Titel: | Ueber den Proceß der Sodabereitung; von Bodo Unger. |
Fundstelle: | Band 104, Jahrgang 1847, Nr. XIII., S. 50 |
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XIII.
Ueber den Proceß der Sodabereitung; von Bodo Unger.
Im Auszug aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Febr.
1847 S. 129.
Unger, über den Proceß der Sodabereitung.
Noch gegenwärtig befolgen die Fabrikanten bei Darstellung der Soda im Großen genau
die Vorschriften, welche Leblanc zur Zeit der
französischen Revolution seinen Mitbürgern gab. Sie entsprechen so vollkommen ihrem
Zweck, daß man sogar nach einem halben Jahrhundert nicht wagte, sie zu verlassen,
oder wesentlich daran zu ändern.
Die relativen Mengen von Glaubersalz, Kreide und Kohle, welche zur Darstellung
dienen, sowie die Vergleichung ihres Gesammtgewichts mit demjenigen, was nach
beendigter Operation als rohe Soda den Ofen verläßt, gab vor 15 Jahren den Anlaß,
eine Theorie des Processes darauf zu begründen. Dumas
stellte sie auf, so einfach und glaubhaft, daß er ihr einen Weg in die deutschen
Lehrbücher bahnte. Er benutzte aber die Angaben Leblanc's, obgleich sie in sehr runden Zahlen bestehen, weil er aus ihrer
großen Zweckmäßigkeit schlotz, daß sie hinreichend genau wären, um atomistischen
Verhältnissen zu entsprechen.
Zu Anfang, sagt er, setze sich das Glaubersalz um mit der Kreide. Da aber die
gebildete Soda beim Uebergießen mit Wasser auf den Gyps reagiren und wiederum
Glaubersalz und Kreide hervorbringen würde, so diene die Kohle dazu, den Gyps in
Schwefelcalcium zu verwandeln, welches durch Aufnahme von Kalk seine Eigenschaft
einbüße, durch Soda zersetzt und vom Wasser aufgenommen zu werden. Jenes basische
Schwefelcalcium, die Grundlage der ganzen Fabrication, sey zusammengesetzt aus 2
Aeq. Schwefelcalcium und 1 Aeq. Kalkerde.
Diesen Ansichten standen einige Erfahrungen entgegen. Es ist z.B. bekannt, daß
Glaubersalz mit Kohle bei schwacher Glühhitze reducirt, ein Gemenge von dem zweiten
Schwefelnatrium mit Aetznatron oder kohlensaurem Natron gibt. Es war möglich, daß
ein Theil des letzteren von dieser Zersetzung stamme und daß ein anderer Theil durch
die Umsetzung des Doppeltschwefelnatriums mit Kalk gebildet werde. In letzterem Fall
würde nach der Auslaugung eine höhere Schweflungsstufe des Calciums im Rückstand
bleiben oder ein Theil des Schwefels verbrennen und als schweflige Säure entweichen
müssen.
Eine genaue und vollkommen durchgeführte Untersuchung der rohen Soda, zu welcher ich
von Hrn. Prof. v. Liebig aufgefordert wurde, konnte
allein über diese Punkte Aufschluß geben.
Ich beginne mit der Analyse einer rohen Soda und lasse diejenige ihres Rückstandes
darauf folgen. Aus einer Vergleichung beider geht die Kenntniß der unlöslichen
Verbindung hervor, welcher die Methode Leblanc's ihre
Ausbreitung verdankt. Nachdem ich dann noch einen Versuch beschrieben, welcher die
Art der Bildung von Soda erklärt, gebe ich die Entwickelung des Processes.
I. Analyse der rohen Soda.
Die rohe SodaDie untersuchte war aus der Fabrik zu Ringkuhl bei Cassel. Das aus ihr
gewonnene Sodasalz ist im Handel gesucht, namentlich wegen seines
bedeutenden Gehalts an ätzendem Natron. bildet ein gröbliches Pulver von grauer Farbe, hie und da untermengt mit
Stücken von unzersetztem Kalkstein und unverbrannter Kohle. Qualitativ analysirt
zeigte sie die weiter unten aufgeführten Bestandtheile an: zur quantitativen
Bestimmung wurden 4 Pfd. im eisernen Mörser zerrieben, gut untereinander gemischt
und ein Theil davon zu den Versuchen verwendet.
1) Bestimmung des Natriums:
aus dem Gewicht des schwefelsauren Baryts. Nach Abscheidung der übrigen Bestandtheile
der Soda wurde das zurückbleibende Natronsalz in neutrales schwefelsaures verwandelt
und seine Auflösung durch Chlorbarium gefällt.
2) Des Calciums:
theils als kohlensaurer Kalk, theils als schwefelsaurer, durch Zersetzung des
erhaltenen oxalsauren Kalks.
3) Des Magnesiums:
durch Glühen der erhaltenen phosphorsauren Ammoniak-Talkerde.
4) Des Eisens:
nach gehöriger Oxydation mittelst chlorsauren Kalis durch Fällung mit Ammoniak.
5) Des Chlors:
die mit verdünnter Schwefelsäure zersetzte Soda wurde nach Vertreibung des
Schwefelwasserstoffs mit salpetersaurem Silberoxyd gefällt.
6) Des Schwefels:
seine Bestimmung erfordert große Aufmerksamkeit. Beim Uebergießen der Soda mit einer
Säure entwickeln sich Schwefelwasserstoff und Kohlensäure und entweichen zusammen
aus der Flüssigkeit; dieß geschieht sogar bei Anwendung von rauchendem Königswasser.
Vertheilt man die Soda in sehr vielem Wasser und leitet Chlorgas hindurch, so erhält man schon näher
übereinstimmende Resultate. Die Zersetzung der trocknen Soda in einem Glasrohr durch
Chlorgas und Auffangen der flüchtigen Producte in vorgeschlagenem Chlorwasser, ist
viel weniger gut; mit der entwickelten Kohlensäure entweicht Chlorschwefel, man
sieht es an den Nebeln, die sich da bilden, wo die Kohlensäure die auf dem Wasser
ruhende Schicht von Chlorgas trifft. Zugleich enthält der Rückstand im Rohre vielen
Gyps, der das Ende der Bestimmung auch noch verzögert.
Rasch und ziemlich sicher kommt man dagegen zum Ziel durch die Anwendung eines
Gemisches von chlorsaurem Kali mit Salzsäure. Ich pflegte auf den Boden eines
geräumigen Kolbens mit langem und engem Halse eine gewogene Menge der Soda zu
schütten, innig gemengt mit einem Ueberschuß fein gepulverten chlorsauren Kalis und benutztebenetzte dieselbe mit wenigem Wasser. Hiezu fügte ich das bereitstehende Gemisch
von chlorsaurem Kali und Salzsäure in kleinen Portionen so lange, bis ein neuer
Zusatz keine Gasentwickelung mehr verursachte. Während der ganzen Zeit wurde der
Kolben fleißig geschüttelt. Um den Ueberschuß des gasentwickelnden Gemenges zu
zerstören, überläßt man es in gelinder Wärme der Ruhe. Jede höhere Temperatur ist zu
vermeiden, weil sonst der Inhalt des Kolbens explodirt. Hat die Entwickelung der
chlorigen Säure ihr Ende erreicht, so erhitzt man den Kolben, wenn es nöthig ist,
unter Zusatz von Salzsäure, bis aller Gyps aufgelöst ist, filtrirt und fällt mit
Chlorbarium. Man erhält dann den sämmtlichen Schwefel in der Form von schwefelsaurem
Baryt.
7) Der Kohle und Kohlensäure.
Die Soda wurde mit Salzsäure aufgeschlossen, zur Trockne gebracht und geglüht; die
Masse, zur Auflösung des Gypses mit salzsäurehaltigem Wasser digerirt, ließ nach dem
Filtriren einen Rückstand von Kohle, Sand und Kieselerde. Dieser wurde gewogen,
darauf die Kohle verbrannt und aus der Differenz sowohl die Menge der Kohle als auch
das Gesammtgewicht von Sand und Kieselerde bestimmt.
Ferner wurde durch Verbrennungen mit chromsaurem Bleioxyd, wie bei organischen
Analysen, Kohle und Kohlensäure bestimmt, zugleich mit dem Wasser, gebundenem und
hygroskopischem.
Da außerdem die Kohlensäuremenge der Soda für sich durch Austreiben mittelst
Schwefelsäure bekannt wurde, so erfuhren diese verschiedenen Versuche gegenseitig
eine gute Controle.
8) Des Wassers.
Es kommt in zwei Formen vor, einmal gebunden an Kalk oder Natron, dann auch als
hygroskopisches Wasser. Das Gesammtgewicht beider lehrten die vorhin erwähnten Verbrennungen kennen,
das des letzteren wurde durch Erhitzen der Soda auf 100° C. gefunden.
9) Der Kieselerde und des Sandes.
Bei Gelegenheit der Kohlenbestimmung führte ich an, auf welchem Wege ich die beiden
zusammen erhielt.
Zur Bestimmung des Sandes wurde die Soda mit einem großen Ueberschuß von Salzsäure
digerirt und die Flüssigkeit von dem Ungelösten abfiltrirt. Von dem Rückstande, dem
Sand und der Kohle, wurde die letzte hinweggebrannt und der Sand gewogen.
10) Der Schwefelsäure und des Schwefelmetalls.
Die Soda wurde mit salpetersaurem Kupferoxyd übergossen und durch Salzsäure zersetzt,
darauf das Filtrat mit Chlorbarium gefällt. Der Rückstand wurde mit chlorsaurem Kali
und Salzsäure oxydirt und ebenfalls mit Chlorbarium gefällt.
Andere Säuren des Schwefels fand ich in der rohen Soda nicht auf; ich digerirte
dieselbe mit neutralem oxalsaurem Kali, aber das Filtrat war farblos und trübte sich
nicht durch Salzsäure, auch nicht wenn es damit erhitzt wurde. Mithin war eben so
wenig ein Mehrfachschwefelmetall, wie ein unterschwefligsaures Salz in der Soda
enthalten.
Von Thonerde waren nur Spuren zugegen, Kali ließ sich nicht mit Bestimmtheit
nachweisen.
Gefunden wurden im Mittel:
Natrium
18,53
Calcium
25,88
Magnesium
0,40
Eisen
1,54
Chlor
1,55
Schwefel
13,18
Kohle
1,59
Kohlensäure
15,30
gebundenes Wasser
2,89
hygroskopisches Wasser
2,10
gebundene Kieselerde
4,08
Sand
2,02
Sauerstoff und Verlust
10,94
––––––
100,00.
Sie berechnen sich zu:
Natrium.
Calcium.
Schwefel.
Kohlensäure.
Sauerstoff,
so weit er demVerlust
entspricht.
schwefelsaures Natron
1,99
0,79
–
0,45
–
0,75
Chlornatrium
2,54
1,04
–
–
–
–
kohlensaures Natron
23,57
10,27
–
–
9,76
3,53
Natronhydrat
11,12
6,43
–
–
–
2,21
kohlensaurer Kalk
12,90
–
25,22
–
5,63
2,05
3 CaS, CaO
34,76
–
0,61
12,14
–
2,01
Schwefeleisen
2,45
–
–
0,91
–
–
kieselsaure Talkerde
4,74
–
–
–
–
0,26
Kohle
1,59
–
–
–
–
–
Sand
2,02
–
–
–
–
–
Wasser
2,10
–
–
–
–
–
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
99,78
18,53
25,83
13,50
15,39
10,81
Indem ich die Gründe für eine solche Anordnung gebe, wird sich von meiner Seite
einige Willkür offenbaren: doch ist diese gewiß außer Stande, wirklich zu
schaden.
1) Die sämmtliche gefundene Schwefelsäure habe ich als an Natron gebunden aufgeführt,
obgleich ein Theil derselben, vielleicht der größere mit Kalk verbunden ist. Aus
einer Vergleichung der gefundenen Zahlen für rohe Soda mit denen für ihren
ausgelaugten Rückstand, von welchem später die Rede, ergibt sich, daß die
aufgeführten 1,99 Proc. schwefelsauren Natrons durch Auswaschen hinweggenommen
werden können. Derselbe Fall muß freilich eintreten, wenn Gyps und kohlensaures
Natron nebeneinander sich auflösen und mischen. Indem nun aber die quantitative
Trennung von Gyps und Glaubersalz in der rohen Soda vielleicht unmöglich ist; die
Erkennung der übrigen Bestandtheile unter diesem Uebel indessen nicht leidet, so
habe ich der Einfachheit der Darstellung die Genauigkeit zum Opfer gebracht.
2) Dieselbe Ansicht rechtfertige mich auch, daß ich die Kieselerde zur Talkerde
fügte, obgleich sie ohne Zweifel mit Kalk und Natron in der Soda verbunden ist:
hiezu bemerke ich noch zweierlei. Es ist schwierig zu sagen, mit welcher Quantität
Basis die Kieselerde verbunden sey, in Berührung mit einer Masse, die einen so
bedeutenden Ueberschuß an alkalischer Basis enthält. Um einigermaßen das Ziel im
Auge zu behalten, nahm ich für die Kieselerde so viel Basis in Anspruch, als ihr im
gewöhnlichen Glase angehört. Nahezu entspricht dieses der Formel: RO, 3 SiO₂,
und wenn dann die Basis Talkerde wäre, so würden mithin 4,08 Proc. Kieselerde
verbunden seyn mit 0,60 Proc. Talkerde.
Da diese Menge der gefundenen gleichkommt, so trug ich kein Bedenken, sie in der
angegebenen Weise aufzuführen, indem dadurch zwei Körper ihr unklares Recht an die
Verbindungen der Soda einbüßen.
3) Natronhydrat und kohlensaurer Kalk sind aufgeführt ohne Erwähnung des freien
Kalkes. Die Behauptung, daß der kohlensaure Kalk in der Gluth des Sodaofens seine
sämmtliche Säure habe verlieren müssen, bedarf erst des Beweises. Ich setzte eine
Mischung von 3 Aeq. kohlensaurem Kalk und 1 Aeq. schwefelsaurem Natron mit
überschüssiger Kohle zwei Stunden lang der stärksten Hitze eines Windofens aus. Der
Verlust betrug 41 Proc. vom Gewicht jener Salze, und wurde nicht entscheidend größer
nach wiederholtem Glühen, trotz überschüssiger Kohle.
Hiebei war viel kohlensaurer Kalk unzersetzt geblieben, denn nachdem in der Masse
zuerst das Schwefelnatrium durch Alkohol erschöpft war, dann der Rückstand durch
Wasser von einer Spur kohlensauren Natrons befreit, so bestand der Rest aus einem
Gemenge von kohlensaurem und ätzendem Kalk. Traten nun bei diesem Versuch alle
Kohlensäure des Kalkes und aller Sauerstoff des Glaubersalzes als Kohlenoxydgas aus,
so durfte der Verlust nicht 41, sondern er mußte 63 Proc. betragen. Eine ganz
bestimmte Quantität des Gemenges erfährt also durch Kohle nur eine Zersetzung.
Außerdem finden sich die angegebenen 12,9 Proc. kohlensaurer Kalk der rohen Soda
vollständig in ihrem ausgelaugten Rückstande wieder.
4) In Bezug endlich auf das basische Schwefelcalcium – 3 CaS, CaO –
bemerke ich, daß seine Formel von derjenigen abweicht, welche Dumas dafür aufstellte. Nach ihm ist es 2 CaS, CaO. Er schloß auf seine
Existenz mehr, wie es scheint, nach den runden Zahlen Leblanc's, als daß er auf dem Wege der Analyse seine Zusammensetzung
ermittelt hätte. Aber auch abgesehen davon, daß die Angaben des letzteren mit der
neuen Formel besser im Einklange stehen; daß ferner, wäre Dumas' Meinung begründet, den obigen analytischen Belegen zufolge freies
Schwefelcalcium in der rohen Soda hätte vorhanden seyn müssen, dessen Abwesenheit
jedoch erwiesen: so redet für die neue Formel noch ein wichtiges Wort, die
Analogie.
Das Schwefelbarium nämlich verbindet sich auch mit Baryterde, und es ist möglich, daß
es in mehreren Verhältnissen geschieht: doch nur ein einziges unter diesen kennen
wir mit großer Gewißheit. Diese Verbindung krystallisirt aus einer wässerigen
Lösung, wie denn die Schwefelverbindungen des Bariums überhaupt viel löslicher sind,
als die entsprechenden des Calciums; ihre Existenz ist von H. Rose
Poggendorff's Ann. Bd. LV S. 421 und namentlich
S. 424 oben. so wohl begründet, daß sie keinen Zweifel gestattet. Ihre Formel ist: 3 BaS,
BaO. Wenn aber eine solche Verbindung bei dem Barium vor andern vorhanden, so wird
auch die analoge beim Calcium nicht fehlen.
II. Analyse des Rückstandes der rohen
Soda.
Die Fabrikanten laugen nicht mehr, wie Leblanc, die rohe
Soda mit kaltem Wasser aus; sie begnügen sich nicht mit derjenigen Temperatur,
welche beide durch ihre Berührung annehmen, sondern sie unterstützen dieselbe noch
mäßig durch Wärme. Da es mir nicht, wie Jenen, auf eine rasche und zweckmäßige
Darstellung von Sodasalz ankam, da ich vielmehr eine solche Beschaffenheit des
Rückstandes ins Auge faßte, welche am besten einen Schluß auf sein Wesen gestattet,
so vermied ich beim Auslaugen eine allzu hohe Temperatur.
Eine Quantität der von den früheren Versuchen übriggebliebenen rohen Soda wurde mit
etwa der dreifachen Menge Wassers übergossen und öfter geschüttelt. Dabei stieg die
Temperatur des Gemisches auf 23° C. Dieses wurde dann auf ein Filter gebracht
und mit ausgekochtem kaltem Wasser so lange gewaschen, bis im Filtrat die Reaction
auf kohlensaures Natron verschwand und die auf Schwefelnatrium sich einzustellen
begann. Dabei wurde Sorge getragen, daß die Kohlensäure der Luft nicht zum
Rückstande träte. Ueber Schwefelsäure getrocknet, wurde er zur Analyse verwendet. Er
enthält außer den Bestandtheilen der rohen Soda noch unterschwefligsauren Kalk,
neben Einfach- und Zweifach-Schwefelcalcium. Er war aber ebenso, wie
die rohe Soda, frei von einem Schwefelwasserstoff-Schwefelmetall,Vergleiche H. Rose in Poggendorff's Ann. Bd. LXI S. 669. denn er entwickelte beim Kochen mit Schwefel keine Spur von
Schwefelwasserstoff, und eben so wenig, wenn nach Zersetzung des Rückstandes
mittelst oralsauren Kalis die abfiltrirte Flüssigkeit mit neutralem schwefelsaurem
Manganoxydul vermischt worden war.
Untersucht wurde er nach denselben Methoden, die ich für rohe Soda in Anwendung
brachte.
Gefunden.
Berechnet n. d.
Resultaten für
rohe Soda.
Natrium
1,06
„
Calcium
39,11
39,11
Magnesium
0,59
0,60
Eisen
2,56
2,32
Schwefel
18,90
19,23
Kohle
2,60
2,40
Kohlensäure
8,55
„
gebundenes Wasser
2,56
„
hygroskopisches Wasser
3,45
„
gebundene Kieselerde
5,94
6,16
Sand
3,09
3,05
Sauerstoff und Verlust
11,59
„
–––––––
100,00.
Ein Beispiel mag zuerst den Sinn der nebenstehenden Zahlen erläutern, bei denen ich
zum Ausgangspunkt das Calcium wählte: seine Verbindungen, durchaus unlöslich in dem
Waschwasser der Soda, mußten das Calcium auch ohne Verlust im Rückstande enthalten.
Die Gewichtsmenge der übrigen unlöslichen Körper muß dann proportional seyn den
Gewichten des Calciums. Wie z.B. 25,88 Calcium der rohen Soda sich verhalten zu
39,11 Calcium des Rückstandes, so verhalten sich 2,02 Sand der rohen Soda zu 3,05
Sand des Rückstandes. Die Bestimmungen des Sandes waren also hinreichend genau
ausgeführt, denn die gefundene Zahl 3,09 ist mit der berechneten 3,05 fast
identisch.
Für den Schwefel habe ich als Controle 19,23 Proc. aufgeführt oder diejenige Zahl,
welche 12,73 Proc. Schwefel der rohen Soda entspricht. Diese enthielt jedoch mehr,
nämlich 13,18 Proc. Da aber eine solche Quantität Glaubersalz aus der rohen Soda
durch das Wasser hinweggenommen wurde, welche 0,45 Proc. Schwefel enthält, so habe
ich diese 0,45 Proc. oder für den Rückstand die gleichbedeutende Menge, 0,68 Proc.
Schwefel, in Abzug gebracht.
Während nun diese Art der Betrachtung Bürge ist für die Richtigkeit einzelner
Bestimmungen, so ist sie auch noch eine nützliche Führerin, um die Elemente des
Rückstandes nach ihren Verbindungen zu ordnen.
Natrium.
Calcium.
Schwefel.
Sauerstoff,
so weit er demVerlust
entspricht.
kohlensaurer Kalk
19,56
–
7,91
–
3,08
3 CaS, CaO
32,80
–
19,49
11,40
1,90
schwefelsaurer Kalkunterschwefligsaurer
KalkKalkerdehydrat
3,69 4,12 4,02
– – –
1,10 1,10 2,20
0,87 1,74 –
1,72 1,29 0,86
Zweifach-SchwefelcalciumEinfach- „Kalkerdehydrat
4,67 3,25 6,67
– – –
1,83 1,83 3,66
2,84 1,42 –
–
– 1,40
Schwefelnatrium
1,78
1,06
–
0,72
–
Eisenoxyd
3,70
–
–
–
1,14
kieselsaure Talkerde
6,91
–
–
–
0,38
Kohle
2,60
–
–
–
–
Sand
3,09
–
–
–
–
Wasser
3,45
–
–
–
–
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
100,31
1,06
39,12
18,99
11,77
Bei der Anordnung selbst leiteten mich folgende Betrachtungen:
1) Zunächst war für die Kohlensäure eine Basis zu suchen: offenbar war sie Kalkerde.
Die erforderliche Quantität beträgt 10,99 Proc. Es entspricht dieser Quantität
kohlensauren Kalkes eben dieselbe, welche ich als in der rohen Soda enthalten
bezeichnete, wodurch es wahrscheinlich wird, daß sie die Masse des Kalksteins
ausmachte, der bei der Darstellung jener, im Ueberschuß angewandt, der Zersetzung
entging.
2) In Betreff der übrigen Calciumverbindungen ging ich von der Voraussetzung aus, daß
ein Theil des basischen Schwefelcalciums der rohen Soda nur durch den Sauerstoff der
Luft, nicht durch das Wasser zersetzt worden sey, indem ich mich auf die erwähnten
Reactionen stützte, welche die Abwesenheit eines
Schwefelwasserstoff-Schwefelmetalls darthaten.
Demnach war es nicht unwahrscheinlich, daß 1 Aeq. basischen Schwefelcalciums unter
Aufnahme von 8 Aeq. Sauerstoff und 2 Aeq. Wasser umgewandelt wurde in 1 Aeq. Gyps, 1
Aeq. unterschwefligsauren Kalk und 2 Aeq. Kalkerdehydrat:
3 CaS, CaO + 8O + 2HO = CaO SO₃ CaO S₂O₂ + 2
CaO HO.
Die Quantität Kalk, welche die gefundenen 2,16 Proc. Schwefelsäure sättigt, beträgt
1,35 Proc.; die äquivalente Menge unterschwefligsauren Kalkes 4,12 Proc. –
Ein Theil der Kalkerde, 1,53 Proc., war schon fertig gebildet, dazu kam durch Oxydation die
nämliche Menge: im Ganzen 3,06 Proc. Kalkerde, welche 0,96 Proc. Wasser
aufnahmen.
3) Eine andere Quantität des basischen Schwefelcalciums hatte sich in der Art
zersetzt, daß die Producte Kalkerde, Einfach- und
Zweifach-Schwefelcalcium waren. Ein Aequivalent der Verbindung wurde unter
Aufnahme von 1 Aeq. Sauerstoff und 2 Aeq. Wasser zu 1 Aeq.
Einfach-Schwefelcalcium, 1 Aeq. Zweifach-Schwefelcalcium und 2 Aeq.
Kalkerdehydrat:
3 CaS, CaO + O + 2 HO = CaS₂ + CaS + 2 CaO HO.
Die Analyse des Bisulphurets, welche den Antheil basischen Schwefelcalciums hätte
ausweisen können, der obiger Zersetzung unterlag, fiel indessen nach ihrer Methode
so ungenau aus, daß sie eher für einen qualitativen Versuch, als für eine
quantitative Bestimmung gelten konnte. Ich nahm deßhalb meine Zuflucht zu dem
basischen Wasser, dessen Gewicht durch die Analyse genau bekannt war.
Wenn nach einer früheren Zersetzung 0,96 Proc. Wasser an Kalkerde gebunden waren, so
ergaben sich als Rest 1,60 Proc. Wasser, welche an Kalkerde binden 5,07 Proc.
Hienach berechnen sich dann weiter 4,67 Proc. Zweifach-, und 3,25 Proc.
Einfach-Schwefelcalcium.
Die Summe der gesammten, bis jetzt vertheilten Kalkerde und des Schwefelcalciums,
enthält an Calcium 18,63 Proc.
4) Der beobachtete Ueberschuß an Calcium, oder 19,48 Proc., mußte, wenn die übrigen
Annahmen richtig waren, in dem Rückstande als unverändertes basisches
Schwefelcalcium enthalten seyn, und zwar zu 32,79 Proc.
5) Was noch weiter zu sagen wäre in Bezug auf die kieselsaure Talkerde, das übergehe
ich hier und verweise deßhalb auf die Erörterung dieses Punktes bei der rohen Soda.
Rechtfertigen muß ich mich aber, daß ich das Natrium als Schwefelnatrium, das Eisen
dagegen als Eisenoxyd berechnete.
Laugt man die rohe Soda sorgfältig aus, so kommt ein Zeitpunkt, wo das Wasser kein
kohlensaures Natron mehr aufnimmt, Aetznatron eben so wenig: dann aber treten Spuren
von Schwefelnatrium auf, wonach es wahrscheinlich wird, das Schwefelnatrium sey in
dem Rückstande in einem sehr schwerlöslichen Zustande enthalten.
Eben so nun, wie jeder natürliche Kalkstein eine, wenn auch geringfügige Quantität
eines Alkalis einschließt, so traten bei Bildung des basischen Schwefelcalciums
kleine Antheile des umgebenden Schwefelnatriums ohne Zweifel in dasselbe ein, wodurch das letztere seine
große Löslichkeit im Wasser verlor.
Von dem Schwefeleisen der rohen Soda hatte sich ein Theil oxydirt, ob viel oder
wenig, muß ich unbeantwortet lassen. Es compensirt sich der Fehler einigermaßen
dadurch, daß das sämmtliche Natrium als mit Schwefel verbunden in der Uebersicht
aufgeführt wurde, während es doch zum Theil ganz sicher den Bestandtheil irgend
einer Kieselerdeverbindung ausmacht.
III. Ein Versuch ist noch zu erwähnen übrig, der über die
Bildung der Soda Licht zu verbreiten im Stande ist.
Wird die rohe Soda der Fabriken in einem verschlossenen Glasrohr der Gluth eines
tüchtigen Windofens ausgesetzt, so findet man sie beim Herausnehmen verändert. Ihre
Farbe, aschgrau vor dem Versuch, ist tief braunroth geworden. Wasser löst nun
reichlich Einfach-Schwefelnatrium auf, späterhin unverändert gebliebenes
kohlensaures Natron. Wird die kirschrothe, zusammengesinterte Masse hierauf nur
mäßig erhitzt, so verschwindet allmählich die hepathische Reaction, und Farbe sowie
Eigenschaften der rohen Soda stellen sich nach und nach wieder ein. Hat sich aber
die Soda einmal mit Kohlensäure gesättigt, so ist es sehr schwer, in dem Rohr sie
wieder roth zu bekommen. Diesen Versuch wiederholte ich oftmals mit immer gleichem
Erfolg.
Die Schlüsse, zu welchen er berechtigt, fasse ich zusammen mit dem Resultat der
Analysen, von dem ich wünsche, es möge nicht so fehlerhaft seyn, daß die Theorie, zu
der ich mich wende, gewagt erscheine.
Diejenigen, welche die Soda im Großen darstellen wollen, sehen vor allem darauf, daß
die Beschickung im richtigen Verhältniß gemischt und das Feuer gehörig geleitet
werde.
Leblanc
Theorie
wasserfreies Glaubersalz
1000
39
3 Aeq.
schwefelsaures Natron
40,3
Kreide
1000
39
4 Aeq.
kohlensaurer Kalk
38,2
Kohle
550
22
19 Aeq.
Kohle
21,5
–––––––
–––––
100.
100,0.
Ist das Gemenge in den Ofen gebracht, so gibt der Arbeiter rasch das stärkste Feuer,
dessen er Herr ist; dabei kommt die Masse in Fluß, während ansehnliche Quantitäten
von Kohlenoxydgas entweichen. Er läßt die Luft nur schwach überhin streichen, damit
ja nicht mehr als das Kohlenoxydgas verbrenne, welches dadurch eine reichliche
Quelle von Wärme darbietet. Das entweichende Gas verdankt seinen Ursprung der Zersetzung des Glaubersalzes
durch Kohle, wobei dieses zu Schwefelnatrium wird. Auch der kohlensaure Kalk erfährt
nun eine Veränderung: unter dem Einfluß der Kohle wird er kaustisch und liefert
neues Kohlenoxyd, welches weiter verbrennt. Der Zeitpunkt, da beide Processe ihrem
Ende sich nähern, ist daran kenntlich, daß die Gasblasen nicht mehr stürmisch, wie
früher, sondern nur hie und da noch durch die geflossene Masse hervorbrechen. Diese
enthält dann nichts anderes als Schwefelnatrium, Aetzkalk und Kohle.
Sobald der Arbeiter dieses bemerkt, schwächt er sein Feuer, das bis dahin so lebhaft
wie möglich war, und beginnt die Masse fleißig mit der Krücke zu rühren. Ist die
Temperatur bis zu einem gewissen Grade gesunken, so setzen sich Aetzkalk und
Schwefelnatrium um zu Aetznatron und basischem Schwefelcalcium. Unter unablässigem
Umstoßen wird nunmehr auch der Luft ein freierer Zutritt gestattet: einmal soll die
Erhitzung an einzelnen Stellen nicht so groß werden, daß die Umsetzung wieder
zurückgeht – eine Thatsache, die ich früher besprach: sodann muß noch die
übriggebliebene Kohle verbrennen, welche gerade hinreicht, um das Natron in
kohlensaures Salz zu verwandeln. Man weiß wie dringend Leblanc empfahl, ohne Unterlaß bis zum Ende der Operation in der Masse zu
rühren; wäre seine Absicht auf die Darstellung von Aetznatron gerichtet gewesen, er
hätte bei seinem glücklichen Tacte, immer das Rechte zu treffen, dem Arbeiter sicher
die Mühe erspart. Wenn man dieß alles erwägt, so ist die Darstellung der Formeln
einfach, die ich so gebe, wie sie der Aufeinanderfolge der verschiedenen Processe
entspricht.
3 NaO SO₃ + 4 CaO CO₂ + 19 C =
3 NaS + 4 CaO CO₂ + 7 C + 12 CO =
3 NaS + 4 CaO + 3 C + 20 CO =
3 NaO + 3 CaS, CaO + 3 C + 20 CO.
Endlich treten zu der noch übrigen Kohle 6 Aeq. Sauerstoff aus der Luft, die sich
beide mit dem Natron vereinigen:
3 NaO CO₂ + 3 CaS, CaO + 20 CO.
Diese Formeln bestätigen auch die Angabe Leblanc's, daß
die rohe Soda um ein gewisses weniger wiege als das angewandte Material. Denn wenn
man erwägt daß, wie die Uebersicht lehrt, 20 Aeq. Kohlenoxydgas durch ihr Entweichen
das Gewicht der rohen Soda beträchtlich vermindern, dagegen 3 Aeq. Kohlensäure durch
ihren Gehalt an Sauerstoff, den sie der atmosphärischen Luft entzogen, dasselbe
wieder um etwas vermehren, so ergibt die Berechnung, daß 40,3 Proc. vom Gewicht der Beschickung
gasförmig entweichen. Nach Leblanc sind es ebenfalls 40
Proc.Dumas, traité de chimie appliquée aux arts. T. II. p. 475.
Zugleich wird es sichtbar, worauf der wechselnde Gehalt des Sodasalzes an kaustischem
Natron beruht: bei Mangel an Kohle bleibt es natürlich kaustisch. Aber es ist auch
nicht unwahrscheinlich, obgleich durchaus noch nicht erwiesen, daß andererseits bei
einem Ueberschuß an Kohle das schon fertig gebildete kohlensaure Natron seine Säure
wiederum verliere, wenn auch nicht vollständig, doch wenigstens zum Theil.