Titel: | Ueber die Desinficirung der menschlichen Excremente. |
Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. XXXV., S. 147 |
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XXXV.
Ueber die Desinficirung der menschlichen
Excremente.
Aus dem Moniteur industriel, 1846 Nr.
1058.
Ueber die Desinficirung der menschlichen Excremente.
Die volkreichen Städte sind es, wo die menschlichen Excremente sich in einem
beschränkten Raum in größter Menge anhäufen; daher auch hier am meisten auf Mittel
gesonnen wird, dieselben zu desinficiren. Seit dem Jahre 1832 wurden in Frankreich
30 Patente auf solche Verfahrungsarten genommen, von deren Besitzern 26 auf Paris
kommen.Eines dieser Patente lautet dahin: à
desinfecter les fosses inodores, ein jedoch nur dem Wortlaute, aber
nicht der Sache nach seltsamer Widerspruch!
Wir übergehen hier das Chlor, die Chloralkalien, die Guyton'schen Räucherungen, welche jedermann kennt, und beschränken uns auf
die neuern Desinfectionsarten, wobei andere Salze oder Metalloxyde in Anwendung
kommen.
Aus folgender Tabelle ist ersichtlich, wie viele Patente seit dem Jahr 1832 bis zum
Julius 1846 jedes Jahr auf die Desinficirung der faulenden Excremente ertheilt
wurden.
Jahrgänge:
1832
1833
1834
1835
1836
1837
1838
1839
Anzahl der Patente:
1
1
0
0
0
1
0
2
Jahrgänge:
1840
1841
1842
1843
1844
1845
1846
Anzahl der Patente:
5
1
2
5
3
8
3
Nach diesen patentirten Methoden ließ man die Excremente bald einsaugen, gleichsam
wie von einem Schwamme, bald gerbte man sie, bald parfumirte man sie, bald wurden
sie gekocht, bald gebleicht, bald wurde ihnen Kaffee etc. zugesetzt. Nun ist
bekannt, daß das Kochen die Substanzen fäulnißfähig erhält; daß ihnen durch das
Parfumiren fäulnißwidrige (antiseptische) Körper zugeführt, daß sie dadurch
gleichsam einbalsamirt werden, wie die Mumien in früheren Jahrhunderten; daß durch
das Gerben diese Substanzen zwar vor Fäulniß bewahrt werden, allein auf Kosten des
Düngers, der daraus erzeugt werden soll, und mit Zusatz eines wahrhaften Giftes für
die Pflanzen, welche damit gedüngt werden; warum aber die menschlichen Excremente
gar noch gebleicht werden sollen, ist nicht einzusehen; zu bewirken, daß sie die
Geruchsorgane nicht
belästigen, ist viel, sie aber noch angenehm für das Gesicht zu machen, das ist viel
zu viel.
Den Preis der Desinficirmittel anbelangend, so wäre es leicht nachzuweisen, daß so
manches in Paris zu 20,000 Fr. per 100 Kilogr. verkauft
wird.
Verfolgen wir die chronologische Ordnung, so wurde im Jahr 1832 Hrn. Salmon sein Patent für Desinficirung der faulenden
Excremente mittelst gekohlter Erde ertheilt. Wir behalten uns vor, in einem spätern
Artikel, worin wir uns mit den Düngerarten beschäftigen werden, den Commentar zu
diesem Dünger, in Verbindung mit einigen interessanten historischen Notizen, zu
liefern.
Das wichtigste der ersten Patente auf Desinficirung ist sicherlich das am 23. Julius
den HHrn. Krafft und Sucquet
ertheilte. Dieselben bedienten sich einfacher chemischer Reactionen, um die
übelriechenden Gase, welche die faulenden Körper entbinden, zu zerstören. Zu diesem
Behufe nahmen sie Eisenoxydhydrat, welches auf folgende Weise erhalten wurde. Man
goß in Eisenoxyd-Auflösung gefaulten, ammoniakalischen Harn, wobei sich das
Ammoniak mit der Schwefelsäure verband, während das Eisenoxyd-Hydrat
niederfiel. Dieses im Hydratzustand leichte, stockige Oxyd wurde gesammelt und
1/1000 oder 1/500 davon den Excrementen zugesetzt; dieses Mengenverhältniß war aber
jedenfalls ein unzureichendes. Ferner wurde dadurch zwar der Schwefelwasserstoff
zerstört, das in den Abtrittgruben enthaltene Ammoniak aber nicht fixirt, welches
sich daher fortwährend entwickeln und dabei unzersetzte Theilchen der Excremente
mitfortreißen konnte, so daß der Geruch hiemit keineswegs verschwunden war.
Bald darauf nahm Hr. Siret, Apotheker zu Meaux, ein Patent
(31. August 1840) auf die Anwendung folgender Substanzen:
schwefelsaurer Kalk (Gyps)
150
Pfd.
schwefelsaures Visen (Eisenvitriol
50
„
schwefelsaure Thonerde (Alaun)
50
„
Holzkohle
100
„
Theer
5
„
brenzliches Oel
1
„
gebrannter Kalk
10
„
Die Kohle absorbirte die stinkenden Gase; der Eisenvitriol zersetzte die noch nicht
absorbirten; und die Rolle der andern Bestandtheile war beinahe null. Der
Eisenvitriol wurde von der Akademie zu Dijon schon vor sehr langer Zeit, und zwar
gegen Ende des vorigen Jahrhunderts empfohlen. In neuerer Zeit zeichnete Hr. Schattenmann den Weg vor, welcher einzuschlagen ist, um
damit das möglichbeste, ein vortreffliches Resultat zu erhalten.Polytechn. Journal Bd. XCIII S.
467.
Unmittelbar nach diesem folgt das Patent der HHrn. Broquet
und Marie, welches gegenwärtig abgelaufen ist und das wir
hier absichtlich anführen, um später zu zeigen, welchen Werth ein kürzlich auf
Dünger genommenes Patent hat:
organische oder unorganische Kohle
60
Kilogr.
schwefelsaures Eisen (grüner
Vitriol)
75
„
Chlorkalk
1
„
schwefelsaures Blei
1
„
Nach einem andern Patent, vom 10. Febr. 1843, soll man den Kaffeesatz zum
Desinficiren etc. anwenden.
Am 26. Oct. 1843 erhielt Hr. Coutaret sein Patent; es
verdient wegen seiner Wichtigkeit näher besprochen zu werden. Der Erfinder gibt drei
Salze an, welche zum Desinficiren taugen:
1) essigsaures (holzsaures) Eisen,
2) Alaun,
3) schwefelsaures Eisen (Eisenvitriol).
Er bedient sich gegenwärtig nur des erstern; das zweite ist zu theuer und ist kein
eigentliches Desinficirmittel; das dritte ist Gemeingut. Das holzsaure Eisen ist ein
sehr gutes Desinficirmittel, erstens weil es die stinkenden Gase zerstört;
vielleicht aber auch deßhalb schon einigermaßen, weil es durch seinen starken
Theergeruch die noch zurückbleibenden maskirt. Uebrigens scheint es uns, daß dieses
Salz manchmal in saurem Zustande in Anwendung kam; ist dem so, so möchten wir Hrn.
Coutaret anrathen, diesen Säureüberschuß mit irgend
einer Basis zu sättigen, und können, zahlreichen Versuchen zufolge, die wir hierüber
anstellten, ihn versichern, daß er sich viel besser dabei befinden wird und daß man
so nicht Gefahr läuft, daß die Gruben, in Folge der unvermeidlichen reichlichen
Gasentwickelung durch die Säuren, Schaum werfen. Jedenfalls ist das holzsaure Eisen
eines unserer besten Desinficirmittel.
Am 24. Dec. 1843 erhielt Hr. Matthon ein Patent auf seine
Methode die Excremente zu desinficiren oder vielmehr zu parfumiren und zu kochen,
wobei er wie folgt verfährt. Er versieht sich mit Hopfen,
Wachholder, Wermuth und grünem
Anis, welche er nächst der Abtrittgrube verbrennt; die aufsteigenden Dämpfe
und der Rauch werden in einem Rohr, das bis auf den Boden der Grube hinabreicht, um
die es erfüllenden Gase bis dahin zu schaffen, fortgeleitet und mittelst eines
Eimerrades comprimirt; mit dieser Injection wird nicht früher aufgehört, als bis
aller Koth sich in kochendem Zustande zu befinden schein!. Der Erfinder gibt weder
die Quantität dieser kostbaren Substanzen, noch die Zeit an, die zur Behandlung
einer Mittlern Grube von nur 12 Kubikmetern Rauminhalt auf diese Weise erforderlich
ist; man sagt aber, daß ungefähr 1000 Kilogramme Hopfen, Wachholder etc. und
wenigstens 24 Stunden Zeit hiezu nöthig wären. Dieses Verfahren scheint überdieß
keine großen Dienste geleistet zu haben, weil dann erst noch folgende
Desinficirmittel angewandt werden müssen: man bringt Schwefelsäure, Alaun, grünen Vitriol, grünen Anis, Wachholder und metallisches Kupfer, alles in Wasser, mischt es gut
untereinander und gießt 6 Liter dieser Flüssigkeit auf je einen Kubikmeter
Excremente; um den Zweck zu erreichen, muß die Flüssigkeit ganz heiß und kochend
eingegossen werden. Dem allem werden vollends noch gefaulte Pomeranzen und
verdorbene Citronen zugesetzt, welche man vorher zerquetscht und von Zeit zu Zeit
mit Schwefelsäure besprengt haben muß. Die mit dieser Pommade vermengten Excremente
sollten allerdings keinen übeln Geruch mehr haben!
Doch wurden auch vernunftgemäßere und wohlfeilere Vorschriften patentirt. Hr. Jourdan von Marseille benutzt gepulverten Chlorkalk und
zweifach-schwefelsaures Kali, welches das Chlor frei macht und setzt dann
noch gestoßene Kohle zu. Es ist dieß ein gutes Desinficirmittel (patentirt den 19.
Dec. 1843).
Die HHrn. Raphanel und Ledoyen
bereiten ein Desinficir-Wasser aus 4 Pfd. salpetersauren Bleies, 1 Pfd.
essigsauren Bleies und 1000 Pfd. Wasser. Allerdings sind die Bleisalze gute
Desinficirmittel; aber leider sind sie zu theuer; sieht man doch schon, mit welcher
Sparsamkeit die Erfinder verfahren! – Eine Probe ihrer Flüssigkeit kam in
unsere Hände und wurde sehr sauer befunden. Dieses Wasser wirkt schon wenig wegen
seines geringen Bleigehalts; noch weniger aber in Folge seines
Säure-Ueberschusses (patentirt am 6. Jan. 1845).
Oelige Substanzen verhindern durch ihre Eigenschaft, über den Excrementen zu
schwimmen und sie zu überdecken, das Entweichen der übelriechenden Gase; aus diesem
Grunde empfahl, wenn wir nicht irren, Hr. Mary in den Gasanstalten
einige Fässer verdorbenen Oels auf die Reservoirs der Gasometer zu gießen, um die
Verflüchtigung des in dem Sperrwasser derselben aufgelösten Ammoniaks zu verhindern.
– Hr. Robinet gießt auch auf die Excremente zur
Zeit ihres Ausräumens Oel, um das Entweichen ihrer schädlichen Gase zu verhindern.
– Indessen haben die Fettsubstanzen noch eine andere Wirkung, welche,
obgleich auf den ersten Blick nicht sehr beachtenswerth, doch nicht bestritten
werden kann, nämlich die, daß das Oel, in Berührung mit den stinkenden
ammoniakalischen Gasen, sich mit dem Ammoniak verbindet und eine Seife bildet,
welche aufgelöst bleibt; man fixirt auf diese Weise das Ammoniak und beseitigt also
seine Verflüchtigung.
Hr. Dubois gerbte oder schwärzte vielmehr die Excremente
auf folgende Weise: er läßt Gerberlohe 24 Stunden lang in
Wasser gähren, sodann Raute 1/2 Stunde lang kochen;
vermischt hierauf beide Flüssigkeiten, in welche dann Eisenvitriol gegossen wird.
Dieß heißt aber gerbesaures Eisen oder Tinte bereiten,
womit also desinficirt werden soll. Um gerecht zu seyn, muß zwar bemerkt werden, daß
der Exfinder die Metallsalze allenfalls (à la
rigueur) auch wegläßt und mit dem Gerbestoff allein desinficirt; allein er
ist auch damit nicht glücklicher; denn der Gerbestoff wirkt auf die Pflanzen, nur zu
einigen Tausendsteln angewandt, wie ein wahres Gift; er schwärzt sie und verstopft
die Poren der Würzelchen, worauf die Pflanze bald welkt und abstirbt. Wem ist es
nicht bekannt, daß die Torfböden ihre sprüchwörtlich gewordene Unfruchtbarkeit
größtentheils dem in ihnen enthaltenen Gerbestoff verdanken.
Hr. Dr. Paulet bediente sich
der Metallseifen, der ölsauren Metallsalze, namentlich aber der ölsauren Eisensalze
zum Desinficiren; dieselben werden durch Vermengen von Eisenvitriol mit Seifenlösung
dargestellt. Man erhält hiebei ein unauflösliches, mit Wasser verbundenes, leichtes,
flockiges ölsaures Eisen. Aus zwei Gründen ist dasselbe ein gutes Desinficirmittel;
es ist fett, weil es viel Oel enthält, und wirkt deßwegen wie die fetten Körper, und
enthält überdieß ein Metalloxyd im porösen Instand, welches den Schwefelwasserstoff,
diese den Abtrittfegern so gefährliche Gasart zersetzt.
Im laufenden Jahre sind wir sehr arm, wenn auch nicht an Desinficir-Patenten,
doch an neuen Mitteln; denn die Patente bringen sehr oft das Alte wieder; Beweise
hiefür liefern die zwei letzten Patente dieses Jahres, welche den Beschluß dieser
Skizze machen sollen.
Am 25. Febr. 1846 ließ sich Hr. Jacquot ein Patent für ein
nach ihm benanntes Desinficirsystem geben; es lautet kurz und wörtlich wie folgt:
„Man braucht nur 3 Kilogr. gebrannten schwefelsauren Kalk (Gyps) auf
den Kubikmeter Excremente zu nehmen, um die festen sowohl als flüssigen zu
desinficiren und sodann den Ort beständig rein zu erhalten.“ Wie
lange dient hiezu schon der Gyps! (Man sehe nur oben Siret's Patent.) Uebrigens desinficirt wohl der Gyps einigermaßen durch
Absorption der stinkenden Gase, und einigermaßen durch Zerstörung derselben; seine
Wirkung ist aber so schwach, daß wir ohne Anstand behaupten können, daß zu obigem
Rauminhalt 100 bis 150 Kilogr. erforderlich wären.
Das letzte Patent besteht in Folgendem: man beginnt die Desinficirung mittelst eines
Dampfstroms; zu diesem Behufe wird eine Locomotive, mit Rost, Sicherheitsventilen
und allem nothwendigen Zubehör versehen, an die Grube geführt und geheizt, was doch
wenigstens 5–6 Stunden dauern muß; und zuletzt, wenn das Ventil gut spielt
und das Manometer den gehörigen Druck anzeigt, wird ein an einem langen Rohr
befindlicher Hahn geöffnet, welcher den Dampfkessel mit der Grube in Verbindung
setzt, welche dann bald mit Dampf erfüllt ist. Die Frage, zu was dieses alles,
vermöchten wir nicht zu beantworten, wenn der Erfinder nicht hiefür Sorge getragen
hätte.Dem Verfasser blieben also die wichtigen Versuche von Faucille (polytechn. Journal Bd.
C, S. 194) unbekannt.A. d. R. Es wird deßwegen Dampf in die Grube geleitet, damit ihre Atmosphäre damit
erfüllt und die in ihr enthaltenen stinkenden Gase davon aufgelöst werden. Ohne es
zu ahnen, behandelt der Erfinder volle Gruben so als wären sie leer, während doch
die vollen keine Atmosphäre haben, welche den Dampf aufnehmen könnte. Nach dieser
vorläufigen Operation läßt er den Dampfstrom in ein Faß treten, welches Wasser,
Braunstein und Salzsäure enthält, um Chlor zu erzeugen und damit zu
desinficiren.