3 Steinkohlentheer, 1/3 Fischthran und
1/3 Harz oder Colophonium 4–6 Stunden gekocht und in
einem mäßig warmen Ofen einige Tage lang getrocknet. Buchenholz
braucht nicht gelaugt zu werden, sondern wird sofort in der
Mischung gekocht.
Durch dieses Verfahren wird dem Holz alle Feuchtigkeit benommen,
dasselbe gegen die atmosphärischen Einflüsse unempfindlich
gemacht und verliert die Neigung sich zu werfen oder zu
schwinden.
Jetzt erst werden die einzelnen Holzstücke richtig zugearbeitet
und auf allen Verbindungsflächen mit dicker Bleiweißfarbe
bestrichen, in die Vertiefung der Nabe fest eingeschlagen. Man
kann auch in die kleine Holzfläche, welche auf die Basis der
Nabe zu stehen kommt, einige eiserne Nägel einschlagen. Dann
legt man oben an beide Seiten derselben einen Ring von etwa 3/8
bis 1/2 Zoll dickem Flacheisen b, b
auf und verbindet diese beiden Ringe mit 16 durch das Holz
gehenden Nieten c, c, wodurch in
Verbindung mit dem aufrecht stehenden Holze ein Gewölbe gebildet
wird, was jeder Last vollkommen gewachsen ist.
Die so weit angefertigten Räder werden nun auf der Fläche, worauf
der Tyre zu liegen kommt, gut winkelrecht zum Achsenloch
abgedreht, damit sich letzterer an allen Punkten gleich gut
anlegt. Das Holz bleibt dabei, wie Fig.
14
d, d angedeutet ist, 1/8 Zoll höher
stehen als die Eisenringe, wodurch der Radreif eine um so
festere Auflage erhält.
Das Auflegen des glühenden Radreifs (Tyre) e, e ist von dem bei andern Rädern gar nicht
verschieden, nur bestreiche man dabei die obere, den Tyre
aufzunehmende Holzfläche d, d mit
dickem Lehmwasser, ziehe den Tyre wie gewöhnlich heiß auf und
lösche gleich nach dem Aufziehen denselben von innen mit Wasser
ab, was am besten sich machen läßt, wenn das Rad flach gelegt
und auf die Holzfläche fortwährend Wasser gefüllt wird. Das
Wasser dringt dann zwischen Tyre und Holz ein, bildet Dampf und
bringt die allmähliche Abkühlung zu Wege, ohne daß die vom
heißen Eisen berührte Holzfläche leidet. Der ungeheure Druck,
welchen der erkaltende Tyre auf die obere Holzfläche ausübt,
treibt die 16 Holzkeile aufs äußerste zusammen und es bildet
sich eine so vollkommen runde und feste Auflage für den Tyre
selbst, daß ein Lockerwerden desselben, wie es bei allen
Speichenrädern so häufig vorkommt, wahrscheinlich nie eintreten
wird.
Die Befestigung des Tyre geschieht, indem man wie gewöhnlich die
dazu erforderlichen Bolzen F in den
Tyre etwas conisch versenkt eintreten läßt, am andern Ende
derselben ein Gewinde g schneidet
und in einer dazu erforderlichen Oeffnung h im Speichenraum eine Mutter einschraubt. Nachdem
dieß geschehen, schlägt man neben die Schraube ein Stück Holz,
wodurch die Losdrehung derselben verhütet wird und verschließt
dann die Oeffnung mit einer kleinen Blechplatte.
Fast allgemein wird auf die sogenannte Elasticität der
Eisenbahnräder großer Werth gelegt und es ist viel für diese
Meinung gethan worden. Unter dieser Elasticität versteht man die
Nachgiebigkeit der verschiedenartig construirten Speichen aus
Schmiedeisen.
Nach mehrjährigen Beobachtungen glaube ich die entgegengesetzte
Meinung aussprechen zu dürfen, nämlich daß die schmiedeisernen
Speichen an Eisenbahnrädern große Uebelstände herbeiführen.
Das Lockerwerden der Tyres oder Radreifen, z.B. was man bisher
als eine Auswalzung oder Ausdehnung des Radreifens betrachtete,
entsteht durch nichts weiter als durch eine geringe Einbiegung
der schmiedeisernen Speichen, wodurch der innere Kreis des Rades
verkleinert und der äußere Reif nothwendig locker wird, weil er
größer bleibt. Schon der oft beobachtete Umstand, daß auf Rädern
mit gußeisernen Speichen die Tyres
nicht losgehen, bestätigt meine Ansicht. Die gußeisernen Räder
aber zerspringen leicht, vibriren sehr und wirken deßhalb
ungünstig auf die Achsen.
Ein zweiter Uebelstand, das Schleudern der Wagen, glaubt man,
entstehe durch das Ausschleifen der Achsenpfannen, allein nach
meinen Beobachtungen darf ich glauben, daß solches ebenfalls nur
in der Einbiegung der schmiedeisernen Speichen zu suchen ist,
wodurch der Radreif einsinkt, das Rad unrund wird und eine
heftige Seitenbewegung herbeiführt. Man gebe nur einem Wagen,
welcher schleudert, andere vollkommen runde Räder und man wird
finden, daß er dann nicht mehr schleudert.
Diese und andere Beobachtungen haben mich geleitet bei der
Construction meiner patentirten aus Holzkeilen bestehenden Räder
und ich darf jetzt, nach etwa einjähriger Nutzung, schon die
Hoffnung aussprechen, daß ich mit dieser Construction alle jene
Uebelstände beseitigt und anstatt der sogenannten Elasticität
etwas besseres, verminderte Vibration
erlangt habe, was sehr günstig auf die Haltbarkeit der Achsen
einwirken muß.
Was übrigens das Lockerwerden der Radreifen betrifft, so liegt
darüber ein schlagender Beweis hier vor: Acht alte Radreifen,
welche, zu dünn und los geworden, auf Rädern mit schmiedeisernen
Speichen nicht mehr geduldet werden durften, weil solche unrund
liefen, ließ ich im Mai v. J. auf meine Holzräder bringen,
solche nochmals abdrehen und diese Räder unter einen schweren
achträderigen Frachtwagen setzen. Dieser Wagen hat seit jener
Zeit täglich mit schwerer Ladung eine
Reise von 15 1/2 Meilen, also circa 4500 Meilen gemacht und
diese von andern Rädern als unbrauchbar abgeworfenen Radreifen
sind noch völlig dienstfähig.
Daß ich durch meine Erfindung es möglich gemacht habe, in Sachsen Eisenbahnräder herzustellen,
was vorher noch nicht geschehen, will ich nur beiläufig
erwähnen.
Die Herstellungskosten eines solchen Rades sind in Leipzig
folgende:
1) die gegossene Nabe
fertig abgedreht
5 Thlr.
15 Ngr.
2) zwei Ringe 60 Pfd.
à 3 Ngr.
6
„
– „
3) Holz 3 Kubfs à 10 Ngr.
1
„
– „
4) das Holz bituminös
zu machen
–
„
15 „
5) das Holz zu
bearbeiten, nieten etc.
–
„
20 „
6) Abdrehen der Ringe
und andere kleine Ausgaben
1
„
10 „
–––––––––––––
Kosten des innern
Rades
15 Thlr.
– Ngr.
Der Radreif kostet circa
30 „
– „
–––––––––––––
Zusammen
45 Thlr.
– Ngr.
Ein Rad mit eisernen Speichen nach Losh's Patent kostet 55 bis 60 Thlr. Den billigsten
Preis von 55 Thlr. angenommen und davon den Radreif wie oben mit
30 Thlr. abgezogen, bleiben 25 Thlr. für die Herstellung des
innern Rades, also 10 Thlr. mehr als mein Holzrad.
Besonders günstig aber stellt sich die völlige Ausnutzung meiner
Räder.
Wenn ein Patentrad nach Losh nur eine
geringe Beschädigung erlitten hat, so kann es, da eine
theilweise Reparatur nicht möglich ist, außer dem Radreifen
(welcher hier natürlich nicht in Rede kommen kann) nur für etwa
3 bis 3 1/2 Thlr. als altes Eisen verwerthet werden und die
Herstellung des innern Rades kostet also etwa 22 Thlr., während
bei dem meinigen die beiden Posten 1 und 2 zusammen 11 1/2 Thlr.
als gutes Inventarium verbleiben, die Erneuerung des innern
Rades also nur etwa 3 1/2 Thlr. kostet, die längere Dauerzeit
gar nicht gerechnet, welche auch einen nicht unbedeutenden
Gewinn geben dürfte, da der Radreif, wie ich nach den
vorliegenden Andeutungen glauben darf,
doppelt so lange halten wird als auf einem Losh oder andern Rad mit schmiedeisernen Speichen.
Weitere Erfahrungen werden zeigen wie weit meine Voraussetzungen
sich bewähren werden.
F. Busse.