Titel: | Beiträge zur Kenntniß des Krapps; von Dr. J. Schiel in Heidelberg. |
Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. XXXI., S. 125 |
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XXXI.
Beiträge zur Kenntniß des Krapps; von Dr.
J. Schiel in
Heidelberg.
Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Oct.
1846, S. 74.
Schiel, Beiträge zur Kenntniß des Krapps.
Die Resultate, welche ich in dem Folgenden mittheile, sind gewonnen worden bei
Gelegenheit einer Untersuchung, welche ich anstellte, um einige rein technische
Fragen über das Verhalten des Krapps zu beantworten. Wenn ich sie trotz ihrer
Mangelhaftigkeit der Oeffentlichkeit übergebe, so geschieht dieß theils darum, daß
ich für jetzt nicht im Stande bin eine Untersuchung zu vollenden, welche einen nicht
unbedeutenden Aufwand von materiellen Mitteln verlangt, theils aus dem Grunde, daß
wir uns in Beziehung auf die Zusammensetzung der Krappfarben in einer völligen
Unwissenheit befinden. Ich wünsche daß die vorliegende Mittheilung dazu beiträgt,
daß ein Chemiker, der über bessere Mittel zu verfügen hat, eine Untersuchung
aufnimmt, welche für die Wissenschaft und Technik von der größten Wichtigkeit
ist.
Man hat die Vermuthung ausgesprochen, daß die verschiedenen, in der Krappwurzel
enthaltenen Pigmente, Oxydationsstufen von einem und demselben Radical seyn dürften.
Eine eigentliche Untersuchung hierüber liegt jedoch nicht vor; die einzige Analyse,
die man von Krappfarben kennt, ist die des Alizarins von Robiquet, der dafür die Formel: C₃₇H₂₄O₁₀ angibt.
Diese Analyse ist jedoch ganz werthlos geworden, seitdem man durch Runge's Untersuchungen weiß, daß in dem Krapp mehrere
flüchtige Pigmente enthalten sind. Auch die ganz schätzbare mikroskopische
Untersuchung von Decaisne konnte kein anderes Resultat
liefern, als daß in der frischen Wurzel die rothen Pigmente nicht bemerkbar
sind.
Die größte Schwierigkeit, welcher man bei der Untersuchung der Krapppigmente
begegnet, besteht darin, die verschiedenen Pigmente scharf von einander zu trennen. Nach
vielen Versuchen fand ich das folgende Verfahren am vortheilhaftesten; die Versuche
wurden alle mit badischem Krapp angestellt, der bekanntlich mit dem Elsasser ganz
einerlei ist, und welchen ich von der hiesigen Krappfabrik der HHrn. Fries bezog.
Die gemahlene Krappwurzel wird in einer hölzernen Kufe mit Wasser übergossen und ein
oder zwei Tage ruhig stehen gelassen, das Wasser abgegossen, der Krapp ausgepreßt
und in einem kupfernen Kessel wiederholt mit concentrirter Alaunlösung ausgekocht.
Das filtrirte Decoct setzt beim Erkalten eine rothbraune Substanz ab, die durch
Filtration von der darüber stehenden Flüssigkeit geschieden wird. Wird die auf diese
Weise erhaltene klare rothe Flüssigkeit mit Schwefelsäure versetzt, so scheidet sich
das darin gelöste Pigment gewöhnlich im Verlauf von 24 Stunden ab und die
Flüssigkeit bleibt nur noch schwach gefärbt; man filtrirt und löst das Pigment in
kochender Alaunlösung. Erhält man beim Erkalten wieder einen Absatz, so wird er
durch Filtration abgeschieden und die Flüssigkeit wieder mit Schwefelsäure versetzt.
Der dadurch erhaltene Niederschlag wird mit kochender verdünnter Salzsäure und
hiernach mit kaltem Wasser ausgewaschen und in Alkohol gelöst, der Alkohol
größtentheils abdestillirt und sodann der freiwilligen Verdunstung überlassen. Der
sich hiebei absetzende Krapppurpur wird wiederholt in Aether gelöst, der Aether
jedesmal bis ungefähr 1/3 abdestillirt und sodann verdunsten lassen, wobei sich das
Pigment allmählich abscheidet.
Der auf die beschriebene Weise erhaltene Krapppurpur stellt ein lebhaft fast
kirschrothes Pulver dar, das in kaltem Wasser kaum, ziemlich gut in kochendem, in
Alkohol und Aether leicht löslich ist. In Alkalien löst es sich mit tiefrother
Farbe, Säuren fällen es daraus in rothen Flocken. Beim Erhitzen schmilzt es und
verflüchtigt sich, wobei es jedoch eine Veränderung zu erleiden scheint. Bläst man
das zugeschmolzene Ende einer Glasröhre von etwa 2 1/2'' Länge und einigen Linien im
Durchmesser zu einer Kugel auf, bringt in die Kugel eine kleine Quantität des
Purpurs, füllt einen Platintiegel von mittlerer Größe zur Hälfte mit Oel, in welches
man die Kugel und ein Thermometer senkt, indem man erstere durch einen Draht, der an
dem Statif der Lampe befestigt und dessen Ende man in die Röhre einbiegt, festhält,
so hat man einen Apparat, welcher erlaubt, mit Bequemlichkeit und Schärfe zu
beobachten. Wird der kleine Apparat erhitzt, so beschlägt sich bei 225° C.
der aus dem Oel hervorragende Theil der Röhre mit einem violetten Anflug, und wenn
man nun weiter erhitzt, so füllt sich dieser Theil der Röhre allmählich mit kleinen Krystallen des
Pigments. Dieses Verhalten des Krapppurpurs ist, wie man sieht, im Widerspruch mit
der Angabe Runge's, wonach das sublimirte Krapppurpur
nicht krystallinisch ist. Indem ich einen Platintiegel von 3 Centimeter Höhe zu 1/4
mit Krapppurpur füllte, auf den Tiegel einen mit etwas Papier zugestopften kleinen
Trichter setzte und im Sandbad auf der Lampe vorsichtig erhitzte, erhielt ich eine
Menge der schönsten Krystalle von kirschrother Farbe, bis zu einer Länge von 2 1/2
Centimeter. Diese Krystalle geben jedoch mit Kali nicht mehr eine rothe, sondern
eine violette Lösung; der in dem Tiegel zurückbleibende Theil gibt, wenn man nicht
zu stark erhitzt hat, mit Kali dieselbe violette Farbe.
Bei der Verbrennung mit chromsaurem Bleioxyd gaben 0,2483 Gram. Krapppurpur 0,5163
Gram. Kohlensäure und 0,079 Gram. Wasser.
0,299 Gram., mit Kupferoxyd verbrannt, gaben 0,621 Gramme Kohlensäure und 0,0925
Gram. Wasser.
In Procenten ausgedrückt, entspricht dieß:
I.
II.
Kohlenstoff
56,71
56,64
Wasserstoff
3,53
3,43
Sauerstoff
39,76
39,93
––––––––––––
100,00
100,00
Die Formel: C₂₈ H₁₀ O₁₃ verlangt:
Kohlenstoff
56,71
Wasserstoff
3,35
Sauerstoff
39,94
––––––
100,00
Ich will hier die Bemerkung beifügen, daß die Pigmente, die der Analyse unterworfen
wurden, sämmtlich bei 115–120° C. getrocknet waren und unter dem
Mikroskop betrachtet, sich frei von Verunreinigung zeigten.
Von großer Wichtigkeit für die Fabrication des Garacins ist das Verhalten der
Krappppigmente gegen concentrirte Schwefelsäure. Löst man Krapppurpur oder
Krapproth, oder auch ein Gemenge beider in concentrirter Schwefelsäure in der Kälte,
so ist die Lösung prachtvoll kirschroth gefärbt; fügt man zu dieser Lösung
1/4–1/3 ihres Volums Wasser, so scheidet sich aus der heißen Flüssigkeit der
Farbstoff unverändert aus. Erhitzt man die Lösung der Pigmente in concentrirter
Schwefelsäure bis auf 110° C., so werden sogar bei dieser Temperatur die Pigmente nicht
verändert; sie scheiden sich unverändert ab, wenn man die noch heiße Lösung
vorsichtig in ein Gefäß mit Wasser gießt. Wenn man bei der Darstellung des Garacins
die Schwefelsäure mit 1/4–1/3 ihres Volums Wasser verdünnt, so hat man nicht
zu befürchten, daß eine erhebliche Quantität der Pigmente gelöst wird; eine so
verdünnte Säure färbt aber einen dareingetauchten Span sogleich schwarz. Die
Anwendung einer zu concentrirten Säure führt nach diesem Verhalten den Uebelstand
mit sich, daß die Pigmentflocken, welche sich beim Verdünnen derselben daraus
ausscheiden, von dem Auswaschwasser leicht weggeführt werden. Aus dem angeführten
Verhalten der Krapppigmente scheint außer diesem noch hervorzugehen, daß man in
Beziehung auf die Temperatur der bei der Darstellung des Garacins zu verwendenden
verdünnten Säure nicht so ängstlich zu seyn braucht, als es manche Vorschriften,
denen man in der Technik begegnet, zu seyn scheinen.
Sublimirter Krapppurpur.
Ich habe bereits erwähnt, daß ich den Krapppurpur in schönen Krystallen erhielt; es
ist dieser Körper einer der schönsten, denen man in der Chemie begegnet. Die
Sublimation des Krapppurpurs konnte ich nie ohne einen bedeutenden kohligen
Rückstand bewerkstelligen. Das Verhalten gegen Alkalien zeigt, daß der Krapppurpur
bei der Sublimation eine Veränderung erleidet; die Elementaranalyse, die mit der
größten Sorgfalt ausgeführt wurde, spricht ebenfalls für eine Veränderung durch die
Wärme. Es gaben nämlich:
0,1313 Gram. Krystalle des sublimirten Purpurs bei der Verbrennung mit Kupferoxyd
0,2530 Gram. Kohlensäure und 0,0614 Gr. Wasser.
Dieß entspricht in 100 Theilen ausgedrückt:
Kohlenstoff
53,30
Wasserstoff
5,19
Sauerstoff
40,51
––––––
100,00
Der Ausdruck: C₇H₄O₄ schließt 53,84 Proc. Kohlenstoff und 5,12
Proc. Wasserstoff ein. Ich besaß nicht Material genug, um weitere Forschungen über
die Art dieser Veränderung anzustellen, bei einem Versuch mit einer geringen
Quantität Krapppurpur erhielt ich jedoch bei vorsichtigem Erhitzen eine nicht
geringe Quantität Kohlensäure.
Nach der Angabe von Robiquet und Colin sind die
Nadeln von Alizarin von einer fettigen Substanz begleitet, die deren Auflöslichkeit
in Wasser
verhindert; durch Befeuchten mit Alkohol soll diese Substanz beseitigt und das
Alizarin löslich gemacht werden. Die Annahme einer fettigen Substanz beruht wohl
hier auf einem Irrthum. Befeuchtet man sublimirten oder nicht sublimirten
Krapppurpur oder Roth mit einigen Tropfen Alkohol, so geht beim Vermischen mit
Wasser das Pigment, das für sich allein in Wasser nicht löslich ist, mit dem Alkohol
mit in die Lösung. Das Verhalten der Pigmente ist in dieser Beziehung einerlei, es
bleibt sich gleich, wenn man dieselben mit Aether behandelt, mit der Vorsicht, sich
nicht alles lösen zu lassen, um die angebliche fette Substanz zu entfernen. In
siedender Alaunlösung sind die Krystalle des sublimirten Krapppurpurs schwer
löslich, die Löslichkeit wird jedoch durch Pulverisiren derselben etwas erhöht.
Krapproth.
Das Krapproth ist in dem Niederschlag enthalten, der sich aus dem heißen Krappdecoct
beim Erkalten absetzt. Kocht man diesen Absatz mit Weingeist, den man mit einer
concentrirten Alaunlösung versetzt hat, so erhält man nach dem Erkalten der
Flüssigkeit zwei Schichten von Pigment. Man nimmt die obere hellrothe, flockige
Schichte mit einer Pipette hinweg und übergießt die untere dunkelbraune wieder mit
dem schon erwähnten Gemisch von Alkohol und Alaunlösung, erhitzt und verfährt wie
oben angegeben. Ich habe diese Behandlung wohl über fünfzehnmal wiederholt und immer
die erwähnte obere hellrothe Schicht erhalten, in welchen Verhältnissen die Mischung
von Alkohol und Wasser auch angewendet wurde; die Quantität der braunen Substanz
hatte sich während dieser Operation um nahe 2/3 vermindert. Wenn die Flocken der
oberen Schicht mit Kali eine rein violette Lösung gaben, wird nach ihrer Entfernung
der braune Absatz mit verdünnter kochender Salzsäure und hiernach mit Wasser
ausgewaschen, getrocknet und mit kochendem Alkohol behandelt, welcher mit
Hinterlassung einer braunen Materie das Krapproth löst. Der Alkohol wird
abdestillirt, das Pigment in Aether gelöst, ein Theil des Aethers abgezogen, die
Lösung sodann der freiwilligen Verdunstung überlassen, und wenn sich das Pigment
größtentheils abgeschieden hat, das Uebrige abgegossen. Die Behandlung mit Aether
wird so lange wiederholt, bis man ein Pulver von reiner, lebhaft gelber Farbe
erhalten hat.
Das Krapproth ist in Wasser schwer löslich, Alkohol und Aether nehmen es mit
Leichtigkeit auf. Mit Kali gibt es die mehrfach erwähnte violette Lösung; Ammoniak
löst es mit rother Farbe, eben so die fixen kohlensauren Alkalien. Beim Erhitzen
verhält es sich dem Krapppurpur ganz ähnlich. Bei 225° C. fängt es an sich zu verflüchtigen und
setzt in einem überdeckten Platintiegel erhitzt, schöne orangegelbe Nadeln ab. Ich
habe versucht das Krapproth sowohl, wie den Krapppurpur, nach der Methode von Preußer zu reduciren, es hat mir dieß jedoch auf keine
Weise gelingen wollen.
Eine kleine Quantität Krapproth der Elementaranalyse unterworfen, gab folgende
Resultate:
0,3403 Gram, gaben 0,8382 Gram. Kohlensäure und 0,1204 Gram. Wasser.
In Procenten:
Kohlenstoff
67,20
Wasserstoff
3,93
Sauerstoff
28,87
––––––
100,00
Der Formel: C₂₈ H₉O₉ entsprechen:
Kohlenstoff
67,43
Wasserstoff
3,61
Sauerstoff
28,96
––––––
100,00
Man hat diese und die vorhergehenden Formeln als nichts anderes, als den bequemen
Ausdruck der analytischen Resultate anzusehen.
Sublimirtes Krapproth.
Das Verhalten des sublimirten Krapproths stimmt mit dem des nichtsublimirten überein.
Die Krystalle sind nicht löslich in Wasser; Aether und Alkohol lösen sie mit
Leichtigkeit. Es ist wahrscheinlich, daß seine Zusammensetzung von der des
nichtsublimirten Rothes nicht abweicht, obgleich die Analyse ein etwas davon
abweichendes Resultat gab.
Es gaben nämlich:
0,3212 Gram. Krystalle mit Kupferoxyd und chlorsaurem Kali verbrannt, 0,7975 Gram.
Kohlensäure und 0,1305 Gram. Wasser.
In 100 Theilen:
Kohlenstoff
67,71
Wasserstoff
4,51
Sauerstoff
27,78
––––––
100,00
Aus dem Vorhergehenden scheint hervorzugehen, daß das Krapproth durch Aufnahme von 1
Aequivalent Wasser und 5 Aeq. Sauerstoff in Krapppurpur übergehen kann, es ist
nämlich:
C₂₈H₉O₉ + HO + 5O =
C₂₈H₁₀O₁₅
Wenn man die Formel: C₂₈H₁₆O₁₆ statt
O₇H₄O₄ annimmt, so unterscheidet sich sublimirter Purpur von
dem rothen Pigment nur durch 7 Aeq. Wasser, die er mehr enthält.
Ich will nun noch eines Versuchs erwähnen, der wohl verdiente weiter verfolgt zu
werden, zu welchem ich aber mein letztes Material verwendet hatte. Um das Verhalten
der Pigmente gegen Sauerstoff zu prüfen, blies ich in Ermangelung einer
Quecksilberwanne an eine Glasröhre zwei Kugeln; die Röhre wurde vor der einen Kugel
zu einer langen Spitze ausgezogen, zwischen den Kugeln knieförmig gebogen, das
Pigment durch das unausgezogene Ende in die Kugel gebracht, etwa 3 Zoll von der
Kugel auch dieses Ende ausgezogen und durch eine Kautschukröhre mit einem Apparat
verbunden, aus welchem Sauerstoff entwickelt wurde; die lange offene Spitze des
andern Endes der Röhre tauchte in eine Proberöhre, die zur Hälfte mit Quecksilber
gefüllt war.
Als ein glimmender Span in der Proberöhre mit Flamme brannte, wurde der ausgezogene
Theil an dem Gasentwickelungsapparat mit dem Löthrohr zugeschmolzen und der kleine
Apparat, dessen offene Spitze in Quecksilber tauchte, ruhig stehen lassen.
Krapppurpur absorbirte während 24 Stunden nicht einen halben Kubikcentimeter des
Gases und blieb unverändert.
Als ich den mit Krapproth versehenen Apparat mit dem Löthrohr zuschmelzen wollte,
entstand durch die ganze Länge desselben eine Explosion; das Quecksilber und die
Substanz in der Kugel wurden mit Heftigkeit umhergeschleudert, an vielen Stellen der
Röhre waren dunkle, runde Flecken und was ich von Substanz noch sammeln konnte, war
braun gefärbt und gab mit Kali nicht mehr eine violette, sondern eine rothe Lösung,
ähnlich der des Krapppurpurs.