Titel: | Ueber ein neues Verfahren das in den Kattundruckereien gebräuchliche Zinnoxyd-Natron im Großen zu bereiten; von Dr. Robert Brown. |
Fundstelle: | Band 104, Jahrgang 1847, Nr. XII., S. 45 |
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XII.
Ueber ein neues Verfahren das in den
Kattundruckereien gebräuchliche Zinnoxyd-Natron im Großen zu bereiten; von Dr.
Robert
Brown.
Aus der Chemical Gazette, Febr. 1847, Nr.
103.
Brown, über ein neues Verfahren das Zinnoxyd-Natron im
Großen zu bereiten.
Bekanntlich benutzt man in den Kattundruckereien, um topisches Aechtblau
darzustellen, eine Auflösung von desoxydirtem Indigo in Aetznatron, welche man auf
die Zeuge aufdruckt; man bereitet diese Auflösung durch Kochen von Aetznatron mit
Indigo und Zinn. Ich vermuthete, daß bei diesem Verfahren das Zinn auf Kosten des
Indigos in Oxyd (Zinnsäure) übergeht, so daß sich zinnsaures Natron bildet:
2 (C⁶H⁵N + O²) + St = 2
(C¹⁶H⁵N + O) + StO².
Durch Versuche fand ich auch daß dieß der Fall ist; setzt man solche desoxydirte
Indigauflösung einige Zeit der Luft aus, so wird der Indigo wieder oxydirt und
unauflöslich; nach dem Abfiltriren desselben hat man eine Auflösung von zinnsaurem
Natron mit etwas überschüssigem Alkali. So gewonnenes zinnsaures Natron erwies sich
außerordentlich geeignet zum Vorbereiten der Zeuge für die sogenannten Dampffarben;
da der Indigo sich immer wieder zur Oxydation des Zinns anwenden ließe, so könnte
diese Bereitungsart des zinnsauren Natrons ohne Zweifel eine praktische Anwendung
finden; sie wäre wohlfeiler als die gewöhnliche Methode dieses Salz durch
Neutralisation des Zinnchlorids mit Aetznatron und Wiederauflösen des Niederschlags
in überschüssigem Alkali darzustellen. Zu dieser Bereitung des zinnsauren Natrons in
großem Maaßstab wäre jedoch der Indigo immerhin eine kostspielige Substanz, daher ich Versuche
anstellte, um ihn durch ein wohlfeileres Material zu ersetzen. Es war anzunehmen,
daß ein Metalloxyd, welches in Aetznatron auflöslich ist und dessen Grundlage zum
Zinn elektronegativ und zugleich in Aetznatron unauflöslich ist, den erforderlichen
Bedingungen entspricht. Ich wählte daher das Bleioxyd, welches so wohlfeil und
leicht darzustellen ist, daß es eine praktische Anwendung gestattet.
Es wurde eine Quantität Bleiglätte in Aetznatronauflösung mit etwas metallischem Zinn
gekocht, wobei sich sogleich ein schwarzer Niederschlag bildete, welcher aus
metallischem Blei bestand. Derselbe nahm zu bis die Bleiglätte verschwand, und es
setzte sich alles Blei als eine weiche schwammige Masse ab. Ich erwähne von den in
kleinem Maaßstabe angestellten Versuchen folgenden: 31,3 Gran oder 1 Aeq.
Natronhydrat wurden in so viel Wasser aufgelöst, daß die Flüssigkeit 20° B.
(1,150 spec. Gewicht)30° an Twaddell's Hydrometer. zeigte; sie wurde zum Kochen erhitzt und dann mit 111,5 Gr. oder 1 Aeq.
käuflicher Bleiglätte versetzt, nebst einem Streifen metallischen Zinns, welcher 84
Gran wog. Das Zinn überzog sich sogleich mit einer schwammigen Masse metallischen
Bleies, welche zunahm, bis im Verlauf einer halben Stunde alle Bleiglätte
verschwunden war. Der Zinnstreifen wurde dann gewogen und hatte beiläufig 25,7 Gran
an Gewicht verloren. Wäre die Bleiglätte reines Bleioxyd gewesen, so hätte sie 29,4
Gr. verlieren müssen; aber die käufliche Bleiglätte enthält immer metallisches Blei,
daher sie sich in Salpetersäure mit Entbindung von Salpetergas auflöst; dieser
Umstand erklärt es, daß weniger als ein halbes Aequiv. Zinn verschwand. Die
Flüssigkeit wurde nach dem Erkalten von dem niedergeschlagenen Blei decantirt und
bestand aus einer klaren und farblosen alkalischen Auflösung von zinnsaurem Natron.
Das Blei wurde dann vollkommen ausgewaschen und getrocknet; als man es mit einem
rothglühenden Eisen berührte, fing es Feuer und verwandelte sich, wie Zunder
brennend, wieder in Glätte; diese läßt sich immer wieder zu diesem Verfahren
verwenden.
Die Resultate meiner Versuche schienen mir so genügend, daß ich mich entschloß das
Verfahren im Großen zu versuchen, wozu mir Hr. J. Young,
Director der chemischen Fabrik der HHrn. Tennant, Clow
und Comp. zu Manchester, Gelegenheit verschaffte.
Ich löste also 9 Pfd. Natronhydrat in so viel Wasser auf, daß die Flüssigkeit
20° Baumé zeigte und wog dafür 13 1/2 Pfd. granulirtes Zinn und 56 Pfd. Bleiglätte ab
(so daß ich 1 1/2 Aequiv. Aetznatron, 1 Aeq. Zinn und 2 Aeq. Bleiglätte hatte);
dieselben wurden dann mehrere Stunden lang mit einander gekocht. Die Reaction war
sehr schnell; das metallische Blei wurde in dichten Massen auf das Zinn
niedergeschlagen, so daß dasselbe in einigen Minuten gar nicht mehr sichtbar
war.
Die Resultate dieses Versuchs zeigten die Nothwendigkeit gewisse Abänderungen im
Verfahren vorzunehmen. Das granulirte Zinn überzog sich so mit dem
niedergeschlagenen Blei, daß alle weitere Wirkung auf jenes unmöglich wurde. Das
Blei vereinigte sich zum Theil zu Massen und da diese durch das Kochen der
Flüssigkeit herumgestoßen wurden, so bildeten sie ein hartes und festes Geröll; da
alle festen Substanzen auf den Boden des Gefäßes sanken, in welchem der Proceß
vorgenommen wurde, so vereinigten sie sich endlich zu einem Kuchen und bildeten eine
Schicht, welche die Hitze des Feuers nicht durchdringen konnte. In Folge dieser
Umstände entging ein beträchtlicher Theil des Zinns und der Bleiglätte der
Einwirkung und dieser war also für den Proceß verloren; als man das Blei wieder zu
Glätte brannte, erhielt man auch nur ein unvollkommenes und unreines Product. Hiezu
kam noch ein sonderbarer Umstand; ein beträchtlicher Theil des Zinns blieb nämlich
in der Flüssigkeit als Oxydul aufgelöst, anstatt zinnsaures Natron zu bilden. Ich
stellte nun eine Reihe von Versuchen an, um die Ursache hievon auszumitteln; diese
ergaben, daß wenn man Zinn in Ueberschuß anwendet oder dasselbe eine zu große
Oberfläche darbietet, so viel davon sich auflöst, daß die Bleiglätte zu seiner
vollständigen Oxydation unzureichend ist. Als ich eine solche Flüssigkeit mit mehr
Bleiglätte versetzte, wurde die vollständige Oxydation des Zinns bewirkt und bei
künftigen Operationen konnte ich also diesen Fehler dadurch vermeiden, daß ich die
Operation unterbrach, sobald die gehörige Menge Zinn aufgelöst war.
Um diesen Unvollkommenheiten abzuhelfen, wandte ich zuerst eine Zinnstange an und
hierauf, um die Oberfläche dieses Metalls zu vergrößern und folglich den Proceß zu
beschleunigen, mehrere keilförmige Zinnstücke. Damit sich der Niederschlag nicht am
Boden des Kessels sammeln konnte, hing ich ein flaches viereckiges eisernes Gefäß in
der Mitte des Kessels wenige Zoll über seinem Boden auf. In dasselbe schüttete ich
die Bleiglätte am Anfang des Processes, brachte die Zinnplatten so an, daß es unter
ihnen hing und sammelte das Blei, sowie es sich von den Zinnplatten lostrennte, auf
welche es größtentheils niedergeschlagen wurde. Durch diese Anordnungen war die
Operation bedeutend erleichtert. Die festen Substanzen konnten sich nicht mehr zu einem Kuchen
vereinigen; das Zinn ließ sich reinigen und dadurch in einem Zustand erhalten, wobei
die anderen Materialien auf dasselbe einwirken konnten; da man es herausnehmen
konnte, nachdem sich genug davon aufgelöst hatte, so wurde auch die Bildung von
Zinnoxydul verhindert.
Es zeigten sich aber wieder neue Schwierigkeiten; im Anfang des Processes ging die
gegenseitige Einwirkung der Materialien außerordentlich rasch von statten, so daß
sich nach selbstständigem Kochen das Blei auf den Zinnstücken in großen schwammigen
Massen von 1/2 bis 3/4 Zoll Dicke abgesetzt hatte. Beim Schütteln des Zinns fiel es
in Menge ab, letzteres glänzend und rein zurücklassend, so daß sich die Einwirkung
wieder kräftig erneuern konnte. Nach und nach aber nahm der Niederschlag an Menge
ab, verlor seinen massiven und schwammigen Charakter und wurde schlammig; zugleich
zeigte sich auf dem Zinn eine dünne schwarze Haut, welche schwer zu entfernen war
und wodurch die Operation gestört wurde.
Ich versuchte dieses Hinderniß auf folgende Weise zu beseitigen. Ich versah einen
Zinncylinder von 1 Fuß Länge und 5 Zoll Durchmesser mit einer eisernen Achse, welche
in Büchsen umlief, die an zwei entgegengesetzten Seiten des viereckigen eisernen
Gefäßes befestigt waren, welches letztere, wie oben erwähnt, in dem Kessel
angebracht war, um die Bleiglätte aufzunehmen und das gefällte Blei zu sammeln. Auf
einer Seite dieses Gefäßes wurde ein eisernes Streichmesser befestigt, welches gegen
den Zinncylinder in seiner ganzen Länge mittelst eines an einem Hebel befestigten
Gewichts drückte. Dieses Streichmesser war 3 Zoll breit und mit einem Rücken oder
Hälter versehen, wie die sogenannten Rakeln der Walzendruckmaschinen. Den
Zinncylinder ließ ich gegen dieses Streichmesser sich umdrehen, mittelst einer
endlosen Kette, die in einer Kerbe das eine Ende des Cylinders um faßte und über
eine Rolle ging, welche oberhalb befestigt war und durch eine Kurbel gedreht wurde;
so mußte alles auf den Zinncylinder niedergeschlagene Blei abgestreift werden und in
den eisernen Behälter zurückfallen. Mittelst dieses Apparats gelang es mir die
Zinnwalze rein zu erhalten und das Blei zu beseitigen, sobald es sich darauf
niederschlug. Er konnte jedoch den dünnen schwarzen Ueberzug nicht wegschaffen,
welcher sich in der letzten Hälfte des Processes auf dem Zinn zeigte. Deßhalb gab
ich ihn auf und zog es vor, große Zinnplatten anzuwenden, welche sich leicht von dem
schwarzen Ueberzug reinigen lassen. Die Quantität dieser Substanz beträgt übrigens
so wenig, daß ich nicht
im Stande war eine zur Untersuchung genügende Menge davon zu sammeln.
Der andere der zwei Umstände, welche den Proceß unterbrachen, war folgender: nachdem
das Kochen 4 bis 5 Stunden lang fortgesetzt worden war, wurde das zinnsaure Natron,
welches sich in dieser Zeit gebildet hatte, zum Theil unauflöslich und schied sich
aus der Flüssigkeit in fester Form ab. Diese Veränderung erfolgte plötzlich und traf
mit dem Erscheinen des schwarzen Ueberzugs auf dem Zinn fast zusammen. Bis zu der
Zeit, wo sie sich einstellte, war die Flüssigkeit vollkommen klar oder wurde es
wenigstens, wenn das in ihr mechanisch suspendirte Blei durch ihr Aufwallen beim
Sieden sich absetzen konnte; plötzlich aber wurde die Flüssigkeit etwas milchig und
undurchsichtig und allmählich setzte sich dann ein reichlicher weißer
krystallinischer Niederschlag ab. Die Krystalle sahen wie Fischschuppen aus, hatten
aber keine bestimmten Kanten; ihr Durchmesser wechselte von 1/8 bis 1/4 Zoll. Sie
sind in kaltem Wasser auflöslicher als in heißem, daher auch die Flüssigkeit nach
dem Erkalten einen guten Theil des beim Kochen entstandenen Niederschlags wieder
auflöste. Als ich eine Quantität davon in kaltes Wasser brachte und es einige Zeit
stehen ließ, bildete sich eine Auflösung von 30 1/2° Baumé oder 1,250
spec. Gewicht.50° Twaddell. Aus meiner Untersuchung dieses Niederschlags muß ich schließen, daß er
hauptsächlich aus zinnsaurem Natron in einem anomalen Zustande besteht.
Diese zwei Umstände machen das Verfahren mangelhaft, weil sie es in einem Zeitpunkt
unterbrechen, wo sich noch nicht so viel Zinnsäure gebildet hat als zur Sättigung
alles Aetznatrons erforderlich ist; es blieb daher ein großer Ueberschuß von freiem
Aetznatron zurück, welches nicht nur rein verloren und ganz nutzlos ist, sondern
auch bei der Anwendung des Products zum Vorbereiten der Zeuge (für Dampffarben in
den Kattundruckereien) noch dadurch einen Verlust verursacht, daß man genöthigt ist
viel mehr Säure zu seiner Neutralisation und zum Niederschlagen der Zinnsäure auf
den Zeug anzuwenden. Bei den Versuchen, von welchen ich spreche, nahm ich 16 Pfd.
Aetznatron-Hydrat in so viel Wasser aufgelöst, daß die Flüssigkeit 20°
Baumé zeigte, und 30 Pfd. Bleiglätte. Letztere lösten 7 Pfd. 4 Unzen
metallisches Zinn auf. Diese Verhältnisse entsprechen nahe 1 Aeq. Zinn, 2 Aeq.
Bleiglätte und 4 Aeq. Aetznatron, woraus man ersieht, daß eine große Menge
Aetznatron unbenutzt bleibt und verloren geht. Man sollte glauben, daß sich diese
Schwierigkeit dadurch beseitigen ließe, daß man den Niederschlag von zinnsaurem
Natron, welcher sich im Verlauf des Kochens bildet, sammelt und in Wasser auflöst,
wo man dann eine ziemlich reine und von Aetznatron freie Auflösung erhält; der
Umstand aber, daß sich dieselbe auf keine größere Dichtigkeit als 30 1/2°
Baumé bringen läßt, macht, daß sich dieselbe nicht als Handelsartikel eignet.
Zinnsaures Natron in trockener und fester Form ließe sich allerdings leicht durch
dieses Verfahren erhalten; dadurch würde man aber in die Patentrechte der HHrn. Howarth und Barnes zu
Manchester eingreifen, welche sich ein Verfahren zur Fabrication dieses Salzes durch
Verpuffen von Zinn mit salpetersaurem Natron und Aetznatron patentiren ließenMitgetheilt im polytechn. Journal Bd. C S. 60. und sich auch das ausschließliche Recht zinnsaures Natron in trockener Form
zu bereiten vorbehielten.
Hinsichtlich des niedergeschlagenen Bleies habe ich bereits bemerkt, daß man es
wieder zu Bleiglätte verbrennen und dann zu späteren Operationen neuerdings anwenden
kann. Ich habe dieses Verbrennen desselben mehrmals mit vollkommenem Erfolg
ausgeführt; das Blei wurde auf den Herd eines Ofens gebracht wie man sie gewöhnlich
anwendet, um metallisches Kupfer zu Oxyd zu brennen; war das Blei vorher sorgfältig
ausgewaschen und getrocknet, so verbrannte es sehr schnell wie Zunder; da so
erhaltenes Bleioxyd zertheilter und weicher ist als die geschmolzene Bleiglätte, so
wirkt es auch schneller als letztere.
Wäre das neue Verfahren zur Bereitung des zinnsauren Natrons praktisch, so hätte man
das reducirte Blei noch vortheilhafter als bloß zum Oxydiren des Zinns verwenden
können. Wenn es nämlich vollständig ausgewaschen ist und man läßt es einige Zeit der
Luft ausgesetzt, so verwandelt es sich langsam in kohlensaures Blei; noch viel
schneller geschah dieß, wenn man es mit ein wenig salpetersaurem oder essigsaurem
Blei versetzt und feucht erhalten in einem warmen Raum der Luft aussetzte.
Uebrigens kann das beschriebene Verfahren Zinn auf Kosten von Bleioxyd in Zinnsäure
zu verwandeln, andere nützliche Anwendungen erhalten, besonders in der organischen
Chemie, als ein wirksames Mittel viele Substanzen zu oxydiren und zu desoxydiren.
Das Princip, worauf es beruht, gestattet mannichfaltige Abänderungen; man kann
andere Auflösungsmittel anwenden als Aetznatron, andere oxydirende Substanzen als
Indigo oder Bleiglätte, und andere Desoxydationsmittel als Zinn.