Titel: | Ueber die Gutta-Percha oder Gummi Gettania; von Soubeiran. |
Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. XCVII., S. 415 |
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XCVII.
Ueber die Gutta-Percha oder Gummi
Gettania; von Soubeiran.
Aus dem Journal de Pharmacie, Jan. 1847, S.
17.
Soubeiran, über die Gutta-Percha.
Das (französ.) Handelsministerium überschickte mir eine von der chinesischen Mission
unter dem Namen Gummi Gettania mitgebrachte Substanz. Seitdem erhielt ich von London
durch die Güte des Hrn. Calvert dieselbe Substanz unter
dem Namen Gutta-Percha. Meinen Versuchen will ich eine Notiz über diese
Substanz von Hrn. Solly (aus dem pharmaceutical Journal) vorausschicken.Welcher wir nur das für unsere Leser Neue entnehmen; man vergleiche
polytechn. Journal Bd. XCVII S. 239
und Bd. CXVIII S. 334.
„Die Anwendung dieser Substanz zu Heften für Messer und andere Werkzeuge
verdankt man ihrer Eigenschaft in der Wärme weich und beim Erkalten mit
Beibehaltung der Form, in welche man sie gebracht hatte, wieder hart zu werden;
sie erhält sich dann vollkommen und ist dem Zerbrechen und der Abnützung nicht
unterworfen, so daß sie dem Büffelhorn zu dessen Anwendungen vorzuziehen seyn
soll.
Man findet Notizen über denselben Gegenstand von Dr. Monat
und Ed. White im Journal de la
Société de l'Inde. Die Resultate
der chemischen Untersuchung des erstem stimmen mit den meinigen überein. Nach Dr. Montgomery ist die
Gutta-Percha, oder nach den Malayen Gutta-Tuban, das Product eines zu
Singapora und den Umgegenden wachsenden großen Baums. Nach Hrn. White scheint derselbe den Sapoteen oder Ebenaceen
anzugehören. Sein Stamm ist hoch, hat am Fuße ungefähr 3 Fuß im Durchmesser und sehr
viele Zweige. Das Holz desselben ist hart, die Blätter stehen abwechselnd, sind
gestielt, lang, am Ende etwas zugespitzt, an der Basis conisch, 5–6 Zoll
lang, die Unterstäche rothbraun, von einem dichten Flaum bedeckt, sowie auch die
Rippen und der Blattstiel. Die Blumen sind blattwinkelständig, sitzend, zu vieren in
einen kleinen, weißen, bleibenden Kelch eingefügt, welcher in zwei Reihen sechs
Abtheilungen hat, wovon die äußeren größer sind. Krone einblätterig, sechstheilig,
die Lappen 1/4 Zoll groß und die Röhren 1/8 Zoll lang, abfallend. 12 Staubfäden in
einer einzigen Reihe, gleich, an der Oeffnung der Röhre aufsitzend. Die Fäden
derselben von gleicher Länge mit dem Kronenlappen. Die Staubbeutel pfeilförmig, mit
ihrer Basis an den Fäden befestigt. Blüthenstaub nicht in großer Menge. Eierstock
oben stehend, conisch, sitzend, auf einer Scheibe ruhend, 6 Zellen, wovon jede ein
einziges, an einer centralen Achse hängendes Eichen enthält; Staubfaden
deutlich.
Wie die Gutta-Percha zubereitet wird, ist noch nicht bekannt; sie scheint
durch Fällen des sie erzeugenden Baumes erhalten zu werden. Wahrscheinlich wird der
Saft in Schichten, in dem Maaße als diese eintrocknen, abgenommen, und diese
Schichten dann zu dichten Massen vereinigt.
Von den Proben welche nach England kamen, sehen die einen wie weiße Lederschnitzel
aus, die andern sind feste Rollen (Cylinder), welche in der Quere durchschnitten,
die dünnen Schichten wahrnehmen lassen, deren Vereinigung die ganze Masse
bildete.
Diese Massen sind nichts weniger als rein, sondern enthalten eine Menge Holzsägespäne
und andere Pflanzenüberreste und Erde.
Die Gutta-Percha ist eine undurchsichtige, weiße oder schmutzigweiße Substanz,
die keinen oder nur wenig Geruch hat, in Wasser unauflöslich und geschmacklos ist;
ihre Farbe rührt wahrscheinlich von den in ihr enthaltenen Uneinigkeiten her; denn
wenn sie durch warmes Wasser gereinigt wird, färbt sich dieses, während die Substanz
weiß oder grau wird; ihr Gefüge ist seidenartig, faserig, was deutlicher
wahrzunehmen ist wenn die Masse etwas auseinander gezogen wird; zwischen den Fingern
fühlt sie sich zart, beinahe fettig an und zugleich zeigt sie großen Widerstand.
Bei gewöhnlicher Temperatur ist sie hart, lederartig, und in dünnen Blättern leicht
biegsam und hat die physischen Eigenschaften des Horns; über 40° R. wird sie
biegsamer, etwas elastisch, behält aber immer ihre Härte und merkwürdige
Widerstandskraft bei; wenn sie mit Anstrengung ausgedehnt wird, zieht sie sich nur
wenig wieder zusammen.
Bei 52 bis 56° R. wird diese Substanz weich und sehr plastisch, verliert sehr
an Zähigkeit; in diesem Zustand können mehrere Stücke derselben sehr leicht so
miteinander vereinigt werden, daß sie nur Einen Körper bilden. Sie ist durch Kneten
in warmem Wasser sehr leicht zu reinigen; die Unreinigkeiten trennen sich schnell
und vollkommen ab und man erhält eine Masse reiner Substanz.
Wenn die Substanz auf diese Weise durch kochendes Wasser oder durch bloßes Erwärmen
erweicht ist, kann man ihr jede beliebige Form geben und beim Erkalten nimmt sie
ihre frühere Härte wieder an, behält aber ihre Form bei.
Es können sonach aus ihr Abgußformen für Medaillen gemacht werden, welche alle
Vorzüge der aus Schwefel bereiteten besitzen, ohne so zerbrechlich zu seyn wie
diese.
Wenn die Substanz warm ist, kann sie mittelst eines Messers leicht zertheilt werden;
wieder kalt und hart geworden aber widersteht sie sogar der Säge bedeutend, wie
harter Kautschuk; durch Anwendung eines befeuchteten Werkzeugs, wie beim Kautschuk,
ist jedoch die Zertheilung dieser Substanz leichter zu bewerkstelligen.
Die Gutta-Percha ist viel leichter als Wasser; von dem in ihr enthaltenem
Wasser sorgfältig befreit, ist sie noch immer leichter als Wasser, aber viel dichter
als der Kautschuk. Ihr spec. Gewicht ist 0,9791, während das des gewöhnlichen
Kautschuks 0,9355 ist.
Wird die Gutta-Percha eine Zeit lang einer Temperatur von 120° R.
ausgesetzt, so gibt sie eine kleine Menge Wasser aus und verliert ihr weißes
Aussehen, eine dunkelgraue, durchscheinende Farbe annehmend. Wenn man sie dann kurze
Zeit in warmem, oder sogar auch in kaltem Wasser läßt, erhält sie ihr früheres
Aussehen wieder.
In chemischer Hinsicht ist sie dem Kautschuk sehr ähnlich, mit welchem sie auch in
der Zusammensetzung übereinstimmt; in ihrem Verhalten zu gewissen Flüssigkeiten ist
sie etwas von ihm verschieden; in ihren Physischen Eigenschaften aber weicht sie
hauptsächlich von ihm ab; durch trockene Destillation wird sie beinahe gänzlich in
mehrere flüchtige oder gasförmige Substanzen verwandelt, welche fast denselben
Geruch, wahrscheinlich auch dieselbe Zusammensetzung haben wie das flüchtige Oel aus
Kautschuk; sie hinterläßt aber einen voluminösern kohligen Rückstand.
In einem Platintiegel erhitzt, schmilzt sie in Form eines Schaumes und brennt mit
glänzender, rußender Flamme, den Geruch der bei ihrer Destillation sich erzeugenden
Oele verbreitend. Wird ein auf diese Weise halb verbranntes Stück ausgelöscht, so
findet man den Rückstand verändert und in eine klebrige Flüssigkeit verwandelt.
Die gewöhnlichen Lösungsmittel haben wenig oder keine Wirkung auf die
Gutta-Percha; Wasser, Alkohol, Alkali-Lösungen, Salzsäure und
Essigsäure sind ohne Wirkung auf diesen Körper. Concentrirte Schwefelsäure verkohlt
sie allmählich. Salpetersäure oxydirt sie langsam unter Bildung einer gelben,
harzartigen Materie. Aether, ätherische Oele und Steinkohlenöl erweichen sie in der
Kälte langsam und lösen sie in der Wärme unvollkommen auf. Das wahre
Auflösungsmittel der Gutta-Percha scheint das Terpenthinöl zu seyn, welches
sehr leicht eine helle, ungefärbte Lösung damit gibt, aus welcher die reine
Gutta-Percha durch Abdestilliren des Lösungsmittels erhalten werden kann.
Ihre physischen Eigenschaften scheinen die Gutta-Percha sehr als Ersatzmittel
für das Leder geeignet zu machen, indem sie die Uebelstände nicht darbietet, welche
sich bei Anwendung des Kautschuks zu diesem Zweck zeigen.
Ich stellte mit der Gutta-Percha einige Versuche an, die ich hier mittheilen
will.
Die mir vom Handelsministerium zugestellte, von der chinesischen Mission mitgebrachte
Gutta-Percha – welcher Name dieser Substanz zu bleiben scheint
– hat die Form eines runden, unten etwas abgeplatteten Brodes. Auf den ersten
Anblick glaubt man, daß es in einer Haut eingewickelt sey; bei näherer Prüfung aber
findet man, daß dieselbe nichts anders als die mehr ausgetrocknete Substanz selbst
ist. Beim Entzweischneiden des Brodes sieht man, daß dasselbe von einer noch weichen
Substanz gebildet wurde, die auf mehreremale zusammengelegt wurde, und deren
verschiedene Theile übereinandergelegte Schichten bilden. Sie ist zähe und
hautartig; ihr Geruch ist wie der von altem Käse und sehr anhaltend; doch ist auch
der Geruch des Leders einigermaßen daran zu erkennen.
Die Gutta-Percha, obgleich von sehr fester und harter Konsistenz, wird in
warmem Wasser äußerst leicht weich, dadurch außerordentlich plastisch und kann jede
mögliche Gestalt annehmen. Diese merkwürdige Eigenschaft macht sie zur Anwendung
sehr bequem; sie wird zu einer Menge von Artikeln benutzt werden können. Ich besitze
eine von China bezogene Reitpeitsche aus dieser Substanz, welche alle wünschbaren
Eigenschaften besitzt.
Ich will nun noch etwas über die chemische Zusammensetzung dieser Substanz sagen; sie
enthält wenigstens fünf verschiedene Stoffe:
reine Gutta-Percha,
eine Pflanzensäure,
Cafeïn,
in Aether und Terpenthinöl auflösliches Harz,
in Alkohol auflösliches Harz.
Das Vorhandenseyn von Cafeïn gibt sich durch den faulen Käsegeruch kund,
welchen der von China gebrachte Saft in so hohem Grade besitzt. Die Probe, welche
ich aus London erhielt, besaß diesen Geruch nicht. Die Pflanzensäure findet sich in
dem Wasser, womit die Gutta-Percha ausgekocht wurde; sie beträgt ungemein
wenig und ist von braunem Extractivstoff begleitet, der von den im Saft enthaltenen
Unreinigkeiten herrühren dürfte.
Alkohol von 40 Volumsprocent, entzieht der Gutta-percha ein geruchloses,
durchsichtiges, etwas weiches Harz, welches sich in Terpenthinöl und Aether leicht
auflöst.
Nach mehreren Digestionen mit siedendem Alkohol wurde die Gutta-Percha einem
längern Kochen mit Schwefeläther in einem geeigneten Apparate unterworfen; ich
erhielt aus demselben eine kleine Menge eines gelblichweißen Harzes, welches sich in
Schwefeläther und Terpenthinöl vollkommen auflöst. Dieses Harz besitzt in hohem
Grabe den Geruch des Leders. Von ihm rührt der Geruch der rohen Gutta-Percha
her.
Durch diese Behandlung mit Alkohol und Aether hatte die Gutta-Percha nur
äußerst wenig an Gewicht verloren. Um sie vollends zu reinigen, löste ich sie in
rectificirtem Terpenthinöl auf, goß die vollkommen klare Flüssigkeit ab und fällte
sie mit Alkohol. Die ausgeschiedene weiche Masse, zu wiederholtenmalen mit kochendem
Alkohol ausgewaschen, besaß alle früheren Eigenschaften der Gutta-Percha
wieder. In diesem Zustand wurde sie getrocknet und zuletzt in einen andern, auf
80° R. geheizten Trockenraum gebracht, wo sie sich erweichte.
Die Elementar – Analyse ergab:
22 Aeq. Kohlenstoff
87,820
„ Wasserstoff 12,2
Procent,
daher diese Substanz sehr nahe mit dem Kautschuk
übereinstimmt, in welchem Faraday fand: 87,2 C und 12,8 H.
Als organische Substanz unterscheidet sich die Gutta-Percha nichtsdestoweniger
vom Kautschuk; ihre physischen Eigenschaften sind der Art, daß sie in der Industrie in
Zukunft eine bedeutende Rolle spielen kann, z.B. zur Verfertigung von Peitschen,
wasserdichten Sohlen, Heften für Werkzeuge und eine Menge von Hausgeräthen. Alle
diese Gegenstände sind dann fest und nicht zerbrechlich; ist ihre Form aus der Mode,
so braucht man sie nur in heißes Wasser zu bringen, um sie ummodeln oder zu etwas
anderm verwenden zu können.