Titel: | Ueber Palmenzucker. |
Fundstelle: | Band 101, Jahrgang 1846, Nr. LXXX., S. 389 |
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LXXX.
Ueber
Palmenzucker.
Aus dem Journal de Pharmacie, Mai 1846, S. 345.
Ueber Palmenzucker.
Hr. Dr. Pereira übergab der Société de Pharmacie zwei
Palmenzucker-Proben, deren eine von Cuddalore in
Ostindien, die andere von Mogador (Afrika) ist. Erstere hatte
ihm der kürzlich von Cuddalore angekommene Schiffschirurg James
Stevius abgelassen, welcher eine
große Quantität davon mitbrachte. Diese Zuckersorte gehört in
die Classe der weißen raffinirten Zucker, ist gelblichweiß und
hat die Textur und den Geschmack des raffinirten
Rohrzuckers.
Die Probe von Mogador erhielt Hr. P. von einem Mäkler unter dem
Namen Dattelzucker von Mogador. Derselbe ist braun, nicht
raffinirt und hat die glänzende krystallinische Textur des
braunen Rohrzuckers nicht. Die im Handel unter dem Namen
Dattelzucker von Cuddalore und Mogador etc. bekannten Zucker
sollen Fehler haben, und wenn man sie zu raffiniren sucht, einen
Zucker bilden, welcher sich beim Trocknen zerbröckelt, weßhalb
sie, so wie sie die Specereihändler einführen, verkauft und
andern Zuckersorten beigemengt, aber nicht raffinirt werden.
Ueber den indischen Palmenzucker; von
Stevius.
Der Palmenzucker wird vorzüglich in Cuddalore, an der Küste von
Coromandel, von einigen französischen Kaufleuten zu Pondichery
fabricirt. So kömmt er als Colonialzucker auf den englischen
Markt, während er, wenn er zu Pondichery fabricirt würde, als
fremdes Product verzollt werden müßte. Er wird gewöhnlich durch
Raffiniren des Jaggary, eines bei den
ärmeren Classen in Indien gebräuchlichen rohen Zuckers,
erhalten. Der Jaggary ist braun von Farbe, wie die gemeine
Moskovade, körnig und feucht; er wird in Matten oder Säcken von
Palmenblättern versendet und vorzüglich aus Ceylon bezogen.
Man erhält ihn durch Concentriren des Saftes der verschiedenen
Palmarten, namentlich der Palmyra- oder Brahpalme, der
Cocospalme und der Zwergfächerpalme und im nördlichen Theil des
Landes von der wilden Dattelpalme. Der Saft wird des Nachts
mittelst in den obern Theil des Stammes dieser Bäume gemachter
Einschnitte erhalten; man bringt ihn zum Sieden ehe die Gährung
beginnt, nachdem man ihm Muschelkalk (Chunam) zugesetzt hat, um
diese aufzuhalten; der so erhaltene Syrup wird dann mit
10–15 Proc. Sand und Erde vermengt, um ihn fester,
transportabler und schwerer zu machen. Dieser Saft bildet, ehe
er gährt, eine frische, angenehme, Toddy genannte süße Flüssigkeit; nachdem er die
weinige Gährung bestanden, gibt er bei der Destillation die
geistige, Arak genannte Flüssigkeit.
In Indien zahlt jeder Baum der zu diesen beiden Zwecken
dienenden Palmenpflanzungen der Compagnie eine jährliche Abgabe
von einer Rupie. In Cuddalore sind vier Zuckerfabriken. Die
vorzüglichste gehört den HHrn. Viney
und Cordoya zu Pondichery. Ihr
Verfahren besteht darin, den Jaggary über Feuer in Wasser
aufzulösen, mit Zusatz von etwas Kalk, um die Gährung zu
verhindern; man klärt sodann mit Kalk und Eiweiß. Nachdem der
Syrup durch ein Filter von Thierkohle gelaufen, wird er noch
einmal gesotten, worauf man ihn durch ein baumwollenes Tuch
laufen läßt. Nun bringt man ihn wieder aufs Feuer und wenn er
die gehörige Consistenz hat, wird er in hölzerne oder irdene
Gefäße ausgegossen, aus denen man die Melasse abfließen läßt. Um
den Zucker möglichst weiß zu machen, schüttet man Rum oder Syrup
von feinem Zucker darauf. Man setzt ihn dann der Sonne aus, um
ihn zu trocknen und versendet ihn in Ballen. Dem Rohrzucker wird
er niemals beigemengt.
Der so erzeugte Zucker kann ohne Zweifel den Rohrzucker ersetzen;
er ist wohlfeiler als dieser. Die Palmen wachsen in allen
tropischen Ländern in Menge und auf trockenem, sandigem Boden,
der nichts anderes zu tragen vermag. Sie bedürfen nur
unbedeutender Pflege; nur so viel, daß sie sich in ihrem üppigen
Wuchse über die sie umgebenden Binsen erheben können, und als
zur Befreiung ihrer Stämme von den sie umwachsenden
Schmarotzerpflanzen nöthig ist. Dieser Zucker müßte natürlich
reiner ausfallen, wenn man mit seiner Zubereitung besser
umzugehen müßte. Die älteste Fabrik besteht erst seit fünf
Jahren; sie erzeugte im verflossenen Jahr nur 6000 Tonnen. Die
Melasse dieses Zuckers hat bis jetzt nur wenig oder gar keinen
Werth auf dem englischen Markt. Zwei Häuser zu Cuddalore machten
Rum daraus.
Die Palmyra- und die Cocospalme erreichen in neun Jahren
eine Höhe von 100 Fuß, und letztere trägt längere Zeit jährlich
500 Nüsse. Die Blätter der Palmyra-Palme dienen den
Eingebornen zu verschiedenen Zwecken; sie schreiben ihre Briefe
mit einem spitzen Griffel darauf. Obwohl die französischen
Kolonisten zu Pondichery Zucker auf ihrem Gebiete fabriciren,
dürfen sie ihn nach einem Vertrag mit der ostindischen Compagnie
doch nicht nach Frankreich einführen; sie unterlassen auch die
Fabrication von Opium und Salz gegen eine Entschädigung von
Seiten der Compagnie.