Titel: | Verfahren Cyankalium oder Blutlaugensalz durch Behandlung der gewöhnlichen Schmelze mit Ammoniakgas zu fabriciren, worauf sich James Laming, im Mark-lane, City von London, am 18. Novbr. 1845 ein Patent ertheilen ließ. |
Fundstelle: | Band 102, Jahrgang 1846, Nr. XXX., S. 158 |
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XXX.
Verfahren Cyankalium oder Blutlaugensalz durch
Behandlung der gewöhnlichen Schmelze mit Ammoniakgas zu fabriciren, worauf sich
James Laming, im
Mark-lane, City von London, am 18. Novbr.
1845 ein Patent ertheilen ließ.
Aus dem Repertory of Patent-Inventions, Sept. 1846,
S. 177.
Laming's Verfahren Blutlaugensalz zu fabriciren.
Ehe ich die mir patentirten Verbesserungen in der Blutlaugensalz-Fabrication
beschreibe, wie sie mir von einem Ausländer mitgetheilt
wurden, will ich zum besseren Verständniß derselben die Thatsachen oder Principien
angeben, worauf sie sich gründen; es sind folgende:
1) Wenn eine thierische Substanz, die sowohl Stickstoff, als Wasserstoff und
Kohlenstoff enthält, einer Temperatur ausgesetzt wird, welche die niedrige
Rothglühhitze nicht übersteigt, so verbindet sich 1 Aequivalent Stickstoff mit 3
Aequivalenten Wasserstoff zu 1 Aequivalent Ammoniak und der Kohlenstoff wird
abgeschieden.
2) Wenn Ammoniak dem Kohlenstoff bei voller Rothglühhitze ausgesetzt wird, tauscht 1
Aeq. Ammoniak von seinem Wasserstoff 2 Aeq. gegen 2 Aeq. Kohlenstoff aus und wird
dadurch Blausäure.
3) Wenn freies Kalium oder Natrium ebenfalls zugegen ist, gibt das Aeq. Ammoniak
seine 3 Aeq. Wasserstoff ab und der zurückbleibende Stickstoff nimmt an deren Stelle
2 Aeq. Kohlenstoff auf, um Cyan zu bilden, welches sich mit 1 Aeq. Kalium oder
Natrium vereinigt.
4) Wenn man thierische Substanzen der zerstörenden Destillation aussetzt, muß sich
das Ammoniak immer früher bilden, als Blausäure oder Cyanmetall entstehen kann.
5) Wenn man ätzendes oder kohlensaures Kali oder Natron innig mit Kohlenstoff
vermengt und einer Hitze aussetzt, welche sich der Weißglühhitze nähert, so wird
deren metallische Basis (Kalium oder Natrium) frei und entweicht in Dampfgestalt.
Kommt Ammoniak mit der Mischung von Kohlenstoff und ätzendem oder kohlensaurem Kali
oder Natron in Berührung, so werden das Kalium und Natrium schon bei einer
niedrigeren Temperatur reducirt, indem eine volle Rothglühhitze hinreicht.
6) Cyankalium verwandelt sich in Cyaneisenkalium oder Blutlaugensalz, indem es von 3
Aequivalenten seiner Basis 1 Aequivalent gegen 1 Aeq. Eisen austauscht; dasselbe
gilt von Cyannatrium und diese Veränderung kann man dadurch bewirken, daß man das
Cyankalium oder Cyannatrium, in Wasser aufgelöst, mit fein zertheiltem metallischem
Eisen oder Eisenoxyd in Berührung bringt.
Das gewöhnliche Verfahren Kalium und Natrium mit Cyan zu verbinden, um Blutlaugensalz
zu gewinnen, besteht darin, unreines kohlensaures Alkali und thierische Substanz in
eisernen Kesseln der Rothglühhitze auszusetzen und für die erforderliche Berührung
des Stickstoffs und Kohlenstoffs der thierischen Substanz mit dem metallischen
Element durch Umrühren der teigigen Masse zu sorgen. Während sich die Temperatur der
thierischen Substanz der Rothglühhitze nähert, wird beständig Ammoniak erzeugt, und
da dasselbe flüchtig ist, so entweicht es und ist verloren; dieß geht so fort bis
die Hitze groß genug wird, um den Stickstoff und Kohlenstoff der thierischen
Substanz in Cyan zu verwandeln und dieses Cyan durch seine Vereinigung mit der
metallischen Basis des Alkalis zu fixiren Eine andere Quelle von Verlust ist die
Schwierigkeit zu bewerkstelligen, daß die verschiedenen Elemente welche zu verbinden
sind, einander in der teigigen Masse auffinden, denn bevor noch jedes mit dem
anderen durch mechanisches Umrühren in Berührung gebracht werden kann, wird ihre
Temperatur erhöht und die entstehenden fremdartigen Gase, welche flüchtig sind,
haben Zeit zu entweichen. Ein dritter Uebelstand bei dem gewöhnlichen Verfahren
beruht darauf, daß der Kohlenstoffgehalt der thierischen Substanz in Vergleich mit
ihrem Stickstoff größer ist als derjenige im Cyankalium und Cyannatrium; der größere
Theil dieses Kohlenstoffs bleibt wegen seiner fixen Natur zurück, um die Masse in festen
Zustand zu versetzen, aus welcher der Stickstoff so frei entweicht, daß es nöthig
wird mit dem Zusetzen thierischer Materie aufzuhören; die Masse ist nämlich zu fest,
daher die chemische Wirkung nicht eher vor sich gehen kann, als bis sich genug
Stickstoff verbunden hat, um viel Alkali in Cyanmetall zu verwandeln.
Es wurden bis jetzt zwei Verfahrungsarten patentirt, um die Verluste bei der
gewöhnlichen Methode Blutlaugensalz zu fabriciren, zu vermeiden. Nach der einen soll
man das Ammoniak, welches sich aus einem erhitzten Gemenge von Alkali und
thierischer Materie entwickelt, zuerst über die Oberfläche von geschmolzenem Alkali
leiten, welchem kein Kohlenstoff beigemengt ist, und hernach in ein Gefäß welches
eine Auflösung von Alkali enthält. Nach der anderen Verfahrungsweise soll man das
Ammoniak, welches sich aus erhitzter thierischer Materie entbindet, aufwärts und
abwärts durch eine Reihe senkrechter Röhren leiten, welche nach dem Princip
umgekehrter Heber angeordnet, zum Rothglühen erhitzt, und mit einem Gemenge von
Holzkohle, Potasche und Eisen (in kleine Stücke zerstoßen) beschickt sind.Polytechn. Journal Bd. XCV S.
293. Die erste Verfahrungsweise betreffend, wissen alle Chemiker, daß
geschmolzenes Alkali das Ammoniak nicht in Cyan zu zersetzen vermag, es sey denn
Kohlenstoff zugegen; und hinsichtlich der letztern Methode ist es klar, daß es
darauf ankömmt, daß die Mischung in den umgekehrten Hebern niemals aus dem festen
oder körnigen Zustand kommt, weil sie die Röhren verstopfen würde, wenn sie in den
flüssigen oder teigförmigen überginge; der Patentträger hat dafür durch die große
Menge unschmelzbarer Holzkohle im Verhältniß zur Potasche gesorgt.
Diese Erfindung benutze ich, indem ich Holzkohlenpulver oder sonstige Kohle mit
ätzendem oder kohlensaurem Alkali vermengt, durch Erhitzen beständig in flüssigem
oder wenigstens teigartigem Zustande erhalte, welcher der chemischen Reaction,
wodurch das Alkali in Cyanmetall verwandelt wird, sehr günstig ist; dieß geschieht
schnell, unter diesen Umständen, wenn man in die geschmolzene
Mischung von Potasche und Kohlenpulver einen Strom Ammoniakgas leitet. Aus
der Potasche oder Soda wird durch die Einwirkung des erhitzten Kohlenstoffs Kalium
oder Natrium reducirt, wozu die Verwandtschaft derselben zum Cyan – welches
gleichzeitig durch Vereinigung von Kohlenstoff mit dem Stickstoff des Ammoniaks
gebildet wird – beiträgt, daher Cyankalium oder Cyannatrium entsteht, welches Product an
Quantität beständig zunimmt (weil der Ammoniakstrom fortgesetzt wird), bis ein
großer Theil des Alkalis in Cyanmetall verwandelt worden ist. Ich habe gefunden, daß
man bei Anwendung von kohlensaurem Alkali über dreißig Procent gepulverte Holzkohle
zusetzen kann, ohne daß der flüssige Zustand der Masse aufgehoben wird, falls man
die Temperatur bis zur vollen Rothglühhitze steigert. Wendet man aber die Potasche
oder Soda in ätzendem Zustande an, so kann man noch mehr Holzkohle zusetzen, oder
was vortheilhafter ist, die Mischung in flüssigem Zustande erhalten, ohne die Hitze
so hoch zu steigern. Ich ziehe es vor, das Ammoniakgas durch die Mischung von Kohle
und geschmolzenem Alkali streichen zu lassen; man kann es aber auch bloß über deren
Oberfläche leiten. In beiden Fällen ist es gut, wenn mehrere Gefäße mit den
erhitzten Materialien beschickt und durch Röhren mit einander verbunden sind, damit
der Stickstoff des Ammoniaks, welcher der chemischen Reaction im ersten Gefäß
entgeht, in den folgenden sich mit Kohlenstoff zu Cyan vereinigt. Man hat also
eigentlich einen Woolfe'schen Apparat, wovon sämmtliche Gefäße rothglühend gemacht
werden, mit Ausnahme des letzten, in welches man Wasser füllt, um die Kalium-
oder Natriumdämpfe, die sonst verloren gingen, zu verdichten. Das erste Product ist
wie bei der gewöhnlichen Methode Blutlaugensalz zu fabriciren, Cyankalium (oder
Cyannatrium), welches man aus der Masse (Schmelze, metal) dadurch absondern kann, daß man sie in Alkohol von 0,896 spec. Gew.
(25° Baumé) kocht; heiß filtrirt, setzt sie dasselbe beim Erkalten
großentheils ab. Um Blutlaugensalz zu erhalten, wird die Schmelze auf gewöhnliche
Weise behandelt, indem man nämlich die durch Wasser ausgezogenen Bestandtheile
derselben mit Eisen in Berührung bringt, die Auflösung dann abdampft und
krystallisiren läßt, endlich das Product durch Umkrystallisiren reinigt.
Um nach meinem Princip zu arbeiten, kann man verschiedene Apparate construiren, wovon
ich einige beschreiben will.
Ein solcher besteht aus drei eisernen luftdicht bedeckten Kesseln, welche nach Art
gewöhnlicher Woolfe'schen Flaschen mit einander communiciren; die Eintrittsröhre
(für das Ammoniakgas) reicht nämlich im ersten Kessel bis nahe auf dessen Boden
hinab; seine Austrittsröhre reicht beinahe bis auf den Boden des zweiten Kessels
hinab etc.; die Austrittsröhre des dritten Kessels taucht in ein Gefäß mit Wasser,
um die Kalium- oder Natriumdämpfe zurückzuhalten und zu oxydiren. Jeder
dieser Kessel hat im Deckel ein Mannsloch, mittelst dessen er beschickt und entleert
wird, und eine Thür, wodurch er vollkommen geschlossen werden kann. Jeder bedeckte
Kessel befindet sich in einem Ofen und kann so stark erhitzt werden, daß sein Inhalt
beständig im Fluß erhalten wird; seine Beschickung sollte ihn im geschmolzenen
Zustande beiläufig zur Hälfte füllen.
Bei Anwendung dieses Apparats wird das Ammoniak vermöge seiner eigenen Elasticität
unter dem Druck, welcher durch seinen Uebergang in gasförmigen Zustand entsteht, in
dem ersten Kessel durch die flüssige Mischung von Alkali und Kohlenstoff getrieben
und daselbst in Stickstoff oder Cyan zersetzt; nachdem sich das Kalium oder Natrium
im ersten Kessel mit Cyan gesättigt hat, entweicht das Ammoniak oder sein Stickstoff
oder das ungebundene Cyan in den zweiten Kessel, um darin ebenfalls Cyankalium oder
Cyannatrium zu erzeugen; ebenso kann Ammoniak oder dessen Stickstoff oder das
entstandene Cyan im dritten Kessel anlangen; dann ist es Zeit die Operation zu
unterbrechen, um die zwei ersten Kessel zu entleeren und neuerdings zu
beschicken.
Wegen der Flüchtigkeit des Kaliums und Natriums bei hohen Temperaturen können sich
die Verbindungsröhren zwischen den Kesseln leicht verstopfen; aus diesem Grunde
mache ich sie gerade und verbinde sie unter rechten Winkeln so mit einander, daß ich
durch Entfernen des Schraubenpfropfs vom Ende jedes geradlinigen Stücks im Stande
bin dessen Inneres durch Einführen eines kurzen Eisenstäbchens zu reinigen. Damit
dieß aber nicht zu oft wiederholt werden muß, sollte der Durchmesser der Röhren so
groß seyn als es angeht.
Ich will nun eine Modification dieses Apparats beschreiben, für Fälle wo man den
Druck vermeiden will, welcher nöthig ist um den Widerstand zu überwinden, den die
flüssige Masse, worin die Röhren untertauchen, dem Ammoniakstrom entgegensetzen. Ich
lasse nämlich bei dieser Modification des Apparats alle Eintrittsröhren kurz unter
dem Deckel der Kessel endigen, ausgenommen diejenige des letzten offenen Kessels,
welche man ohne Nachtheil im Wasser untertauchen lassen kann. Das Ammoniakgas wird
in diesem Fall durch einen beträchtlichen Druck vorwärts getrieben und kommt mit der
Oberfläche der geschmolzenen Ingredienzien in den verschiedenen Kesseln nacheinander
in Berührung, bis es entweder zersetzt und sein Stickstoff absorbirt ist, wie im
vorhergehenden Fall, oder durch die letzte Austrittsröhre entweicht; damit aber das
Ammoniak nicht unzersetzt entweicht, vergrößert man entweder die Anzahl der Kessel
oder versieht, was besser ist, jeden der drei Kessel mit einer Rührvorrichtung. Im
letztern Fall sollte man jeden Kessel mit einem hohen kegelförmigen Deckel versehen,
an dessen Spitze sich eine Stopfbüchse befindet, worin sich die Achse des Rührers
dreht, welche oben
mittelst eines Wasserstroms, der durch eine kleine die Stopftbüchse umgebende
Cisterne läuft, hinreichend kühl erhalten wird. Bei diesem Apparat können die
geschmolzenen Ingredienzien in flüssigem, halbflüssigem oder teigartigem Zustand
seyn.
Das Ammoniakgas mag wie immer (aus Gaswasser, Urin, durch Destillation von Knochen
und anderen thierischen Materien, durch Zersetzung von irgend einem Ammoniaksalz
etc.) gewonnen worden seyn, so muß es so viel als möglich von Wasserdampf befreit
werden, ehe man es in die geschmolzenen Materialien leitet.
Anstatt das Ammoniakgas durch einen besonderen Proceß oder in einem besonderen Gefäß
zu entwickeln, kann man es auch aus der thierischen Materie in den Kesseln, worin
das Cyanid gebildet wird, sich entbinden lassen. Hiezu verfährt man folgendermaßen:
man bereitet eine kaustische Kali- oder Natronlauge und versetzt sie kochend
mit soviel thierischer Materie als sie leicht auflöst; die Auflösung wird dann zur
Trockniß abgedampft und die Masse in diesem Zustand zum Gebrauch aufbewahrt. Wenn
man eine Portion von dieser Masse in jedes der erhitzten Gefäße bringt, mit Ausnahme
des letzten der Reihe, und das letzte erhitzte Gefäß mit einer Mischung von Kohle
und Potasche oder Soda beschickt, so muß das Ammoniak, welches aus jedem der Gefäße
in der Reihe entweicht, durch eines oder mehrere aufeinanderfolgende Gefäße
streichen und sich dabei nach und nach zersetzen, wobei der freigeworbene Stickstoff
in Cyan verwandelt und dann absorbirt wird. Dieß setzt mich in Stand die
wohlfeileren Sorten thierischer Materie, z.B. ungetrocknetes Fleisch und
Aaseingeweide, alte wollene Lumpen etc. zu benutzen, welche wegen ihres
Wassergehalts oder zu großen Volums sich im natürlichen Zustand nicht wohl mit
rothglühendem Alkali vermischen lassen.
Bisweilen bringe ich auch die Masse, welche ich beim Abdampfen der Auflösung
thierischer Materie in kaustischem Alkali erhalte, geradezu in rothglühende offene
Kessel. In diesem Fall geht viel Ammoniak verloren; da aber die gewöhnliche
mechanische Beimengung durch eine innige chemische Verbindung ersetzt ist, so
bekommt man mehr blausaures Salz, als wenn man eine gleiche Menge thierischer
Materie nach dem gewöhnlichen Verfahren verarbeitet.