Titel: | Das Hanewald'sche Betriebssystem der Rübenzuckerfabrication. |
Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. LXVI., S. 298 |
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LXVI.
Das Hanewald'sche
Betriebssystem der Rübenzuckerfabrication.
Hanewald's Betriebssystem der Rübenzuckerfabrication.
Das seit der Mitte des vorigen Jahres öffentlich vielbesprochene Verfahren Karl Hanewald's zu Brieg bei der Fabrication des Zuckers aus
Runkelrüben ist nur insofern neu, als es einen sinnreichen Inbegriff aller durch
Theorie und Praxis bewährten ältern und neuern Methoden darbietet, und dabei
besonders im mechanischen Theile einige vortheilhafte Neuerungen enthält. Es ist
dieß System auf die Verarbeitung größerer Rübenquantitäten mit landwirthschaftlichen
Nebenvortheilen berechnet, und ein möglichst vervollkommnetes Reib- und Preßverfahren für die
Saftgewinnung behauptet auch hier den Vorzug vor der Macerations- und
Trockenmethode, deren theoretisch gepriesene Vortheile die Praxis längst widerlegt
hat.
Die sich selbst schärfende Reibe von der Hanewald'schen
Construction bedarf nur eines einzigen Knaben zur Einlegung der Rüben, während die
Bedienung dieser Maschine in der Regel vier Personen erfordert. Eine mechanische
Vorrichtung drückt statt Menschenhänden die Rüben an die Trommel und den Rübenbrei in weite Röhren,
welche ihn zu den Pressen im untern Raume quellen lassen und unmittelbar über den
Packtischen ausmünden. Der zugleich durch einen Dampfstrom erwärmte Brei gibt unter
der Presse leichter den Saft von sich und scheidet dabei schon viel Eiweißstoff aus,
was die folgende Läuterung erleichtert, und damit auch dem Preßlinge größern
Nahrungsstoff für das Vieh gebunden erhält. Die Pressen selbst, von ganz neuer
Construction, wirken durch Dampfkraft ungleich bedeutender als die üblichen
hydraulischen Pressen, und von ihnen steigt der gewonnene Saft durch ein luftleeres
Saugrohr beständig zu den Scheidungsapparaten empor.
Diese, wie alle übrigen Gefäße zur Fabrication bestehen aus Eisen, welches sich um so zweckmäßiger dafür zeigt, jemehr dieß von vielen
Fabrikanten bisher bestritten worden ist. Es ist dabei von vornherein in Anschlag zu
bringen, daß eiserne Apparate bei weitem nicht ein so großes Anschaffungscapital
erfordern, als die von dem viel theurern Kupfer. Indeß ist der Umstand weit
wichtiger, daß kupferne Apparate eine ungleich größere Sorgfalt in der Reinigung
bedürfen, um Oxydation zu verhüten, als eiserne. Geht auch beim Eisen ein
Oxydationsproceß vor sich, so entsteht dadurch nur eine unschädliche mechanische
Vereinigung mit dem Zuckerstoffe; hat sich aber erst essigsaures Kupfer gebildet, so
geht es mit dem Zuckerstoffe eine nachtheilige wirklich chemische Verbindung ein.
Uebrigens ist ein eiserner Apparat inwendig durch einen angemessenen Lackanstrich
vor dem Roste zu sichern.
Der Vorzug des Hanewald'schen Verfahrens, wie es in der
neu errichteten Rübenzuckerfabrik zu Brieg in Mittelschlesien ins Leben getreten
ist, besteht in der Abkürzung und Verbesserung der chemischen Fabricationsprocesse. Es wird dabei zunächst durch eine vollständige Anwendung des Howard'schen Princips der Luftleerheit der
bekannte nachtheilige Einfluß der atmosphärischen Luft (Sauerstoff bei Wärme oder
Feuchtigkeit) von dem Rübensafte von vornherein abgehalten, der so leicht zu dessen
saurer und schleimiger Gährung Veranlassung gibt. Gleichzeitig wird aber auch im
luftleeren Raume jeder Siedeproceß fast um die Hälfte der Zeit abgekürzt, da alsdann
hiezu ein um so viel niedrigerer Temperaturgrad nöthig ist. Denn die in der
Flüssigkeit entstehende Dampfbildung hat nicht mehr den Luftdruck in seiner
verschiedenen Schwere zu überwältigen, während die sich entwickelnden Gase und
Dämpfe selbst sofort durch das Saugrohr der Luftpumpe entfernt werden. Die kurze und
niedrige Siedhitze kann also nicht mehr eine so nachtheilige Wirkung auf den mehr
oder weniger concentrirten Rübensaft ausüben, wie in offenen Gefäßen die dadurch
bedingte länger dauernde und höhere Feuersgewalt. Es besteht dieser Nachtheil aber darin, daß der von Natur
völlig krystallinische Zuckerstoff des Rübensaftes gebräunt (caramelisirt) und zum
Theil in sogenannten Schleimzucker verwandelt wird; ein
Product, dessen Zuckertheile die Cohäsionskraft verloren haben. Es ist nun die
Aufgabe der Fabrication, diese Färbung und Schleimzuckerbildung so viel als möglich
zu verhüten, was völlig rationell eben nur in luftleeren Apparaten gelingen
kann.
Da indeß beim Sieden von Auflösungen sich die feste Substanz von der flüssigen
trennt, wie der Rübenzuckergehalt des Syrups (Clairce) vom Pflanzenwasser, so ist
zur Aufhebung ihrer Verwandtschaft (Affinität) auch im luftleeren Raume immer noch
ein höherer Hitzegrad nöthig, als der zum Siedepunkt des bloßen Wassers. Außerdem
aber siedet eine Flüssigkeit um so langsamer, je höher die Flüssigkeitssäule ist.
Soll dieß beschleunigt werden, so muß nur eine geringe Menge auf einmal zum Sieden
kommen, was sich bei der Zuckerfabrication wieder nicht mit dem praktischen
Interesse verträgt. Hierin nun bietet allein die ausgedehnte
cylindrische Form eines luftleeren Apparates in horizontaler Lage den
Vortheil dar, bei niederer Schicht eine große Menge Rübensaft abzudampfen oder als
Clairce einzukochen, indem die Hitze eine lange Berührungsfläche findet.
Diese Form ist auch bei den Hanewald'schen Apparaten für
die drei Operationen der Scheidung, Abdampfung und Einkochung angewandt. Sie ist
schon darum die zweckmäßigste, weil sie bei der möglichen Luftverdünnung ihres
Raumes über dem Höhenstande der Flüssigkeit (neben der Kugelform) dem äußern
Luftdrucke am besten widersteht, der bekanntlich im Freien etwa 15 Pfd. auf den
Quadratzoll beträgt.
Was speciell die Scheidung betrifft, so gerinnt der sich entbindende Eiweißstoff im
rohen Safte auch im luftleeren Raume durch die Volta'sche Elektricität, und zwar bei
einem verhältnißmäßig niedrigem Wärmegrade als im offenen Scheidekessel bei mehr als
70° R. Der Kalkzusatz, der nun erst folgt, um einer Zersetzung des
Eiweißstoffes vorzubeugen, geschieht durch eine luftdicht zu verschließende Röhre,
welche mit dem Scheiderohre von etwa 1200 preuß. Quart Saftinhalt in Verbindung
steht. Während die Neutralisation seiner freien Säure (Gallert- und
Kleesäure) und der klee- und phosphorsauren Salze unter Entbindung von
Ammoniak neben der Ausscheidung des Gährungsstoffes vor sich geht, rinnt die
geläuterte Flüssigkeit in die Beutelfilter, setzt dort ihre Schlamm- und
Schaumtheile ab und geht dann in die Kohlenfilter. Der durch einen Hahn zur Probe
genommene Saft ist klar und beinahe farblos, was Hanewald
der Erwärmung des Rübenbreies zuschreibt, indem er mit kaltem Brei ein nicht so günstiges Resultat
der Scheidung erlangt haben will. Indeß trägt unzweifelhaft zum bessern Gelingen
derselben die Form des Apparates wesentlich bei, insofern
die Siedhitze seiner Dampfleitungsröhren auf eine nur etwa einen Fuß hohe Saftmasse
bei niederer Temperatur nur kurze Zeit Einfluß hat.
In den Abdampfungsröhren wird der Saft bis auf 23–24° B. concentrirt,
abermals durch große Kohlenfilter geleitet und dann von einem Behälter aufgesaugt,
der die gewonnene Clairce an das Siederohr abgibt. Beim Krystallisationspunkte saugt
die nun fertige Zuckermasse die sonst sogenannte Kühlpfanne auf, deren Kesselform
ebenfalls verschlossen und luftleer ist. Sie dient indeß hier, wie bei den Howard'schen Vacuumpfannen, vielmehr zur Erwärmung des
Zuckers, der bei dem niedrigen Temperaturgrade seiner Kochung alsbald für die
Füllung in die Formen zu fest werden würde. Zwischen den Doppelboden des Gefäßes
wird deßhalb ein Dampfstrom eingelassen.
Durch dieses Verfahren, welches der Säuerung, Färbung und Schleimzuckerbildung des
Rübensaftes bei allen Operationen sorgfältig entgegenwirkt, wird ein so reichlicher und weißer
Rohzucker gewonnen, wie er mit andern Methoden bisher nicht dargestellt
werden konnte. Die Ausbeute der verschiedenen festen Producte steigt bis zu 9 Proc.
vom Rübengewichte, und das erste Product bedarf kaum einer Deckung. Denn nach dem
Abflusse der sehr hellen ersten Melasse, gewöhnlich grüner Syrup genannt, erscheint
dieß Product bereits völlig weiß, so daß es für die
Arbeit des Raffineurs nichts zu wünschen übrig läßt. Die Formen, welche auf Achsen
in hölzernen Gestellen ruhen, sind gußeiserne quadratische Kästen mit einem
Rauminhalte von 3 3/4 Cntr. Zuckermasse und conisch sanft gesenktem Boden. Die
Melasse wird durch ein Abflußloch abgesogen, mit welchem Luftsauger in Verbindung
stehen, wodurch die Reinigung dergestalt beschleunigt wird, daß schon nach
zweimaliger Deckung, bei Ersparung der Hälfte des Klärsels gegen sonst, binnen wenig
Tagen ein schöner Saftmelis dem Handel übergeben werden kann. Hiezu wird das Volumen
mittelst einer Kreissäge in größere und kleinere Würfelstücke zerschnitten, was
gegen die alten Brodformen für den Handel wie für das Publicum manche
Annehmlichkeiten gewährt.
Durch die Einheit des correspondirenden Röhrensystems bei der Hanewald'schen Methode wird ansehnlich an Raum erspart, und das
Fabrikgebäude erfordert daher gegen andere Einrichtungen geringere Baukosten. Eine
Menge von Manipulationen, welche hier auf das Drehen von Ventilen und Saugpumpen
beschränkt sind, fällt weg, und mithin wird ein Theil der gewöhnlichen Arbeiter entbehrlich. Die
Abkürzung vieler Hauptproceduren läßt beträchtlich an Zeit gewinnen, und ein
allseitig benutzter Dampfverbrauch neben der Bewegkraft einer Dampfmaschine auch an
Brennmaterial.
J. Kr.