Titel: | Verbesserungen an Locomotiven, worauf sich Georg Stephenson, Ingenieur zu Chesterfield, und William Howe, Mechaniker zu New-Castle upon-Tyne, am 11. Febr. 1846 ein Patent ertheilen ließen. |
Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. XCI., S. 405 |
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XCI.
Verbesserungen an Locomotiven, worauf sich
Georg Stephenson,
Ingenieur zu Chesterfield, und William
Howe, Mechaniker zu New-Castle upon-Tyne, am 11. Febr. 1846 ein Patent ertheilen
ließen.
Aus dem London Journal of arts, Dec. 1846, S.
320.
Mit Abbildungen auf Tab.
VIII.
Stephenson's und Howe's Verbesserungen an Locomotiven.
Die gewöhnlichen Locomotiven haben bekanntlich zwei horizontale oder fast horizontale
Dampfcylinder, welche entweder zwischen oder außerhalb der Räder der Maschine
parallel einander gegenüber liegen. Die gegenwärtige Verbesserung besteht darin, daß
statt des einen jener Dampfcylinder zwei kleinere mit geeigneten Ventilen u.s.w.
angebracht sind, welche zusammen mit jenem einen gleichen Rauminhalt haben. Diese
zwei kleineren Cylinder sind zu beiden Seiten der Mittellinie der Maschine und in
gleichem Abstande von dieser Linie gelagert. Der andere weite Cylinder liegt in der
genannten Mittellinie, anstatt wie bisher, auf der einen Seite. Die zu den kleineren
Cylindern gehörigen Kurbelzapfen sind parallel zu einander gestellt und gehen in
derselben Richtung; dagegen ist der Kurbelzapfen des mittleren Cylinders so
gestellt, daß die Richtung seines Halbmessers zu derjenigen der andern zwei
Kurbelzapfen in einem rechten Winkel steht.
Der Zweck dieser Erfindung ist, jeder Neigung der Maschine (in Folge der schiefen
Wirkung der verschiedenen Verbindungsstangen auf ihre Kurbelzapfen) bei schneller
Fahrt eine oscillirende Seitenbewegung auf ihren Tragfedern anzunehmen,
entgegenzuwirken und solche zu neutralisiren. Aus der schiefen Richtung nämlich, in
welcher jede Verbindungsstange wirkt, wenn der Kolben zur Mitte seines Laufs
gelangt, entsteht ein gewisses Bestreben die Führungen, welche das Gelenk am Ende
der Verbindungsstangen und der Kolbenstange in seiner geradlinigen Bewegung
erhalten, entweder aufwärts zu heben oder niederzudrücken. Bei den gewöhnlichen
Locomotiven mit zwei Dampfcylindern wirkt diese Kraft abwechselnd auf die
entgegengesetzten Seiten der Centrallinie der Maschine und bringt so die genannte
Seitenoscillation oder schüttelnde Bewegung hervor. Diese Neigung zu oscilliren läßt
sich aber bei Maschinen unserer Construction ganz vermeiden oder neutralisiren,
indem der mittlere Dampfcylinder mit seiner Verbindungs- oder Flügelstange in der Mitte der
Breite der Maschine arbeitet, wodurch die von der schiefen Wirkung herrührende
aufhebende und niederdrückende Kraft gleichmäßig auf beiden Seiten der Maschine
wirkt. Da ferner die Kolben der beiden kleinen Cylinder gleichzeitig und in
derselben Richtung sich bewegen, so muß die aufhebende und niederdrückende Kraft,
welche aus der schiefen Wirkung ihrer Flügelstangen hervorgeht, gleichzeitig in
gleichem Maaße und in gleicher Richtung auf den entgegengesetzten Seiten der
Centrallinie und in gleichen Abständen von denselben wirken, und wird deßwegen kein
Bestreben äußern eine seitliche schüttelnde Bewegung hervorzurufen.
Fig. 12
stellt eine Seitenansicht der verbesserten Locomotive dar; Fig. 14 ist eine zum
Theil im Durchschnitt genommene Endansicht der drei Dampfcylinder mit ihren Ventilen
und Zugehör, in größerem Maaßstabe. Fig. 14 liefert einen
entsprechenden horizontalen Durchschnitt und Grundriß derselben Theile. Die
Einrichtung der gewöhnlichen Locomotive wird als bekannt vorausgesetzt und eine
Beschreibung derselben daher unterlassen, a ist der
mittlere Dampfcylinder; er liegt unter dem Kessel; b die
obere der beiden Führungen; diese leiten die Bewegungen des Gelenkes, durch welches
das Ende der mittleren Kolbenstange mit dem Gabelende der entsprechenden
Flügelstange verbunden ist. Das andere Ende der letzteren ist mit einer in der Mitte
der Achse c der Treibräder befindlichen Kurbel
verbunden. d, d¹ sind die zwei kleinen
Dampfcylinder; e, e die Führungen für die Gelenke der
Kolbenstangen, von denen eine Stange f zu den drei
Kurbelzapfen g an der Nabe oder Büchse des Triebrades
geht. Die nöthige Vertheilung des Dampfs in die Cylinder a und d, d¹ kann durch Schiebventile
und Räderwerk auf die gewöhnliche Art bewerkstelligt werden; nur müssen die Ventile
der beiden Cylinder d, d¹ immer gleichzeitig in
einer Richtung bewegt werden, was sich mittelst eines geeigneten Mechanismus
erreichen läßt, ohne andere als die gewöhnlichen excentrischen Scheiben zu
erfordern. In Fig.
13 sieht man die Ventile, wie sie an den senkrechten Seitenflächen ihrer
Cylinder hin- und hergleiten, so daß die Ventilstangen mit der Centrallinie
der Hauptachse c in gerader Linie laufen. I, Fig. 13 und 14, ist die
Dampfkammer oder Ventilbüchse für das Schiebventil m des
mittleren Cylinders a: n ist die Ventilstange, welche
durch eine Stopfbüchse an der Hinteren Seite der Dampfkammer hinaustritt. o ist die Dampfbüchse für das Schiebventil p des kleinen Cylinders d. q
die Ventilstange. Die Dampfbüchse l und o bilden einen gemeinschaftlichen Raum für den aus dem
Kessel durch die Röhre r hereingeführten Dampf. Dieser
wird abwechselnd durch
die Schiebventile in den einen oder den andern Cylinder a und d eingelassen. s ist die Dampfbüchse für den Cylinder d¹, welchem der Dampf aus dem Kessel durch die Röhre t zugeführt wird, u ist die
zu diesem Cylinder gehörige Ventilstange. Aus dem Cylinder a wird der überflüssige Dampf durch die Abzugsröhre v und aus den beiden Cylindern d, d¹
durch die Abzugsröhren w weggeleitet. Die Fortsetzungen
dieser Röhren, gleichfalls durch v und w bezeichnet, führen in die Rauchkammer x, wo sie sich aufwärts wenden, um allen verbrauchten
Dampf auf die gewöhnliche Weise durch den Schornstein abzuführen. Die zwei
Dampfröhren r und t sind
Arme einer gemeinschaftlichen in der Rauchkammer zusammenlaufenden Dampfröhre. Die
Regulirung des durch diese Röhre zugeführten Dampfs geschieht auf die gewöhnliche
Weise durch ein Ventil, dessen Handgriff sich am Ende des Kessels im Bereich des
Locomotivführers befindet.
Der Mechanismus zur Bewegung der drei Schiebventile ist der gewöhnliche und besteht
aus vier an der Hauptachse c befindlichen excentrischen
Scheiben. Von diesen wird das eine Paar zur Bewegung des Schiebventils des
Centralcylinders, das andere Paar zur Bewegung der Ventile der beiden kleineren
Cylinder verwendet.
Die in Fig. 12
abgebildete Locomotive ist für Eisenbahnen von geringerer Spurbreite bestimmt und
ihre zwei kleinen Cylinder sind daher außen an dem Gestelle angebracht; ist jedoch
die Locomotive für eine breitspurige Eisenbahn bestimmt, so müssen ihre zwei kleinen
Cylinder innerhalb des Gestells angeordnet werden, und in diesem Falle müssen auch
die Verbindungsstangen dieser zwei Cylinder, anstatt in die Kurbelzapfen des
Treibrades, in Kurbeln der Achse k innerhalb des
Gestells eingehängt werden. Anstatt eines Centralcylinders können wohl auch zwei
kleinere Cylinder angewendet werden, so daß nur vier kleine Cylinder vorhanden sind,
deren Kolbenstangen mit vier an der Hauptachse befindlichen Kurbeln verbunden
werden, wobei die Kurbeln des einen Paars der Cylinder rechtwinkelig gegen die
Kurbeln des andern Paars gestellt sind.