Titel: | Ueber die Verwendung der Runkelrüben zum Brodbacken; von Payen. |
Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. LXXXVII., S. 377 |
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LXXXVII.
Ueber die Verwendung der Runkelrüben zum
Brodbacken; von Payen.
Aus den Comptes rendus, Dec. 1846, Nr.
24.
Payen, über die Verwendung der Runkelrüben zum
Brodbacken.
Die meisten Substanzen, welche zur Brodbereitung vorgeschlagen wurden, hatten
bedeutende Uebelstände. So liefert das Kartoffelstärkmehl nur einen einzigen der zur
Ernährung tauglichen nähern Bestandtheile des Mehls, daher beim theilweisen Ersetzen
des Mehls durch dasselbe die Mengenverhältnisse der andern nährenden Substanzen (der
stickstoffhaltigen, fetten und salzigen) unzureichend werden; ferner ertheilt es dem
Brod einen von seinem flüchtigen Oel herrührenden unangenehmen Geschmack.
Durch Zusatz der Kartoffeln selbst wurde das Brod fester (schwerer) und weniger
nahrhaft; überdieß ist die Kartoffel, wie mit Recht behauptet wurde, ein fertiges
Brod, welches durch bloßes Sieden auf die einfachste und wohlfeilste Weise
zubereitet wird.
Das Mehl der Hülsenfrüchte (Bohnen, weißen Bohnen, Erbsen, türkischen Bohnen) erhöht
als Zusatz sowohl das Gewicht als die Nahrhaftigkeit des Brods; allein in großer
Menge zugesetzt, macht es dasselbe brauner, schwerer und unschmackhafter; es ist
daher zweckmäßiger, diese Körper auf die in den Küchen übliche Weise zubereitet zu
genießen, was viel einfacher und weniger kostspielig ist als das Mahlen und die
Brodbereitung.
Mit der Anwendung der Runkelrübe verhält es sich anders; es könnten verhältnißmäßig
nur unbedeutende Quantitäten dieser Wurzel unmittelbar als Nahrungsmittel für den
Menschen verwendet werden; wenn man sie hingegen dem Brod bei seiner Bereitung
zusetzt, so kann ihr eine Form gegeben werden, die ihre Verwendung erleichtert, mit
völliger Beibehaltung des Ansehens und Geschmacks des Hauptnahrungsmittels
(wenigstens nach den von HHrn. Bonjean, de
Chambéry,
Elysée Lefèvre, Dautrevaux, de Roye (Somme)
und de Friddani übergebenen Mustern zu urtheilen).
Schon deßhalb würde unter gewissen Umständen ein solcher Zusatz einen wahrhaften
Nutzen gewähren, indem dadurch das Volum des Brods vermehrt, der augenblickliche
Ausfall der Ernte gedeckt würde und der armen Classe die Opfer erspart werden
könnten, welche sie sich auferlegen muß, um sich die ihre gewohnte Nahrung
ausmachende Quantität Brod zu verschaffen. Durch die in dieser Beziehung den
Landleuten gewährte Zuversicht wäre auch noch der Vortheil erreicht, daß die Folgen
der Befürchtung einer Hungersnoth vermieden würden, welche oft keinen andern Grund
und keine andere Gefahr hat, als eben diese Befürchtung.
Die Anwendung gleicher Theile Mehl und Runkelrüben würde beim Kneten und Backen
Schwierigkeiten darbieten; ein geringeres Verhältniß, von 1 Thl. Runkelrübe auf 2
Thle. Mehl, wäre offenbar vorzuziehen; jedenfalls mußte erst ermittelt werden, ob
dem in diesem Mengenverhältnisse bereiteten Brod eine beträchtliche Menge
ernährender Substanz abgehe und ob dieser Entgang durch einen höchst kleinen Zusatz
eines der von Thieren oder Pflanzen gewonnenen Nahrungsmittel ausgeglichen werden
könne.
Solches Brod gleicht dem Gebäcke aus dem sogenannten zweiten Mehl; sein Geschmack ist angenehm, selbst nach 4 bis 5tägiger
Aufbewahrung. Im gewöhnlichen altgebackenen Zustand enthält es 35 Proc. Wasser; es
ist dieß bis auf 1 Proc. der Wassergehalt des gewöhnlichen (Pariser) Brodes.
Nimmt man, den Analysen zufolge, als enthalten an: 1) im Mehl 12 Proc. Wasser, 13,0 stickstoffhaltige Substanzen, 6 Zucker,
Dextrin, Zellensubstanz, 67 Stärkmehl und 2 salzige Substanzen; 2) in den Runkelrüben 85,5 Wasser, 14,5 trockene Substanz, welche
1,36 stickstoffhaltige Materie, 0,8 salzige Bestandtheile, 1,55 Zellensubstanz,
Pektin (Pflanzengallerte), Fettsubstanzen etc. und 10,8 Zucker repräsentiren, so
findet man, wie dieß auch die directe Analyse ergibt, daß das Brod, in welches 33
Proc. Runkelrüben und 67 Proc. Mehl eingingen, sich von dem aus Mehl allein
bereiteten vorzüglich durch eine kleine Verminderung der stickstoffhaltigen Substanz
unterscheidet.
Diese Verminderung ist – 0,65 Proc. oder weniger als 1. Proc., nämlich:
das Brod aus Mehl allein enthält
stickstoffhaltige Substanzen
9,75
Proc.
das Runkelrüben-Brod
9,10
„
–––––––––
Unterschied
0,65
Proc.
Dieser geringe Unterschied erklärt sich leicht, wenn man bedenkt, daß die Menge der
trockenen Substanz von 33 Proc. Runkelrüben nur 4,8 beträgt und mit dem Hydratwasser
nur 7,2 auf 89 oder 8 auf 100 des Gesammtgewichts des erhaltenen Brods ausmacht.
Uebrigens ist bekannt, daß die Mengenverhältnisse der stickstoffhaltigen Materien in
den gebräuchlichen Mehlsorten zwischen 12 und 15 bis zu 20 Proc. variiren, wenn sie
von hartem Getreide herstammen; die durch die Runkelrübe dem Brode zugesetzte feste
Substanz besteht zum größten Theil aus gewöhnlichem Zucker, dessen Rolle bei der
Ernährung, nach der Ansicht aller Physiologen, eine ähnliche ist wie die des
Getreidestärkmehls.
Man ersieht aus allem dem, daß der Zusatz von 33 Theilen zerriebener Runkelrüben zu
67 Theilen Mehl den sämmtlichen Gehalt der Runkelrübe an nährenden Bestandtheilen in
das Brod bringt;
daß dieser Zusatz 8,2 Proc. des Brodgewichts ausmacht;
daß der größte Theil der zugesetzten Substanz eine jener des Getreidestärkmehls
ähnliche Rolle spielt;
daß er eine Verringerung von 0,66 also weniger als einem Procent der
stickstoffhaltigen Substanz zur Folge hat, gerade so wie wenn man eine dem Gewichte
der in den 33 Theilen Runkelrübe enthaltenen trockenen Substanz gleiche Quantität
Reis zugesetzt hätte. Diese Verringerung könnte durch eine kleine Vermehrung der
stickstoffhaltigen Materie im Nahrungs-Regime compensirt werden.
Wenn man z.B. der täglichen Portion ein 2 Proc. des Brodgewichtes äquivalentes
Gewicht Fleisch oder eines andern animalischen Products zusetzen würde, so wäre
damit in der That die Quantität der in Form von Brod gereichten Nahrung um 10 Proc.
vermehrt und es würde dabei noch erspart.
Noch wohlfeiler wäre ein demjenigen des Brods ziemlich gleichkommendes nahrhaftes
Aequivalent durch Zusatz von 5 Proc. Hülsenfrüchtemehl zu den 33 Proc. Runkelrüben
herzustellen; dieses Mehl nämlich enthält ungefähr zweimal so viel stickstoffhaltige
Materie als das Getreidemehl und viermal so viel als die trockene Substanz der
Runkelrübe darstellt und würde sonach, was dieser letztern mangelt, mehr als
ersetzen, so daß das ganze Gemenge denselben Gehalt an stickstoffhaltiger Materie
hätte wie das reine Mehl und seine Nahrhaftigkeit wahrscheinlich dieselbe wäre.
Außerdem fände noch eine Vermehrung um mehr als 18 Procent des in Form von Brod
gebrachten Nahrungsstoffs dabei statt, indem wenn genommen werden:
200
Kilogr.
Mehl, welche geben an Brod
266
Kilogr.
100
„
Runkelrüben, welche darstellen
21
„
21
„
Hülsenfruchtmehl, welche darstellen
28
„
––––––––
ein Gesammtgewicht Brod erhalten wird –
315
Kilogr.
Die Zunahme würde also auf 266 – 49, oder auf 100 – 18,3 betragen.
Uebrigens müßte erst durch Versuche die Qualität des nach dieser Vorschrift
bereiteten Brods ermittelt werden.