Titel: | Ueber die Elementar-Zusammensetzung der chemisch reinen Schießbaumwolle oder des Pyroxylins; von J. Pelouze. |
Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. XLVII., S. 225 |
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XLVII.
Ueber die Elementar-Zusammensetzung der
chemisch reinen Schießbaumwolle oder des Pyroxylins; von J. Pelouze.
Aus den Comptes rendus, Jan. 1847, Nr.
1.
Pelouze, über die Elementar-Zusammensetzung der chemisch
reinen Schießbaumwolle.
Bereitung des Pyroxylins. Bei der Einwirkung der
concentrirten Salpetersäure auf die Cellulose scheinen bloß Wasser und Pyroxylin zu
entstehen; es entbindet sich dabei kein Gas; wenn man die zurückbleibende saure
Flüssigkeit mit Ammoniak sättigt, abdampft und durch Erhitzen zersetzt, so
hinterläßt sie keinen Rückstand und liefert keine Kohlensäure oder nur Spuren davon;
die anfängliche Dichtigkeit der Säuremischung hat sich aber vermindert, sie wird
wässeriger und eignet sich bald nicht mehr zur Bereitung einer neuen Quantität
Schießbaumwolle. Der Zusatz von Schwefelsäure ist für eine ökonomische Fabrication
der Schießwolle wichtig, sie hat aber auf den Proceß selbst keinen Einfluß. Die
Baumwolle verändert kaum ihr Aussehen und ihre Umänderung in Pyroxylin erfolgt fast
augenblicklich.
Damit die normale Wirkung stattfindet, wobei bloß Wasser und Pyroxylin entstehen, muß
man bei niedriger Temperatur operiren und reine Körper anwenden; namentlich muß man
die Baumwolle rasch und vollständig in die Säure eintauchen, damit sich die
entwickelte Wärme in der ganzen Masse der Flüssigkeit vertheilen kann. Wenn die
Baumwolle fremdartige Substanzen enthält, so liefert sie natürlich weniger
Pyroxylin, weil diese Substanzen von der Salpetersäure aufgelöst oder zerstört
werden. Baumwolle, welche mittelst Alkalien, Säuren, Aether und Alkohol gereinigt worden
ist, liefert immer gleich viel Pyroxylin, man mag sie nur einige Minuten oder
achtzehn Stunden lang in eine Mischung aus gleichen Volumen reiner Salpetersäure und
Schwefelsäure (Monohydrate) eintauchen; 100 Gewichtstheile gereinigte und bei
150° C. ausgetrocknete Baumwolle (reine Cellulose) geben 175 Theile
Pyroxylin. Dieses Pyroxylin wurde vor dem Wägen bei einer Temperatur zwischen 40 bis
55° C. ausgetrocknet. Bei dieser Temperatur verändert es sich nicht merklich;
aber stärker erwärmt, gegen 100° C., riecht es deutlich nach Salpetersäure
und zersetzt sich, obgleich langsam. Im Verlauf einer Stunde kann es zwischen 100
und 110° C. zehn Proc. an Gewicht verlierenEine Beobachtung welche zuerst Prof. Fehling
machte, man vergl. S. 46 in diesem Bande des polytechn. Journals.; es wird dabei gelb, sehr zerreiblich und entzündet sich nicht selten
plötzlich. Beim wiederholten Eintauchen in die Säuren nimmt das ausgetrocknete
Pyroxylin nicht mehr an Gewicht zu, im Gegentheil löst sich davon eine sehr kleine
Menge auf, welche das Wasser in Form einiger leichten weißen Flocken
niederschlägt.
In Essigäther ist das Pyroxylin vollkommen auflöslich; diese merkwürdige Beobachtung
verdankt man Hrn. Nichier, Präparator an der
Municipalschule von Paris.Sie wurde schon Anfangs Januar von Schönbein und
Böttger in der Allg. Ztg. veröffentlicht. Diese Eigenschaft liefert ein Mittel das Pyroxylin in Pulverform (und in
reinem Zustande) zu erhalten. Man braucht nämlich die Schießwolle nur einige
Augenblicke der Einwirkung einer kleinen Menge Essigäther auszusetzen und sie
schwach zwischen den Fingern oder in einem Mörser zu zerreiben.
Auch das Verschwinden der Schießwolle in verdünnter Schwefelsäure, bei einer
Temperatur unter 100° C., ohne Färbung der Flüssigkeit, gestattet die
Abwesenheit von Cellulose (unveränderter Baumwolle) im Pyroxylin zu erkennen. Diese
Eigenschaft wurde unlängst von Hrn. Vankercknoff
beobachtet.
Analyse. Eine beträchtliche Anzahl übereinstimmender
Analysen reinen Pyroxylins, mittelst Kupferoxyds (und überdieß bloß einem Zusatz von
metallischem Kupfer, um die Stickstoffverbindungen zu zersetzen, welche beim
Erhitzen desselben entstehen), ergab mir als Zusammensetzung desselben: C²⁴H¹⁷O¹⁷, 5AzO⁵. Hienach müßten 100 Theile reiner und
trockener Baumwolle 174,9 Pyroxylin geben; ich habe gefunden, daß 174 bis 176
entstehen. Diese Formel entspricht 25,40 Kohle, 2,99 Wasserstoff und 12,34
Stickstoff.
Die Versuche ergaben:
Kohlenstoff
25,2 Minimum25,8 Maximum
Wasserstoff
2,9 Minimum 3,2
Maximum
Stickstoff
12,6 Minimum13,0 Maximum
Zur Sicherheit habe ich auch die Analyse der Cellulose wiederholt und mich dabei
überzeugt, daß auf oben angegebene Weise gereinigte und bei 160° C.
getrocknete Baumwolle wirklich die von Payen angegebene Zusammensetzung hat, nämlich
C¹²H¹ºO¹º. Diese
Formel scheint verdoppelt werden zu müssen, um 1 Aequivalent Cellulose zu
repräsentiren; die Verwandlung dieser Substanz in Pyroxylin fände dann nach
folgender Gleichung statt:
Textabbildung Bd. 103, S. 226
1 Aeq. Cellulose, 1 Aeq.
Pyroxilyn.
5 Aequivalente Salpetersäure, welche auf 1 Aeq. Cellulose wirken, würden 8 Aeq.
Wasser und 1 Aeq. Pyroxylin bilden: von diesen 8 Aeq. Wasser würden 3 von der
organischen Substanz und 5 von der wässerigen Salpetersäure herrühren. Diese
Ausscheidung einer beträchtlichen Menge Wasser erklärt uns, warum eine Mischung von
concentrirter Salpetersäure und Schwefelsäure schnell geschwächt wird, wenn man
darin Baumwolle einweicht, so daß sie oft nicht mehr zur Bereitung einer neuen
Quantität Schießwolle anwendbar ist.
Die Formel des Pyroxylins (C²⁴H¹⁷O¹⁷,
5AzO⁵), so wie ich sie aus meinen Analysen abgeleitet habe, erklärt uns,
warum diese detonirende Substanz keinen kohligen Rückstand in den Gewehren
hinterläßt. Sie kann sich nämlich vollständig in elastische Flüssigkeiten und in
Wasserdampf verwandeln; denn sie enthält außer dem Stickstoff und den Elementen des
Wassers, 24 Aeq. Kohlenstoff auf 25 Aeq. Sauerstoff, also von letzterm mehr als
hinreichend ist, um allen ihren Kohlenstoff in Kohlenoxyd zu verwandeln. Man kann
sich folglich die Producte der Detonation des Pyroxylins folgendermaßen
vorstellen:
46 Volume Kohlenoxyd
C²³ O²³
2 Volume Kohlensäure
CO²
10 Volume Stickstoff
5 Az
34 Volume Wasserdampf
17 HO,
deren Summe 1 Aeq. Pyroxylin,
C²⁴H¹⁷O¹⁷, 5AzO⁵ repräsentirt.
Diese Zahlen sind jedoch rein theoretisch und müssen nothwendig durch eine Menge von
Umständen modificirt werden, besonders den mehr oder weniger hohen Druck und die
mehr oder weniger hohe Temperatur, welche die Detonation des Pyroxylins
veranlaßt.