Titel: | Skizzen über einzelne Zweige der brittischen Industrie; gesammelt von Dr. F. Knapp, außerordentlicher Professor der Technologie und Chemie an der Universität zu Gießen. |
Autor: | F. Knapp |
Fundstelle: | Band 104, Jahrgang 1847, Nr. XLIV., S. 182 |
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XLIV.
Skizzen über einzelne Zweige der brittischen
Industrie; gesammelt von Dr. F.
Knapp, außerordentlicher Professor der Technologie und Chemie an der
Universität zu Gießen.
Spiegeltafel-Gießerei zu Ravenhead bei St. Helens in
Lancashire.
C. Spiegeltafel-Gießerei zu
Ravenhead bei St. Helens in Lancashire.
Der verdienstvolle Abraham Thevart ist bekanntlich
Erfinder der Kunst Spiegelplatten aus Glas zu gießen und zugleich Gründer der ersten
Fabrik dieses Faches in Frankreich, welche noch jetzt in St. Gobin als königliche
Anstalt existirt. Schon mancher Reisende hat Grund gehabt sich über die
Schwierigkeiten zu beklagen, die man dem Besuche der Fremden daselbst in den Weg
legt. So war es wenigstens noch in den dreißiger Jahren, unter Gay-Lussac's Direction; daß dem aber schon vor dem Schluß des
vorigen Jahrhunderts so war, davon ist die Spiegelgießerei in Ravenhead, zu der Zeit
von einem alten Admiral errichtet, ein thatsächlicher Beweis. Nach einer auf der
Hütte selbst vererbten Tradition soll das brittische Blut eines alten Admirals und
Mäcens der Glasmacherkunst durch abschlägigen Bescheid in St. Gobin, wo er als
wißbegieriger Besucher erschien, dermaßen in Wallung gerathen seyn, daß er zur
Stelle schwur ein St. Gobin in England zu gründen. Diesen Schwur hat er männiglich
gehalten.
Ravenhead ist die älteste und größte Spiegelgießerei Englands und liegt bei dem
Fabrikort St. Helens in Lancashire nahe bei der Liverpool-Manchester
Eisenbahn und dem südlichen Rande des großen nordwestlichen Kohlenbeckens. St.
Helens zählt noch drei andere Gießereien, darunter die
Union Plate Glaß Works, aber keine in einem so großartigen Styl wie Ravenhead,
welches zu denjenigen industriellen Anstalten gehört, die mit der Zeit ihre
Arbeiterwelt in einer festen Niederlassung um sich versammelt und aus der eigenen
nachwachsenden Generation sich ergänzend in vornehmer Zurückgezogenheit
abgeschlossen liegen
– das Bild eines kleinen Staates, mit oligarchischer Verfassung, mit einer
Staatskirche, mit Unterrichts- und Medicinalwesen, welche nacheinander in dem
verwaltenden Personal, in der Fabrikschule und Kirche und in der Krankenverpflegung
daselbst repräsentirt sind.
Es darf – als eine Thatsache die auf die Betriebsweise der Engländer einiges
Licht wirft – nicht verschwiegen werden, daß dem gegenwärtigen
Geschäftsführer (manager), einer liebenswürdigen, als
Geschäftsmann und Politiker ausgezeichneten Persönlichkeit, ebenso wie seinem ihm
beigegebener Sohn, die Naturwissenschaften und besonders die Chemie, selbst in den
Anfangsgründen fremd sind. Diese Dürftigkeit des chemischen Wissens, gegenüber der
bedeutenden Cultur und Verbreitung, welcher sich die mechanischen Fächer erfreuen,
ist ein fast jedem auffallender Zug der brittischen Industrie. Bereits an einer
früheren Stelle dieser Skizzen ist darauf hingedeutet worden, wie jener Mangel der
Kenntnisse häufig durch die Zuvorkommenheit der Natur ausgeglichen wird. Zu dieser
Ausgleichung wirkt noch eine andere, viel allgemein gültigere Ursache mit, nämlich
das entschiedene Talent der Engländer zur Industrie, welches in einem Zusammenwirken
von Energie, richtiger Würdigung der Zeit und des Unternehmungsgeistes, der sich in
Einfachheit und Großartigkeit der commerciellen Einrichtungen beurkundet –
mit einer bewundernswürdigen administrativen Befähigung besteht, wie sie nur bei
einem Volke erwachsen kann welches an dem Staatsprincip des self-government groß gesäugt worden. Man kann ohne Uebertreibung
die Behauptung aufstellen, daß die bedeutenderen Fabriken in der Regel ein mit dem
Storchschnabel verkleinertes Bild ihres Staates sind. So sind denn die englischen
Etablissements durchschnittlich, was praktischen, gesunden Sinn,
Geschäftsgewandtheit, Thätigkeit, Kenntniß des Handels und Marktes, sowie
Einfachheit der Verwaltung, aber auch eine fast bornirte Vernachlässigung der
Wissenschaft betrifft, eben so getreue Abdrücke des brittischen Staates, als die
meisten deutschen Staaten ihre Spiegelbilder in ihren Fabriken finden, die durch
einen übertriebenen Beamtenstand administrirt, an Unkenntniß und Verwickelung der
commerciellen Verhältnisse, mangelhafter Verbindung mit den Absatzwegen und Plätzen
leiden, aber dagegen auch sehr häufig die wissenschaftliche Intelligenz zu ihren
Bundesgenossen zählen. Ich überlasse die Nutzanwendung dieses Satzes auf die
französischen Fabriken dem besser unterrichteten Leser, und hoffe daß man mir diese
Abschweifung um der wichtigen Wahrheit willen zu Gute halten wird, die sich darin
offenbart. Diese Wahrheit, in dürre Worte gefaßt, lautet ungefähr: Ein industrieller
Betrieb, nach richtigen Handels- und Verwaltungs-, aber mangelhaften
wissenschaftlichen Grundsätzen geleitet, kann erfahrungsmäßig dessenungeachtet
prosperiren; dagegen hilft alle wissenschaftliche Einsicht nicht gegen die Schäden
Mangelhafter Handels- und Verwaltungsgrundsätze. Man soll daraus aber nicht
voreilig schließen, als ob die Wissenschaft keinen wirklichen oder nur einen
geringen Einfluß auf das Gedeihen der Gewerbe habe, aber auch darin ebensowenig den
Beweis verkennen daß Wissenschaft und Praxis, Schule und Leben noch weit entfernt
sind einander so zu verstehen und zu durchdringen wie sie sollten. An wem die Schuld
liegt? Ich für meinen Theil wage nicht die jetzige Wissenschaft, so weit sie sich
noch als vom Leben abgeschlossenes Gelehrtenthum behauptet, zu vertheidigen.
Das Etablissement in Ravenhead ist (abgesehen von den Privat- und
Arbeiterwohnungen) in mehreren Nebengebäuden und einer Haupthütte enthalten, die
schon von einiger Entfernung durch ihr kolossales Dach die Art von Berühmtheit
rechtfertigt, die es seit längerer Zeit wegen seiner enormen Größe genießt. Es
enthält die Kühlöfen (annealing furnaces), die
Schmelz- (melting furnaces) und Läuterungsöfen
(refining furnaces) nebst der Gießvorrichtung. Die
Kühlöfen stehen seitlängs nebeneinander gebaut, zu je zwölf in zwei Reihen, die
Mundlöcher einander zu- und die Feuerungen von einander abkehrend. Diese
Fronten mit je sechs Mundlöchern bilden die beiden Längsseiten der rechteckigen
großen Halle, als welche das Hauptgebäude am besten bezeichnet werden kann, während
zwei einfache Mauern mit den zwei einzigen und Haupteingängen die beiden schmalen
Seiten bilden. Das Dach ist nicht von Säulen getragen, sondern ruht auf einer Reihe
einfacher Gurtbögen aus Backsteinen, welchen als Widerlager die Kühlöfen dienen, von
denen jeder sein besonderes Dach hat. Die von dem großen Dach überspannte Halle hat
im Lichten gemessen 300 Fuß (à 10 Zoll) Länge und 80 Fuß Breite.Die in der History of Lancashire angegebenen
Dimensionen (50 Yards Breite und 113 Yards Länge) beruhen jedenfalls auf
einem Irrthum. Die Mitte dieses breiten Raumes nehmen die in einer Reihe aufgestellten
Schmelz- und Läuterungsöfen ein, von denen je zwei vorhanden sind. Sie sind
so in den Fußboden versenkt, daß die Oberfläche der Bänke (sieges) genau in einer Ebene mit der Hüttensohle, und folglich die Pipe,
der Rost und der Aschenfall unterhalb, der Schmelzraum und der Schornstein oberhalb
dieses Niveau's liegen. Durch das Fundament ist unter der Ofenreihe her ein weiter,
gewölbter Canal (flue) angebracht, welcher für die
Luftzufuhr, als Aschenfall und zur Trockenerhaltung des Ofens dient. Die Asche kann mittelst
desselben von außen abgeführt werden. Der Rost der sich durch die ganze Länge des
Ofens erstreckt und zu beiden Seiten an zwei Schürlöchern endigt, scheidet den
Aschenfall von der Pipe oder Feuergrube, welche bei der Heizung ziemlich bis zu
gleicher Höhe mit den Bänken mit Kohlen gefüllt erhalten wird. Der Schmelzraum der
Oefen bildet ein Rechteck, dessen kleine Seiten, welche die Schürlöcher enthalten,
in ihrer ganzen Länge senkrecht sind, während die langen Seiten, woran die Häfen
stehen, oberhalb derselben zu einem Spitzbogen-Tonnengewölbe zusammengewölbt
sind. Dieses Gewölbe ist so steil gehalten, daß dadurch das Einfallen von
Glastropfen von der Decke vermieden ist. – Ueber jedem Hafen, deren sechs
vorhanden sind, ist eine Arbeitsöffnung angebracht. Der obere Theil jedes Ofens,
d.h. alles was über diesen Arbeitsöffnungen liegt, ist von einer Art
Schornsteinbusen umfangen, welcher frei absteht und sich über dem Ofen zu einem
Schornstein zusammenzieht, der wenige Fuß über dem Dachfirst endigt. Der Zug der
Oefen hat also zusammengenommen folgende Richtung: die in den großen unterirdischen
Canälen von außen geschöpfte Luft tritt durch den Rost in die Pipe ein, verbrennt
die daselbst liegende Kohlenmasse, verbreitet sich als Flamme in dem Schmelzraum und
schlägt endlich durch die sechs Arbeitsöffnungen heraus. In dieser Vertheilung
werden die einzelnen Flammen von dem Schornsteinbusen aufgesaugt und zu einem
einzigen Strom heißer Luft vereinigt, durch den Schornstein abgeführt. Dadurch daß
der Schornsteinbusen mit den Oeffnungen des Ofens nicht in geschlossener Verbindung
steht, sondern frei mit der Luftmasse des Hüttengebäudes communicirt, bewirkt
derselbe eine höchst wohlthätige und nothwendige Ventilation der Hütte, besonders
dann, Wenn beim Aufbrechen der geöffnete Ofen den Arbeitern eine Hitze
entgegenspeit, welche ihre Körpersubstanz peinlichst mit trockener Destillation
bedroht.
Die Schmelzhäfen und Läuterungs-Wannen sind von sehr verschiedener Gestalt und Größe.
Die ersteren sind abgestutzte Kegel von kreisförmigem Querschnitt, oben in eine
Kuppel oder Haube zugerundet, die von deren Scheitel bis hinab zum Boden 60 Zoll
messen und ungefähr die Hälfte ihrer Höhe zum Durchmesser haben. Die Schmelzhäfen
sind keine geschlossenen, deren Haube mittelst eines retortenhalsartigen, weiten, in
die Arbeitsöffnung eingepaßten Fortsatzes die Glasmasse gegen die Ofenflamme
isolirt; die Flamme kann im Gegentheil durch mehrere Oeffnungen frei in den Hafen
gelangen. Die Haube oder Kuppel, eine kugelartige mit dem Hafen aus einem Stück bestehende Wölbung hat
nämlich drei große fensterartige Einschnitte an ihrer Basis, die in einem Bogen von
120° von einander abstehen.
Die Läuterungswannen sind bedeutend kleiner (in dem Verhältniß des Umfangs ungefähr,
welchen die Ingredienzien vor und die Glasmasse nach der Schmelzung einnehmen) und
niedriger. Sie bilden viereckige Kästen mit Falzen zum Eingriff der Tiegelzangen.
Beide Arten von Gefäßen werden aus einer Mischung von gebranntem und ungebranntem,
feuerfestem Thon, wie gewöhnlich, aber in ausgezeichneter Qualität angefertigt, so
daß das Reißen der Häfen im Feuer in Ravenhead zu den Seltenheiten gehört, die sich
oft in Monaten nicht ereignen, während in manchen deutschen Hütten, z.B. im
Spessart, dieser Zufall wöchentlich wiederkehrt und die Quelle eines stehenden
Verlustes ist.
Die Heizung erheischt eine Kohlensorte von sehr langer Flamme und in größeren
Klumpen, also eine Stückkohle, welche in Ravenhead 10 bis 14 Shilling die Tonne
kostet. Die viel billigere Kohlenforte, das sogenannte slack, worunter man den Abfall von der Grubenförderung versteht, der bei
uns Gries oder Fettschrot heißt, kostet zwar nur 3 Shilling die Tonne und wird in
andern Zweigen sehr vielfach angewendet, muß jedoch aus naheliegenden Gründen von
den Glashütten ausgeschlossen bleiben. Das slack wurde
nämlich entweder durch Zusammenbacken den Zug zu viel verlegen, oder es würde,
wollte man durch Aufbrechen helfen, die Flamme und folglich das Glas verunreinigen.
Man verbraucht jährlich 16,000 Tonnen (358,000 Cntr.), zu einen Werth von circa 8000 Pfd. St. womit ungefähr 400,000 Quadratfuß
Spiegel erzeugt werden.
Die Masse dazu ist auch in den übrigen Spiegelfabriken ein bleifreies Natronkalkglas.
Das Kalikalkglas ist zwar dem aus Natron geschmolzenen bei weitem überlegen, sowohl
an Farblosigkeit als an Glanz, allein in einem Land wie Britannien, welches keine
Potasche erzeugt, sondern nur durch seinen amerikanischen Handel bezieht, in einem
Land wo die Concurrenz mit einigen Industriezweigen, wie Blutlaugensalzfabriken,
Flintglashütten etc., für welche die Potasche unersetzlich ist, sehr mächtig, die
Soda aber ohne Vergleich wohlfeiler ist: läßt sich erwarten daß die Einführung des
Kalispiegelglases nicht eben viele Chancen hat. Dieß war denn auch das Resultat der
Probeschmelzungen, welche man in den Union-Plate-Glaß-Works
angestellt hatte; die Abnehmer zeigten sich wenig geneigt die Vorzüge dieses Glases
mit einem so hohen Preis zu bezahlen.
Die Rohmaterialien sind: Sand, Kalkstein (nicht Kreide)
und Soda oder Glaubersalz. Der Sand wird an gewissen
Küstenstrichen eingesammelt, wo ihn der Wellenschlag der See reichlich, und zu gleicher Zeit in
einen gewissen Grad ausgewaschen, anschwemmt, was man auf der Hütte durch eine
zweite künstliche Schlämmung in einem System von Sümpfen vervollständigt. Er ist
nicht weiß, sondern röthlichgelb und dem Anschein nach nicht frei von Eisen. Als
Kalk wendet man nicht Kreide, sondern einen gewöhnlichen gelbgrauen Kalkstein an,
der nur Spuren von Kieselerdeverbindungen und sehr wenig Eisenoxydul und Magnesia
enthält. Dieser Kalkstein wird keineswegs gebrannt und gelöscht, sondern einfach mit
Hämmern grob und in derselben Weise wie bei uns die Chausseensteine, zu nuß-
bis fast eigroßen Stücken zerschlagen.
In Ravenhead verbraucht man ausschließlich Soda und zwar von einer sehr reinen und
hochhaltigen Sorte, welche für diese Hütte auf einer benachbarten Sodafabrik
besonders dargestellt wird, wöchentlich 10 Tonnen im Werth von wenigstens 5000 Pfd.
St. jährlich. Das aus den genannten Materialien erzeugte Glas hat nach unseren
Begriffen eine höchst unangenehme, stark blaugrüne Farbe, wie sie den Natrongläsern
häufig eigen ist. Ich hatte Gelegenheit mich durch den Augenschein zu überzeugen,
daß dem Satz kein Glaubersalz zugesetzt wird; man hat aber, wie man mich
versicherte, frühere Versuche damit als unthunlich wieder aufgegeben. In den
benachbarten Union-Plate-Glaß-Works, welche unter der Leitung
eines gewandten Chemikers stehen, ist man weit glücklicher gewesen; obgleich man
daselbst die Soda zur Hälfte ihres Gewichts durch Glaubersalz ersetzt hat, so ist
dennoch die Färbung des Glases weit weniger intensiv und von einer weniger
unangenehmen grasgrünen Nüance ohne Blau. Der Preis des Glaubersalzes ist aber nur
2/5 von dem der Soda.
Zu jedem Satz gehört ein gewisses Quantum Glasbrocken, welche ungewaschen und
ungepocht, in Stücken bis zu 4 oder 5 Quadratzoll zerschlagen, zugefügt werden. Die
Hütte liefert nämlich in ihren Beschneidwerkstätten und in der Gießerei hinreichend
Abfälle, so daß man des Sammelns außerhalb und folglich des Reinigens – und
da sie ferner nur eine einzige Glassorte schmilzt – auch des Sortirens
überhoben ist.
Wer den Satz in den Beschickungskarren liegen sieht, Glasstücke, Soda, Sand und gar
ganzen Kalkstein, kaum oder gar nicht gemengt, dem
möchten auf den ersten Blick Zweifel über die Möglichkeit aufsteigen daraus
überhaupt oder doch mit Sicherheit und Zweckmäßigkeit ein reines Metall zu schmelzen, wie es die englische in
Uebereinstimmung mit unserer deutschen Kunstsprache nennt.
Solche Zweifel sind aber einer Thatsache gegenüber ganz unbegründet, welcher man bis
jetzt sicher in der Theorie, wohl auch in der Praxis der Glasmacherkunst keineswegs
diejenige Aufmerksamkeit geschenkt hat, welche ihr gebührt. Ich rede von einer
Erfahrung die man in Bezug auf das Verhalten der Salze der Alkalien gegen
kohlensauren Kalk gemacht hat. Kohlensaures Natron oder käufliche Soda löst nämlich
bei der Temperatur wobei sie eben schmilzt, also bei der mäßigen Rothglühhitze,
gewöhnlichen Kalkstein in derben Stücken mit einer überraschenden Leichtigkeit und
zwar ohne alle Gasentwicklung zu einer völlig homogenen Masse auf, welche im Feuer
die Dünnflüssigkeit des Wassers hat und nach dem Erkalten undurchsichtig aber von
deutlich krystallinischem Gefüge erscheint. Ganz in derselben Weise wirkt das
Glaubersalz auf den Kalkstein und liefert ein bis auf die Bestandtheile ganz
gleiches Product, welches sich noch leichtflüssiger verhält. Erst bei der hohen
Weißglühhitze läßt der aufgelöste Kalk seine Kohlensäure fahren, während die Masse
allmählich strengflüssiger wird und sich endlich ganz und gar verdickt. Man ersieht
nun daraus, daß das Brennen des Kalks der Bildung jener leichtflüssigen Verbindung,
welche der vielseitigen Berührung und mithin auch der energischen Einwirkung der in
chemischer Thätigkeit begriffenen Stoffe so förderlich ist – entgegen seyn
würde und daß bei seiner Leichtlöslichkeit das Mahlen desselben eine müßige
Verschwendung seyn würde. Ebenso liegt es auf der Hand, daß die Einwirkung der
Kieselerde oder des Sandes bei einem Hitzgrad beginnen und sich entfalten wird,
welcher zwischen der Bildung jenes Kalknatron-Carbonats und seiner Zersetzung
und Erstarrung in der Weißglühhitze in der Mitte liegt.
Wie schon zu Eingang erwähnt worden, stehen die Schmelzhäfen und Läuterungswannen
nicht nebeneinander in demselben Ofen, sondern es sind für beide Zwecke verschiedene
Oefen vorhanden, weil diese Einrichtung bei den verschiedenen Dimensionen jener
Gefäße eine ökonomischere Benutzung des Ofenraums und eine bessere Regulirung des
Hitzgrades möglich machen. Die großen Schmelzhäfen werden nicht durch besonders
unterhaltene Oeffnungen, sondern durch Aufbrechen der Seitenwände, d.h. der Mauern
woran die Schürlöcher sind, eingeführt, worauf man die entstandene Bresche
vermauert. Die glühenden Häfen werden durch die Arbeitsöffnungen beschickt, worauf
die Schmelzung beginnt.
Die Wannen sind ganz offen und fassen genau die zu einem Spiegel erforderliche
Glasmasse. Weil sie zum Behuf des Gießens zweimal täglich aus dem Ofen gezogen werden müssen, so hat
der letztere unter dem Arbeitsloch ein Aufbrechloch von dem Umfang der Wanne,
welches bis auf die Hüttensohle, also auch inwendig bis auf die Bank niedergeht.
Diese Aufbrechlöcher werden nie vermauert, sondern nur mit Vorstellplatten in der
Zwischenzeit verschlossen. Wird eine solche Platte ausgehoben und zur Seite
gestellt, so sieht man die ganze Wanne gerade vor der Oeffnung und zwar in gleicher
Höhe mit dem Boden stehen, als dessen Fortsetzung die Bank erscheint. Vermöge dieser
Disposition ist das Herausnehmen der Wannen vor und das Einfahren nach dem Guß
ungemein erleichtert. – Nach geschehener Schmelzung, welche 18 Stunden
erfordert, schafft man die Glasmasse aus den Häfen der Schmelzöfen in die Wannen des
nächsten Läuterofens mittelst großer kupferner Löffel, die an einem wenigstens 12
Fuß langen Stiel befestigt sind. Zur Handhabung eines solchen Löffels sind je drei
Mann erforderlich; zwei davon halten irgend eine eiserne Stange, auf welcher der
Löffel in der Gegend seines Schwerpunktes aufruht; während ein dritter, gleichsam
als Steuermann, am Ende des Stiels mittelst eines kleinen Quergriffs die Bewegungen
zum Schöpfen und Entleeren ausführt. Sobald der Löffel gefüllt ist, begeben sich die
drei im Geschwindschritt nach dem Läuterofen um das Glas nicht unnöthig zu erkalten.
Die Läuterungszeit beträgt etwa 6 Stunden, so daß man, da die Hütte ein doppeltes
Schmelz-, Läuter- und Gießsystem umfaßt, täglich zweimal, Morgens und
Abends gießen kann.
Der Leser wird aus der oben beschriebenen allgemeinen Einrichtung, nach welcher die
Kühlöfen die Längsseiten, die Schmelz- und Läuteröfen dagegen die Mitte des
Hüttenraums einnehmen, ersehen haben, daß zwischen denselben zu beiden Seiten der
Länge nach breite Gassen frei bleiben; diese führen also zwischen den Mundlöchern
der Kühlöfen und denen der Glasöfen hindurch, und ist jeder mit einer Eisenbahn
versehen, worauf sich die Gießplatte bewegt, deren zwei vorhanden sind. Jede
Gießplatte gehört einer bestimmten Eisenbahn an und bedient ausschließlich eine
bestimmte Seite, also auch stets dieselben zwölf Kühlöfen. Sie sind nicht von
Bronze, sondern von Gußeisen 8'' stark, auf der Hobelmaschine geebnet und groß
genug, daß man Spiegelplatten von 15 Fuß Länge und gegen 8 Fuß Breite darauf gießen
kann. Sie sind auf einem eisernen vierrädrigen Gestell so aufgezogen, daß sie mit
ihrer Länge die Eisenbahn kreuzen, völlig horizontal und zugleich mit der oberen
gehobelten Fläche genau in einer Ebene mit der Sohle der Kühlöfen liegen. Wird daher
die Gießplatte, wie unmittelbar vor dem Guß geschieht, vor das Mundloch des betreffenden Kühlofens
gefahren, so stößt sie dicht an und bildet gleichsam nur eine Fortsetzung der
Ofensohle; man kann also die fertige Glasplatte bequem, und was die Hauptsache ist,
ohne wesentliche Verbiegung in den Ofen schieben. Die ebenfalls aus Gußeisen
bestehende, genau abgedrehte Walze ruht, so lange sie nicht in Thätigkeit ist, auf
einem besonderen Gestell oder Bock von gleicher Höhe mit der Platte und wird gegen
diese angerückt. Der zum Handhaben der glühenden Wanne nothwendige Krahn ist
ebenfalls auf Rollen beweglich und kann vor jedem einzelnen Kühlofen an der
geeigneten Stelle mittelst in die Mauer eingelassener Ringe und Haken befestigt
werden. Zur Bedienung der Gießtafel, der Gießwanne und des Krahns nebst Zubehör,
kurz zu einem Guß, ist eine Mannschaft von wenigstens 15 Köpfen unter einem
commandirenden Vormann wie im militärischen Exercitium eingeübt, welche diese so
schwierige als kühne und imposante Operation zugleich mit gewandter Kraft, mit
schweigender Präcision, einem bewundernswürdigen Ineinandergreifen der einzelnen
Functionen, einer Sicherheit und ganz besonders einer Schnelligkeit vollenden,
welche selbst die kürzeste Beschreibung überflügelt. Sie zerfällt in das Ausfahren
der Wanne und Hinfahren zur Gießplatte; in das Reinigen der Platte und der Wanne; in
den eigentlichen Guß und das Einbringen in den Kühlofen.
Zu der ersten Verrichtung dient eine Wagenzange mit einem Maul von der Gestalt eines
viereckigen Rahmens, welcher gerade in den Falz der Wanne paßt – und eine
Wagenschaufel, beide auf zweiräderigen Gestellen. Die eiserne Platte der Schaufel,
worauf nachher die Wanne zu stehen kommt, geht vor den Rädern dicht über dem Boden
her.
Ist die Vorstellthür weggenommen, so wird die Wagenzange eingeführt, über die frei in
der Oeffnung stehende Wanne herabgeschoben, geschlossen und die Wanne durch die
Arbeiter, welche mit ihrem Gewicht auf die langen Hebelarme der Zangenschenkel
drücken, von der Bank (an welche sie ziemlich fest angefrittet ist) losgebrochen und
gelüftet. In diesem Augenblick unterfährt eine andere Abtheilung Arbeiter die
schwebende Wanne mit der Wagenschaufel, welche in Bereitschaft stand, während zu
gleicher Zeit die Zange losläßt. Die auf der Schaufel freistehende, weißglühende,
eine enorme Hitze ausspeiende Wanne wird nunmehr in raschem Schritt nach der
Gießplatte gefahren, woselbst alles und die Mannschaft zu ihrem Empfang und zunächst
zu ihrer Reinigung bereit ist.
Die Wanne ist nämlich von außen mit anhängenden Unreinigkeiten und die Oberfläche des
Glases im Innern mit etwas Glasgalle bedeckt, und stößt fortwährend einen deutlichen weißen
Rauch aus, der wahrscheinlich aus verflüchtigtem Alkalisalze besteht. Die zu
gießende Tafel würde unfehlbar verdorben, wenn jene auf die Gießplatte fallen, oder
die Galle unter das ausfließende Glas kommt. Sobald daher die schon vorher am
Krahnbalken niedergelassene Gießzange die Wanne erfaßt und einige Fuß über den Boden
gelüftet hat, halten die Arbeiter dieselbe mittelst der Zangengriffe neben der Gießtafel, so daß sie schief und geneigt hängt,
während zwei Arbeiter die Außenseite mit stumpfen Besen fegen und zugleich der
Vormann die Galle von der Oberfläche mit einer krummen Klinge sorgfältig über den
Rand schiebt. Hierauf führt man die an ihren Ketten schwebende Wanne senkrecht über
die Gießtafel; die Walze liegt schon bemannt an der einen dem Kühlofen zugekehrten
Kante der Platte bereit; nach einigen pendelartigen Schwingungen hin und her wird
die Wanne rasch umgekippt und der schon ziemlich zähflüssige Inhalt dicht vor die
Walze entleert, welche sich in demselben Moment in Bewegung setzt und nachdem sie
ihren Lauf vollendet in den Tragbock fällt. Die Glasmenge in der Wanne ist so
gegriffen, daß die Spiegelplatte kürzer ausfällt als die Glasplatte und folglich
nichts überfließt. Unmittelbar darauf, ehe das Glas erkaltet, legt eine neue
Abtheilung der Mannschaft Hand an um die zuletzt gebildete Kante der Glastafel über
ein als Lineal aufgelegtes Stück Quadrateisen 1 1/2 oder 2 Zoll hoch aufzubiegen.
Dieser aufgebogene Rand dient nämlich als Stützpunkt um ein Eisen von der Gestalt
eines Rechens ohne Zinken anzustemmen und damit die mittlerweile hinreichend steif
gewordene Glastafel in den Kühlofen zu schieben, was die Kraft von drei Mann
erfordert. Die Sohle des Kühlofens ist mit Sand bestreut, dessen runde Körner als
Reibungsrollen wirken und dadurch Verbiegungen und grobe Verletzungen der Oberfläche
verhindern. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß die entleerte Wanne augenblicklich,
ehe sie die Glühhitze verliert, in den Ofen zur neuen Läuterung zurückgefahren
wird.
Jeder Kühlofen hat zwei Feuerungen und faßt drei Glastafeln; die Sohle hat die
Gestalt eines großen Rechtecks, ist flach überwölbt und muß vor dem Guß mittelst
seiner zwei Feuerungen, welche an einer und derselben schmalen Seite und außerhalb
der Hütte liegen, genau bis auf die Temperatur der eben gegossenen Platte vorgeheizt
seyn. Sobald die drei Platten darin placirt sind, werden alle Zugänge vermauert und
das Glas einige Tage lang der freiwilligen Abkühlung überlassen. Man begreift
nämlich daß nur sehr gut gekühltes Glas den Angriff des Schleifsandes ertragen kann
ohne zu reißen.
Die ganze Operation, vom Ausfahren der Wanne an, bis zum Einschieben der Platte in
den Kühlofen dauert nicht mehr als 5 bis 8 Minuten.
Die Beschaffenheit der rohen Glastafeln, in dem Zustande in welchem sie aus dem
Kühlofen ausgefahren werden, ist sehr eigenthümlich und durchaus gegen Erwarten. Die
beiden Oberflächen, weit entfernt die obere Glätte derjenigen Flächen zu zeigen von
denen sie die Abdrücke sind, geben im schiefauffallenden Lichte betrachtet eine
Unebenheit zu erkennen, welche sich einigermaßen mit den Eindrücken der Hammerbahn
auf geschlagenen Blechen oder getriebenen Metallarbeiten vergleichen läßt. Zugleich
erscheinen die beiden äußeren Schichten des Glases milchig trüb, wie mit einem
weißgrauen Anfluge bedeckt, so daß es völlig unmöglich ist durch eine rohe Tafel
hindurch einen Gegenstand in scharfen Umrissen zu unterscheiden, wozu freilich die
bedeutende Stärke derselben – mehrere die ich untersuchte maßen
übereinstimmend 5 Linien – das ihrige beitragen mag. Ob die angeführten
Erscheinungen die Folge des Kühlens oder davon sind, daß man in Ravenhead die
Gießplatte nicht vorher mit Kohlen erwärmt wie an andern Orten, wage ich nicht zu
entscheiden.
Aus dem Kühlofen werden die Tafeln in Tragriemen, auf der hohen Kante stehend, ins
Beschneidzimmer gebracht und den Glasermeistern überliefert, die sofort mit Diamant,
Lineal und Zange ans Werk gehen, um die unregelmäßigen Ränder abzunehmen und zwar in
einer Breite die von dem jedesmaligen Zustand abhängig ist und bis mehrere Zoll
betragen kann. Das Beschneiden geschieht auf einem billardartig großen, mit Tuch
beschlagenen Tisch ohne Rand. Die Glaser rücken die Glastafel so, daß die mit dem
Diamant vorgerissene Linie genau über die Tischkante zu liegen kommt; dadurch kommt
der Rand frei zu stehen, kann bequem mit der Zange gefaßt und heruntergebrochen
werden. Wer von der Gewalt Zeuge ist, mit welcher der Diamantschnitt zum Bruch
gebracht und oft mit Hammerschlägen gelöst werden muß, der fühlt sich unwillkürlich
von einer Besorgniß und Angst erfaßt, welche aber die sichere Hand des Arbeiters
durch den Erfolg als sehr ungegründet erweist.
Die beschnittenen Platten bilden den Vorrath für die Schleiferei und haben drei
Instanzen derselben zu durchlaufen:
1) das Rauhschleifen (first
ginding) durch Maschinen und Sand;
2) das Klarschleifen (second
grinding) durch Handarbeit und Schmirgel; endlich
3) das Poliren (polishing)
durch Maschinen.
In den beiden ersten Fällen ist die Befestigungsweise der Glasplatten im wesentlichen
ganz und gar dieselbe. Zur Aufnahme der Glastafel ist auf der Schleifbank, worunter
man sich keinen Tisch, sondern ein steinernes, etwa zwei Fuß über den Boden erhöhtes
Fundament denken muß, eine Lage Gyps ausgebreitet, mittelst welcher sie nach der
Setzwage genau horizontal festgekittet wird. In gleicher Weise ist die etwa dreimal
kleinere Platte des Obersteins aufgesetzt, welcher nichts als ein sehr flacher
einfacher Kasten ist, der nach Belieben und Bedürfniß mit beweglichen eisernen
Gewichten beschwert werden kann. Die Wichtigkeit dieser Disposition, von der die
gleichmäßige Wirksamkeit des Obersteins oder Schleifkastens, also der Erfolg des
Rauhschleifens abhängt, wird man nicht verkennen, wenn man bedenkt daß es durch
diese Gewichte möglich wird den Schwerpunkt des Ganzen
leicht und jeden Augenblick zu verrücken und nach einem beliebigen Punkt zu
verlegen. Sie enthält mit einem Wort den Regulator, welcher den Willen des Aufsehers
fortlaufend mit der starren Gleichförmigkeit des Gangs der Maschine vermittelt.
In zwei gegenüberstehenden Schleifbänken liegen unter einem gemeinschaftlichen
Balancier (beam), welcher sich parallel mit ihrer
Oberfläche, also in horizontaler Richtung bewegt und mit beiden Enden an die Rücken
der beiden Oberkasten befestigt, denselben die eigenthümliche Schleifbewegung
ertheilt. Diese Bewegung empfängt der Balancier selber von einer unterirdischen
Welle der Triebkraft (Dampfmaschine), welche durch Zahnräder in eine senkrecht
stehende starke Kurbel eingreift, deren Zapfen im Mittelpunkt des Balanciers liegt,
so daß der letztere in allen Punkten seiner Länge die Bewegung dieser Kurbel theilt.
In Folge dieser Anordnung beschreibt jeder Schleifkasten zwar einen Kreis, der auch
weit genug ist um die ganze Oberfläche der Spiegelplatte unter ihm zu beherrschen,
würde jedoch ohne den Einfluß einer andern Einrichtung viel zu ungleichmäßig, d.h.
an der Peripherie zu stark, gegen das Centrum zu schwach wirken. Die Schleifkästen
sind nämlich an den Enden des Balanciers um einen Punkt drehbar angebracht, der
außerhalb des Mittel- und Schwerpunkts liegt. Sobald daher der Balancier in
Gang kommt, fängt der Schwerpunkt sogleich an um den Drehungspunkt zu rotiren, d.h.
der Schleifkasten macht, wie ein Stein an einem Bindfaden geschwungen, eine
Schleuderbewegung, indem er gleichzeitig (wie ein Mond mit dem Planet) in seiner
Bahn fortschreitet und somit eine sich selbst vielfach durchschneidende Spirale
beschreibt. Ein Handarbeiter würde mit dem Schleifkasten mit seinen Armen im Kreis herum und
sich selbst langsam um die Schleifbank fortbewegen; die Elemente dieser gemischten
Bewegung sind, wie man sieht, getreu in der Wirksamkeit der Maschine wiedergegeben
und können leicht durch Veränderung der Anzahl und Lage der Gewichte modificirt
werden.
Es muß noch erwähnt werden daß die Drehungskurbel des Balanciers – um
Schwankungen im Gang zu verhüten – mit vier Leitkurbeln umgeben und
unterstützt ist. Während der Arbeit spritzt man von Zeit zu Zeit etwas nassen Sand
auf, der anfangs von grobem, später von feinerem Korn ist.
Wenn der Schliff bis auf die tiefsten Stellen angegriffen hat und folglich die
Oberfläche wenigstens im Rauhen zur Ebene geworden, muß die Platte zur Bearbeitung
der zweiten Fläche umgedreht werden. Es gehört einige Vorsicht zum Ablösen des
Glases vom Gyps. Da die Glasplatte in der ersten Lage genau horizontal und nach dem
Drehen in gleicher Lage eingegypst wird, so ergibt sich daraus der Parallelismus der
beiden Oberflächen von selbst.
Der Zweck des Klarschleifens, der Oberfläche diejenige höchste Feinheit des Korns zu
geben, ohne welche die Politur unausführbar sein würde, erheischt soviel Wahl und
soviel Ab- und Zuthun in der Verwendung der Kraft, daß man für gut befunden
hat diese Operation den Maschinen zu entziehen und in die umsichtigen Hände der
Arbeiterinnen zu legen. Die Disposition der Schleifbank und des Schleifkastens
bleiben wesentlich dieselben, nur daß der letztere mit zwei seitlichen Handgriffen
versehen ist, worauf die Arbeiterinnen das Gewicht ihres Oberkörpers und die Arme
stützen. Sie erhalten durchschnittlich 13 Shillinge die Woche. – Das Korn der
Oberfläche kann, ohne den Parallelismus und die Ebenheiten zu verderben, nur dadurch
vom Gröbsten zum Feinsten übergeführt werden, daß man das Schleifmaterial, den
Schmirgel, eine sehr große Anzahl von Abstufungen der Feinheit durchlaufen läßt.
Der Schmirgel kommt in etwa faustgroßen, rothbraunen Stücken von der Insel Naxos im
griechischen Archipel, welche in ihrer Masse weder an Farbe noch an Gefüge homogen
erscheinen. Sie werden auf der Hütte zuerst sortirt und gewaschen, dann fein
gemahlen und auf die Schlämmerei abgeliefert. Die darin gebrauchten Schlämmgefäße
bestehen aus zwei Theilen, dem oberen für die Flüssigkeit von der Gestalt einer
abgestutzten vierseitigen Pyramide, die kleine Endfläche nach unten, die Basis nach
oben gekehrt; und dem unteren viereckigen Endstück mit geraden Seiten zur Aufnahme
des abgesetzten Schmirgels. In den oberen trichterartigen Theil tritt ein trüber Wasserstrom mit dem
aufgerührten Schmirgelpulver von der einen Seite ein, auf der gegenüberstehenden
Seite aus. Damit sich jedoch der ein- und der ausgehende Strom nicht
vermischen könne, ist bis zu einer gewissen Tiefe mittendurch eine Scheidewand
eingezogen, welche das Wasser nöthigt erst in der einen Hälfte nieder und dann in
der andern Hälfte aufzusteigen. Die gröberen Theile, die sich während dieses
Durchgangs absetzen, sammeln sich unten, in dem engen Ende des Gefäßes, welches
durch eine besondere Klappe entleert werden kann. Das ausfließende Wasser geht in
ein zweites Gefäß gleicher Einrichtung, dann in ein drittes, viertes etc. wobei sich
jedesmal Schmirgel von einer feineren Nummer absetzt. Man hat nun fünf solcher
Systeme, von denen zwei je 8 Nr., die übrigen drei je 6 Nr. schlemmen. Je entfernter
die Gefäße vom Anfang des Systems liegen, um so feiner ist die Nr. aber auch um so
geringer die Menge des Schmirgels welche sich absetzt. Danach sind die Gefäße schon
vorgerichtet, so daß die Reihe von vorn nach hinten immer kürzer und dicker wird,
weil der obere Theil jedes Gefäßes für die Flüssigkeit stets weiter, der untere für
den abgesetzten Schmirgel stets kleiner wird. Es ist dieß um so nöthiger, weil das
Wasser in den letzten Gefäßen, welches die feinste Nummer führt, auch am meisten
Zeit zum Absetzen erheischt. Die gröberen Sorten, welche mit dem Korn des Sandes
beginnen, werden in die Mühle zurückgegeben, die feineren allein zum Schleifen
benutzt.
Wenn man bedenkt daß ein einziges unrechtes Korn, welches aus Versehen in die
feineren Schmirgelsorten gerathen ist, sogleich eine tiefe Furche in die Glasplatte
reißen wird, welche den Klarschliff total verdirbt, so begreift man leicht die
fabelhafte Reinlichkeit welche hauptsächlich in der Schlemmerei herrscht und warum
die Schleif- und Politurbänke, zum Schutz gegen etwaiges Herabfallen der
Vorputztheile von der Decke mit einem hängenden Zeltdache versehen sind.
Mit dem Poliren tritt die Maschinenthätigkeit wieder in ihre Rechte ein und zwar in
doppeltem Sinn, indem sie sowohl die Spiegeltafeln als die Reibapparate bewegt. Dieß
geschieht in Richtungen die aufeinander senkrecht sind. An einer der Längswände des
Saals mit den Polirmaschinen läuft eine Welle her, welche eine Umdrehungsbewegung
von der Dampfmaschine empfängt und mit beiden Theilen in Berührung steht. Sie führt
nämlich den auf Rollen gehenden Polirtisch, worauf die klargeschliffene Glasplatte
aufgegypst liegt, langsam im Abstand von einigen Fußen in gerader Linie hin und her.
Dadurch ist gesorgt, daß alle Theile der Platte ihrer Länge nach getroffen werden;
daß dieß auch in der Breite geschieht und folglich eine gleichmäßige Wirkung gesichert ist, bewirkt
eine ähnliche hin- und hergehende Bewegung der Reibapparate nach der Breite.
Diese Apparate sind schmale Tröge, so lang als die Polirbank breit, und zur Aufnahme
von Gewichten bestimmt, welche den Druck reguliren unter welchem die Glasplatte mit
dem Todtenkopf oder Englischroth abgerieben werden soll. Sie erhalten mittelst einer
wagrechtführenden gegliederten Leitstange ihre Bewegung von einem auf der Welle
aufgezogenen Excentricum. Auf der unteren Fläche tragen diese Tröge – in
Abständen welche ihrer Gangweite entsprechen, so daß keine todten Punkte übrig
bleiben – Reibekissen von gepolstertem Leder; diese sind um ihren
Befestigungs- und Mittelpunkt drehbar, so daß sie leicht der Umkehrung der
Bewegung folgen ohne in diesem Zeitpunkt stärker zu wirken. In den Union plateglaß
works drücken sie mittelst Spiralfedern auf die Glasplatte.
Man gibt wenig Polirroth mit wenig Wasser auf; so geschieht es daß sich die
Glasplatten etwas erhitzen. Man kittet deren größere und kleinere nebeneinander auf,
nach Maaßgabe des Raums, den man möglichst zu benutzen strebt.
Zweierlei Fehler sind es hauptsächlich, die durch das Schleifen beseitigt werden,
nämlich Rauheit der Oberfläche und Krümmungen der Glastafeln selber. Man begreift
leicht, daß wenn eine Glastafel beim Einschieben in den Kühlofen z.B. sich um 1/2
Linie gestaucht hat, man nothwendig 1/2 Linie von der Dicke der ganzen Glastafel wegschleifen muß, um die Ebene wieder
herzustellen.
Darin findet wohl die, man kann sagen erschreckende Thatsache hauptsächlich ihre
Erklärung, daß die Spiegeltafeln durch das Schleifen durchschnittlich die Hälfte ihrer Dicke, mithin auch die Hälfte ihres Gewichts
einbüßen; ich habe sogar welche gemessen deren Stärke sich nach dem Poliren von 5''
auf 2'' vermindert hatte! Wenn eine Fabrik jährlich 400,000 Quadratfuß Glas erzeugt,
so wiegen diese circa 16,000 Cntr.; davon gehen 8000
Cntr. mit wenigstens 1300 Cntr. Natron verloren; 1300 Cntr. Natron entsprechen aber
2700 Cntr. käuflicher calcinirter Soda, im Werth von wenigstens 1200 Pf. St.!
Es ist demnach außer allem Zweifel, daß durch Zugutmachen dieser Glasmasse von 8000
Cnt., welche mit allen Unkosten des Schmelzens, Gießens und Schleifens behaftet ist,
der Preiß der Spiegel in einem Grade herabgedrückt werden kann, der auch den Absatz
ungemein erweitern und auf den Vertrieb überhaupt vom entschiedensten Einfluß seyn
muß. Nichtsdestoweniger sieht man zu Ravenhead und in den benachbarten Fabriken
dieses werthvolle Material mit dem Schleifschlamm unbenutzt wegfließen. Dieser
Schlamm stellt getrocknet ein inniges Gemenge von Spiegelglaspulver mit Sand und vielleicht
etwas Gyps dar; gesetzt der letztere sey hinreichend rein, so müßte sich daraus mit
Zusatz einer leicht zu bestimmenden Menge von Soda und Kalk wieder Spiegelglas der
nämlichen Qualität schmelzen lassen. Ist der Schleifsand unrein, oder kein reiner
Schleifsand zu erhalten, so ist der Schlamm jedenfalls als Material für geringeres
Glas verwerthbar und die Verbindung der Spiegelhütte mit einer andern Glashütte die
natürlichste Maaßregel.
Weil nach der Politur Fehler zum Vorschein kommen, die man vorher nicht beurtheilen
konnte, so findet alsdann ein zweites Beschneiden und Theilen der Glastafeln statt,
um diese Fehler zu eliminiren. – Kleinere Abfälle verkauft man an die
Chaisenfabriken in Birmingham zu Wagenlaternen etc.
Diejenigen Glasplatten, die nicht zu bloßen Spiegelscheiben, sondern zu Spiegeln
bestimmt sind, müssen noch mit dem Beleg versehen werden. Die Einrichtung des
Belegzimmers, die Wachstuchbekleidung des Fußbodens etc. sind von der Art, daß sie
die Entstehung und Ansammlung des Staubes möglichst verhindern. Den Fenstern
gegenüber steht die Belegtafel, eine völlig ebengeschliffene, 5 Zoll starke
Schieferplatte aus den Brüchen von Wales, welche mittelst einer gußeisernen Fassung
auf dem Untergestell angebracht ist. Die Fassung oder der Rahmen bildet ringsum eine
Rinne zur Sammlung des Quecksilbers und ist zugleich an der einen Längsseite mit
Scharnieren, an der gegenüberstehenden Seite mit Winden versehen, um die Platte in
eine beliebige Neigung gegen den Horizont bringen zu können. – Die Tafeln
müssen vor dem Beleg völlig blankgescheuert werden, was ebensoviel Geduld als
Aufmerksamkeit und Umsicht erfordert, umsomehr da die Platten durch das Scheuern
gerne elektrisch werden und Staub anziehen. Dieser Theil der Arbeit wird von Frauen
besorgt, während der Belegmeister auf dem horizontalgerichteten Tisch eine
Stanioltafel ausbreitet, abflacht und mit Quecksilber versieht. Das letztere
geschieht in zwei Perioden; man breitet nämlich anfangs wenig Quecksilber mit einem
papierumwickelten Lineal sanft aus, um die Staniolfläche gleichmäßig zu benetzen und
gießt alsdann soviel hinzu, als die Adhäsion des Zinns zu tragen vermag ohne daß das
Quecksilber über den Rand fließt. Dazu gehören bei einer Glastafel von 30 bis 40
Quadratfuß 150 bis 200 Pfd. Quecksilber, welches eine Schichte von einigen Linien
bildet, die mithin viel dicker ist als die Glasplatte. Die letztere wird nunmehr,
nachdem die trübe Haut des Metalls vom vorderen Rand entfernt worden, mit der einen
Längskante zwischen der Oberfläche des Quecksilbers und dem Staniol über einem Stück
ausgespannten Zeug vorgeschoben, welches die letzten Stäubchen abwischt. Man rückt
so langsam voran, indem man die Kante stets untergetaucht hält, ohne auf der andern
Seite das Zinn oder vielmehr AmalgamAmalgan am Boden zu verletzen. Die Unreinheit der Quecksilberfläche ist auf diese
Weise eliminirt und unschädlich gemacht. Nach dem Aufschieben schwimmt die
Glasplatte auf dem überschüssigen Quecksilber, welches abgepreßt werden muß. Zu dem
Ende bedeckt sie der Belegmeister mit eisernen Gewichten von 3 Zoll Länge und 3 Zoll
Breite, die unten mit Leder überzogen sind und gibt dem Tisch mittelst der Winden
eine schwache Neigung, welche von Zeit zu Zeit vermehrt wird, bis nichts mehr
abläuft und nur noch das mit dem Zinn chemisch gebundene Quecksilber, d.h. das
Amalgam anhängt.