Titel: Ueber die Gefahren, Unglücksfälle und Krankheiten, welchen die Arbeiter in Reibzündhölzchen-Fabriken ausgesetzt sind; von Dr. Roussel.
Fundstelle: Band 102, Jahrgang 1846, Nr. LXI., S. 313
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LXI. Ueber die Gefahren, Unglücksfälle und Krankheiten, welchen die Arbeiter in Reibzündhölzchen-Fabriken ausgesetzt sind; von Dr. Roussel. Aus dem Technologiste, Aug. und Sept. 1846. Mit einer Abbildung auf Tab. IV. Roussel, über die Reibzündhölzchen-Fabriken in sanitäts-polizeilicher Hinsicht. Die bloße Aufzählung der durch die Verfertigung, den Transport und den häuslichen Gebrauch der Zündhölzchen entstandenen Unglücksfälle, würde einen Band füllen; wir wollen im Folgenden die Ursachen betrachten, welchen diese Unglücksfälle zugeschrieben werden können, wobei wir uns auf wenige Beispiele beschränken. Feuersbrünste. Die Feuersgefahr hat schon beim ersten Auftreten dieses Industriezweigs in mehreren Ländern die Aufmerksamkeit in hohem Grad auf sich gezogen und wirklich waren die von den Regierungen gehegten Befürchtungen keine bloß eingebildeten, wie Beispiele in beinahe allen Ländern bewiesen. In einigen Staaten wurde die Frage angeregt, ob die Fabrication der Zündhölzchen nicht ganz und gar verboten werden sollte; dieses Verbot wurde in den sardinischen Staaten, in Folge des großen Brandes zu Sallenche, wirklich erlassen. In Frankreich sind die Beispiele von Feuersbrünsten, welche davon herrührten, ziemlich zahlreich, namentlich in jenen Niederlagen, wo die Zündhölzchen bloß in Packeten oder leicht verpackt aufbewahrt werden. In Paris erinnert man sich unter andern eines Brandes in der rue Grand-Hurleur No. 2 bei einem Zündhölzchen-Fabrikanten; mehrere Groß Zündhölzchen waren ohne bekannte Ursache in Brand gerathen; der Fabrikant und drei seiner Arbeiter wurden schwer verwundet. Die Zeitungen berichteten im Jahr 1840 von einer heftigen Feuersbrunst welche in London bei einem Zündhölzchen-Fabrikant in Widegate-street stattfand; das Haus desselben und mehrere benachbarte Häuser waren in kurzer Zeit ein Raub der Flammen; sieben Personen fanden dabei den Tod. Beinahe jedesmal ist, so viel darüber erhoben werden konnte, die Aufbewahrung der Zündhölzchen ohne gehörige Verpackung in kleinen Schächtelchen Schuld daran gewesen. Explosionen. Die Explosion der chemischen Masse vor ihrer Anwendung zu den Zündhölzchen veranlaßt keine geringeren Unglücksfälle, welche jedoch in Folge der in der Fabrication eingeführten Verbesserungen, jetzt seltener geworden sind. Anfangs ließ man zur Bereitung der Reibzündmasse den Schwefel mit dem Phosphor schmelzen; dieß gab Veranlassung zu den heftigsten Explosionen; es verbanden sich nicht nur diese beiden Körper zu Schwefelphosphor, sondern das als Bindemittel dienende Wasser wurde ebenfalls zersetzt und es bildeten sich mehrere Explosionen veranlassende Gase. Wahrscheinlich ist diesem Umstand das Einstürzen einer großen Fabrik zu Petit-Ville vor ungefähr zwei Jahren zuzuschreiben; es fand eine furchtbare Explosion in der Werkstätte statt, wo die beiden Eintaucher arbeiteten; die Tische flogen in Stücken aus einander, selbst Decken und Mauern stürzten ein und die beiden Arbeiter wurden zermalmt unter dem Schutt gefunden. Auf die Gefahr des Zusehens von Schwefelblumen in den Gefäßen, worin man den Phosphor auflösen läßt, wurde übrigens der Gesundheitsrath zu Paris frühzeitig genug aufmerksam; derselbe empfahl im Jahr 1840, den Fabrikanten zu verbieten Schwefelphosphor zu ihren Präparaten zu nehmen. Aber nicht nur die Vermengung des Schwefels mit dem Phosphor, sondern auch diejenige des Phosphors mit dem chlorsauren Kali vor der vollkommenen Zertheilung dieser beiden Körper in der Gummilösung oder dem Leim, war die Ursache ziemlich häufiger Explosionen, ehe noch die meisten Fabrikanten das Verfahren eingeführt hatten, die beiden Körper durch zwei getrennte Operationen aufzulösen. Die Unvorsichtigkeit der Arbeiter, welche mit der Masse zu thun haben, hat ebenfalls schon sehr viele Unglücksfälle veranlaßt. So kann, wenn der Eintaucher die ausgegossene Masse um den Tisch herum sich ausbreiten und austrocknen läßt, auf welchem das Eintauchen vorgenommen wird, die geringste Reibung, der kleinste Funke diese Tische in Trümmern auffliegen machen. Ein wenig Masse, welche auf den Kessel des Schweflers fällt, kann ebenfalls heftige Explosionen verursachen. So hatte man, wie Hrn. Chevallier berichtet wurde, in einer Lyoner Fabrik aus Unvorsichtigkeit etwas von der Masse auf die platte eines sehr stark erhitzten Ofens fallen lassen; derselbe zersprang sogleich in Stücke; der Fabrikant hätte beinahe das Leben verloren, und zwei Arbeiter wurden bedeutend verwundet. Unglücksfälle während des Transports der Zündhölzchen. Die mit der Reibzündmasse versehenen Hölzchen veranlassen in der Regel keine so großen Unglücksfälle wie die oben erwähnten; dagegen sind dieselben aber um so zahlreicher; die bedeutendsten fanden beim Transport der Zündhölzchen, sowohl in leichter Verpackung, als in zu großen Schachteln statt. Diese Gefahr war die erste, welcher die französische Regierung ihre Aufmerksamkeit schenkte, und sie ist auch die einzige, wogegen officielle Maßregeln ergriffen wurden. Die vielen Feuersbrünste, welche in den Diligencen und Frachtwägen durch Zündhölzchen-Packete veranlaßt wurden, welche die Fabrikanten versandten, bestimmten im Jahr 1838 den Polizeipräfect von Paris den Transport der Zündhölzchen denselben Verordnungen zu unterwerfen, wie den des Pulvers und der Zündhütchen. Diese Verordnung wurde aber schlecht vollzogen und die Unglücksfälle wiederholten sich noch immer. Wenige Tage nach ihrer Bekanntmachung meldeten die Journale das durch die Explosion einer Kiste Zündhölzchen veranlaßte Inbrandgerathen eines Fuhrmannswagens; der Verlust war beträchtlich. Ein ähnliches Unglück ereignete sich am 1. Nov. v. J. bei Soissons, und ruinirte einen Fuhrmann; der Wagen mit seiner Ladung wurde ganz ein Raub der Flammen. Damit man sich eine richtige Vorstellung von der Anzahl dieser Unglücksfälle und der Furcht vor denselben machen kann, brauchen wir nur anzuführen, daß die Brandassekuranz-Gesellschaften gegenwärtig sich weigern, Verträge mit Fuhrleuten abzuschließen, welche sich zum Transport von Zündhölzchen herbeilassen. Auch verweigern viele Speditionshäuser in Paris die Beförderung von Zündhölzchen, und die Fabrikanten sind daher genöthigt sich an jene Fuhrleute zu wenden, welche ohne Ladung von Paris abgehen. Es ist nicht zu bezweifeln, daß sehr oft ein Packet oder ein Schächtelchen in den in den Fuhrwägen versandten Kisten sich entzündet, ohne den Brand auf die daneben liegenden Packets oder Schachteln fortzupflanzen oder sonst ein Unglück herbeizuführen. Mehrere Fabrikanten überzeugten uns hievon, indem sie ein in starkem Papier eingewickeltes Packet Zündhölzchen heftig zur Erde warfen; man vernahm sogleich ein Knistern, ein Beweis daß die Zündhölzchen sich entzündeten; das Papier war in der Regel geröthet oder auch verbrannt, und doch war äußerlich keine Flamme zu sehen und man fand innen die Hölzchen beinahe unversehrt. Der Mangel an Luft verhinderte nämlich die Verbrennung; dieser Umstand muß oft Feuersbrünste verhüten, welche sonst beim Transport der Zündhölzchen eintreten würden. Allein die Verbrennung kann, wenn sie sich auch auf die Köpfchen der Zündhölzchen beschränkt, sehr großen Schaden anrichten, wenn sie in Felleisen eingeschlossen sind; so erregte einmal zu Arras, beim Abladen einer Diligence, der Geruch und Rauch, welche aus den Spalten eines Felleisens drangen, Aufmerksamkeit; man öffnete es und fand seinen Inhalt halb verbrannt; ein in Papier eingewickeltes Packet Zündhölzchen hatte Feuer gefangen und fortgepflanzt; von den Zündhölzchen waren übrigens nur die Köpfchen verbrannt. Manchmal ist die Explosion der Masse so heftig, daß trotz der dichtesten Einhüllung die Flammen dennoch durchbrechen. Der Marseiller Semaphore berichtet daß, als ein Wagen, der 700 Packets Zündhölzchen geladen hatte, die Straße von Air hinauffuhr, man plötzlich, und einzig und allein in Folge der Bewegung des Wagens, Funkengarben und Flammen aufsteigen sah, die von einer starken Explosion begleitet waren; doch wurde glücklicherweise Niemand beschädigt. Aehnliche Unglücksfälle, von gleichen Ursachen herrührend, ereigneten sich auf Eisenbahnen. So gerieth einmal auf der Eisenbahn von Wien nach Brünn ein Waggon, der zwölf Fäßchen Zündhölzchen enthielt, in Flammen und war in wenigen Augenblicken ganz verbrannt, so wie auch ein großer Theil der beiden ihm zunächst befindlichen Waggons; das Leben verlor dabei Niemand, der Schaden aber war bedeutend. Unglücksfälle durch Zündhölzchen bei ihrem gewöhnlichen Gebrauche. – Es gibt keinen Zündhölzchenverkäufer im Kleinen, ja man könnte sagen, Niemanden, welcher nicht schon Zeuge der Explosion eines Schächtelchens etc. Zündhölzchen gewesen wäre. Oft haben diese Fälle keine übeln Folgen; zuweilen aber sind die Folgen auch schlimm und mehrere Pariser Krämer beklagten sich gegen mich, daß sie beständig eine so gefährliche Waare, wie Zündhölzchen im Laden haben müssen. Schon mehrmal verursachte ein einziges Zündhölzchen einen Brand. Am 25. Jun. 1838 trat ein Kind des Buchhändlers H. Coste in Paris auf ein Zündhölzchen, welches auf den Boden gefallen war, wo sich viele Papierschnitzel befanden; das Hölzchen entzündete sich und in einem Augenblick waren alle Papiere im Laden und Comptoir in Flammen; der Verlust betrug über 6000 Frcs. Dergleichen Fälle kamen schon oft in großen Versammlungen vor. So setzte vor einigen Jahren die Explosion eines Packets Zündhölzchen, welches ein Mann im Parterre des Theaters de la Gaité in der Tasche hatte, den ganzen Saal in Schrecken. Der Maire von Nantes verbot wegen solcher Vorfälle das Mitführen von Zündhölzchen im Theater. Verbrennungen, namentlich im Gesicht, in Folge der Explosion eines Zündhölzchens und des Hinwegfahrens eines Theils der brennenden Masse, waren vor einigen Jahren noch sehr häufig; doch muß man gestehen, daß in Folge der Verbesserungen, welche in der Fabrication dieser Waare gemacht worden sind, solche Fälle immer seltener werden. Kinder waren und sind noch zu oft die Opfer ihrer Unerfahrenheit im Umgehen mit Zündhölzchen. Hr. Chevallier erzählt einen Fall, wo ein Kind zu Marseille sich den Schenkel dadurch verbrannte, daß es ein Packet Zündhölzchen in der Hosentasche stecken hatte, welche sich entzündeten. Noch schrecklicher war ein Vorfall im Jahr 1841 in Brüssel; ein Kind von 6 Jahren nahm ein Schächtelchen Zündhölzchen, welches auf dem Nachttischchen stund, zu sich ins Bett, um damit zu spielen; die Zündhölzchen geriethen in Flammen; auf das Schreien des Kindes lief man sogleich herbei und die Mutter entriß es den Flammen; allein zu spät, das unglückliche, schrecklich verbrannte Kind unterlag nach zwölfstündigem Leiden. Die zu große Empfindlichkeit der Zündhölzchen ist die vorzügliche Ursache dieser letztern Fälle, so wie ihre zu große Explodirbarkeit gewöhnlich an den Verbrennungen des Gesichts und der Augen Schuld ist. Diese Empfindlichkeit ist so groß, daß man Packete Zündhölzchen sich schon unter den Händen, und ohne daß man wußte wie, entzünden sah. Die Wunden und Verbrennungen durch Zündhölzchen haben übrigens nichts Eigenthümliches. Ueber die Krankheiten der Arbeiter in den Zündhölzchen-Fabriken.Man vergl. die frühere Abhandlung des Verfassers über denselben Gegenstand im polytechn. Journal Bd. C S. 69 und einen Vorschlag dem Einfluß saurer Phosphorausdünstungen auf die Gesundheit der Arbeiter zu begegnen, Bd. C S. 419. A. d. R. Wir kommen nun zu den Fragen, welche sich auf die Gesundheit der Arbeiter in den Zündhölzchenfabriken direct beziehen. Untersucht man, was in diesen Fabriken einen schädlichen Einfluß auf die Gesundheit ausüben kann, so ist das beständige Ausströmen von Phosphordämpfen in größerer oder geringerer Menge in allen Werkstätten, sowohl wo die Masse bereitet wird, als wo die schon mit der Masse versehenen Zündhölzchen behandelt werden, von der größten Wichtigkeit. Nach genauer Prüfung der verschiedenen Arbeiten in diesen Fabriken kann man dreist behaupten, daß dieß die einzige Ursache der so viele Arbeiter treffenden Unglücksfälle und der sie befallenden Krankheiten ist. Es sind daher vorerst folgende zwei Fragen ins Auge zu fassen: 1) Welche Arbeiten dieser Fabriken sehen nothwendig diesen Phosphordämpfen aus; 2) welcher Art und Zusammensetzung sind diese Ausdünstungen? Arbeiten, welche den Phosphordämpfen aussetzen. Die Verfertigung der Hölzchen selbst und der Schachteln geschieht gewöhnlich außerhalb der Fabriken. Sie liegt daher außer unserer Sanitätsfrage; da sie ungefähr die Hälfte sämmtlicher Arbeiter beschäftigt, so ist also diese Hälfte der Bedrohung ihrer Gesundheit von dieser Seite nicht ausgesetzt. Im Innern der Fabrik können, vorausgesetzt daß für jede Verrichtung ein besonderes Local vorhanden ist, fünf Sechstel der Arbeiter dem Einfluß der Phosphordämpfe entgehen. So kann das ganze Füllen der Siebe, welches über 4/5 der Arbeiterinnen in Anspruch nimmt, in Localitäten welche von solchen Ausdünstungen frei sind geschehen, weil hier bloß mit trocknem Holz umgegangen wird. Ein anderes ist es mit der Werkstätte, wo die Masse verfertigt, wo eingetaucht wird, mit den Trockenkammern, den Localen, wo die Siebe auseinander genommen und die Zündhölzchen in Packetchen oder Schächtelchen gebracht werden. Hier wird die Atmosphäre durch die Dämpfe, welche sowohl aus der Masse als von den schon in sie eingetauchten Hölzchen entweichen, immer mehr oder weniger verdorben. Das Zerreiben der Substanzen und die Bereitung der Masse geschehen nur theilweise, ein einziger Arbeiter ist dazu ausreichend; auch werden diese Verrichtungen sehr oft an freier Luft vorgenommen, so daß sie in gesundheitlicher Hinsicht von keinem großen Belang sind. Dasselbe kann wohl auch von der Trockenkammer gesagt werden, worin die Arbeiter nicht lang verweilen. Anders ist es mit dem Local der Eintaucher und vorzüglich demjenigen der Arbeiterinnen, welche die Siebe (worin die Hölzchen von einander getrennt senkrecht stehen) auseinandernehmen und die Zündhölzchen in Packete oder Schächtelchen bringen. Dem Fremden, welcher diesen Theil der Fabriken betritt, schlagen diese Dünste auf die Brust; die Durchsichtigkeit der Luft wird darin oft getrübt, namentlich da, wo die Siebe auseinander genommen werden, und wenn man längere Zeit verweilt, wird man gewöhnlich von gelindem Husten und Brennen im Hals befallen. Man gewöhnt sich indessen mit der Zeit an diese eigenthümliche Atmosphäre und die meisten Arbeiterinnen husten, wie wir uns zu überzeugen Gelegenheit hatten, nur bei feuchtem Wetter und namentlich, wenn die Luft nicht hinreichend erneuert wird, also die Phosphordünste sich anhäufen und zu dicht werden. Wir wiederholen hier, daß diese Bemerkungen nur für jene Fabriken Geltung haben, wo die Arbeit getheilt und in verschiedene Locale getrennt ist. In kleinen Etablissements, wo natürlich alles beisammen ist, und in einigen großen, wo wir ebenfalls alle Arbeiter beisammen arbeiten sahen, sind freilich alle Verrichtungen ziemlich gleich ungesund. Zusammensetzung der in den Zündhölzchenfabriken sich verbreitenden Dünste. Darüber kann nur die chemische Analyse entscheidende Auskunft geben, welche bis jetzt noch nicht angestellt wurde; wenn wir aber alle Körper betrachten, welche in die Zündmasse eingehen, so finden wir – da der Schwefel nach den Umständen unmöglich eine Rolle spielen kann – daß nur der Phosphor die erwähnte Veränderung in der Luft der Fabriken hervorzubringen vermag. Bei 35° R., seinem Schmelzpunkt, absorbirt der Phosphor den Sauerstoff der Luft mit großer Begierde und verbrennt dabei mit intensivem Licht unter Erzeugung dichter weißer Dämpfe von Phosphorsäure. Auf diese Weise aber kann er sich allerdings nicht mit den Bestandtheilen der Luft in den Zündhölzchenfabriken verbinden. Die Einwirkung der Luft auf den Phosphor bei gewöhnlicher Temperatur ist aber, ohne weder so lebhaft, noch so intensiv zu seyn, wie unter obigen Umständen, keineswegs unbedeutend, namentlich wenn die Luft feucht ist. Wenn sie trocken und die Temperatur niedrig ist, ist die Wirkung nicht sehr wahrnehmbar; wenn aber nur etwas Feuchtigkeit vorhanden ist, so sieht man, wie der Phosphor sich mit weißen Wolken umzieht, die im Dunkeln eine grünliche Helle verbreiten. Nach mehreren Chemikern bestehen die unter diesen Umständen sich erzeugenden Dünste nicht aus Phosphorsäure sondern aus Unterphosphorsäure. In lufthaltigem, dem Lichte ausgesetzten Wasser bildet der Phosphor phosphorige Säure und Phosphorwasserstoffgas, welches durch die Zersetzung des Wassers erzeugt wird. Demnach müssen Dämpfe von Phosphorsäure oder Unterphosphorsäure in der Luft der Zündhölzchenfabriken enthalten seyn, und wenn dieselbe sehr feucht ist, kann auch ein wenig Phosphorwasserstoffgas darin vorkommen. Das Phosphoroxyd ist bekanntlich nicht flüchtig. Existirt aber nicht Phosphor selbst in gasförmigem Zustand in der Atmosphäre der Fabriken? Einige Chemiker, welche ich hierüber befragte, vorzüglich aber Hr. Paul Thénard, glauben, daß seine Gegenwart a priori anzunehmen sey. Der Phosphor leuchtet im Dunkeln an der Luft, d.h. er erleidet eine langsame Verbrennung; Hr. Thénard jun. glaubt aber nicht, daß dieß eine vollständige Verbrennung sey, vielmehr daß viel Phosphor in dampfförmigem Zustand mitgerissen werde. Er stützt diese Vermuthung auf folgende Thatsachen: 1) wenn man Phosphor einige Minuten lang in Stickstoff, Wasserstoff oder Kohlensäure bringt und dann in die das Gas enthaltende Glocke etwas Luft treten läßt, so wird dieselbe im Dunkeln leuchtend; 2) wenn man ein Stückchen Phosphor an einem Faden in eine Flasche hängt, ohne daß der Phosphor ihre Wände berührt, und es nach einigen Minuten herauszieht, so bleibt die Flasche einige Zeit leuchtend, obwohl sie noch viel Sauerstoff enthält. Der Phosphor verbreitet sich daher in der Kälte dampfförmig im Gase, und dieser Dampf verbrennt nicht sogleich an der Luft. Man kann sonach Phosphor in dampfförmigem Zustand einathmen und wahrscheinlich sind die Arbeiter in den Zündhölzchenfabriken solchem Dampf ausgesetzt. Wir wollen nun den Einfluß dieser Phosphorausdünstungen auf die Gesundheit der Arbeiter betrachten. Diese Krankheiten sind: 1) mehr oder weniger heftige Bronchitis; 2) Verschlechterung der Zähne und Nekrosen der Kinnbackenknochen. 1) Bronchitis (Entzündung der Luftröhrenäste). Der Husten ist die häufigste pathologische Erscheinung in diesen Werkstätten; selten aber erreicht die Bronchitis einen hohen Grad. 2) Krankheiten der Kinnladen. Erst vor Kurzem machten einige deutsche Aerzte auf das Vorkommen weitausgedehnter, oft tödtlicher Nekrosen (Brände) der Kinnladenknochen bei den Arbeitern in den Zündhölzchenfabriken aufmerksam. In Deutschland wurde dem Arsenikgehalt des in solchen Fabriken verarbeiteten Phosphors die Schuld beigemessen. (Man vergl. polytechn. Journal Bd. C S. 71.) Zu Paris wollte man anfangs nicht das geringste Zeichen von Stomatitis beobachtet haben; später kamen davon neun Fälle vor und ein zehnter wurde in noch neuerer Zeit im Spital Necker beobachtet, so daß jetzt über die Existenz, den Ursprung und die Heftigkeit dieses Uebels nicht der geringste Zweifel mehr obwalten kann. Auf welche Weise diese Phosphordämpfe wirken, kann noch nicht gesagt werden. Die von mehreren Aerzten aufgestellte Aetiologie dieser Nekrosen ist nicht befriedigend, und zwar weil, wenn ihre Erklärung richtig wäre, die Zähne der Arbeiter in schlechtem Zustand seyn müßten, was aber nicht der Fall ist, indem sich neben den Arbeitern mit angegriffenen Zähnen oft andere befinden, welche ganz gesunde Zähne haben. Es scheinen sonach, außer den Phosphordämpfen, der äußern Ursache, auch in der besondern Organisation der einzelnen Individuen noch besondere Umstände vorhanden zu seyn, welche die Wirkung der Phosphordämpfe erst hervorrufen. Wir legen daher, bis eine genauere Untersuchung das Gegentheil beweist, großen Werth auf die aus den bisherigen Beobachtungen hervorgehende Thatsache: daß alle Kranken, über welche wir gehörige Erkundigung einholen konnten, einen oder mehrere verdorbene Zähne vor ihrem Eintritt in die Fabrik oder wenigstens schon lange vor Entwicklung der Krankheit hatten. Wir glauben sogar, daß aus diesen Thatsachen, wenigstens provisorisch, der Schluß gezogen werden könne, daß das Verdorbenseyn eines oder mehrerer Zähne eine unerläßliche Bedingung sey zur Entwickelung einer Krankheit der Kinnbackenknochen unter dem länger andauernden Einfluß von Phosphordämpfen. Ob das Phosphorwasserstoffgas – welches jedenfalls nur in sehr kleiner Menge in diesen Dünsten vorhanden seyn könnte – auch einen Einfluß auf diese Krankheit ausüben kann, ist sehr zu bezweifeln. Mehrere Personen, welche mit Hrn. Paul Thénard beinahe 22 Monate in einer mit diesem Gas geschwängerten Atmosphäre lebten, hatten verdorbene Zähne und wurden dennoch von keinem Uebel befallen. Der unveränderte Phosphor aber, welcher, wie gesagt, diesen Ausdünstungen beigemengt ist, wirkt zweifelsohne bei diesen Krankheitserscheinungen mit. Ob die Phosphorausdünstungen außer auf die Mundhöhle etc. auch auf die Verdauungsfunctionen und auf die allgemeine Ernährung einwirken, konnte durch die darüber angestellten Versuche noch nicht mit Bestimmtheit ermittelt werden. Die den Geschlechtstrieb reizenden Eigenschaften, welche der Phosphor in kleinen Dosen auf den Digestivwegen eingebracht, und in Gasform eingeathmet in noch höherm Grade besitzen soll, haben nicht alle Phosphorverbindungen; wenigstens nach Hrn. P. Thénard das Phosphorwasserstoffgas nicht, welches eher herabstimmend wirkt. Auch sind vor der Hand keine Anzeichen da, daß es in den Fabriken eine solche Wirkung gehabt habe. Schlüßlich noch 3) von der Zündhölzchenmasse als Gift etc.Hr. Alph. Dupasquier, welcher in Lyon zahlreiche Versuche über die Krankheiten der Arbeiter in Phosphor- und Zündhölzchenfabriken anstellte, erhielt folgende Resultate (Comptes rendus, Aug. 1846 Nr. 9):1) die Phosphordünste haben für die Arbeiter die traurigen Folgen nicht, welche ihnen zugeschrieben werden;2) sie haben keine anderen Folgen, als eine durchaus nicht heftige Reizung der Luftröhrenäste (Bronchien), welche durch die Gewohnheit der Lungenschleimhaut, mit diesen Phosphordünsten in Berührung zu kommen, bald wieder verschwindet.Hr. Dupasquier will durch diese Schlüsse die Richtigkeit der über deutsche und und Pariser Fabriken berichteten Thatsachen nicht in Abrede stellen; nur müssen dieselben andern Ursachen zugeschrieben werden. Vielleicht sind sie die Folge der Anwendung arseniger Säure (weißen Arseniks) bei der Phosphormasse. Wirklich sollen, wie Hr. Dupasquier mit der größten Bestimmtheit erfuhr, trotz des Verbots von Seite des Pariser Gesundheitsraths, viele Fabrikanten eine große, bis zu einem Viertheil des ganzen Gewichts der Masse betragende Quantität Arsenik dazu nehmen. Auch sollen in den Pariser Materialwaaren-Handlungen im voraus bereitete Portionen der Masse verkauft werden, die aus gleichen Theilen Phosphors, chlorsauren Kalis, weißen Arseniks und arabischen Gummis besteht. – Die Beobachtungen in la Guillotière's Phosphorfabrik, so lange dessen Product Arsenik enthielt, und andererseits die Gewißheit, welche sich Hr. Dupasquier verschaffte, daß die Lyoner Zündhölzchenfabriken sich keines Arseniks bedienen, machen die von ihm ausgesprochene Ansicht wenigstens sehr wahrscheinlich. Die bekannte stimulirende Wirkung, welche der Phosphor, innerlich genommen, auf die Genitalien hat, findet zu Hrn. Dupasquier's großer Verwunderung, nach allen Erkundigungen welche er eingezogen, ebenfalls nicht statt. A. d. R. Bekanntlich benutzt man Gemenge von Butter mit Phosphor u. dgl. zum Vergiften der Ratten. Auch ist es allen Zündhölzchen-Fabrikanten bekannt, daß ihre Masse nicht nur für Nagethiere, sondern auch für das Hühnergeschlecht und die Hunde ein heftiges Gift ist, das aber alle ohne Widerwillen verzehren. Es wurde sogar beobachtet, daß diese Thiere das Wasser, in welchem Phosphor aufbewahrt wurde, lieber trinken als gewöhnliches, aber daran sterben. – Wahrscheinlich ist die giftige Eigenschaft dieser Masse dem Phosphor zuzuschreiben. Doch wären noch vergleichende Versuche über die Wirkung der Masse und des reinen Phosphors anzustellen, da beide zu verbrecherischen Absichten angewandt werden könnten. (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)

Tafeln

Tafel Tab. IV
Tab. IV