Titel: | Ueber eine neue Art der Fortpflanzung des Verderbnisses der Kartoffeln; von Payen. |
Fundstelle: | Band 102, Jahrgang 1846, Nr. XLVIII., S. 245 |
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XLVIII.
Ueber eine neue Art der Fortpflanzung des
Verderbnisses der Kartoffeln; von Payen.
Im Auszug aus den Comptes rendus, Aug. 1846, No.
9.
Payen, über eine neue Art der Fortpflanzung des Verderbnisses der
Kartoffeln.
Hr. Payen übergab der
französischen Akademie Proben einer Fortpflanzungsart der Kartoffelkrankheit, welche
im Jahr 1845 selten vorkam, im Jahr 1846 sich aber mehr verbreitete. Sie besteht in dem Eindringen der
Keimkörner (propagales) an mehreren Punkten der
Peripherie der Kartoffeln; das Gewebe ist alsdann vorzüglich in jenen Theilen davon
überfallen, die den normalen oder zufälligen Oeffnungen oder Rissen in der Epidermis
entsprechen. Die gegen den Mittelpunkt gerichtete Schmarotzervegetation dringt mehr
oder weniger tief ein, je nachdem das Gewebe mehr oder weniger erschlafft ist; sie
hat das Aussehen entweder einer oder mehrerer innerer Warzen, oder eines kleinen
Cylinders von rother Farbe, um welchen herum das aufgelöste Stärkmehl eine Zone
durchscheinender Zellen zurückläßt.
Diese Art begränzter, anfangs bloß oberflächlicher, später aber mehr oder weniger
tief eindringender Flecken zeigen sich gegenwärtig in großer Menge auf den
Kartoffeln von Feldern, auf welchen Blätter und Stengel bisher die Charaktere ihrer
thätigen Vegetation beibehalten hatten.
Das eine Muster von einer auseinandergeschnittenen Kartoffel erinnert an die im Jahr
1845 allgemein gewesene Art des Anfalls, welche identisch auch im Jahr 1846 wieder
vorkömmt; man sieht, wie die rothe Substanz sich von dem Punkt, wo der unterirdische
Stengel eingesetzt ist, in die Rindentheile verbreitet, und zuweilen sich bis in die
mittlere oder Marksubstanz fortsetzt.
Das andere Muster aber zeigt auf der von einer gekochten Kartoffel abgezogenen
Epidermis die zweite Art des Anfalls, welcher die Kartoffeln auf dem Umfang befällt,
und unbedeutend (2–3 Millimeter) tief in das Gewebe dringt; man bemerkt um
den fremdartigen Organismus herum eine Zone, wo das Stärkmehl größtentheils zerstört
ist; im Uebrigen stimmen das Festwerden des befallenen Gewebes, der Widerstand gegen
das Kochen und gegen die Fäulniß, mit der eigenthümlichen rothen Farbe und der
chemischen Zusammensetzung überein und beweisen, daß diese Vegetation identisch ist
mit derjenigen, welche von Punkten in in der Nähe des Stengels aus in die Rinde und
die Masse der Kartoffeln dringt.
In der Regel ist die Wirkung dieser Fortpflanzungsart ein geringes Verderbniß;
dasselbe zeigt sich jetzt häufiger, ohne Zweifel in Folge der seit dem Jahr 1845 im
Boden verbreiteten Samenkörnchen. Es ist einleuchtend, daß sie langsam einbringt,
indem die weniger wässerigen Knollen größeren Widerstand leisten, als im vorigen
Jahr.
Um zu sehen, ob begünstigende Umstände ein tieferes Eindringen zur Folge haben,
wurden mit solchen Flecken behaftete Kartoffeln acht Tage lang in einer mit
Feuchtigkeit gesättigten Luft gelassen, deren Temperatur auf 20–24° R.
erhalten wurde; wirklich verzweigte sich die Vegetation in röthlichen Marmorstecken durch die Masse,
griff das Stärkmehl an, verursachte Gährung etc. Wir ersehen hieraus, daß es sehr
nothwendig ist die Kartoffeln, selbst mit bloßen Flecken versehene, möglichst
trocken zu halten, was dann in der Regel auch hinreichen wird, ihre ganze nahrhafte
Substanz unversehrt zu erhalten, weil die befallenen Theile nach dem Kochen mit der
Epidermis weggehen.
Diese zweite Form der Krankheit ist sehr der in den Kordilleren herrschenden ähnlich.
Hr. Goudot, welcher sie im
Jahr 1845 beschrieb, schreibt sie ebenfalls einer besonderen Species röthlicher
Pilze zu.
Wenn die bei uns begonnene Umbildung die letzte wäre, so würde das Uebel dadurch
offenbar gemindert und leichter aufgehalten, daß man die Hauptursachen großer
Feuchtigkeit beim Anbau der Kartoffeln vermiede.
Hr. Doyère beschreibt in
einem Brief das Auftreten dieser beiden Krankheitsformen im Departement Calvados auf
sehr ähnliche Weise.
Im Jahr 1846 brachte die ungewöhnlich große Wärme nach mildem Regen nicht nur die
Schmarotzervegetation früh zur Reife, sondern verursachte auch eine Erscheinung im
Großen, welche sonst kaum an einigen Büscheln beim Anbau gewisser
Kartoffelvarietäten wahrzunehmen ist. Das Gipfelauge (bourgeon terminal) nämlich, welches gewöhnlich bis zum Ausreißen gleich
bleibt, und erst nach der darauf folgenden Pflanzung sich entwickelt, trieb, in
diesem Jahr zu sehr angeregt, lange Triebe, welche die Kartoffeln lange vor der
Zeit, wo sie reifen sollten, zum Theil erschöpften. Eine solche Ursache des
Verlustes, in Folge einer, von jener im Jahr 1845 ganz verschiedenen Temperatur, ist
ohne Zweifel eine sehr ausnahmsweise, und für die Zukunft nicht wohl zu befürchten.
Diese vorzeitige Vegetation wurde von Hrn. Sageret schon vom Monat Julius d. J. an, und
seitdem von Mehreren beobachtet.
Nur durch die Hypothese daß sich Samenkörnchen der eigentümlichen Kartoffelkrankheit
im Boden und der umgebenden Luft zerstreuen, sind die im Jahr 1845 in so großem
Maaßstabe eingetretenen Erscheinungen, welche sich im Jahr 1846 unter so
verschiedenen Umständen fortpflanzten, zu erklären.
Ein Schreiben des Hrn. Eug.
Robert, dessen Beobachtungen hiemit vollkommen übereinstimmen,
enthält folgende merkwürdige Thatsache: In einem Felde, das mit gesunden Kartoffeln
von einem Acker angebaut war, auf welchem die Krankheit vom Jahr 1845 nicht
geherrscht hatte, war die ganze Ernte vom Jahr 1846 gesund, während mehrere Reihen von Kartoffeln,
welche unter dem Anfall vom Jahr 1845 gelitten hatten, in demselben Feld gepflanzt,
anfangs gesunde Knollen trugen, auf denen aber die Krankheit jetzt wieder zum
Vorschein kömmt.