Titel: | Ueber Sicherheitsmaaßregeln bei Eisenbahnen – Bericht des Hrn. de Boureuille, Chef der Eisenbahndivision, an den franz. Minister der Staatsbauten im Namen einer Commission erstattet. |
Fundstelle: | Band 104, Jahrgang 1847, Nr. XXXIV., S. 146 |
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XXXIV.
Ueber Sicherheitsmaaßregeln bei Eisenbahnen
– Bericht des Hrn. de
Boureuille, Chef der Eisenbahndivision, an den franz. Minister der
Staatsbauten im Namen einer Commission erstattet.Die neueste königl. franz. Ordonnanz, welche die Sicherheitsmaaßregeln für den
Eisenbahnbetrieb vorschreibt, wobei obiges Gutachten zu Grunde gelegt wurde,
haben wir bereits im vorletzten Heft des polytechn. Journals (Bd. CIII S. 455)
mitgetheilt. A. d. R.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, Jun. und Jul. 1846.
Boureuille, über Sicherheitsmaaßregeln bei Eisenbahnen.
Die von dem Minister der Staatsbauten mit der Untersuchung der die Sicherheit des
Transports auf Eisenbahnen betreffenden Fragen beauftragte Specialcommission hatte vom Anfang ihrer
Einsetzung an zwei Gegenstände von sehr verschiedener Natur zu betrachten. Die
Katastrophe vom 8. Mai 1842 nämlich hatte die Aufmerksamkeit des Publicums auf die
Achsen der Locomotiven und Waggons, und auf die fürchterlichen Folgen der Stöße
gelenkt, welchen die Passagier-Trains auf Eisenbahnen ausgesetzt seyn können;
eine Masse von Erfindern bestrebte sich um die Wette Mittel aufzufinden, wodurch die
Construction der Locomotiven- und Wagen-Achsen verbessert und die
Wirkungen der Stöße gemildert werden können; diese mannichfaltigen Vorschläge hatte
die Commission zu untersuchen. Die meisten derselben sind jedoch keiner nützlichen
Anwendung für die Eisenbahnen fähig; die einen rührten von Personen her, welchen die
Construction und der Betrieb der Bahnen völlig fremd ist; andere würden bei ihrer
Anwendung statt einer gewissen Classe von Unglücksfällen vorzubeugen, manchmal einen
noch viel ärgern Unglücksfall, als den zu vermeidenden verursachen; wieder andere
beruhten zwar auf einem richtigen Princip, entsprachen aber bei ihrer Ausführung
durchaus nicht der ursprünglichen Idee ihres Erfinders. Kurz, nur eine sehr kleine
Anzahl derselben schien sich zur unmittelbaren Anwendung zu eignen, denn sie waren
nur das Resultat von Versuchen in kleinem Maaßstab.
Es muß übrigens bemerkt werden daß, wenn einmal ein starker Stoß erfolgt, ein
bedeutender Unglücksfall jederzeit schwer zu vermeiden seyn wird, und wenn auch
anzuerkennen ist, daß gewisse Vorsichtsmaaßregeln von Nutzen seyn können, so muß
doch das Bestreben weniger dahin gehen, die Stöße zu mildern, als sie zu verhüten
und vorzüglich von diesem Gesichtspunkt aus hat die Commission die die Sicherheit
der Eisenbahnfahrten betreffenden Fragen untersucht und erörtert.
Die Sicherheit des Transports kann von verschiedenen Umständen abhängen: 1) von dem
Zustand der Bahn und der Art ihrer Construction; 2) von dem Zustand der
Betriebsrequisiten, d.h. der Locomotiven, Wägen und Waggons, und ihrer verschiedenen
Bestandtheile, der Räder, Achsen, Hängfedern etc.; 3) von der Bildung der Züge
(Trains), d. i. von der Weise wie die Locomotiven und Wägen mit einander verbunden
werden, von dem Bremssystem, von dem Verfahren die Stöße zu mildern etc.; 4) von den
Polizeimaaßregeln, welchen die Fahrten unterworfen sind; der vorgeschriebenen
Geschwindigkeit, den zwischen den Maschinenführern, und zwischen diesen und den
Stationsvorgesetzten und Bahnwärtern eingeführten Signalen und
Communicationsmitteln; 5) endlich von der mehr oder weniger einsichtsvollen Leitung
des Betriebs und der Fähigkeit oder sogar der Moralität der dabei Bediensteten.
Die Commission erörterte nacheinander alle in diesen verschiedenen Kategorien
begriffenen Gegenstände und untersuchte bei jedem derselben, ob das, was gegenwärtig
schon Praxis ist, für die Sicherheit der Personen schon genügt und folglich auch, ob
für gewisse Fälle neue Anordnungen gegeben werden sollten.
1) Von der Eisenbahn und ihrem Zugehör,
wie Kreuzungen und Aenderungen in der Richtung der Bahn.
Es wäre unnütz, hier die verschiedenen für den Bau der Eisenbahnen nacheinander
angewandten Systeme zu erwähnen; wir brauchen nur zu bemerken daß das heutzutage in
Frankreich am allgemeinsten eingeführte System darin besteht, die Schienen mittelst
hölzerner Keile in den gußeisernen Stühlen einzuspannen, welche zwei und zwei, auf
ziemlich gleichweit von einander entfernten hölzernen Grundschwellen (Querschwellen) befestigt sind;
die Anzahl der Schwellen ist übrigens je nach der Natur des Bodens, auf welchem die
Bahn angelegt werden soll, nach dem Gewichte der Schienen etc. verschieden; außerdem
werden die Schwellen mit einer Sandschicht, welche sie in ihrer ursprünglichen Lage
erhält, ganz überdeckt.
Einige Ingenieure hielten es für zweckmäßig, um dem System eine größere Festigkeit zu
geben, vorzüglich aber, um die Ungleichheiten durch Biegung zu vermeiden, welcher
die Schienen durch die Abstände der Schwellen ausgesetzt sind, die Schienen auf in
zwei Linien gelegte Längenschwellen zu befestigen. Dieß geschah z.B. auf der
London-Bristoler Eisenbahn; allein dieses Beispiel hat in Frankreich noch
wenig Nachahmer gefunden.
Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß das in Frankreich allgemein vorgezogene
Verfahren hinsichtlich der Sicherheit des Transports nicht vorwurfsfrei ist.
Offenbar handelt es sich hauptsächlich darum, die Schienen jeder Bahn so viel als
möglich in gleichem Niveau zu erhalten und den Schienen beider Geleise den
genauesten Parallelismus zu bewahren. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt oder
durch schlechte Anlage der Bahn die Schienen an gewissen Punkten niedergedrückt,
während sie an andern Stellen ihre ursprüngliche Höhe beibehalten, dann erleiden die
Locomotiven und die von ihnen gezogenen Wägen viele verticale Schwingungen, welche
ein Austreten aus den Schienen und alle damit verbundenen Unglücksfälle veranlassen
können. Ebenso müssen, wenn die beiden Schienenlinien nicht immer und allenthalben
in ihrem ursprünglichen Abstand verbleiben, die Achsen der Locomotiven und Waggons
nothwendig mehr oder weniger verdreht (gewunden) werden, was deren Bruch und das
Austreten aus den Schienen zur Folge haben kann.
Die Commission mußte sich daher einerseits die Frage stellen, ob die
Constructionsweise der Eisenbahnen mittelst hölzerner Querschwellen, als Träger der
Schienenstühle, mit Keilen auf der Außenseite, ausreiche um den Abstand der beiden
Schienenlinien zu unterhalten, und sprach sich bejahend dafür aus, unter dem Zusatz
jedoch, daß es gut wäre, die Schwellen in der Nähe jener Punkte, wo zwei Schienen
zusammenstoßen, einander näher zu legen als auf den dazwischenliegenden Stellen.
Als noch zu dieser Frage gehörig mußte untersucht werden, ob in Bezug auf die
Dauerhaftigkeit der Fahrrequisiten die größtentheils angenommene Geleisbreite von
1,44 Meter zwischen den Schienen groß genug sey, oder ob es nicht besser wäre sie zu
vergrößern.
Den ersten Punkt beantwortete sie ohne Zögerung bejahend; die Breite des Geleises und
der Straße anbelangend, war die Commission der Ansicht, daß das durch die
gegenwärtig geltenden Verordnungen vorgeschriebene Maaß beibehalten werden könne,
fügte jedoch bei, daß es zu wünschen wäre. die Straßenbreite bei den Tunnels und
zwischen den Brustmauern der Kunstbauten in derselben Art beizubehalten, wie auf
wagrechtem Terrain und bei Einschnitten.
Hinsichtlich der Fehler welche beim Legen und in der Form der Bahn gemacht werden
können, erklärt die Commission, daß die Niederdrückung oder Hebung der Schienen,
ihre mangelhafte Einpassung in die Stühle, die ungleiche oder unvollkommene Legung
des den Grund bildenden Sandes, und eine unzureichende Dicke seiner Schicht als
Hauptursachen des Austretens aus den Schienen anzusehen sind. Es muß daher alles
geschehen um sie zu vermeiden, und dafür gesorgt werden, daß die Eisenbahn, nicht nur bei
ihrer Eröffnung, sondern auch in nicht zu großen Zeitabständen während des Betriebs
sorgfältig besichtigt werde.Geschieht in Deutschland allenthalben.
Die Commission hat noch zweier anderer Ursachen zu erwähnen, wodurch die Schienen aus
der Ordnung kommen können, welche nicht minder gefahrvoll sind. Erstens die
Verrückung der Schienen in der Längenrichtung oder in der Richtung der Bewegung;
sodann die gleichförmige Neigung der Schwellen, auf denen die Stühle befestigt sind
und in Folge davon die Verschiebung der Schienen selbst.
Diese verschiedenen Ursachen einer Gefahr können durch aufmerksame und unausgesetzte
Ueberwachung der Bahn beseitigt oder doch bedeutend vermindert werden.
Die Commission hatte nun noch zu untersuchen, einerseits, ob die angenommene Form der
Schienen zweckmäßig ist und andererseits, ob die Verfertigungsweise der Schienen und
ihre Prüfung vor dem Legen gehörige Sicherheit gewähren.
Den ersten Punkt anlangend, mußte sie sich darauf beschränken, die Form anzugeben
welche das Austreten aus den Schienen begünstigen könnte, und in dieser Hinsicht
glaubte sie darauf aufmerksam machen zu müssen, daß nach Maaßgabe der der Peripherie
der Wagenräder gewöhnlich gegebenen Neigung es nöthig wird, um die Schwingung so
viel als möglich zu vermindern, der Oberfläche der Bahnschienen eine gewisse
Krümmung zu geben.
Der zweite Punkt aber schien der Commission von viel größerer Wichtigkeit zu seyn.
Wenn die Schienen schlecht verfertigt sind, wenn ihr Material von schlechter
Qualität ist, so können sie beim geringsten Stoß brechen und dann sind die Reisenden
großer Gefahr ausgesetzt. Es ist daher von der höchsten Wichtigkeit, daß die
Schienenfabrication auf das Strengste überwacht werde und daß vor Anwendung der
Schienen Proben damit angestellt werden.
Abgesehen von der eigentlichen Bahn können auch die Wechsel und Bahnkreuzungen unter
gewissen Umständen das Austreten aus den Schienen veranlassen. Diese Umstände kommen
glücklicherweise ziemlich selten vor und sind auch wo sie eintreten, größtentheils
gefahrlos; die Wechsel und Kreuzungen nämlich befinden sich beinahe immer auf den
Stationen oder auf der Anfahrt zu denselben. An diesen Stellen aber vermindert man
die Geschwindigkeit immer bedeutend; das Austreten der Wagen aus den Schienen ist
dann bei weitem weniger möglich, und wenn es stattfindet, hat es selten ernstliche
Folgen. In einigen anderen Fällen aber, welche seltener vorkommen, z.B. wo zwei
Bahnen zusammentreffen und Kreuzungen nothwendig sind, können Unglücksfälle
vorkommen.
Es gibt dreierlei Systeme von Weichen (Ausweichvorrichtungen) bei den Eisenbahnen;
das erste ist das beweglicher Schienen, die durch einen Druck auf den innern
Spurkranz der Wagenräder wirken, so daß letztere dem Geleise zu folgen gezwungen
werden, auf welches man sie lenken will; dieses System hat den Fehler, daß die Räder
durch dasselbe bald abgenützt werden. Das zweite System ist das der beweglichen
Schienen, die sich auf einem Zapfen drehend, abwechselnd in die Verlängerung des
einen oder andern von zwei Geleisen, in welches der Train fahren soll, treten
können; bei diesem System findet kein Druck auf den innern Spurkranz der Räder
statt; wenn aber durch Zufall die bewegliche Schiene schlecht angebracht ist, so
tritt die Locomotive aus dem Geleise. Das dritte gegenwärtig beinahe allgemein
eingeführte System ist ein gemischtes, welches die guten Eigenschaften der beiden andern vereinigt;
es besteht aus doppelten Zungen, die so angeordnet sind, daß jedem Geleise gegenüber
allemal eine bewegliche Schiene ist, und da die Zungen durch ein Gegengewicht immer
in ihre normale Stellung zurückgebracht werden, so ist kein Austreten der Räder aus
den Schienen mehr zu befürchten. Letzteres System verdient den Vorzug im Interesse
der Sicherheit des Publicums.
Folgende Nebenfragen sind ebenfalls nicht ohne Wichtigkeit für die Sicherheit auf den
Eisenbahnen.
Wenn nämlich die Bahnen tiefe Thäler durchschneiden, über welche sie nur auf
Viaducten oder großen Erddämmen geführt werden können, oder wenn sie über mehr oder
weniger breite Flüsse gehen, so ist natürlich ein Austreten der Wagenräder aus den
Schienen noch weit gefährlicher. Um ein solches Austreten möglichst zu verhüten,
bedient man sich gewöhnlich der Gegenschienen, die entweder innerhalb oder außerhalb
des Geleises angebracht werden und sich mehr oder weniger über den Boden erheben.
Die Commission ist der Ansicht, daß die Gegenschienen in gewissen Fällen nützlich
seyn können, glaubt aber daß, wo man sich ihrer bedient, es zweckmäßiger ist, sie
innerhalb des Geleises anzubringen; es wird dadurch nämlich die ganze Höhe des
Radkranzes gewonnen und außerdem, wenn eine Achse brechen sollte, strebt das Rad,
statt außerhalb des Geleises gezogen zu werden, innenhinein zu gelangen, was
hinsichtlich der Sicherheit ein offenbarer Vortheil ist.
Ein anderer in dieser Beziehung nicht minder wichtiger Punkt sind die bei Kreuzungen
der Eisenbahn mit der Landstraße zu ergreifenden Maaßregeln und die Art, wie die zur
Unterbrechung der Communication zwischen den zwei Straßen bestimmten
Barrièren zu errichten sind. Wenn nämlich die Eisenbahn und die gewöhnliche
Straße sich in einem sehr schiefen Winkel begegnen, so tritt zuweilen der Fall ein
– er kam auf der Versailler Eisenbahn (linkes Ufer) vor – daß die auf
der Straße des Nachts oder bei nebeligem Wetter fahrenden Wägen ihre Richtung nach
der Eisenbahn nehmen, statt auf ihrer Straße zu bleiben, woraus bedeutende
Unglücksfälle entstehen könnten. Es ist daher bei Wegkreuzungen darauf zu sehen, daß
die Richtung der Landstraße möglichst rechtwinkelig zur Eisenbahn sey. Die
Barrièren an solchen Kreuzungen sollten die Landstraßen immer gesperrt
halten; es erscheint der Commission aber wünschenswerth, daß auch Barriéren
errichtet würden welche nöthigenfalls die Eisenbahn versperren.
Endlich untersuchte die Commission noch, ob dem Radius der Krümmungen eine Gränze
vorzuzeichnen sey, und welche; sie erkannte aber bald, daß sich hierüber nichts
bestimmtes vorschreiben lasse und daß der Administration in jedem einzelnen Falle
die Entscheidung über die anzunehmende Gränze vorbehalten bleiben müsse. Die in den
gegenwärtigen Betriebs-Verordnungen für die Eisenbahn-Gesellschaften
hiezu bestimmte Gränze scheint zweckmäßig und ausreichend zu seyn, um Unglücksfälle
zu verhüten.
2) Von dem Einfluß der Beschaffenheit
der Betriebs-Requisiten auf die Sicherheit des Transports und von den in
dieser Hinsicht vorzuschreibenden Maaßregeln.
Wenn der Zustand der Eisenbahn und ihrer Bestandtheile von sehr großem Einfluß auf
die Sicherheit der Fahrten seyn kann, so dürfen die Betriebs-Requisiten,
nämlich die Locomotiven und Wägen, nicht minder ernstlich die Aufmerksamkeit der
Obrigkeit in Anspruch nehmen.
Natürlich können Achsenbrüche bei Locomotiven und Waggons, sowie das Brechen einer
Feder die schwersten Unglücksfälle zur Folge haben; denn oft veranlassen sie
Austreten aus den Schienen.
Eine andere Ursache dieses Austretens der Wagen ist die nicht seltene
Zickzackbewegung (mouvement de lacet) oder Schwingung
der Trains. Vorzüglich tritt diese Bewegung ein, wenn die Peripherien der Räder
conisch und die Schienen, auf welchen sie rollen, flach sind. Es hat dieß zur Folge,
daß die Räder bald mit ihrem größeren bald mit ihrem kleineren Durchmesser die
Schienen berühren, was dann dieses Schwanken von rechts nach links und von links
nach rechts veranlaßt.
Die Erfahrung lehrte daß, wenn man der Schienen-Oberfläche eine gewisse
Convexität gab, diese Bewegung sehr vermindert und außerdem noch der Vortheil
erzielt wurde, daß die Reibung zwischen der Schiene und dem Radkranz vermindert
wurde. Es findet dann, so zu sagen, keine Berührung mehr unter ihnen statt und es
konnte auf diese Weise dem Geleise 1 Centimeter mehr an Breite gegeben werden, was
das Befahren von Krümmungen sehr erleichtert.
Diese kleinen Verbesserungen erhöhen die Kosten der Eisenbahnen durchaus nicht,
können aber die Möglichkeit von Unglücksfällen sehr vermindern.
Die Commission zog auch die Folgen in Betracht, welche der Bruch einer Hängfeder an
einer Locomotive oder einem Waggon veranlassen könnte; sie mußte dieß um so mehr,
weil viele den Unglücksfall auf der Versailler Eisenbahn einer solchen Ursache
zuzuschreiben geneigt waren. Ohne letzteres als sicher betrachten zu wollen, muß
anerkannt werden daß ein Federbruch in gewissen Fällen ein Austreten der Räder aus
den Schienen zur Folge haben könne; ferner erscheint es von Wichtigkeit für die
Fahrt, daß alle Federn hinlänglich gespannt seyen und daß die Last so viel als
möglich auf jede Feder eines Paares gleich vertheilt sey. Die Wirkung der Federn hat
zum Zweck und zur Folge, die Räder unter allen Umständen der Bewegung in beständiger
Adhäsion an den Schienen zu erhalten. Das Gewicht der Last vermehrt sonach die
Wirkung der Federn und wenn die Last nicht hinreicht, so kann der Fall eintreten,
daß die Federn ihre Wirkung nicht thun, und dann kann der Wagen aus den Schienen
treten. Aus denselben Gründen leuchtet ein, daß die Last auf den Federn möglichst
gleich vertheilt seyn soll.
Mehrere Personen wünschten in Bezug auf die Zerschmetterung der Passagierwägen bei
starken Stößen, daß diese Wägen aus stärkeren Materialien hergestellt werden
möchten; aber hiedurch würde man sich einem nicht geringern Uebelstand aussetzen,
nämlich daß sich die Reisenden an den Wänden der Wägen selbst bedeutend verletzen.
Die Commission empfiehlt deßhalb alle hervorstehenden Theile von Holz oder andern
harten Körpern, welche bei Stößen die Reisenden verwunden können, mit Wülsten zu
besetzen.
Der wichtigste hieher gehörige Punkt sind die Achsen. Bei den meisten großen
Unglücksfällen auf Eisenbahnen waren auch Achsenbrüche im Spiel. Die Commission
beschäftigte sich daher mit Untersuchungen über deren Verfertigung, Form, Anpassung
und erforderliche Leistungen.
Ihre Verfertigungsweise ist gegenwärtig bei geraden sowohl als gekurbelten Achsen so
gut als möglich. Erstere werden mittelst des Hammers durch Strecken der dazu
bestimmten Packete (Plattenbündel) verfertigt; die gekurbelten Achsen, deren Masse
immer viel größer ist, werden wie die geraden, von geschweißtem Eisen verfertigt;
allein um ihnen die gehörige Gestalt zu geben, scheint unter den vielen bekannt gewordenen
Verfahrungsarten eine einzige von der Erfahrung sanctionirt worden zu seyn.
Dieses Verfahren besteht darin, aus Eisenstangen ein Packet von ungefähr zwei Fuß im
Quadrat zu bilden; dasselbe in einem Flammofen erhitzt, wird unter einen kräftigen
Hammer gebracht und auf allen Seiten geschlagen, um die Stangen zusammen zu
schweißen; man reducirt hierauf die Stange auf eine den Durchmesser der Achse etwas
übertreffende Dicke, wobei man ihr die für den gekurbelten Theil hinreichende Breite
läßt. Sodann bearbeitet man unter dem Hammer zuerst die Theile welche die Räder
aufzunehmen haben, in die erforderliche Form, und dann erzeugt man die Kurbeln
(welche nicht gerundet zu werden brauchen) von geeigneter Form.
Die Form welche den Achsen ertheilt wird ist nicht gleichgültig. Die Erfahrung lehrt,
daß die Achsen beinahe immer innerhalb der Räder und an oder in der Nähe der Nabe
brechen. Man muß daher diesen Theil viel dicker machen als die anderen, was die
Fabrikanten auch nicht unterlassen; aber dem Zusammenhang dieser Theile mit dem
Körper der Achse widmen sie nicht immer die gehörige Aufmerksamkeit; manchmal
geschieht diese Vereinigung in schroffem Winkel oder bei sehr kurzem Anlauf; dieses
Verfahren ist sehr mangelhaft und kann der Dauerhaftigkeit der Achsen nachtheilig
werden; die dickeren Theile sollten sich allmählich in dünnere verlaufen, also in
Form eines abgestutzten Kegels, dessen Spitze dem Durchmesser des Achsenkörpers
gleich ist.
Zur Verfertigung von Locomotiven- und Wagenachsen soll nur ganz gutes Eisen
genommen werden; dasselbe muß sehr hämmerbar und zähe seyn und den besten mit
Holzkohle bereiteten Eisensorten gleichkommen.
Es fragte sich ob man mit den Achsen vor ihrer Anwendung Proben auf ihre Güte
anstellen sollte; dieß hält die Commission nicht für rathsam; doch glaubt sie, daß
es gewisse Prüfungsmethoden gibt, welche dem Metall der Achse keinen Nachtheil
zufügen und doch dessen Mängel erkennen lassen, wie z.B. das Anlassen bei der
Kirschrothglühhitze, die Untersuchung von den Enden der Achsen abgeschlagener Stücke
etc.; kurz, die Eisenbahn-Compagnien sollten diesem höchst wichtigen
Gegenstand ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden aufgefordert und angehalten
werden; sie sollten über alle Achsen Register führen, in welchen alle Umstände des
Empfangs und die mit denselben angestellten Proben notirt werden.
Die Achsen, wenn sie einmal auf der Eisenbahn im Dienst sind, haben die
verschiedenartigsten Einwirkungen auszuhalten, wie Stöße, Schwingungen
(Vibrationen), manchmal von bedeutender Intensität, die ihren Bruch zur Folge haben
können. Solche Fälle sind schon vorgekommen; meistens aber vernachläßigte man es die
dabei abwaltenden Umstände zu ermitteln und das Ansehen des Bruchs zu bestimmen,
ausgenommen in jenen, glücklicherweise sehr seltenen Fällen, wo diese Achsenbrüche
Verwundungen oder den Tod von Menschen zur Folge hatten. In diesen Fällen hatten
jedoch die beiden Bruchstücke der Achse beinahe inner mehr oder weniger große
Drehungen (Windungen) erlitten, welche aus dem Ansehen des Bruches keinen Schluß
mehr zuließen; in der Regel ist es ohnedieß unmöglich zu bestimmen, ob der
Achsenbruch Ursache oder nur Folge des Unglücksfalls war.
Bei dieser Lage der Dinge konnte die Commission in den bisherigen Beobachtungen keine
hinlänglichen Urkunden finden, aus welchen die Dauer der Diensttauglichkeit der
Achsen abgeleitet werden könnte; sie nimmt aber keinen Anstand auszusprechen, daß
die Achsen durch den Gebrauch an Güte abnehmen. Es scheint aus einzelnen, aber wohl
constatirten Thatsachen hervorzugehen, daß nach einer gewissen Zeit, welche von dem
von jeder Achse wirklich
verrichteten Dienst abhängt, die Achsen brechen. Ob dieses Brechen Folge einer
Veränderung der innern Structur ist, läßt sich zur Zeit noch nicht entscheiden;
allein bei der Wichtigkeit dieses Gegenstandes sollten die Compagnien auch Register
führen, worin die Anzahl der von jeder Achse durchlaufenen Kilometer aufgezeichnet
wird.
Die aus diesen Registern gezogenen Documente wären sicherlich von sehr großem Nutzen
für die Lösung der so wichtigen Frage hinsichtlich der Dauer der Achsen; allein es
ist nicht zu leugnen, daß auf diesem Wege erst nach einer Reihe von Jahren Resultate
aus den gemachten Erfahrungen geschöpft werden können; daher hält es die Commission
für zweckmäßig, directe Versuche über die Mittel anzustellen, wodurch man zu jeder
Zeit die mit den Achsen vorgegangenen Veränderungen erkennen kann, um denselben dann
durch Wiederherstellung der frühern Beschaffenheit der Achse abzuhelfen, oder die
Dienstzeit solcher Achsen zu beschränken. Nach Erwägung der verschiedenen Kräfte,
welche auf die Achsen einwirken, blieb die Commission bei einer Reihe von Versuchen
stehen, die ihr als die zweckmäßigsten erscheinen.
Bei Zergliederung der auf die Achsen einwirkenden Kräfte findet man:
1) Eine vertical wirkende Kraft, die entweder von demjenigen Theil des Gewichts der
Maschine, welcher in Folge der Lage des Schwerpunkts auf diesen Punkt drückt, oder
von der Wirkung der Federn der hintern Achse bei den sechsräderigen Maschinen
herrührt. Diese Kraft, angenommen sogar, daß die Theile auf welche sie unmittelbar
wirkt, dem durch die Räder gebildeten Stützpunkt möglichst nahe liegen, sucht die
Achse in verticaler Richtung zu biegen.
2) Eine drehende (windende) Kraft, die von der Kegelform der Räderperipherien und von
der Ungleichheit in der Neigung der Bahnschienen herrührt, durch welche Umstände
bewirkt wird, daß die Peripherien zweier, auf derselben Achse befestigter Räder, nie
die Schienen auf demselben Punkt gleichzeitig berühren und folglich jedes Rad
abwechselnd auf der Schiene gleitet: wenn auch die daraus hervorgehende Windung
keine sehr bedeutende ist, so erhält sie doch alle Molecüle in beständiger
Vibration.
3) Die Stöße in Folge der Ungleichheiten des Geleises, der Biegung der Schienen, der
Niederdrückung dieser Schienen, da wo sie zusammenstoßen, im Augenblick des
Darüberfahrens der Locomotiven, welche Stöße mit der Geschwindigkeit der Trains
zunehmen und perpendiculär auf die Achse wirken.
4) Eine andere Art Stöße in Folge der Zickzackbewegung welche die Locomotiven stets
innerhalb mehr oder weniger auseinander liegender Gränzen machen; diese wirkt auf
die Räder sowohl in der Richtung ihrer Länge als unter rechten Winkeln darauf, und
zwar um so stärker je größer der Durchmesser der Räder ist.
Um die Wirkungen dieser viererlei Kraftäußerungen zu bemessen, glaubt die Commission,
müßte die erste Reihe von Versuchen darin bestehen, eine gewisse Anzahl von Achsen,
die schon mehr oder weniger lange auf den Eisenbahnen ihre Dienste verrichteten, zu
beobachten und ihr inneres Gefüge zu untersuchen. Da aber diese Beobachtungen nicht
zu vollkommen befriedigenden Schlüssen führen könnten, indem zum Theil wenigstens
die Vergleichungspunkte fehlen würden, so müßten zugleich auch Versuche mit den
Achsen angestellt werden.
Solche Versuche könnten angestellt werden, indem man eine gewöhnliche, mit ihren
beiden Rädern versehene Locomotivenachse nähme, sie genau so belastete, wie dieß an
einer Locomotive der Fall ist, und ihr eine rotirende Bewegung mittheilte, ähnlich
derjenigen welche sie auf einer Eisenbahn annähme. Dadurch daß man die Räder dieser Achse auf ein
Gestell setzte, das selbst wieder aus einer mit Rädern versehenen Achse besteht,
welcher mittelst einer Dampfmaschine Bewegung mitgetheilt wird, erhielte man sehr
genau die erste Art der zu beobachten Kraftäußerungen.
Mittelst dieser Vorrichtung ließen sich auch alle anderen Bewegungen hervorbringen;
durch eine geeignete Construction der Räder des Gestells läßt sich die Drehung
(Windung) der Achsen, ferner die Stöße welche von dem Niederdrücken der Schienen und
von der Zickzackbewegung herrühren, reproduciren.
Durch ein solches Verfahren würde die zu probirende Achse so genau als möglich den in
der Praxis auf sie wirkenden Kräften unterworfen werden; nur mit dem Unterschied
daß, während sich sonst die Räder auf der Eisenbahn vorwärts bewegen, die Bahn
selbst sich den Rädern darbieten würde.
Es versteht sich, daß diese Drehvorrichtung in großen Dimensionen und in allen ihren
Theilen sehr stark ausgeführt werden müßte, daher ihre Kosten nicht unter 10 bis
12,000 Frcs. anzuschlagen wären. Um den Versuchen das gehörige Interesse zu geben,
müßten Achsen von wenigstens dreierlei Durchmessern und von jeder Art zwei probirt
werden. Im Ganzen wären daher sechs Achsen mit ihren Rädern erforderlich, die
ungefähr auf 4200 Frcs. zu stehen kämen. Endlich wären, um den Apparat in Gang zu
setzen, eine entsprechende Kraft, eine beständige Ueberwachung desselben, die
zeitweise Erneuerung einiger Theile desselben, z.B. der bronzenen Achsenlager,
vielleicht sogar der Radschienen erforderlich; im Ganzen also müßte zur Anstellung
dieser Versuche über eine Summe von wenigstens 20,000 Frcs. disponirt werden können.
Die Commission weiß sehr wohl, daß die vorgeschlagenen Versuche eine ziemlich lange
Zeit in Anspruch nehmen, was ihr aber kein Grund zu seyn scheint dieselben zu
unterlassen.
Es gibt an den Locomotiven Stücke, deren Brechen nur unbedeutende Unglücksfälle
veranlassen kann, und die man folglich ohne Anstand fast so lange, als sie
aushalten, benützen kann; solche sind die Stangen welche die Locomotive mit dem
Tender verbinden und die zu deren Befestigung dienenden Bolzen. Wenn man mehrere
solche Stücke sorgfältig verfertigen ließe, einen Theil derselben in Gebrauch zöge
und die anderen zum Vergleich aufbewahrte, so würde man dadurch sehr bald zu
befriedigenden Resultaten gelangen.
Hinsichtlich der Achsen waren der Commission nur noch die Maaßregeln zu untersuchen
übrig geblieben, wodurch den Locomotivenachsenbrüchen begegnet und deren Folgen
verhütet werden; dazu wurden von zahlreichen Erfindern verschiedene Systeme
vorgeschlagen.
Diese Systeme lassen sich auf zwei Categorien zurückführen; die erste besteht in der
Anwendung von Rädern, welche vor der Locomotive auf den Schienen laufend, ihr als
Leiter dienen; die andere besteht in der Anwendung von Gleitschuhen, deren an dem
Gestell der Locomotive befestigte Stangen den Train im Geleise halten.
Weder das eine noch das andere dieser Systeme schien der Commission mit Nutzen
angewendet werden zu können. Die Leiträder hätten den Fehler, den Locomotivenführer
zu verhindern, den Bruch der Achse zeitig genug wahrzunehmen, um die nothwendigen
Vorkehrungen zum Anhalten des Trains zu treffen. Die Gleitschuhe aber würden, wenn
man ihnen wie mehrere Erfinder vorschlugen, die Form von Holzschuhen gäbe, an die
Schienenstühle und die Gegenschienen, wo sich solche befinden, stoßen und zu
bedeutenden Unglücksfällen Veranlassung geben; überdieß würden sich die Gleitschuhe
den Schwankungen der Locomotive nicht widersetzen; sie würden daher, wenn man sie
leicht machen würde, durch die Erschütterung allein, welcher sie ausgesetzt wären,
schon zerbrechen, und schwer angefertigt, müßten sie das Austreten der Locomotive
aus den Schienen erleichtern.
Die Commission setzt ihr Vertrauen hinsichtlich der Vermeidung der Wirkung eines
Achsenbruchs nicht auf mechanische Mittel, sondern hält es nach reiflicher
Ueberlegung für das Beste, dieselbe durch umsichtige und schnelle Maaßnahmen zu
verhüten. Es ist ein sehr seltener Fall, daß der Locomotivenführer im Fall eines
Achsenbruchs nicht sogleich an dem Schwanken der Maschine wahrnimmt, daß sie einen
bedeutenden Schaden erlitten hat; er muß dann augenblicklich den Dampf von den
Cylindern absperren und alles mögliche thun, um den Train ohne Stoß aufzuhalten. Von
dem Locomotivenführer hängt in solchen Fällen beinahe immer das Heil eines Trains
ab, woraus allein schon hervorgeht, mit welcher Umsicht man bei der Wahl eines
solchen zu Werke gehen muß.
Bei dem traurigen Ereignisse am 8. Mai 1846 (auf der Versailler Bahn) wurde von
vielen die Meinung geäußert, daß dasselbe nicht statt gefunden hätte, wenn die
Locomotive „Mathieu Murray,“ welcher man dasselbe zuschrieb,
eine sechsräderige gewesen wäre, statt eine vierräderige. Die Administration selbst
theilte diese Meinung; eine der dringendsten Maaßregeln, welche sie den
Eisenbahn-Compagnien in der Umgegend von Paris auferlegte, war daher die
Abschaffung der vierräderigen Locomotiven. Ehe jedoch diese Maaßregel, deren
unmittelbare Einführung den Ruin mancher Compagnie hätte veranlassen können, zu
einer allgemeinen gemacht wurde, mußte die Commission diese Frage bezüglich der
Sicherheit näher prüfen. Sie unterrichtete sich über die in England stattgefundenen
Unglücksfälle auf Eisenbahnen, welche mit sechs- und auf solchen welche mit
vierräderigen Locomotiven befahren werden, und schöpfte die Ueberzeugung, daß
bezüglich der Sicherheit die sechsräderigen Locomotiven zwar einige Vorzüge vor den
vierräderigen besitzen, namentlich wenn man die beiden Treibräder mit Spurkränzen
versieht; doch ist dieser Vortheil bei dem jetzigen System noch kein so großer, daß
dadurch das Verbot der vierräderigen Locomotiven zu rechtfertigen wäre; übrigens
haben sich die Locomotivenfabrikanten vorzüglich auf die Verbesserung der
sechsräderigen zu verlegen und es unterliegt keinem Zweifel, daß wenn diese
Maschinen die Verbesserungen erfahren, welche zu erwarten sind, sie allgemein den
Vorzug genießen werden.
Die Vertheidiger der vierräderigen Locomotiven machten zu Gunsten ihrer Meinung
geltend, daß einerseits bei den sechsräderigen der Schwerpunkt des Ganzen immer vor
der gekurbelten Achse liegt und daher, im Fall eines Bruchs der Vorderachse, diese
Maschinen ebenso leicht vorne fallen müßten wie die vierräderigen; andererseits, daß
wenn man Tragrahmen der vierräderigen Locomotiven innerhalb (der Räder) anbringt,
der Fall der Räder bei einem Achsenbruch verhütet wird und folglich kein
Unglücksfall zu befürchten ist. Allein die Commission muß bemerken, daß wenn auch
bei den meisten jetzigen sechsräderigen Locomotiven der Schwerpunkt sich vor der
gekurbelten Achse befindet, es deßwegen keineswegs eine technische Unmöglichkeit ist
ihn auf diese Achse selbst zu bringen; auch ist nicht bloß das Brechen der
Vorderachsen zu befürchten, die gekurbelten Achsen brechen häufig und solche
Vorkommnisse, welche bei einer sechsräderigen Maschine gar nicht zu fürchten sind,
können bei einer vierräderigen schwere Folgen haben.
Den Vortheil betreffend, daß der Tragrahmen sich innerhalb der Räder befindet, dürfte
die Bemerkung genügen, daß diese Anordnung nicht auf die vierräderigen Locomotiven
beschränkt ist, daß also aus derselben kein Schluß zu ziehen ist auf die mehr oder
weniger große Sicherheit dieser Maschinen. Ueberdieß scheint es noch nicht gewiß zu sehn, daß die
Anwendung eines innern Gestells das Austreten der Locomotive im Fall eines
Achsenbruchs verhindert.
Ehe die Commission die Betrachtung der Fahrrequisiten verließ, beschäftigte sie sich
mit einer die Sicherheit der an den Eisenbahnen gelegenen Orte betreffenden Frage,
nämlich den Feuersbrünsten welche durch die Fahrten veranlaßt werden können. Solche
ereigneten sich schon wiederholt auf verschiedenen Bahnen, erst kürzlich zwei auf
der Bahn von Alais nach Beaucaire. Die Ermittelung der dagegen zu ergreifenden
Maaßregeln dürfte daher von Nutzen seyn.
Die durch Eisenbahnfahrten entstehenden Feuersbrünste können zweierlei Ursachen
haben: 1) die aus der Kaminröhre der Locomotive herausfahrenden Feuerfunken; 2) die
von dem Roste auf den Boden herabfallenden brennenden Kohlenstücke, welche, wenn
auch kein Wind geht, von dem durch die rasche Bewegung des Trains erzeugten
Luftstrom weiter geführt werden.
Hinsichtlich der aus der Kaminröhre springenden Funken bemerkt die Commision daß man
die Essen der Locomotiven von jeher mit einem Hut aus Drahtgeflecht versah, welcher
dieselben aufhält und zugleich einen Theil der, die Reisenden sehr belästigenden
pulverförmigen Substanzen in den Rauchkasten zurückwirft. Dieser Hut wurde bald
verbessert; man suchte ihn dadurch wirksamer zu machen, daß man engere Maschen
anwandte; auch wurde der Kamin trompetenförmig erweitert und über seine Mündung sich
kreuzende Eisendrahte gespannt, wodurch er dauerhafter wurde.
Da aber der Hut nicht immer befriedigende Resultate gab, nahm man noch zu einigen
andern Mitteln seine Zuflucht, die hier kurz beschrieben werden sollen. Man brachte
unten im Kamin einen Korb von starkem Metallgewebe an, in Form eines umgekehrten
abgestutzten Kegels; hiebei werden die Theilchen von Asche und brennenden Kohlen den
Maschen des Netzes schief dargeboten und der Rauch kann sie folglich nicht leicht
mit sich hinaufreißen. Hierauf brachte man in einer Ausbauchung des Kamins einen
sogenannten Funkenfänger oder horizontalen Deckel an, durch welchen Asche und
Kohlenstückchen aufgehalten und auf den Boden der Esse zurückgeworfen werden,
während der Rauch durch Seitenöffnungen entweicht. Einigemal wurden beide Systeme,
eines über dem andern in derselben Esse angebracht. Endlich wurde in dem Rauchkasten
eine Eisenblechplatte mit runden Löchern von beiläufig einem Drittelszoll
Durchmesser horizontal angebracht, wobei alle Kohlenstückchen, welche nicht direct
diesen Oeffnungen dargeboten werden, sogleich auf den Boden des Rauchkastens
zurückgestoßen werden.
Dieser Aufzählung der in Frankreich bereits benutzten Mittel ist noch ein in
Deutschland, wie man sagt, mit gutem Erfolge angewandtes, anzureihen. Es besteht in
einem Rad mit spiralförmigen Flügeln, welches oben in dem Kamin unter einem Winkel
von 45° angebracht wird. Dieses Rad wird durch die aus dem Kamin entweichende
erhitzte Luft in Bewegung gesetzt, wobei es die Funken an die Seiten des Kamins
hintreibt, wo sie erlöschen und zurückfallen.
Die Commission findet sich nicht veranlaßt, eines dieser Verfahren ausschließlich
vorzuschreiben, und glaubt nur, bis die Administration sich durch Versuche von dem
Vorzug des einen oder andern überzeugt haben wird, den förmlichen Antrag stellen zu
sollen, daß die Compagnien angehalten werden sich des einen oder andern derselben zu
bedienen.
Hinsichtlich der glühenden Kohlenstücke, welche aus dem Ofen der Locomotive auf den
Boden fallen und dadurch Feuersbrünste veranlassen können, ist das einzige Mittel ihr
Herunterfallen zu verhindern, sie durch Aschenkästen aufzuhalten; diese haben aber
die Nachtheile dem Zug hinderlich zu seyn, sich zu nahe am Boden zu befinden, die
Abnützung der Roststangen zu beschleunigen, die Reinigung des Rostes zu erschweren
und dem Locomotivenführer in den Fällen, wo er es für nothwendig erachtet sein Feuer
ungesäumt auszuwerfen, sehr hinderlich zu seyn.
Doch wäre es nicht unmöglich, eine Vorrichtung zu erfinden, welche wenigstens zum
Theil von diesen Mängeln frei ist, und dann wäre es von sehr großem Vortheil
Aschenkästen anzuwenden, weil sie das Ausfallen glühender Kohlen verhindern würden.
Beim jetzigen Zustand der Dinge aber glaubt die Commission nicht, daß ihre Anwendung
vorgeschrieben werden soll und kann nur empfehlen, deßhalb die Resultate längerer
Erfahrung abzuwarten.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)