Titel: | Ueber die russische Dachbedeckung mit Eisenblech; von H. Schröder. |
Fundstelle: | Band 104, Jahrgang 1847, Nr. XXXIX., S. 172 |
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XXXIX.
Ueber die russische Dachbedeckung mit Eisenblech;
von H.
Schröder.
Aus dem Mannheimer Gewerbvereins-Blatt, 1847 Nr.
5.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Schröder, über die russische Dachbedeckung mit
Eisenblech.
Seit zwei Jahren hat Hr. I. F.
Werner, welcher sich während eines mehrjährigen Aufenthalts in
Rußland die dort übliche Art der Dachdeckung mit Eisenblech vollkommen angeeignet
hat, in Heidelberg eine Fabrik zur Zubereitung von Eisendeckblech eingerichtet. Da
mir nicht bekannt ist,
daß das russische Verfahren irgendwo genauer beschrieben wäre, und mir dasselbe,
nachdem ich es bei Hrn. Werner
näher kennen gelernt habe, in mehrfacher Hinsicht der Beachtung sehr werth scheint,
so gebe ich im Nachfolgenden eine kurze Beschreibung desselben.
Das Blech selbst, aus gutem mit Holzkohlen gewonnenem Schmiedeisen, ist vollkommen
glatt gewalzt und darf keine Roststecken oder oxydirten Schülfern auf der Oberfläche
zeigen. Es wird, ehe es gefalzt wird, mit einem eigenthümlichen Lack überzogen, der
dasselbe vollkommen gleichförmig deckt, vor Rost sehr sicher bewahrt und die
Eigenschaft hat längere Zeit etwas klebrig zu bleiben. Die Zusammensetzung dieses
Lacks, auf welchen nachher, wenn das Dach gelegt ist, der Oelfarbenanstrich
aufgetragen wird, ist das Geheimniß des Fabrikanten.
Auf den Centner Deckblech gehen 100 bis 130 Quadratfuß. Die Breite der einzelnen
Tafeln ist 2' 5'', ihre Länge 4 bis 5 Fuß badisch. Der Centner kommt in Heidelberg
auf circa 20 fl. Die in der Fabrik gefalzten und mit
jenem eigenthümlichen Lack überzogenen Bleche werden nun in folgender Weise mit
einander verbunden. Fig. 34 stellt einen Durchschnitt der Falzung der einzelnen Tafeln in der
Richtung des Wasserabfalles dar, oder in der Richtung a,
b der Fig.
33, welche ein Stück einer Dachfläche von oben angesehen zeigt; Fig. 35 zeigt
eben so einen Durchschnitt der Falzung der einzelnen Tafeln in der Richtung c, d der Fig. 33. Die ersteren
oder Querfalzungen laufen parallel mit dem First und werden immer in der Richtung
des Wasserabfalles niedergeschlagen; die letztern oder Längenfalzungen laufen
senkrecht darauf in der Richtung des Wasserabfalls. Durch diese beiden Falzungen
sind die Bleche nur untereinander verbunden. Auf den Borden oder Latten werden die
Bleche durch besondere, auf diese Borde oder Latten genagelte Heftbleche oder
Falzlappen befestigt, welche durch die Buchstaben l, m, n, o,
p, q, r, s u.s.w. in Fig. 33 angedeutet sind,
und deren Zusammenfalzung mit den Tafeln durch Fig. 36 deutlich gemacht
ist. Erst wird das Heftblech um den kürzeren Falz der einen Tafel umgeschlagen, dann
wird der längere Falz der zweiten Tafel über das Heftblech, und endlich dieses noch
einmal über den Falz der zweiten Tafel niedergeschlagen. Die Nägel, durch welche
diese Lappen an den Latten oder Brettern befestigt werden, haben sogenannte
Spitzköpfe, die mit der breitern Seite nach der Richtung der Holzfasern
eingeschlagen und in das Holz versenkt werden. Die Köpfe derselben werden schon vor
dem Gebrauch mit Oelfarbe angestrichen und nach dem Einschlagen noch besonders damit
gehörig überdeckt,
so daß sie mit Luft und Feuchtigkeit nicht in Berührung kommen und die Lappen nicht
mit Rost anstecken können. Eben so werden die Nägel behandelt, mit welchen die
Latten selbst aufgenagelt sind. Statt der Falzlappen, deren je drei auf die Länge
einer Blechtafel kommen, können auch Falzstreifen genommen werden, welche der Länge
der Tafeln gleichkommen und im übrigen eben so wie die Lappen, wie in Fig. 36, ihrer
ganzen Länge nach gebogen werden: aber die erste Art der Befestigung zeigt sich
vollkommen genügend und ist billiger. Am Saum eines Daches wird ein Brett angenagelt
und an dieses ein Blechstreifen, mit welchem die anliegende Blechtafel wie mit den
übrigen Tafeln zusammengefalzt wird. Ein gewöhnliches Blechdach wird auf Latten
gelegt, welche einen Zwischenraum von 4 bis 5 Zoll haben. Soll das Dach zum Begehen
eingerichtet seyn, so muß es stärkere Bleche und eine Bordunterlage haben. Doch ist
diese Deckung dann weniger zweckmäßig, weil der das Eisenblech schützende Ueberzug
dadurch leicht abgenutzt wird, und weil die Kanten der Falzungen das Gehen ohnehin
unbequem machen; besser ist es, wenn man ein solches Dach betreten will, Bretter
überzulegen. Ist das Dach sehr seicht, hat es nicht mehr als 1 Schuh Fall auf 10 bis
15 Schuh, so ist es nicht überflüssig die Querfugenfalze mit einer Art Glaserkitt
(fein pulverisirte Kreide und geriebene Silberglätte mit Leinöl zu einem festen Teig
angeknetet) auszustreichen, ehe die Deckfarbe aufgetragen wird, damit in die
Querfugen kein Wasser eindringen und sich darin aufhalten kann. Zur Deckfarbe wird
gutes altes Leinöl genommen, jedem Pfund 1 Loth gut pulverisirter Silberglätte und
1/2 Loth Bleizucker beigemischt und unter stetem Umrühren bei gelindem Feuer zwei
Stunden lang gekocht. Hierauf wird die gewünschte Farbe hinzugefügt. Zu Roth
sogenanntes Nürnberger- oder Hausroth, wovon der Centner auf 2 1/2 bis 3 fl.
zu stehen kommt; zu Grün Bremergrün oder Grünspan; zu Weiß Kreide (Bleiweiß schadet
dem Lack); zu Blau Berlinerblau u.s.w. Von dem rothen Anstrich, welcher der
billigste ist, kommt das Pfund etwa auf 13 kr. zu stehen und reicht für 80 bis 100
Quadratfuß aus. Dieser Oelfarbenanstrich muß alle drei oder vier Jahre, und unter
günstigen Umständen doch mindestens alle acht oder zehn Jahre einmal erneuert
werden. Eine solche Dachdeckung bedarf nach den Erfahrungen in Rußland, wenn sie gut
ausgeführt ist, in 60 bis 70 Jahren keiner bedeutenden Reparatur. Der Quadratfuß
Deckfläche, mit zweimaligem rothen Anstrich versehen, kommt von der Sorte Blech,
wovon der Centner 125 bis 130 Quadratfuß deckt, in loco
auf 14 kr., und mit Unterlage von Latten auf 15 kr., und von der Sorte Blech, welche
circa 100 Quadratfuß deckt, auf 15 und mit den Latten auf 16 kr. zu
stehen. Eine Schieferbedeckung kostet hier mit Unterlage per Quadratfuß ebenfalls etwa 14 kr.
Schon der Umstand daß in Rußland das Verfahren seit etwa 100 Jahren im Gebrauch ist,
und daß namentlich in den letzten 50 Jahren die meisten öffentlichen und sehr viele
Privatgebäude Rußlands und Polens in Petersburg, Moskau, Warschau und an andern
Orten auf vorstehende Weise mit Eisenblech gedeckt worden sind, muß für das
Verfahren selbst Vertrauen erwecken; fast alle Kirchen und Staatsgebäude in den
genannten Städten, die Festungsgebäulichkeiten in Warschau u.s.w. haben solche
Blechbedeckungen.
Allein von dem Beispiele, welches uns die Russen geben, abgesehen, scheinen mir
mehrfache Gründe das Verfahren empfehlenswerth zu machen.
1) Ein solches Eisenblechdach hat etwa nur 3/4 von dem Gewicht eines gewöhnlichen
Schieferdaches, und kommt nicht theurer als ein solches; es wiegt vielleicht nur den
fünften Theil einer doppelten Ziegelbedeckung, und erlaubt daher, wie überhaupt
Metalldächer, eine viel leichtere Construction des Dachstuhles; es ist also in jedem
Fall eine wesentliche Holzersparung mit dieser Bauart verbunden.
2) Ein Hauptvorzug für diese Deckung besteht darin, daß dieselbe für jede Dachschräge
anwendbar ist. Wie auch Hr. Maschinist
Schönian in Zellerfeld in einem Bericht über zweckmäßigen Ersatz der
Schindelbedachung an die Baucommission von Klausthal bemerkt (Mittheil. des
Gewerbe-Vereins für das Königreich Hannover 1846, 48ste und 49ste Lief.),
wird man daher in vielen Fällen vorziehen, gar kein eigentliches Dachwerk zu bauen,
sondern die Balken in so weit schräg zu legen, daß der Wasserablauf erfolgen kann,
indem man ihnen eine Steigung von etwa 1/40 oder noch weniger gibt. Soll der
Dachraum nutzbar gemacht werden, so wird man besser thun eine niedrige Dachetage zu
errichten, als ein Winkeldach aufzuführen, wodurch man neben Holzersparniß zugleich
bessere Räume erzielt.
3) Ein weiterer Vorzug besteht darin, daß man selbst jede Unterlage von Latten oder
Brettern entbehren kann, indem man nur zur Befestigung der Heftbleche so viele
Sparren oder Rahmenschenkel auflegt, als der Breite der Blechtafeln entspricht. Die
Tafeln selbst müssen dann etwa um 7 Linien breiter seyn als die Entfernung der
Sparren von Mitte zu Mitte, und müssen in der Mitte etwas aufgewölbt werden.
Hiedurch erhalten dieselben eine hinreichende Spannung, um nicht nur sich selbst zu
tragen, sondern auch jedem Druck von Schnee und Wind vollkommen zu widerstehen.
4) Wenn das Eisenblech nur, wie oben angegeben, vor Rost gehörig geschützt ist, so
hat es vor jeder andern Metallbedeckung entschiedene Vorzüge. Vor Kupfer durch seine
größere Festigkeit und Elasticität, sein geringeres Gewicht und seinen weit
billigeren Preis. Vor Zink namentlich auch noch durch sein viel geringeres
Ausdehnungsvermögen durch die Wärme; überhaupt wird das Zink wegen seiner
Sprödigkeit und Beweglichkeit in der Wärme immer leicht nach einiger Zeit rissig
werden, was bei Eisen nie zu besorgen ist. Es ist kein Zweifel, daß man dem
Eisenblech vor jedem andern Metalle den Vorzug geben müsse, sobald nur erwiesen ist
daß es vor Rost geschützt werben kann.
5) Das Ansehen dieser Eisenblechbedachung ist ein äußerst heiteres. Die von Hrn.
Werner schon vor 6 Jahren
ausgeführten Bedachungen dieser Art zeigen sich nicht nur in vollkommen gutem
Zustande, sondern sie haben ein durchaus neues und reinliches Ansehen, als wenn sie
erst vor ein paar Wochen ausgeführt worden wären. Es ist äußerst angenehm, solche
Dächer mit grünem oder blauem Anstrich zu sehen, dem man auch noch beliebige
Verzierung geben kann. So ist z.B. die Militärkirche in St. Petersburg zur Spas
Prewrochinski in der Litenostraße mit einem himmelblauen mit goldenen Sternen
besäeten Dache versehen. Die St. Nicolauskirche mit ihren fünf Kuppeln ist mit
Eisenblech gedeckt, und diese Bedeckung ist vergoldet, indem das Gold auf den
Oelfarbenanstrich aufgeklebt ist.
Vorstehende Gründe schienen es zu rechtfertigen, die Aufmerksamkeit der Bautechniker
auf die russische Blechbedeckung hinzulenken.