Titel: | Ueber die Carburete des Eisens; von Karsten. |
Fundstelle: | Band 104, Jahrgang 1847, Nr. X., S. 39 |
Download: | XML |
X.
Ueber die Carburete des Eisens; von Karsten.
Aus den Berichten der
Berliner Akademie der Wissenschaften.
Karsten, über die Carburete des Eisens.
Die Bestimmungen über die Größe des Kohlegehalts in den verschiedenen Arten des
Stabeisens, des Stahls und des Roheisens sind noch schwankend und ungewiß, theils
weil die Ermittelung des Kohlengehalts, wenn auch nicht schwierig, doch sehr mühsam
ist, theils weil die Gränzen zwischen Stabeisen und Stahl, so wie zwischen Stahl und
Roheisen ganz unbestimmt sind und nur nach einigen physikalischen Eigenschaften des
Productes conventionell angenommen werden. Bestimmte Verbindungsstufen zwischen
Eisen und Kohle sind in den Eisencarbureten nicht aufzufinden, sondern die
Vereinigung beider Körper mit einander schreitet von 0 bis zum Maximum des
Kohlegehalts – etwa 5,93 Proc. – in unbestimmten Verhältnissen
ununterbrochen fort. Die Classificirung der Eisencarburete in die drei Abtheilungen:
Stabeisen, Stahl und Roheisen ist daher auch keine nothwendige, d.h. keine durch die
Verbindungsverhältnisse gebotene, sondern eine ganz willkürliche. Ein Polycarburet,
welches Hr. Karsten früher aufgefunden zu haben glaubte,
ist nicht vorhanden.
Zur Ermittelung des Kohlegehalts der Eisencarburete wurden die bewährtesten
Trennungsmethoden der Kohle vom Eisen angewendet. Um aber den Grad der
Zuverlässigkeit zu ermitteln, worauf jede der bekannten Methoden Anspruch machen
kann, ward weißes Roheisen mit glänzenden Spiegelflächen auf der Saynerhütte bei
Bendorf am Rhein, aus Spatheisenstein und bei Holzkohlen erblasen, den Versuchen
unterworfen. Dieß Roheisen enthält keine ungebundene Kohle (Graphit) oder wenigstens
nur unbedeutende Spuren, und der Gehalt an gebundener Kohle nähert sich ziemlich
genau dem Maximum derjenigen Quantität Kohle, welche das Eisen überhaupt aufzunehmen
vermag.
Der Kohlegehalt dieses Roheisens ward bei den verschiedenen Analysirmethoden in
folgender Art ermittelt:
Durch die Elementar-Analyse mit
Kupferoxyd, wobei der Kohlegehalt aus
dem kohlensauren Gase berechnet ward
4,2835 Proc.
Durch die Elementar-Analyse
mit chlorsaurem Kali und
chromsaurem Bleioxyd:
1. Versuch
5,7046 „
2. Versuch
5,6987 „
Durch die Zerlegung des
Kupferchlorids:
1. Versuch
5,5523 Proc.
2. Versuch
5,6978 „
Durch die Zerlegung des
Eisenchlorids:
1. Versuch, mit sublimirtem Eisenchlorid
5,4232 „
2. Versuch, mit auf nassem Wege bereitetem Eisenchlorid
5,2867 „
Durch die Zerlegung des
Hornsilbers:
1. Versuch
5,6056 „
2. Versuch
5,7234 „
Da alles Stabeisen mehr oder weniger Kohle enthält, so muß man sich über die Gränze
einigen, bis zu welcher dasselbe noch Stabeisen und von welcher ab es schon Stahl
genannt werben soll. Bestimmt man diese Gränze in der Art, daß dasjenige Stabeisen
erst Stahl genannt wird, welches durch das Ablöschen im Wasser nach der
vorangegangenen Erhitzung (Härtung) so hart wird, daß es mit dem Kiesel Funken gibt,
so tritt diese Wirkung erst dann ein, wenn das Eisen 0,5 Proc. Kohle aufgenommen
hat. Eisen, welches von fremdartigen Beimischungen völlig rein ist, kann sogar 0,65
Proc. Kohle aufnehmen, ehe es den angegebenen Härtegrad erlangt. Je reiner das Eisen
ist und je weniger fremdartige Beimischungen (Silicium, Schwefel, Phosphor) dasselbe
enthält, desto bedeutender kann der Kohlegehalt desselben seyn, um nach dem Härten
auffallend härter zu werden, als es vor dem Härten schon gewesen ist.
Eisen, welches 0,5 bis 0,65 Proc. Kohle enthält, ist ein sehr weicher Stahl. Mit dem
steigenden Kohlegehalte nehmen Härte und Festigkeit des Stahls fortschreitend zu.
Bei einem Kohlegehalt von 1,4 bis 1,5 Proc. scheint die Gränze erreicht zu seyn, bei
welcher der Stahl nach dem Härten die größte Härte, aber auch zugleich die größte
Festigkeit zeigt. Bei noch zunehmendem Kohlegehalt nimmt die Härte zwar immer zu,
aber die Schweißbarkeit und die Festigkeit des Stahls werden vermindert. Schon bei
einem Kohlegehalte von 1,75 Proc. besitzt der Stahl nur noch geringe Schweißbarkeit,
bei 1,9 Proc. ist er kaum mehr schmiedbar in der Hitze und bei einem Kohlegehalt von
2 Proc. zerfällt er in der Hitze unter dem Hammer. In diesem Zustande würde man den
Stahl schon Roheisen nennen können; allein er läßt sich in der Kälte noch ausdehnen
und er besitzt noch nicht die Eigenschaft einen Theil seines Kohlegehalts durch
äußerst verzögertes Erstarren nach erfolgter Schmelzung als ungebundene Kohle
(Graphit) auszustoßen. Dieß Verhalten tritt erst ein, wenn der Kohlegehalt des Eisencarburets bis 2,25
oder bis 2,3 Proc. gestiegen ist. Soll daher eine Gränze zwischen Stahl und
Roheisen, die auf einem durch die Mischungsverhältnisse bedingten Fundament beruht,
gezogen werden, so würde der Kohlegehalt der Mischung von 2,3 Proc. diese Gränze
bezeichnen.
Je mehr der Kohlegehalt des Roheisens von jenem Minimum bis zum Maximum von 5,93
Proc. zunimmt, desto lichter wird die Farbe und desto größer die Härte der weißen
Varietät, welche ein Analogon des gehärteten Stahls bildet. Die graue Varietät von
gleichem Kohlegehalt – analog dem nicht gehärteten Stahl – wird sich
um so weicher verhalten, d.h. sie wird um so viel mehr Graphit bei der Erstarrung
aussondern, je langsamer die Erkaltung erfolgt. Das graue Roheisen, welches
denselben Kohlegehalt wie das entsprechende weiße besitzt, kann daher bald ein
Gemenge von weißem Roheisen mit Graphit, bald ein Gemenge von weichem Stahl oder von
hartem Stabeisen mit Graphit seyn, je nachdem die Erstarrung schneller oder
langsamer erfolgte und das erstarrte Gemisch mehr oder weniger Kohle im gebundenen
Zustande zurückhielt. Bei plötzlicher Erstarrung wird kaum noch graues Roheisen
gebildet, weil der ganze Kohlegehalt mit dem Eisen chemisch verbunden bleibt und
Graphit nicht ausgesondert wird.
Bei der Bereitung des Gußstahls verfährt man rein empirisch, indem das Auge des
Arbeiters die Wage und das Gewicht für die Bestimmung des Kohlegehalts in dem
anzuwendenden Material vertreten muß. Um Gußstahl von bestimmten Eigenschaften
bereiten zu können, müssen solche Materialien gewählt werden, deren Kohlegehalt
bekannt ist und die durch Zusammenschmelzen in genau berechneten Verhältnissen einen
Gußstahl geben, welcher denjenigen Kohlegehalt besitzt, der den verlangten
Eigenschaften des darzustellenden Gußstahls entspricht. Proben von Gußstahl, der auf
solche Weise dargestellt worden war, wurden der Akademie vorgelegt.