Titel: | Ueber die Gasbeleuchtung im Theater; von Maschinenmeister Haenel in Dresden. |
Fundstelle: | Band 101, Jahrgang 1846, Nr. LXXV., S. 353 |
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LXXV.
Ueber die Gasbeleuchtung im
Theater; von Maschinenmeister Haenel in
Dresden.
Aus Romberg's Zeitschrift für prakt. Baukunst, 1846 Heft 3.
Mit Abbildungen auf Tab. V.
Haenel, über die Gasbeleuchtung im
Theater.
Ueber die Wahl des Gases kann in Städten, wo Anstalten zur
Bereitung des Steinkohlengases im Großen vorhanden sind und
dasselbe käuflich ist, kein Zweifel für Anwendung dieser Art Gas
bestehen, und nur solche Theaterdirectionen könnten von dem im
Verhältniß zur Intensität doch immer noch zwei- bis
dreimal theurern Oelgas Gebrauch machen, welche in die
Nothwendigkeit versetzt sind, sich ihr Gas selbst herzustellen,
indem durch die einfachen und kleinern Apparate für
Oelgasbereitung und leichte Bedienung derselben sich das
angegebene Verhältniß des Preises etwas günstiger herausstellen
würde, da Steinkohlengas nur durch continuirlichen und
großartigen Betrieb billig zu liefern ist. – Aus obigem
Grunde war deßhalb für das neue Dresdener Hoftheater vom Oelgas
ganz abzusehen und in Nachstehendem nur von mit Steinkohlengas
gespeisten Vorrichtungen die Rede.
Die Beleuchtung einer Bühne und des darauf mit einwirkenden
Auditoriums theilt sich a) in die
des Lüstres, b) der Fußrampe, c)der Coulissen, d) der Hintergardinen und Soffitten
und e) der Versatzstücke. Um nun ein
Maaß für die Brennerzahl für a und
b zu erhalten, folge hier zuerst
eine Zusammenstellung der mit diesen Einrichtungen versehenen
vorzüglichsten Theater in Brüssel und Paris:
Textabbildung Bd. 101, S. 354
Namen der
Theater; Faßt Personen; Proscenium; Weite; Zahl der Brenner;
Entfernung unt. einander; Hat
Brenner im Lüstre; Hat
Brenner im Armleuchter; Summa der gen. Brenner.;
Verhältnißzahl; Théâtre Royal in Brüssel;
Théâtre de la Gaîté in Paris;
Théâtre de la grande Opéra in Paris;
Théâtre de l'Opéra comique in Paris;
Théâtre de l'Ambigu in Paris;
Théâtre du Gymnase dram. in Paris;
Théâtre du Cirque olymp. in Paris;
Théâtre de la porte Saint-Matin in
Paris; Théâtre de l'Odéon in Paris;
Théâtre du Vaudeville in Paris;
Théâtre des Variétés in Paris;
Théâtre des Folies dram. in Paris;
Théâtre du Palais royal in Paris; Für das
Dresdener Hoftheater projectirt
Bei dieser Tabelle ist folgendes zu bemerken: die Maaße sind in
französischen Fußen und Zollen genommen, und die Brenner
durchgängig Argand'sche mit 16 Löchern, nur in der sechsten und
siebenten Rubrik, wo 2 1/2 als Divisor steht, sind es
einlöchrige Brenner in Wachskerzenform (bougies); durch ausgeführte Division erscheinen
dieselben in der achten Rubrik mit als Argand'sche Brenner;
durch weitere Division der achten in die zweite Rubrik entstand
die Verhältnißzahl, welche ausdrückt, auf wie viel Zuschauer ein
Argand'scher Brenner kommt.
a) Lüstre und
Armleuchter.
Ein Lüstre mit 90 Argand'schen Brennern wird für das neue
Dresdener Hoftheater vollkommen ausreichen, sein Auditorium gut
zu erhellen. Bei besondern Festlichkeiten könnte man noch durch
anzulegende Armleuchter die Beleuchtung verstärken. Kommen über
die Brenner matt geschliffene Glasglocken, so hat man nicht
nöthig, Körbe von feinem weißlackirtem Draht anzubringen, deren
Zweck ist, das Publicum vor dem Herunterfallen zersprungener
Glascylinder zu sichern; die Glasglocke wird denselben Dienst
verrichten und hat noch den Vortheil, das Licht gleichmäßig zu
verbreiten. Hat der Lüstre drei Reihen Brenner ohne Glasglocken,
so ist es am zweckentsprechendsten, die zwei untern Reihen mit
weißen Schirmen, welche das Licht herabreflectiren, zu versehen,
die obere Reihe jedoch ohne Schirme zu lassen; es würde auf
diese Art der Plafond und die untern Räume des Auditoriums
gleich gut beleuchtet seyn.
Die Art der Gaszuleitung ist aus Fig. 4
zu ersehen, wo zugleich auch ein eiserner Aufzug für den Lüstre
mit angegeben ist. Zwei dieser von Hrn. Melun, rue Saint-Denis,
No. 374 gefertigten Apparate sind erst neuerdings in
den Theatern des
Variétés und Gymnase-dramatique aufgestellt worden. a festliegendes Zuleitungsrohr mit
Stellhahn, b, b, b drei Scharniere,
welche weiter unten noch näher besprochen werden; c, d bewegliche Röhrentheile, welche
durch diese Scharniere verbunden sind; e Drahtseil, welches über die Leitrolle f nach dem Aufzug g geht; derselbe ist mit Rad und
Trieb im Verhältniß wie 1 : 4, hat zwei Kurbeln, Sperrrad und
Bremsscheibe, von ihm ab geht h ein
Gegengewichtsseil; i, i Durchschnitt
des Plafonds; k Oeffnung für den
Lüstre l; man steht, wie der Lüstre
durch sein Gewicht immer senkrecht geführt wird und die leichten
kupfernen Röhren c, d vermöge der
Scharniere in allen Winkeln zwischen den gegebenen Endpunkten
folgen müssen. – Fig. 5
und 6
stellen die Durchschnitte zwei verschiedener Röhrenscharniere
dar. Ihre Zusammenstellung und Beweglichkeit wird aus der Zeichnung zur Genüge erhellen. Es ist bei deren Anfertigung
darauf Bedacht zu haben, daß die Querschnittfläche der
Oeffnungen in der Feder eher etwas größer als die des Rohres
sey. Die Art in Fig. 6
eignet sich besonders für die Lüsterrohre, da die Bewegung mit
denselben in einer Ebene erfolgen muß.
b) Fußrampe.
Nimmt man bei dieser Beleuchtung sechzehnlöcherige Argand'sche
Brenner oder solche die deren Leuchtkraft gleichkommen, so würde
eine Entfernung derselben von 8 zu 8 Zoll sächsisch ein gutes
Verhältniß geben. Haben die Schirme die Form wie Fig.
7, a, so wirken sie
lichtzerstreuend, welches für die Decorationen günstig ist. Für
jede Hälfte der Rampe besteht dieser Schirm aus einem Stück und
ist bleibend an der Erhöhung b,
welche diese Beleuchtung dem Auge des Zuschauers entziehen soll,
befestigt. Die drei Reihen Glasplatten c sind blaugrün für Mondenschein, gelb und roth für
Abend- und Morgensonne; schwarze Schirme sind bei
Beleuchtung mit Gas nicht nöthig, da man zur Erreichung von
Finsterniß den Zufluß des Gases mindern kann. Die Farben müssen
nach der obern Kante der Platten zu vertrieben seyn, so daß noch
ein schmaler Streif reines Glas verbleibt; man vermeidet auf
diese Art den grellen Farbenschatten, welcher beim Auf-
oder Abgang einer solchen Plattenreihe über die Decorationen
laufen würde. Die Rampe ist vom Souffleurkasten in zwei gleiche
Hälften getheilt, und das Gasrohr geht im Winkel gebogen unter
diesem Kasten hin. Bedingung ist es, beide Hälften des Rohres so
wie der Glasplattenreihen gemeinschaftlich und leicht heben und
senken zu können. Die Beweglichkeit wird dem Gasrohr entweder
durch das elastische Lederrohr oder das Scharnierrohr
mitgetheilt; dieses hat unbedingten Vortheil, und man muß bei
den Abtheilungen der Gasbeleuchtung, welche bei jeder
Vorstellung eine stetige Anwendung haben, durchaus nur letzteres
Wahlen, da die Lederröhren bis jetzt noch nicht in der Güte
ausgeführt worden sind, daß ihre Dichtigkeit einem längern
Gebrauch widerstände.
c) Coulissenbeleuchtung.
An den letzten Wagenleitern jeder Gasse rechts und links der
Bühne geht das Speisungsrohr in die Höhe und wird am besten mit
acht Argand'schen Brennern, welche in einer Entfernung von 1
Elle übereinander stehen, ausgestattet. Es muß aber auch die
Einrichtung getroffen seyn, zur Vermehrung des Lichtes, wie es
zuweilen große Coulissen verlangen, noch eine zweite ähnliche
Vorrichtung anhängen und mit dem Gasrohr in Verbindung bringen
zu können. Damit nun der letzte Wagen einer jeden Gasse,
gewöhnlich der „Beleuchtungswagen“ genannt,
für Stellung und Verwandlung der Decorationen eben so verwendbar
sey wie die andern, ist es nöthig, sein Gaszuleitungsrohr
beweglich zu machen. Fig. 8
gibt eine Einrichtung zu diesem Zweck, welche, wenn es sonst die
örtlichen Verhältnisse der Maschinerie erlauben, am einfachsten
seyn dürfte. a untere Schwelle mit
Bahn; b, b obere Schwellen, deren
Zwischenräume die Canäle bilden, die den Zungen der Leitern und
dem obern Wagentheil als Leitung dienen; c der Wagen; d die Leiter;
e, e feste Gasröhren; f, f dergleichen bewegliche Theile,
durch drei Scharniere unter sich und mit den festen Röhren
verbunden; das Rohr steigt breit gedrückt durch den Canal und
dann wieder rund am vordern Schenkel der Leiter hinauf. Der
Wagen ist sonach im Stande, vom Scharniere, welches an der obern
Schwelle befindlich ist, sich um die Länge der zwei beweglichen
Röhrentheile sowohl vor- als rückwärts zu bewegen. Zu
dieser Bewegung, bei der die beweglichen Röhrentheile aneinander
vorbeigehen müssen, eignen sich die in Fig. 5
abgebildeten Scharniere am besten. Fig. 9
ist eine Hinteransicht des Wagens, in welcher die einzelnen
Theile mit gleichen Buchstaben wie in Fig. 8
bezeichnet sind; sie wird dazu dienen, Gesagtes noch mehr zu
versinnlichen.
Die Farbe der Coulissenbeleuchtung muß zu verändern seyn. Eine
Vorrichtung zu diesem Zweck ist an Fig. 8
mit angegeben und Fig.
10 ein Querdurchschnitt derselben in vergrößertem
Maaßstabe. g, g ist eine eiserne
Stange, die bei h, h in Lagern geht,
und auf welcher schmiedeiserne Bügel i,
i mittelst Schrauben k
befestigt werden. Das untere Lager k
ist ein Scherenlager, welches beim Oeffnen desselben eine
verticale Bewegung der Stange zuläßt. Zwei von den Bügeln i sind jedesmal mit einem Schirm l von Schwarzblech verbunden; die
etwas überstehenden Ränder dieses Bleches nehmen dann leichte
Rähmchen m von Eisen auf, welche
halb mit rother und halb mit blauer Florence überzogen sind. Es
wird nun leicht erhellen daß, wenn die verschiedenen Schirme in
den Brennern entsprechenden Entfernungen angebracht sind, durch
Heben und Senken der ganzen Vorrichtung jedesmal eine gleiche
Partie vor die Flammen gedreht werden kann. Obgleich weiter oben
gesagt wurde, daß bei Gasbeleuchtung schwarze Schirme unnöthig
sind, so ist es bei den Coulissen doch vortheilhaft, dieselben
in beschriebener Art anzubringen, da es bei dieser Beleuchtung
öfters vorkommt, eine partielle Verdunkelung eintreten zu
lassen, welche damit am schnellsten bewerkstelligt wird.
d) Beleuchtung
der Hintergardinen etc.
Um eine wirksame Beleuchtung der weit zurückhängenden
Hintergardinen zu haben, dienen die eine oder zwei Gassen vor
denselben aufgehängten Beleuchtungskästen (herses). Aus Fig.
11 ist der Querdurchschnitt einer solchen Vorrichtung
zu ersehen: a Schirm von Eisenblech,
inwendig weiß lackirt; b das
kupferne 1 1/2 Zoll starke Gasrohr, mittelst der Kloben c fest mit dem Schirm verbunden; d Brenner mit Schnitt, sogenannter
Straßenbrenner, welche sich wegen ihrer breiten Flamme am besten
hiezu eignen; e die rahmenartige
Vorderseite mit Gewebe von schwachem Draht überzogen, welche in
f angehängt ist und sich bei g öffnen läßt; h Ketten, woran der Kasten hängt.
Diese Ketten sind 3–4 Ellen lang und haben dann zum
Aufzug Hanfleinen zur Verlängerung. Die Entfernung der Brenner
von Mitte zu Mitte ist bei den meisten Theatern 6 Zoll
sächsisch, welches auch ein annehmbares Verhältniß ist. Die
Länge des ganzen Apparates soll etwas weniger als die Breite der
größten Gardinen seyn, 30 Ellen möchten für Dresden genügen.
Das Anbrennen dieser Beleuchtungskästen geschieht, wenn nicht
sehr complicirte Vorrichtungen daran seyn sollen, mit Sicherheit
nur von der Bühne aus, indem das elastische Rohr mit von der
ersten Maschinengallerie herabgelassen wird. In Hinsicht des
Gasleitungsrohres muß die Einrichtung getroffen seyn, diese
Apparate in jeder Coulissengasse beliebig und leicht vor-
und rückwärts gekehrt aufhängen zu können. Es liegt deßhalb
dieses Rohr am sichersten und bequemsten neben den Rahmen der
untersten Maschinengallerie, und es gehen von demselben in jede
Gasse Ableitungsarme mit Schraubenansätzen versehen bis über die
Bedielung besagter Gallerie, um an diese die beweglichen Röhren
andichten zu können. Zugleich dienen diese Arme dazu, die
Mondscheinreflectoren, von denen eine Art in Fig.
12 in der Seitenansicht angegeben ist, damit speisen
zu können. Fig.
13 ist die Hinteransicht von Fig.
12. Dieser Apparat besteht aus einem Lattengestelle,
welches in a, a mit Leinwand
überzogen ist; b ein großer
doppelter Argand'scher Brenner; c
Ansatz für das elastische Rohr; d
ein concaver Messingschirm; e eine
Oeffnung, durch welche man zum Hahn gelangen kann; f ein eiserner Bügel zur Befestigung
des Apparates an der Maschinengallerie; g Kette zu demselben Zweck; in h ist der Kasten von der schmalen Seite offen, eben so
in i, um hier der Flammenhitze Abzug
zu verschaffen; das Ganze ist inwendig hellgrün angestrichen.
Vier bis fünf dergleichen Kästen genügen für die größten
Mondscheindecorationen.
e) Beleuchtung
der Versatzstücke.
Wie schon oben bemerkt, muß an den Beleuchtungswagen die
Möglichkeit vorhanden seyn, ein zweites Rohr anzusetzen. Dieses
benutzt man denn nun auch, um Gasröhren, welche hinter
Versatzstücke gelegt werden, damit zu verbinden. Als
Mittel- oder Verbindungsrohr bedient man sich des
elastischen Rohres, wovon man Stücke von verschiedener Länge
vorräthig haben muß. Gewöhnlich sind diese Röhren zur
Versatzstückbeleuchtung von Kupfer, haben 1 Zoll im Durchmesser
und von 4 zu 4 Zoll feine Löcher, aus denen das Gas strömt. Doch
hat man neuerdings dergleichen Röhren mit Schnittbrennern
angefertigt, welche im Gebrauch sicherer sind und eine
bestimmtere Beleuchtung zulassen.
Zuleitung des Gases.
Was nun die Zuleitung des Gases zu sämmtlichen Abtheilungen der
Beleuchtung eines Theaters betrifft, so ist das in der großen
Oper in Paris befolgte System am vollständigsten. Das Hauptrohr
tritt von der rue Pinon und zwar in
der Nähe der Prosceniumsmauer ins Gebäude; hinter dem großen
Abschlußhahn theilt sich dieses Rohr in sechs Arme, wovon vier
den beschriebenen verschiedenen Apparaten angehören, der fünfte
zur Beleuchtung der Foyers, Gänge etc. im Auditorium und der
sechste endlich für die Garderoben und übrigen Räume des
Bühnenhauses verwendet wird. Jeder unserer vier Rohrarme hat
einen Stellhahn mit horizontaler Scheibe, in welche zehn Löcher
zum Einstecken eines Stiftes gebohrt sind; ein Zeiger an der
Feder des Hahnes stößt bei der Bewegung derselben an diesen
Stift an; sind diese Löcher nun durch Versuche so vertheilt, daß
bei Nr. 10 die größte und bei Nr. 1 die möglichst kleinste
Durchgangsöffnung ist, so hat man demnach zehn verschiedene
Beleuchtungsgrade, welche ausreichend genügen, und ein,
höchstens zwei Mann sind im Stande, alle Lichtverwandlungen mit
größter Schnelligkeit auszuführen.