Titel: | Ueber den Zusammenhang der Salpeterbildung mit der Befruchtung des Bodens (Verwandlung des Ammoniaks in Salpetersäure und der Salpetersäure in Ammoniak); von Friedrich Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. LXVII., S. 302 |
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LXVII.
Ueber den Zusammenhang der Salpeterbildung mit
der Befruchtung des Bodens (Verwandlung des Ammoniaks in Salpetersäure und der
Salpetersäure in Ammoniak); von Friedrich Kuhlmann.
Aus den Comptes rendus, Nov. 1846, Nr.
22.
Kuhlmann, über den Zusammenhang der Salpeterbildung mit der
Befruchtung des Bodens.
Die thierischen Substanzen üben ihre wohlthätige Wirkung auf die Vegetation nur dann
aus, wenn durch ihre Zersetzung kohlensaures Ammoniak gebildet wird.
Derselben Ansicht war ich auch hinsichtlich der als Dünger angewandten salpetersauren
Salze, indem ich ihnen nämlich nur in dem Grade einen wirksamen Einfluß zuschrieb,
als durch die desoxydirende Wirkung der faulen Gährung ihre Säure in Ammoniak
umgewandelt wird. Um nachzuweisen, daß diese Umwandlung wahrscheinlich sey,
untersuchte ich, ob, wenn man es mit flüssigen Körpern zu thun hat, ähnliche
Resultate erhalten werden können, wie ich sie im Jahr 1838, durch Beihülfe des
Platinschwamms, mit Gas- oder Dampfgemengen erhielt.
In jenem Jahre wurde von mir dargethan, daß die Erzeugung von Ammoniak durch
Einwirkung schwacher Salpetersäure auf Zinn keine vereinzelte Thatsache ist, sondern
daß bei der Einwirkung dieser Säure auf alle Metalle welche das Wasser zersetzen
können, Ammoniak entsteht, also immer wenn Wasserstoff im Augenblick seines
Freiwerdens mit Salpetersäure in Berührung ist. Die HHrn. Fordos und Gélis bestätigten die
Richtigkeit meiner Resultate und machten noch auf einige analoge Thatsachen
aufmerksam, worunter die Zersetzung der schwefligen Säure durch freiwerdenden
Wasserstoff gehört.
Es folgen hier die Resultate einiger neuen Versuche welche die Verwandlung der
salpetersauren Salze in ammoniakalische Salze bestätigen.
Wenn man einige Stückchen Salpeter in ein Gemenge von Zink oder Eisen und
Schwefelsäure, oder besser noch, schwacher Salzsäure wirft, so hört die
Wasserstoffentwickelung auf oder geht doch langsamer vor sich, bis alle
Salpetersäure des Salpeters in Ammoniak umgewandelt ist.
Freiwerdender Schwefelwasserstoff veranlaßt eine ähnliche Umwandlung unter
Ausscheidung von Schwefel.
Wenn man in ein Gemenge von Zink und Salzsäure ein salpetersaures Salz bringt, dessen
Metall von Zink gefällt wird, z.B. das salpetersaure Kupfer, so wird für 1 Aeq.
aufgelösten Zinks 1 Aeq. Kupfer niedergeschlagen und 1 Aeq. Salpetersäure des
salpetersauren Salzes in 1 Aeq. Ammoniak umgewandelt; alles ohne
Wasserstoffentwicklung.
Läßt man einen Strom Schwefelwasserstoffgas durch eine mit einem salpetersauren Salz
vermengte Chlorantimonlösung streichen, so verwandelt sich die Säure des
salpetersauren Salzes in Ammoniak.
Aehnliche Umwandlungen finden statt bei Berührung salpetersaurer Salze mit einer
Auflösung von Schwefelarsenik in Kali, oder mit Zinnoxydul- oder
Eisenoxydulhydrat.
Ich glaube nicht, daß nach allen diesen Thatsachen die Zersetzung der salpetersauren
Salze im Boden vermittelst der sauren Gährung, welche bekanntlich in hohem Grade
desoxydirend wirkt, noch bezweifelt werden kann.
Wenn aber einerseits das fruchtbar machende Agens sich vorzüglich, wo nicht
ausschließlich, als kohlensaures Ammoniak der Pflanze darbieten soll, so ist
andererseits die Flüchtigkeit dieses Salzes für die Landwirthschaft ein großer
Uebelstand; denn kaum wird dasselbe der Erde anvertraut, um sie fruchtbar zu machen,
so wird es auch von der Luft größtentheils fortgeführt, so daß die Elemente der
Fruchtbarmachung auf einer großen Oberfläche zerstreut werden.
Es bleibt nun noch zu erörtern übrig, welchen Einfluß die Salpeterbildung auf die
Vegetation hat.
Man kann annehmen, daß die Art, wie das in der Luft enthaltene Ammoniak den Boden
fruchtbar macht, für manche Länder wohl genügt, für andere aber unzureichend ist. Je
mehr man sich dem Süden nähert, desto weniger erweist sich die Düngung
nothwendig.
Wenn ich einerseits überzeugt bin, daß die salpetersauren Salze in der Regel erst
düngend wirken, nachdem sie in einer gewissen Tiefe des Bodens eine Zersetzung
erlitten haben, durch welche kohlensaures Ammoniak erzeugt wird, so habe ich
andererseits nicht minder die feste Ueberzeugung, daß die Fruchtbarkeit des
Erdreichs auch von einer umgekehrten Einwirkung abhängt, welche sich der Verflüchtigung des
Ammoniaks widersetzt; ich will damit sagen, von der Verwandlung der Ammoniaksalze in
salpetersaure Salze, welche in den der Oberfläche nahen Theilen des Erdreichs
vorgeht, die eine hiezu geeignete chemische Zusammensetzung haben und deren
Feuchtigkeits- und Temperaturzustand hiezu günstig ist.
Hinsichtlich der Umwandlung des Ammoniaks in Salpetersäure habe ich im Jahr 1838 bei
meinen Versuchen über die Eigenschaften des PlatinschwammsPolytechn. Journal Bd. LXXIII S.
60. genügend dargethan, daß diese Umwandlung die einfachste und bündigste
Erklärung der Salpeterbildung gestattet. Meine Ansichten hierüber werden heutzutage
von den meisten Chemikern getheilt; sollten bei einigen noch Zweifel obwalten, so
dürften folgende Resultate sie beseitigen.
Erhitzt man in einer Retorte ein Gemenge von doppelt-chromsaurem Kali,
concentrirter Schwefelsäure und schwefelsaurem Ammoniak, so destillirt viel
Salpetersäure über.
Erhitzt man ein Gemenge von Mangansuperoxyd oder Bleisuperoxyd und schwacher
Schwefelsäure mit Zusatz von schwefelsaurem Ammoniak, so wird das Ammoniak ebenfalls
in Salpetersäure verwandelt, welche überdestillirt.
Da das Ammoniakgas sich in Salpetersäure verwandelt, wenn es bei hoher Temperatur mit
Mangansuperoxyd in Berührung ist, so liefert letzteres ein schätzbares Agens, um in unbegränzter Weise Sauerstoff aus der Luft auf
Ammoniak zu übertragen. MnO² geht dabei durch die Oxydation des Ammoniaks in
MnO über, welches Zutritt von Luft sogleich in Mn³O⁴ umwandelt, das
wieder zur Oxydation des Ammoniaks dienen kann.
Vergleicht man nun die Langsamkeit der Salpeterbildung in den nördlichen Provinzen
mit ihrer Schnelligkeit in den südlichen Gegenden, so wird man begreifen, um wie
viel der Verbrauch an Ammoniak oder an stickstoffhaltigem Dünger im Norden größer
seyn muß als im Süden.
Vielleicht wird auch die Akademie zugeben, daß die Leichtigkeit, womit es mir gelang
das Ammoniak in Salpetersäure umzuwandeln, Europa in Zukunft von Indien und Chili,
hinsichtlich seines Bedarfs an salpetersauren Salzen und Salpetersäure unabhängig
machen kann, da es jederzeit thierische Materien und Braunstein besitzen wird.
Andererseits liefern uns die salpetersauren Salze Indiens und Chili's reichliche Ammoniakquellen durch
Verwendung des Wasserstoffs, vorzüglich aber des Schwefelwasserstoffs, welche
gegenwärtig bei manchen technischen Operationen verloren gehen.
Ich habe in Folge der aus obigen Beobachtungen abgeleiteten allgemeinen Sätze:
1) ein neues Verfahren zur Bestimmung der Salpetersäure und salpetersauren Salze auf
die Eigenschaft dieser Körper gegründet, in Berührung mit freiwerdendem Wasserstoff
sich in Ammoniak umzuwandeln;
2) reducirte ich eine große Anzahl von Metalloxyden und Metallsalzen, welche in
schwachen Säuren wenig oder gar nicht auflöslich sind, durch Contact mit Wasserstoff
im statu nascente. Bei Behandlung natürlicher
krystallisirter Körper, wie des Lazuliths, Malachits, kohlensauren Bleies, Zinnoxyds
etc. behält das reducirte Metall durch Epigenie (natürliche allmähliche Bildung) die
krystallinische Gestalt der ursprünglichen Verbindung bei.
Ich glaube nicht, daß bisher andere ähnliche Reductionen vorgenommen wurden, außer
derjenigen des Chlorsilbers. Ich werde mich bemühen diese Reductionserscheinungen
auf ein allgemeines Gesetz zurückzuführen und hoffe damit zur Metallurgie und
Geognosie einen wichtigen Beitrag zu liefern.