Titel: Claußen's Handwebestuhl.
Fundstelle: Band 103, Jahrgang 1847, Nr. LVII., S. 259
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LVII. Claußen's Handwebestuhl. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Claußen's Handwebestuhl. Das Mechanics' Magazine Nr. 1217 vom 5. Decbr. 1846 bringt drei Abbildungen von Claußen's Handwebestuhl, die wir bei dem Interesse, welches dieser Gegenstand bereits erregte, in Fig. 19, 20 und 21 wiedergeben. Beschreibungen dieser Abbildungen enthält das genannte Journal nicht. Fig. 19 scheint auch nur im allgemeinen bestimmt zu zeigen, auf welche Weise dieser Webestuhl in Gang gesetzt wird, da kein einzelner Theil irgend kenntlich wiedergegeben ist. Die Art diesen Webestuhl zu handhaben ist diejenige, die bei dem Mühl- oder Bandstuhl Anwendung findet, welchem Bandstuhl überhaupt die Anordnung des Claußen'schen Handwebestuhls in manchen Theilen entspricht. Wie man sieht, ist der Arbeiter an einer dem Webestuhl entlang laufenden Stange, der Treibstange E (Fig. 20 und 21), beschäftigt, die mittelst der Treibarme F und dadurch, daß der Arbeiter solche wechselweise niederdrückt und aufhebt, die doppelt gekröpfte Welle H in Umschwung setzt. An dem einen Ende dieser Welle sitzt das Getriebe P (Fig. 20), das durch das Rad O dem Tuchbaum U eine langsame Bewegung ertheilt. Durch die gekröpfte Welle H kömmt auch die Labe B, C, D durch in diesen Zeichnungen nicht sichtbare Verbindungen in vor- und rückgehende Bewegung, ebenso der sogenannte Schützenschlag S, T (Fig. 19 und 20). L, M, N vermitteln durch ebenfalls nicht sichtbare Mechanismen die wechselnde Bewegung der Schäfte; V, X, Z aber gehören zu den Theilen, welche die Spannung der Kette bewirken, wovon unten die Rede seyn wird. A bezeichnet überall das Gestell. Ueber die Vorzüge dieses Webestuhls äußert sich das Mechanics' Magazine in folgender Weise: „1) Claußen's Webestuhl ist eine der nützlichsten Erfindungen, erstens wegen seiner außerordentlichen Einfachheit. Man braucht, um ein guter Weber zu seyn, bloß gelernt zu haben wie man eine Kurbel dreht und die Fäden anknüpft. Das bloße Drehen der Kurbel bewirkt alle anderen zahlreichen und scheinbar complicirten Bewegungen des Stuhls. Beim gewöhnlichen Handstuhl sitzt der Weber an der Vorderseite seines Stuhls und muß demselben daher beim Weben drei besondere Bewegungen geben. Erstens zieht er mittelst seiner Füße die Tritte nieder und zertheilt dadurch die Kettenfäden, um das Fach zum Passiren des Schiffchens zu bilden; zweitens wirft er mit seiner rechten Hand das Schiffchen, welches den Einschlag durch das offene Fach der Kette führt; und drittens stößt er mit seiner linken Hand die Lade, welche das Rietblatt enthält, gegen sich, um den Einschlagfaden anzutreiben, welchen das Schiffchen zurückgelassen hat. Jede dieser Bewegungen muß wechselweise und in Zwischenräumen vorgenommen werden; es geht daher während jedes Wechsels von einer Bewegung zur andern nothwendig Zeit verloren; so gering dieser Zeitverlust auch jedesmal seyn mag, so wird er doch im Verlauf eines ganzen Tages zu einem sehr beträchtlichen. Dieser Verlust ist aber bei Claußen's Stuhl gänzlich vermieden; denn obgleich die verschiedenen Bewegungen, welche erforderlich sind, um die Kette zu theilen, das Schiffchen zu werfen und die Eintragfäden einander anzunähern, auch bei dem neuen Stuhl ausgeführt werden müssen, so werden sie doch alle durch eine einzige Bewegung von Seite des Arbeiters bewerkstelligt, welcher sich in bequemer Stellung an der Fronte des Stuhls befindet und ihm durch eine Kurbelstange die Bewegung ertheilt, wie es in Fig. 19 abgebildet ist. In demselben Verhältniß als er in einer gegebenen Zeit das Schiffchen öfters durchzuwerfen im Stande ist, wird natürlich mehr Zeug gewoben. 2) Eine andere große Zeitersparniß entsteht dadurch, daß die gewöhnliche sogenannte Aufroll-Bewegung wegfällt. An dem gewöhnlichen Stuhl ist keine mechanische Vorrichtung zu diesem Zweck angebracht, sondern der Weber muß seine Arbeit immer nach fünfzehn bis zwanzig Minuten unterbrechen, um den Zeug, welchen er während dieser Zeit gewoben hat, auf den Baum zu wickeln. Bei Claußen's Stuhl wird jedoch jeder Faden des Eintrags, sobald er in den Zeug gebracht ist, um den Baum gewunden, nämlich mittelst Gewichten, welche an Seilen hängen, die um den Zeugbaum herum und über die Rolle im obern Theil des Stuhlgestells gehen, wie man in Fig. 20 und 21 sieht; der Weber braucht seine Arbeit niemals zu unterbrechen und gewinnt also die ganze Zeit, welche jetzt durch das Aufbäumen verloren geht. 3) Bei dem jetzt gebräuchlichen Handstuhl ist ferner die Kette immer gespannt und es reißen sehr viele Fäden beim Oeffnen der Fache, um das Schiffchen einzuschießen, sowie durch den Stoß der Labe beim Aneinanderschlagen der Eintragfäden. Das Anknüpfen der gerissenen Fäden nimmt dem Weber ebenfalls sehr viel Zeit weg. Bei Claußen's Stuhl wird hingegen die Kette mittelst zweier Wagegewichte beständig in gleichem Grade gespannt erhalten; das eine ist wie erwähnt an dem Zeugbaum und das andere auf ähnliche Weise an dem Kettenbaum angebracht. Durch die Wirkung dieser Gewichte wird während der Operation des Webens der Kette ein solcher Grad von Elasticität oder Federkraft verliehen, daß sie beim Oeffnen der Fache niemals reißen oder durch die Lade beim Aneinanderschlagen der Eintragfäden beschädigt werden kann, so daß dem Weber im Verlauf eines ganzen Tages verhältnißmäßig nur sehr wenige Fäden reißen. 4) Besonders aber kann der Weber bei der Construction von Claußen's Stuhl einen viel größeren Vortheil aus seiner Händekraft ziehen. Da alle Bewegungen durch die bloße Drehung einer einzigen Welle hervorgebracht werden, so können natürlich an dieser Treibwelle so viele Stühle angebracht werden als ein Mann zu treiben vermag. Ein Mann, welcher nur einen einzigen gewöhnlichen Handstuhl treiben kann, wird ohne größere Kraftanstrengung einen vierfachen Claußen'schen Stuhl treiben, d.h. er kann durch das Drehen der Treibwelle gleichzeitig eines, zwei, drei oder vier Gewebe erzeugen, wovon jedes seine besonderen Sahlleisten hat. Ein Webestuhl für ein Stück kann einen Zeug von 3 1/2 Yards Breite weben; ein solcher für zwei Stücke webt gleichzeitig zwei Zeuge von 2 Yards Breite; ein Stuhl für drei Stücke webt drei Zeuge, jeden von 1 Yard Breite; ein Stuhl für vier Stücke webt vier Zeuge, jeden von 20 Zoll Breite. Wir wollen nun noch einige Vortheile von geringerer Bedeutung anführen, welche Claußen's Stuhl darbietet. 5) Wegen der Regelmäßigkeit, womit Claußen's Stuhl arbeitet, erhält man Zeuge von viel besserer Qualität. Die Gewebe werden weder in der Qualität schlechter, noch werden sie in der Dichtheit verschieden, wenn man die Arbeiter wechselt oder wenn dieselben Arbeiter weniger aufmerksam sind; man kann daher mit denselben Materialien hundert Stücke Zeug produciren, welche in jeder Hinsicht fast vollkommen gleich sind. Auch können die Gewebe alle von demselben Stoff seyn oder es können so viele verschiedene Stoffe als Gewebe seyn. Die gröbsten und stärksten Fabricate können mit derselben Leichtigkeit erzeugt werden, wie die feinsten und lockersten. Die Gleichförmigkeit der Wirkung des Stuhls gestattet außerordentlich feine und zarte Materialien zum Eintrag anzuwenden, während wegen der schwachen Spannung der Kette zu derselben ohne Nachtheil schlechtere Materialien als gegenwärtig benutzt werden können. 6) Wenn in Folge des Wechsels der Mode hinsichtlich einer besonderen Art Waaren die Nachfrage aufhört, kann der Arbeiter mittelst Claußen's Stuhl sogleich eine andere Sorte Waaren zu weben anfangen, ohne daß man ihn hiezu wieder besonders zu unterrichten braucht. 7) Da bei Claußen's Stuhl die Kette nicht stark gespannt ist, so ist auch keine feuchte Luft erforderlich, damit die Fäden ihre Zähigkeit behalten und die tiefen und feuchten Keller der jetzigen Handweber werden ganz entbehrlich. Man kann mit Claußen's Stuhl in allen Localitäten und zu jeder Jahreszeit, mitten im Sommer so gut wie mitten im Winter weben. 8) Da ein einfacher Webestuhl, wenn das Gewebe nicht über 2 Yards breit ist, durch Weiber und Kinder in Gang gesetzt werden kann, so können bei Einführung der neuen Stühle Weiber und Kinder in viel größerer Ausdehnung als gegenwärtig verwendet werden, um wollene, seidene und feine leinene Fabricate zu weben.“ Wir fügen diesem bei, daß wir vollkommen überzeugt sind, daß die hergezählten Vortheile durch Claußen's Handwebestuhl erreicht werden können, was sich durch Versuche, die gleichzeitig mit Claußen's Stuhl an verschiedenen Orten und auch in Deutschland mit ähnlichen Vorrichtungen gemacht worden sind, jedesmal bestätigt hat. Derselbe Gedanke beschäftigte also mehrere Köpfe, und in der That wer möchte sich darüber wundern? Wem fiel es nicht auf, daß das Product des Handwebestuhls der darauf verwendeten Kraft nicht entspricht, wer ist nicht erstaunt über den enormen Aufwand von Kräften, mit welchen die Power Looms arbeiten, und wie mächtige Maschinen für ihren Zweck sie sind? Dadurch daß Claußen der Handweberei zu Hülfe kam, hat diese Sache ihren Endpunkt noch nicht erreicht; alles deutet vielmehr darauf hin, daß wir am Vorabend eines gänzlichen Umschwunges der Weberei stehen. Δ

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