Titel: | Chemische Untersuchung mehrerer Farben, Gläser und anderer Kunstproducte von hohem Alter; von Prof. Girardin. |
Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. XXVII., S. 113 |
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XXVII.
Chemische Untersuchung mehrerer Farben, Gläser
und anderer Kunstproducte von hohem Alter; von Prof. Girardin.
Im Auszug aus dem Journal de Pharmacie, Nov. 1846, S.
321.
Girardin's chemische Untersuchung mehrerer Farben, Gläser etc. von
hohem Alter.
I. Ueber eine in einer
gallisch-römischen Villa des Departements der untern Seine gefundene,
gegenwärtig im Antiquarium zu Ronen befindliche blaue Mineralfarbe.
In dem Walde von Bretonne, unweit Routot (Eure), wurden vor einigen Jahren die
Ueberreste einer sehr bedeutenden gallisch-römischen Villa entdeckt; sie
enthielt einen Badesaal, eine Schwitzstube und einen geräumigen Keller, in welchem
man unter andern interessanten Gegenständen auch eine Vase fand, die von der Hacke
eines Arbeiters zerbrochen worden war und mehrere Kilogramme einer hellblauen
Substanz enthielt, welche ohne Zweifel früher in Pulverform war, durch die
Feuchtigkeit sich aber zu einer Masse vereinigt hatte.
Diese blaßblaue, zusammengebackene aber sehr zerreibliche Masse war früher ein feines
Pulver, wie ihre erdige Consistenz darthut. Sie ist geschmacklos, tritt an Wasser
nichts ab, braust aber mit Säuren stark auf.
100 Theile derselben treten an Salzsäure 15,5 kohlensauren Kalk mit Spuren von Eisen
ab. Das nach dieser Behandlung zurückbleibende unlösliche Pulver hat ganz das
Ansehen und die Farbe des Lasursteins oder des künstlichen Ultramarins; es fühlt
sich rauh an und läßt unter der Loupe betrachtet leicht erkennen, daß es eine
glasartige Masse war, die gepulvert worden ist. Dieses blaue Pulver widersteht der
größten Hitze ohne sich zu entfärben oder zu schmelzen; es backt nur zusammen. Die
stärksten Säuren wirken nicht darauf ein; kaum wird es vom Königswasser angegriffen;
aber mit seinem mehrfachen Gewicht Aetzkali zum Rothglühen erhitzt, schmilzt es und
gibt beim Erkalten eine dunkelgrüne Masse, welche sich in concentrirter Salzsäure
größtentheils auflöst.
Die von dem beigemengten kohlensauren Kalk befreite Masse ergab bei der Analyse
folgende Bestandtheile:
Kieselerde
49,4
Thonerde
6,4
Kalk mit Spuren von Bittererde und
Eisen
19,4
Natron
15,5
Kupferoxyd
9,3
Es ist dieß sonach ein durch Kupferoxyd gefärbtes Glas, dem coeruleum des Vitruvius oder der Fritte von Alexandria oder Puzzuolo
entsprechend, dessen sich die römischen Künstler zur Frescomalerei und
Zimmerverzierung bedienten.
Die Resultate dieser Analyse treffen mit der im Jahre 1809 von Chaptal mit einer in einem pompejanischen Farbenladen gefundenen Farbe
angestellten überein; er verglich sie mit der Smalte unserer Zeit. Descotils fand dieselbe Farbe in hieroglyphischen
Gemälden eines alt-ägyptischen Monuments. Humphry Davy in seiner Abhandlung über die Farben der Alten, 1815, spricht von
derselben Substanz, die er auf römischen Denkmälern fand und von einem in Pompeji
gefundenen Topf, der dieselbe blaue Substanz enthielt.
Die Stelle des Vitrurius (VII. 9.), welche ihrer Bereitung
erwähnt, übersetzte Hoefer in seiner
„Geschichte der Chemie“ folgendermaßen:
„Die Darstellung des Blau wurde ursprünglich in Alexandrien erfunden und
Nestorius errichtete seitdem eine Fabrik davon in
Puteoli (Puzzuolo). Sand wird mit Natronblumen (kohlensaurem Natron) so fein wie
Mehl zusammengerieben, hierauf mit Kupferfeilspänen vermengt, das Ganze mit
etwas Wasser befeuchtet, so daß es einen Teig gibt, aus welchem dann mehrere
Kugeln geformt werden, die man austrocknen läßt. Zuletzt erhitzt man sie in
einem auf einen Ofen gestellten irdenen Topf so stark, daß durch das Feuer die
Masse ins Schmelzen kömmt und eine blaue Farbe entsteht.“ Mit dieser
Glasmasse stellten die römischen Künstler alle blauen Nuancen dar, indem sie das
sehr fein gepulverte Glas in verschiedenem Verhältniß mit Kreide vermengten, deren man sich damals
zum Verdünnen der Farben bediente, wie man sich bei uns des Bleiweißes bedient, um
andere Oelfarben zu verdünnen.
Hr. Delesse, Bergwerksingenieur, analysirte Kugeln von
dieser Substanz, welche im Jahre 1842 bei Nachgrabungen in Rom gefunden wurden und
fand sie bestehend aus:
Kieselerde
16,5
Thonerde
10,7
Kalk
28,8
Bittererde und Alkalien
10,0
Kupferoxyd
10,0
Wasser, Kohlensäure und fremdart.
Substanzen
24,0
–––––
100,0Journal de l'Institut vom 30. Nov. 1843, 1ste Section S. 416.
Es ist dieß also ebenfalls die alexandrinische Fritte mit andern
Mengenverhältnissen.
Mehrere blaßblaue Kalkanwürfe und Frescomassen aus altrömischer Zeit, die an
verschiedenen Orten Frankreichs ausgegraben wurden, hatten alle die Konstitution
dieser Fritte.
Die Schönheit und Dauerhaftigkeit dieser blauen Farbe, die den kräftigsten chemischen
Agentien sowie der zerstörenden Einwirkung der Luft, des Lichts und der Feuchtigkeit
widersteht, sollten unsere Maler bestimmen, sie wieder einzuführen, da sie überdieß
nicht so kostspielig wie die Smalte oder das Kobaltblau ist. Sie kann dargestellt
werden durch starkes zweistündiges Calciniren eines Gemenges von 60 Thln.
Kieselsand, 25 Thln. kohlensaurem Natron und 9–10 Thln. Kupferfeilspänen.
II. Ueber gefärbte Kalkanwürfe, welche
in gallisch-römischen Villen im Departement der untern Seine aufgefunden
wurden.
Hr. Abbé Cochet entdeckte im Jahre 1843 in der
Ebene von Bordeaux bei Etretat (untere Seine) eine römische Villa von hohem
Interesse.Revue de Rouen et de la Normandie, No. 1, Jan.
1844, S. 25. Die Mauern dieser Villa waren ursprünglich mit einem farbigen Anwurf
versehen, denn es wurden viele Bruchstücke desselben aufgefunden, deren Farbe noch
sehr lebhaft und sehr gut erhalten war; sie waren gleichförmig roth. Bei ihrer
chemischen Untersuchung ließ sich leicht erkennen, daß diese Anwürfe ihre Farbe
rothem Ocker verdanken.
Die römischen Künstler bedienten sich sehr häufig des rothen Ockers zum Frescomalen
und zum farbigen Anstrich der Mauern. Theophrastus,
Vitruvius und Plinius beschreiben mehrere rothe
Erden, deren man sich zu ihrer Zeit hiezu bediente. Die Sinopide oder sinopische Erde
(Sinope-Stadt in Cappadocien), der armenische
Bolus, die Rubrica oder Lemnos-(lemnische) Erde, die ägyptische und afrikanische
Erde, der gelbe Ocker, gaben alle durch das Brennen eine rothe Farbe. Chaptal und H. Davy erkannten
ebenfalls in Pompeji aufgefundene Farben an römischen Frescomalereien als Ocker.
Außer dem rothen und gelben Ocker war den Alten noch eine dritte Art eisenhaltiger
Erden, nämlich der braune Ocker oder die Umbraerde bekannt, welche ihre Farbe einem Gemenge
von Eisen- und Manganoxydhydraten verdankt. Hr. Deville fand diese Bestandtheile auch in einem dunkeln Anwurf der Villa im
Brotonner Wald. Diese Ockerart kommt in Italien, namentlich zu Nocera, in Umbria,
woher sie ihren gewöhnlichen Namen hat, vor; auch sehr häufig auf der Insel Cypern.
Plinius spricht auch von einem aus Afrika bezogenen
Ocker, den er wegen seiner der Kichererbse ähnlichen Farbe cicerculus nennt. Der Braunstein wurde damals auch schon zum Färben des
Glases angewandt, denn Davy fand in zwei Proben
purpurfarbigen römischen Glases Manganoxyd.
III. Ueber ein in einem römischen Grab
bei Rouen aufgefundenes Krystallglas.
Eisenbahnarbeiter fanden in der Nähe von Rouen zwei antike Särge von ganz gut
conservirtem Kalkstein, worin sich unter andern Gegenständen auch Glasvasen
befanden, deren kleinste von der weißesten und feinsten Masse war; sie hatte das
Aussehen von Bergkrystall, welcher durch die Zeit seinen Glanz verloren hatte und
von einem Silberhäutchen überzogen war. Dieses Glas war in mehrere Stücke
zersprungen, wovon ich eines analysirte; ich fand darin Blei in nicht unbedeutender
Menge, nebst einer Spur von Kupfer. Dadurch erklärt sich die verhältnißmäßig große
Schwere dieses wahrhaften Krystallglases, welches aus einer etwas Kupfer
enthaltenden Mennige bereitet worden seyn muß. Man konnte bisher über die Frage, ob
die Alten die Anwendung des Bleioxyds zum Krystallglas kannten, nur Vermuthungen
aufstellen; hiemit hat man nun darüber Gewißheit.
IV. Ueber ein etruskisches Gefäß von
blaugefärbtem Glase.
Im Jahr 1845 erhielt ich von Hrn. Deville kleine Stückchen
blaugefärbten Glases, welche von einem Gefäße herrührten, das man in einem dem alten
Etrurien entsprechenden Theile der römischen Staaten aufgefunden hatte. Dieses Gefäß
ist in Bezug auf seine Masse eines der merkwürdigsten in den europäischen
Sammlungen; es ist eine einfache Schale ohne Henkel und Füße, nicht sehr tief und
von der Gestalt unserer Untertassen. Die Masse desselben besteht aus gebänderten, um
sich selbst gewundenen Glasstreifen von blauer und braunrother Farbe, welche mit
einer bewunderungswürdigen Reinheit und Zartheit zusammengeschmolzen und mit gelben
und weißen Flecken übersäet sind. Ein blau und weißer Streif bildet die Einfassung
der Schale. Bei allen Fortschritten, welche man in der Kunst gefärbtes Glas zu
verfertigen, machte, konnte man doch bisher nichts hervorbringen, was der Schönheit
dieses Glases gleichkäme.
Die schöne blaue Farbe ist diesem Glase mittelst Kobaltoxyd gegeben; Davy fand 1815 ebenfalls Kobalt in blaugefärbtem Glas aus
der Vorzeit. Alle durchsichtigen blauen Gläser der Griechen und Römer, sagt
derselbe, welche ich untersuchte, enthielten Kobalt, während die undurchsichtigen
blauen Gläser ihre Farbe dem Kupfer verdanken. Auch Vitruvius und Plinius deuten auf ein gefärbtes
Glas der Griechen, ύαλος hin, das unserer Smalte
entspricht und wie diese durch Kobalt gefärbt war.
V. Ueber ein durchsichtiges blaues Glas
gallisch-römischen Ursprungs.
Im Jahr 1844 untersuchte ich zwei Stücke zu Jort bei Falaise gefundenen azurblauen
durchsichtigen Glases, was im nördlichen Frankreich selten gefunden wird. Das dicke
Glas irisirte auf der Oberfläche, die Masse selbst aber war gut erhalten. Ich
vermuthete, es sey ebenfalls mit Kobalt gefärbt und war daher erstaunt, keinen
andern färbenden Bestandtheil darin zu finden als Kupferoxyd; auch hier also hatte
die alexandrinische Fritte gedient, was mit obiger Behauptung Davy's (IV.) in Widerspruch steht. Es scheint sogar, daß das Kupferoxyd
öfter zum Färben des Glases angewandt wurde als das Kobaltoxyd, weil es in großer
Menge und ohne Zweifel wohlfeil dargestellt werden konnte. Die im südlichen
Frankreich sich häufig vorfindenden Aschenkrüge enthalten sicherlich ebenfalls
Kupfer und nicht Kobalt.
VI. Ueber ein antikes Loth.
Im Jahr 1845 untersuchte ich ein unter diesem Namen erhaltenes graues Pulver;
dasselbe bestand nur aus Blei und etwas Sand, ohne alles Zinn. Der Sand war offenbar
ein nur zufälliger Gemengtheil. Ein Theil des Bleies war in Folge der Einwirkung der
Luft mit Kohlensäure verbunden.
Vielleicht besaßen die Alten schon die Kunst, mit Blei ohne Zinn zu löthen, welche in
neuerer Zeit Desbassyns de Richemont behufs der
Vereinigung des Bleies durch Blei anwandte (polytechn. Journal Bd. LXXVII S. 33).
Dieses Loth hielt das den Verband eines Aschenkrugs bildende Bleiblatt fest an; der
Boden des Krugs war mit derselben Masse gelöthet; der Deckel einfach darauf gesetzt.
Einige Umstände deuten darauf hin, daß diese Urne der ersten Hälfte des dritten
Jahrhunderts angehört.
VII. Gallisch-römische Beile von
Erz.
Im Jahr 1845 wurde im Walde von Roumare ein Lager solcher Beile gefunden, wovon die
meisten zerbrochen waren. Das Erz derselben bestand aus
Kupfer
77,77
Zinn
19,61
Zink
1,44
Blei
1,18
––––––
100,00
Offenbar sind Zink und Blei in dieser Legirung nur zufällig vorhanden durch die
Unreinheit des angewandten Zinns und Kupfers.
Ein im Februar 1846 mir zugeschicktes Stück eines bei Elbeuf gefundenen gallischen
Beils war von röthlichem Metall, leicht zu feilen und spröde.
Es enthielt:
Zinn
25,1
Kupfer
74,9
–––––
100,0
Die Legirungen der Alten waren daher sehr verschieden und enthielten jedenfalls viel
mehr Zinn als unser jetziges Metall zu Statuen, Kanonen und Medaillen, welches davon
nur 8–12 Proc. enthält; mehr nähert sich die Legirung der Alten unserer
Legirung für Glocken, Cymbeln, Tamtams, welche 20 bis 22 Proc. Zinn enthalten.
Pearson untersuchte einen römischen Augurenstab (lituus) und Hellebarden, Aexte und Schneideinstrumente
der alten Kelten; sie bestunden alle nur aus Kupfer und Zinn, letzteres zu
10–14 Proc.
Vauquelin fand in einem ägyptischen Dolch 85 Kupfer, 14
Zinn, 1 Eisen.
VIII. Bodensatz in einem ägyptischen
Gefäß.
Hr. Deville schickte mir am 23. Mai 1845 diesen Bodensatz.
Das sehr alte kleine Gefäß scheint zur Aufbewahrung von Parfums und
Schönheitsmitteln bestimmt gewesen zu seyn. Besagter Bodensatz war schwärzlich von
Farbe, pulverig und enthielt keine Spur harziger oder anderer organischer Materien;
er bestund beinahe gänzlich aus Schwefelblei, mit einer Spur Eisens und kohlensauren
Kalks. Hr. Deville weist die Vermuthung zurück, dieser
Bodensatz könnte sich durch die Einwirkung aus faulenden Thierkörpern entwickelten
Schwefelwasserstoffgases auf Blei gebildet haben, und hält es für ausgemacht, daß
dieser Körper mit Absicht in dieses Glas gekommen sey und einen kosmetischen Zweck
gehabt habe. Dieses wäre eine neue und interessante Thatsache.
IX. Ueber ein verzinntes Kupfergefäß
gallisch-römischen Ursprungs.
Im September 1845 entdeckte Hr. Abbé Cochet zu
Neuville, in der Vorstadt du Pollet zu Dieppe, einen römischen Gottesacker. Er fand
hier aus einem 25 Meter langen und 6 Meter breiten Raum über 220 irdene und gläserne
Aschengefäße mit mehreren MetallgegenständenRevue de Rouen et de la Normandie, October
1845., unter denen eine kleine Schale von weißem, stellenweise mit Grünspan
angelaufenem Metall, ohne Füße und Henkel war, welche sich in dem durch die Form
seiner Gefäße am meisten ausgezeichneten Grabe befand. Die anscheinend bronzene
Schale wurde als reines verzinntes Kupfer erkannt. Die Verzinnung bestand aus einer
Legirung von
Zinn
68,88
Blei
31,12
––––––
100,00
Zink oder Silber fand sich nicht darin.
Die Erfindung der Verzinnung kömmt nach Plinius den
Galliern zu; doch ist es nicht ausgemacht, ob sie dieselbe bloß aus Luxus oder der
Gesundheit wegen anwandten.