Titel: | Versuche über die Bereitung und Eigenschaften der Schießwolle und des Schießpapiers. |
Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. XIV., S. 42 |
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XIV.
Versuche über die Bereitung und Eigenschaften der
Schießwolle und des Schießpapiers.
Versuche über die Bereitung und Eigenschaften der Schießwolle und
des Schießpapiers.
Die Comptes rendus der französischen Akademie der
Wissenschaften vom November v. J. Nr. 18 bis 21 enthalten eine Reihe von
Abhandlungen über die Schießwolle und das Schießpapier, woraus wir im folgenden das
Wesentliche zusammenstellen.
Unterschied zwischen Xyloidin und Schießwolle. Hr. Pelouze bemerkt nun selbst, daß die Schießwolle von Braconnot's Xyloidin in ihren Eigenschaften wesentlich
verschieden ist und auch mehr Sauerstoff und Stickstoff als letzteres enthalten muß.
Das Xyloidin löst sich in Salpetersäure leicht auf und diese Auflösung verändert
sich in 24 Stunden, wobei eine zerfließliche Säure entsteht. Dagegen kann man die
Schießwolle ganze Tage in Salpetersäure liegen lassen, ohne daß sie an Gewicht
verliert. Obgleich das Xyloidin sehr entzündlich ist und durch den Stoß detonirt, so
hinterläßt es doch beim Erhitzen in einer Retorte einen beträchtlichen Rückstand von
Kohle.
Hr. Pelouze schlägt daher auch für die explosiven
Präparate, welche man durch Behandlung der Baumwolle und aller Arten vegetabilischen
Faserstoffs mit concentrirter Salpetersäure erhält, eine andere Benennung vor,
nämlich Pyroxylin oder Pyroxyl. 100 Theile trocknes Stärkmehl, in concentrirter Salpetersäure
aufgelöst und sogleich nach ihrem Verschwinden mit Wasser gefällt, liefern höchstens
128 bis 130 Theile Xyloidin; dagegen geben 100 Theile Zellensubstanz (Baumwolle,
Papier), man mag sie nur einige Minuten oder mehrere Tage mit der Salpetersäure in
Berührung lassen, 168 bis 170 Theile trockenes Pyroxylin.
Die Anwendung von Schwefelsäure in Vermischung mit Salpetersäure bei Bereitung von
Schießwolle ist nach Pelouze nicht nur deßhalb zu
empfehlen, weil sie der nicht hinreichend concentrirten Salpetersäure Wasser
entzieht, sondern auch weil sie die salpetrige Säure zurückhält, welche die
concentrirte Salpetersäure enthält. Ueberdieß wird durch die Anwendung von
Schwefelsäure die Bereitung der Schießwolle viel wohlfeiler; benutzt man z.B. eine
aus gleichen Raumtheilen beider Säuren bereitete Mischung und es geht nach dem
Tränken der Baumwolle 1
Maaß Mischung verloren, so hat man nur ein halbes Maaß Salpetersäure verloren,
welche viel theurer als die Schwefelsäure ist.
Bereitung des Schießpapiers. Das Schießpapier (papier azotiquc, p. inflammable) läßt sich nach Pelouze auf eine sehr einfache Weise schnell bereiten.
Man muß die Papierbögen einen nach dem anderen in die concentrirte Salpetersäure
tauchen und sie nach einigen Minuten einen nach dem andern herausziehen, um sie in
vielem Wasser auszuwaschen. Von dem anzuwendenden Papier muß man zuvor mit einer
kleinen Menge eine Probe machen: solches welches viele fremdartige Substanzen
enthält, verliert auf der Stelle den Zusammenhang und ist daher zu verwerfen. Von
Hand geschöpftes Papier eignet sich meistens sehr gut zu dieser Behandlung. Mit
zweckmäßigen Apparaten zum Eintauchen, Auswaschen und Trocknen kann man in kurzer
Zeit beträchtliche Quantitäten von solchem Papier darstellen.
Wirkung des Schießpapiers. Eine Kugel, welche mit
beiläufig einem Decigramm Schießpapier aus einer Pistole auf 32 Schritte gegen eine
gußeiserne Platte abgeschossen wurde, plattete sich zu einem Blech von 2 bis 3
Millimeter Dicke ab und prallte 10 Schritte von der Platte zurück.
Die HHrn. Seguier und Clerget
stellten mit Schießpapier Versuche in Flinten an, welche von hinten geladen werden
konnten, wobei sie fanden daß die Wirkungen des Papiers mit der Länge des Laufs
zunehmen. Auch erhält man nur dann gleichförmige Resultate, wenn man nach jedem
Schuß sowohl den Lauf des Gewehrs als die Kammer desselben, worin die Verbrennung
statt fand, auswischt, weil sich ziemlich viel Dampf verdichtet. Auch kann man die
Wirkung des Papiers dadurch merklich erhöhen, daß man es kurz vor dem Einbringen in
das Gewehr austrocknet, indem man es zwischen Bögen von Filtrirpapier einige
Augenblicke mit einem mäßig erhitzten Bügeleisen überfährt.
Mit Papierzeug hat Pelouze ebenfalls die explosive
Substanz dargestellt.
Neue Art Zündhütchen von Pelouze. Wenn man auf einen
stählernen Amboß eine kleine Menge Schießwolle oder Schießpapier legt und mit einem
Hammer darauf schlägt, so entsteht eine Detonation; der größte Theil der Substanz
bleibt aber unverbrannt und damit sie sich vollständig entzündet, muß man den Schlag
sehr oft wiederholen.Man vergl. polytechn. Journal Bd. CII S.
409. Bringt man von der Substanz in ein kupfernes Zündhütchen, so bleibt beim
Losdrücken ebenfalls der größte Theil unzerstört und die Entzündung theilt sich
nur selten der Ladung mit. Behandelt man hingegen statt Baumwolle oder Papier sehr
dichte Gewebe aus Flachs, Hanf und Baumwolle mit Salpetersäure, zerschneidet sie in
kleine Scheibchen und füllt sie in die kupfernen Hütchen, so erhält man Zündhütchen,
deren Detonation so stark wie die des Knall-Quecksilbers ist.
Drückt man Schießbaumwolle mit einigen Granen gewöhnlichen Schießpulvers in neuen
Hütchen zusammen, so erhält man sehr gute Zündhütchen. Das Pulver bewirkt die
vollkommene Verbrennung der Schießwolle und die Entzündung theilt sich der Ladung
leicht mit. Die Kohle und der Schwefel geben ebenfalls gute Resultate.
Verfahren zur Bereitung der Schießbaumwolle von Gaudin.
Derselbe suchte zuerst die Bereitung der Schießwolle in der Absicht zu modificiren,
daß sie bei ihrer Verbrennung weniger Wasser zurückläßt.
Dieß ist bei der gerösteten Baumwolle auch wirklich der
Fall, während ihre Verbrennung sehr lebhaft und ihre Flamme bläulicher ist: nur darf
sie nicht stärker geröstet werden als bis zur ockergelben Farbe; treibt man das
Rösten der Baumwolle bis zur rußschwarzen Farbe, so verliert sie ihre Elasticität
und verbrennt langsam mit Hinterlassung von Kohle.
Ein schnell zum Ziele führendes Verfahren, wodurch man sicher ein ausgezeichnetes
Präparat erhält, ist nach Gaudin folgendes: man
pulverisirt raffinirten Kalisalpeter, wie er im Handel vorkommt, welcher jedoch nicht feucht seyn darf, bringt ihn in ein Glas-
oder Porzellangefäß, versetzt ihn mit guter concentrirter (englischer) Schwefelsäure
und rührt die Mischung mit einem Glas- oder Holzstab um, so daß ein dünner
Brei entsteht: nach einigen Minuten, wenn die Mischung wieder dicker geworden ist,
setzt man neue Schwefelsäure zu, bis alles nach gutem Vermischen die Consistenz
eines Syrups hat; dann bringt man die Baumwolle, das Papier etc. hinein, indem man
sie gut einstößt: es erstarrt dann fast sogleich alles zu einer Masse und nach
Verlauf einer Viertelstunde stellt man das Gefäß in Wasser, um das der Baumwolle
etc. anhängende Salz aufzulösen; endlich wascht man die Baumwolle etc. mit vielem
Wasser ab und trocknet sie wie gewöhnlich. (Mit der decantirten und filtrirten
Flüssigkeit kann man keine brauchbare Schießwolle mehr bereiten.
Natron-Salpeter liefert bei dem beschriebenen Verfahren kein gutes
Resultat.)
Verfahren die Schießwolle im Großen schnell in der Kälte zu
trocknen, von Gaudin. Man denke sich eine geschlossene Kammer, die mit
zerstoßenem gebranntem Kalk gefüllt und durch einen kleinen Canal mit einem Ventilator (einer
archimedischen Schraube) in Verbindung gesetzt ist, welcher seine Luft aus der
Kammer zieht, um sie in einen mit Klappfenstern und durchbrochenen Scheidewänden
versehenen langen Canal zu treiben, in welchen man die zu trocknende Baumwolle
bringt: hiebei streicht beständig ein Strom trockener Luft durch die Baumwolle,
welcher ihr so lange die Feuchtigkeit entzieht, bis sich sämmtlicher gebrannte Kalk
in ein pulveriges Hydrat verwandelt hat. Dieses Verfahren ist einfach, wohlfeil und
gefahrlos.
Temperatur, bei welcher die Schießwolle explodirt. Hr.
Payen ließ Schießwolle und Schießpapier lange Zeit in
dünnen Gefäßen von Metall und Porzellan liegen, welche durch Wasserdampf erhitzt
wurden, ohne daß bei den zahlreichen Versuchen jemals eine Entzündung statt fand.
Hieraus muß man schließen, daß die Schießwolle sich bei einer Temperatur von
80° R. nicht entzünden kann, und um sicher zu seyn, daß eine solche in den
Trockenlocalen nicht überschritten wird, braucht man dieselben nur mittelst Röhren
zu heizen, worin heißes Wasser oder Wasserdampf circulirt. Diese Vorsichtsmaßregel
wäre freilich ungenügend, wenn sich die Schießwolle, wie behauptet wurde, unter
gewissen Umständen bei einer Temperatur unter 80° R. entzünden könnte, was
aber durchaus nicht erwiesen und sehr zu bezweifeln ist; man will diese Beobachtung
mehrmals beim Trocknen von Schießwolle mittelst heißer Luftströme gemacht haben und
zu aller Sicherheit darf man daher die Trockenlocale niemals direct mittelst
eiserner Oefen oder indirect mittelst einziehender erhitzter Luft heizen, selbst
wenn man dabei durch gleichzeitiges Einlassen kalter Luft die Temperatur erniedrigen
wollte. Hält man Schießwolle über glühende Kohlen in solcher Entfernung, daß die
Hand die Temperatur des Luftstroms sehr leicht verträgt, so kann doch in wenigen
Augenblicken die Entzündung stattfinden; in diesem Fall können aber einzelne Ströme
der aufsteigenden Luft oder der Verbrennungsgase eine Temperatur über 80° und
sogar von 144° R. beibehalten und folglich einige Fasern der Baumwolle
entzünden.
Verbrennungsproducte der Schießbaumwolle. Beim Verbrennen
an der Luft (z.B. in einer erhitzten Glasröhre) liefert dieselbe nach Dumas Wasserdampf, Kohlensäure, Kohlenoxyd,
Stickstoffoxyd und salpetrige Säure. Das Gas enthält so viele brennbare Producte,
daß es sich beim Annähern eines Lichts entzündet; die Farbe seiner Flamme zeigt an,
daß es Cyanverbindungen enthält, wahrscheinlich cyanwasserstoffsaures Ammoniak. (In
der That erhielten auch Fordos und Gélis eine reichliche Menge Cyansilber, als sie die
Verbrennungsproducte der
Schießwolle wiederholt in einem gläsernen Ballon sammelten, welcher Silberauflösung
enthielt.)
Analyse der Schießbaumwolle von Prof. Dr. Fehling.Briefliche Mittheilung desselben dd.
Stuttgart den 11. Dec. 1846„Bei gleichmäßiger Tränkung der Baumwolle mit dem Gemisch von
Salpetersäure und Schwefelsäure hat das Präparat nach meinen Resultaten immer
die gleiche Zusammensetzung, es ist eine constante chemische Verbindung. Zwei
meiner Schüler, die HHrn. Roßer und Krauß haben zehn
verschiedene Proben analysirt und immer dieselbe Zusammensetzung gefunden,
nämlich in 100 Gewichtstheilen lufttrockner
Baumwolle:
gefunden.
berechnet.
Kohlenstoff
25,5 bis 26,8
26,6
Wasserstoff
3,7
Stickstoff
9,5 bis 11,0
Demnach ist die Schießbaumwolle eine Verbindung von 1 Aeq. Cellulose mit 2 Aeq.
Salpetersäure = C₁₂H₁₀ + 2NO₅ Diese Baumwolle
enthält aber wohl noch Wasser, denn sie verliert bei 100° C. getrocknet
schnell noch 4–5 Proc. und ist dann wohl
C₁₂H₈O₁₀ + 2NO₄; beim längern Trocknen
bei 100° C. nahm sie zuletzt bis 18 Proc. an Gewicht ab, wobei sie aber
braun ward. Sie sollte deßhalb nie bei 100° C. getrocknet werden, auch
wegen möglicher Entzündung nicht. Der Zusatz von Schwefelsäure bei der Bereitung
scheint mir äußerst wirksam, theils durch Wasserentziehung, besonders auch durch
Bindung der Untersalpetersäure, die sonst leicht zersetzend auf die Faser
wirkt.
Von den 10 analysirten Schießwollesorten waren
Nr. 1
bis 6 von mir dargestellt mit 1 Gewichtstheil
Salpetersäuren von 1,44spec. Gew. auf 3 Theile englischer
Schwefelsäure.
Nr. 1
war 2 1/2 Minuten in der Flüssigkeit.
Nr. 2
„
5 „ „
Nr. 3
„ 7
1/2 „ „
Nr. 4
„
10 „ „
Nr. 5
„ 12
1/2 „ „
Nr. 6
„
15 „ „
Nr. 7
war mit 2 Volumen Salpetersäure von 1,55 spec. Gew.
auf 1 Volum NordhäuserSchwefelsäure dargestellt und 4 Minuten
eingetaucht.
Nr. 8
war durch ein zweites Eintauchen von Nr. 6 während
5 Minuten in neue Säuredargestellt und
Nr. 9
auf gleiche Weise aus Nr. 7, indem man 10 Minuten
eingetaucht ließ.
Die Zeit des Eintauchens ist also ohne Einfluß auf die Zersetzung.
Die Analyse geschah durch Verbrennung mit Kupferoxyd, wobei die zerschnittene
lufttrockne Baumwolle mit Kupferoxyd direct nach der Abwägung gemischt wurde.
Ich habe viele Stickstoffbestimmungen mit gleichem Resultat bei den
verschiedenen oben erwähnten Sorten Schießwolle angestellt, indem ich das Volum
des Stickstoffs nach der älteren Methode von Liebig
bestimmte. Auch drei verschiedene Papiersorten, die respective 5 Minuten, 6
Stunden und 24 Stunden in Salpetersäure von 1,56 spec. Gew. eingeweicht waren,
habe ich analysirt und genau dieselben Resultate erhalten.“
Verhalten der Schießwolle gegen Alkalien. Prof. Kayser (bayer. Kunst- und Gewerbeblatt, Dec. 1846)
fand daß sich die Schießbaumwolle sowohl in der Kälte als in der Wärme in ätzender
Kalilauge zu einer röthlich-braunen Flüssigkeit auflöst, unter Erzeugung von
kohlensaurem und salpetersaurem Kali; durch dieses Verhalten gegen Aetzlauge
unterscheidet sich die Schießwolle wesentlich von ordinärer Baumwolle.
Verhalten der Schießbaumwolle gegen Schwefelwasserstoff und
Schwefelammonium. Beide Körper, besonders aber das Schwefelammonium,
zerstören nach Versuchen von Dr. Max Pettenkofer
Briefliche Mittheilung desselben dd. 26.
Dec. 1846. in München die explosiven Eigenschaften der Schießwolle. „Ich
kochte, sagt derselbe, ausgezeichnet gute Schießwolle einige Minuten in
concentrirtem Schwefelammonium, wusch die Wolle wieder vollkommen aus und
trocknete sie vollständig. Jede Spur einer explosiven Eigenschaft war durch
diese Behandlung verschwunden; mit einem glimmenden Körper berührt, entzündet
sie sich nicht mehr im mindesten; mit einem flammenden berührt, verbrennt sie so
träge wie gewöhnliche Baumwolle und hinterläßt sehr viel Kohle. Die
Schießbaumwolle ändert sich hiebei in ihrem Aussehen nicht im geringsten,
verliert übrigens die Eigenschaft beim Druck zwischen den Fingern sich etwas
knirschend anzufühlen; sie fühlt sich wieder gerade so an, wie die gewöhnliche
Baumwolle. An Gewicht nimmt sie mit dieser Veränderung bedeutend ab. Nach meiner
Analyse der Schießbaumwolle (polyt. Journal Bd. CII S. 445) muß sie unter jene Classe von organischen Körpern
gezählt werden, welche Laurent mit dem Namen Nitride bezeichnet. Es ist ein allgemeiner Charakter
dieser ganzen Classe, daß sie bei der Behandlung mit Schwefelwasserstoff und
Schwefelammonium den größten Theil ihres Sauerstoffs verliert und in die von Laurent sogenannte Classe der Ammonide übergeführt wird. Gasförmigen Schwefelwasserstoff und
Schwefelwasserstoff-Wasser habe ich von geringer Wirkung gefunden, wenn
ich Schießwolle einige Minuten lang mit ihnen in Berührung ließ. Was aber bei
der Behandlung mit Schwefelammonium Wärme und Concentration des Agens bewirken,
das thut wahrscheinlich auch bei sehr großer Verdünnung des Schwefelwasserstoffs
die Zeit. Bei der Aufbewahrung der Schießbaumwolle
ist dieses Verhalten derselben zum Schwefelwasserstoff und Schwefelammonium,
welche beide in der Luft vorkommen, wohl zu berücksichtigen.“
E. D.