Titel: | Ueber die Bildung und die Bestandtheile eines schwarzen Niederschlags an der Anode, bei der Zersetzung des Kupfervitriols durch den galvanischen Strom; von Maximilian, Herzog von Leuchtenberg. |
Fundstelle: | Band 104, Jahrgang 1847, Nr. LXIV., S. 293 |
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LXIV.
Ueber die Bildung und die Bestandtheile eines
schwarzen Niederschlags an der Anode, bei der Zersetzung des Kupfervitriols durch den
galvanischen Strom; von Maximilian, Herzog von Leuchtenberg.
Aus dem Bulletin de St.
Pétersbourg.
Ueber die galvanische Fällung von Kupfer etc.
Die Methode, das Kupfer und die Schwefelsäure in den Kupfervitriolauflösungen schnell
quantitativ zu bestimmen, welche ich beschrieben habe (polyt. Journal Bd. CII S. 49), veranlaßt, daß gegenwärtig
bei galvan. Untersuchungen das Wägen der Kathoden und Anoden nicht mehr genügt, um
positiv zu bestimmen: ob wirklich, durch Einwirkung des galvanischen Stroms so viel
Kupfer von der Anode aufgelöst, als davon an der Kathode niedergeschlagen wird. Bei
der ersten Versuchsreihe nahm ich eine neutrale Kupfervitriolauflösung, welche mit
Wasser bis zu 1,13 verdünnt war. Die Auflösung wurde mit Wasser verdünnt, um der
Krystallisation vorzubeugen, welche bei concentrirten Auflösungen, durch bloße
Verdampfung an der Luft während der Arbeit, welche einige Tage dauert, immer
stattfindet. Dieser dem Anscheine nach unbedeutende Umstand hat großen Einfluß auf
die Veränderung der Auflösung, d.h. auf das Verhältniß des Kupfers zur
Schwefelsäure, wenn man annimmt, daß die Kupfervitriolauflösung, bei der Einwirkung
des Stroms, nach Verlauf einiger Zeit sauer geworden seyn sollte; denn die
Auskrystallisirung des Kupfervitriols könnte die Ursache der Vermehrung des
Procentgehaltes der Schwefelsäure im Verhältniß zum Kupfer seyn. Alles
Obenangeführte in Betreff der neutralen Kupfervitriolauflösungen findet bei den
sauren Auflösungen, welche in meiner galvanoplastischen Anstalt gebraucht werden,
wirklich statt, wo die der Luft bloßgestellte Oberfläche 220 Quadratmeter beträgt.
Bei so bedeutender Oberfläche ist die Verdampfung der Auflösungen in der That sehr
bedeutend, und man bemerkt an den aus der Flüssigkeit hervorragenden Wänden der
Anoden und am Boden der Gefäße immer eine Krystallisation des Kupfervitriols. Wenn
man annimmt, daß die saure Auflösung 12 Proc. CuS und 3
Proc. freie Schwefelsäure enthielt, so wird das Verhältniß des Kupferoxyds zu der
gesammten Schwefelsäure wie 2 : 3; krystallisirt aber 1/3 des Kupfervitriols aus der
Auflösung in Folge der Verdampfung aus, so verändert sich das Verhältniß des Kupferoxyds zur
Schwefelsäure und wird wie 1 : 2; folglich werden die Auflösungen durch diese
Verdampfung immer mehr und mehr sauer. Da es mir interessant schien zu wissen, ob
bloß ans dieser Ursache die Vergrößerung des elektro-negativen Gliedes der
Proportion abhängt, so unternahm ich in dieser Absicht die erste Versuchsreihe, wie
schon oben bemerkt ist, mit einer neutralen Kupfervitriolauflösung.
Die elektro-chemische Wirkung in der Auflösung wurde durch ein Bunsen'sches Element erzeugt, und der Strom ging durch
eine Inductionsmaschine. Den Commutator dieser Maschine setzte ich vermittelst eines
kleinen oberschlächtigen Wasserrades in Bewegung, welches unter den Krahn eines
Wasserleitungsrohrs in meinem Laboratorium gestellt war, und ich konnte also bei
vollkommen gleichen Umständen von zwei- bis dreimal 24 Stunden ununterbrochen
operiren. Die Zahl der Umdrehungen des Wasserrades, folglich auch die des
Commutators, in einer gegebenen Zeit, war bei allen Versuchen dieselbe, die Größe
der Anoden und Kathoden, so wie deren Entfernung von einander, ebenfalls dieselbe,
die Batterie wurde nach Verlauf einer bestimmten Anzahl Stunden von Neuem geladen,
folglich war die Stärke des Stromes bei allen Versuchen gleich.
Die folgende Tabelle enthält die Resultate der Untersuchungen:
Textabbildung Bd. 104, S. 295
Zahl der Versuche, jeder nach
Verlauf von 12 Stunden angestellt; Quantität des Kupfers, welches sich an der
Kathode niedergeschlagen hat; Gewichtsverminderung der Anode; Zusammensetzung
der Kupfervitriolauflösung, bestimmt durch normale Auflösungen von
Schwefelnatrium und Chlorbarium; Verhältniß des Kupfers zur gesammten
Schwefelsäure; Zusammensetzung der Kupfervitriolauflösung nach der chemischen
Analyse; Verhältniß des Kupfers zu der ihm gehörigen Schwefelsäure
Aus diesen Versuchen folgt: 1) daß eine neutrale Kupfervitriolauflösung bei
Einwirkung des galvanischen Stromes nicht verändert wird, d.h. daß das Verhältniß
des Kupfers zur Schwefelsäure fast constant bleibt; 2) daß sich die
Kupfervitriolauflösung immer mehr an Wassergehalt concentrirt, von 88,51 Proc. bei
dem ersten bis 88,25 Proc. bei dem letzten Versuch (die Quantität des Wassers war
nach dem Verlust bei den Proben mit Normalauflösungen, so wie auch bei den Analysen
bestimmt); und 3) daß sich das Resultat der Analysen bei Bestimmung der
Schwefelsäure und des Kupfers sehr wenig von den Versuchen mit Normalauflösungen von
Schwefelnatrium und Chlorbarium unterscheidet.
Zu den Anoden und Kathoden nahm ich gewöhnliches Kupfer, wie solches im Handel
vorkommt. Nach einiger Zeit jedoch bildete sich immer an der Anode ein schwarzes
Pulver, welches ich alle 12 Stunden von der Platte abspülte und darauf die Anoden
sowie auch die Kathoden abwog. Bei den ersten Versuchen, welche 48 Stunden, und beim
zweiten, der weiter beschrieben wird und 72 Stunden dauerte, bedeckte der
Niederschlag die Anode vollkommen und störte dadurch die gleichförmige Wirkung; denn
nach Verlauf von 72 Stunden, bei diesem letzten Versuch, hatte die Anode in der
Mitte noch eine beträchtliche Dicke, während die Kanten derselben, wo der
Niederschlag sich nicht fest ansetzen konnte, so dünn und scharf wurden, daß sich
Korke und andere minder feste Körper sehr leicht damit schneiden ließen. Bei allen
oben erwähnten Versuchen war dieser Niederschlag unbedeutend und so fein auf die
ganze Oberfläche vertheilt, daß man ihn schwer ohne Verlust sammeln konnte; darum
hat man denselben zum Gewichtsverlust der Anode anzurechnen.
Lange wurde dieser Niederschlag in meiner galvanoplastischen Anstalt für Kupferoxyd
angesehen, und man forschte nach der Ursache seiner Bildung. Wie groß jedoch war
meine Verwunderung, als ich bei gegenwärtigen Versuchen den gesammelten Niederschlag
mit Salpetersäure behandelte und beim Versehen dieser Lösung mit Ammoniak im
Ueberschuß nicht die geringste blaue Färbung wahrnahm.
Zur weitern Untersuchung nahm ich aus meiner Anstalt den Niederschlag, welcher sich
an einer Anode gebildet hatte, und nachdem derselbe ausgesüßt und getrocknet war,
hatte er eine dunkelgraue Farbe mit einem Stich ins Grüne. Beim Erwärmen in einem
Glascylinder wird die Farbe dunkler, wobei sich anfänglich ein Rauch entwickelt, der
nach verbranntem Holzgeist riecht und von der Anwesenheit organischer Substanzen
herrührt; nachher aber, bei stärkerer Erwärmung, bildet sich an den Wänden des
Glases ein weißer Anflug; es entwickelt sich hiebei ein Geruch nach verfaultem
Rettig; und an den kälteren Theilen des Cylinders bilden sich Tropfen, welche das Lackmuspapier
roth färben. Glüht man den Niederschlag vor dem Löthrohr auf Kohle in der
Reductionsflamme, so verbreitet sich anfänglich ein Knoblauchgeruch, später aber ein
Geruch nach verfaultem Rettig. Mit Soda behandelt, entwickelt sich der Arsenikgeruch
merkbarer; aus der geschmolzenen Masse scheiden sich kleine Körner von weißem,
sprödem Metall aus, und die mit Soda durchtränkte Kohle auf blankes Silber gelegt
und mit Wasser befeuchtet, gibt dem Silber einen dunkeln Fleck. Wenn man den
Niederschlag mit Soda und Salpeter schmilzt, so erhält man ein Salz, welches in
Wasser aufgelöst und mit Salzsäure bis zur Vernichtung des Chlorgeruchs behandelt,
durch Chlorbarium einen Niederschlag gibt. Die von der schwefelsauren Baryterde
abfiltrirte Auflösung erzeugt durch schwefligsaures Natron einen schwarzen
Niederschlag. Die zu untersuchende Masse mit schwarzem Fluß in einem hessischen
Tiegel geschmolzen, gibt eine spröde metallische Legirung von weißer Farbe.
Behandelt man diese Legirung mit Salpetersäure, so bleibt ein
dunkel-rosenrothes Pulver unaufgelöst, welches beim Glühen Weiße Dämpfe von
arseniger Säure entwickelt; mit schwachem Königswasser aber ferner behandelt, wird
es weiß und besteht dann nur aus Zinnoxyd. Die dabei erhaltene Auflösung mit
Eisenvitriol versetzt, gibt eine Fällung von Gold. In der salpetersäurehaltigen
Auflösung gibt die Schwefelsäure eine Fällung von schwefelsaurem Bleioxyd, Salzsäure
aber – eine käseartige Fällung von Chlorsilber, die in Ammoniak löslich ist.
In der abfiltrirten Flüssigkeit gibt Schwefelwasserstoffgas eine schwarze Fällung,
welche mit Salpetersäure behandelt, eine Auflösung gibt, die von Ammoniak blau
gefärbt wird. Die vom Schwefelwasserstoff durch Kochen befreite und abfiltrirte
Flüssigkeit zeigt durch Ammoniak Spuren von Eisen. Aus der vom Eisenoxyd
abfiltrirten Auflösung erhält man vermittelst Schwefelwasserstoffammoniak keine
Fällung.
Demnach besteht also der Niederschlag aus Schwefel, Selen, Arsenik, Zinn, Gold,
Silber, Kupfer und Eisen. Eine fernere Untersuchung wird ohne Zweifel erklären, in
welchem Zustande diese Körper sich in dem Niederschlage befinden. Gegenwärtig kann
man mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß Arsenik, Zinn, Silber, Kupfer und
Eisen sich darin im oxydirten Zustande befinden, Gold in metallischer Gestalt, Blei
im Zustande eines schwefelsauren und selensauren Salzes. Selen und Arsenik sind
wahrscheinlich in der Schwefelsäure, womit die Kupfervitriolauflösung angesäuert
wird, als Säuren aufgelöst gewesen; die übrigen Bestandtheile des Niederschlags aber
sind Verunreinigungen des im Handel vorkommenden Kupfers, welches nach den Versuchen in oben angeführter
Tabelle 97,4 Proc. reinen Metalls enthält.
Die Bildung dieses Niederschlags bietet eine höchst interessante Erscheinung dar,
indem alle elektro-negativen Körper, welche in dem im Handel vorkommenden
Kupfer, sowie auch die, welche in der Kupfervitriolauflösung enthalten sind, an der
Anode ausgeschieden werden. Die Anwesenheit des Kupfers und Eisens in dem
Niederschlage, welcher sich bei großen galvanoplastischen Arbeiten bildet, läßt sich
sehr leicht dadurch erklären, weil das im Handel vorkommende Kupfer immer Spuren von
Eisen enthält und bei dem Gahrmachen einen Theil seines Oxyds auflösen kann. Diese
beiden Metalle sind wahrscheinlich deßhalb im Niederschlage geblieben, weil ihre
Quantitäten äußerst gering und von den andern Bestandtheilen so stark umhüllt waren,
daß die Schwefelsäure auf dieselben nicht wirken konnte. Bemerkenswerth dabei ist
noch, daß das Eisen, als elektro-positives Metall im Verhältniß zum Kupfer,
sich nicht aus den Kupfervitriolauflösungen durch die Einwirkung des galvanischen
Stromes ausscheidet, sondern immer constant in einer und derselben Quantität bleibt,
wie man es durch die Versuche mit den Auflösungen aus oben angeführter Tabelle
ersehen kann. Diese Ausscheidung des Niederschlags, oder besser gesagt Concentrirung
der im Kupfer enthaltenen fremden Bestandtheile, bietet ein gutes Mittel dar, um den
Grad der Reinheit des Kupfers der Quantität nach zu bestimmen. Dazu muß man eine
Auflösung von chemisch reinem Kupfervitriol nehmen und dieselbe mit chemisch reiner
Schwefelsäure ansäuern. Aus dem zu untersuchenden Kupfer, z.B. 50 Gram. an Gewicht,
wenn es als Anode in die Kette eingeschaltet wird, kann man mit Hülfe des
galvanischen Stromes alle fremden Bestandtheile auf der Oberfläche ausscheiden.
Dieses Gewicht des zu untersuchenden Kupfers wird durch den Verlust im Gewichte der
Anode bestimmt, z.B. nach viertägiger Einwirkung des Stromes, wobei das reine Kupfer
an der Kathode niedergeschlagen wird und dadurch die Zunahme an Gewicht den
Procentgehalt an chemisch reinem Kupfer angibt. Aus 50 Gram. erhält man schon eine
hinlängliche Menge des Niederschlags, um alle Bestandtheile genau quantitativ zu
bestimmen, während man dieses Gewicht durchaus nicht zu einer gewöhnlichen Analyse
nehmen kann. Schon bei dem größtmöglichen Gewicht von 5 Gram. bei gewöhnlichen
Analysen werden alle Operationen der Untersuchung sehr erschwert, und überdieß
erhält man aus 5 Gram. Metall kaum 0,2 Gram. fremder Bestandtheile, wenn man
annimmt, daß das im Handel vorkommende Kupfer 96 Proc. reines Metall enthält. Bei
der Untersuchung jedoch, wie es oben angegeben ist, erhält man aus 50 Gram. fast 2 Gram. fremder
Bestandtheile eine Quantität, die hinreichend ist, um eine Analyse vorzunehmen.
Der Niederschlag, welcher sich an der Anode bildet, übt einen großen Einfluß auf den
Erfolg der galvanoplastischen Arbeiten in technischer Hinsicht aus, und der oben
angeführte Versuch, welcher 48 Stunden dauerte, wobei alle 12 Stunden die Anode
gereinigt wurde, gab an galvanischem Kupfer 13,076 Gram., welches sich an der
Kathode niederschlug, und wurde in der Absicht gemacht, um auszumitteln, ob das
Verhältniß des Kupfers zur Schwefelsäure bei Einwirkung des Stromes sich verändert.
Ein vergleichender Versuch bei einerlei Umständen, sowohl in Hinsicht der Stärke des
Stromes, Geschwindigkeit der Bewegung des Commutators in der Inductionsmaschine,
Zusammensetzung der Auflösung, Größe der Oberfläche der Kathode und Anode, sowie der
Entfernung derselben von einander, aber ohne Reinigung der Anoden, gab in Zeit von
72 Stunden 13,357 Gram. galvanischen Kupfers an der Kathode – also fast eben
so viel wie der oben erwähnte Versuch in 48 Stunden Kupfer gab. Der
Leitungswiderstand des galvanischen Stromes durch die Bildung des Niederschlags an
der Anode vermindert also die chemische Wirkung im Verhältniß von 2 : 3, d.h. daß
man bei übrigens ganz gleichen Umständen mit gereinigten Anoden in 2 Tagen eben so
viel Kupfer niederschlagen kann, wie mit ungereinigten in 3 Tagen – ein
Verhältniß, welches schon sehr bedeutend ist und noch bedeutender wird, wenn man
einen größern Zeitraum zum Maaßstab nimmt.
Endlich führt das Resultat der Untersuchungen dieses Niederschlags zu einem wichtigen
Schluß in Betreff der Möglichkeit, auf galvanischem Wege die edlen Metalle aus dem
gold- und silberhaltigen, im Handel vorkommenden Kupfer auszuscheiden; es
bietet eine Methode dar, welche mit der Methode, die zur Scheidung des Goldes vom
Silber angewendet wird, wetteifert und dem Bereiche der Technik ein neues Mittel
gibt, bei günstigen Umständen die Schätze sich zu Nutze zu ziehen, welche die Natur,
um gleichsam den Menschen zu neuen Forschungen zu reizen und seiner Wißbegierde zu
genügen, in außerordentlich dürftigem Gehalte an verschiedenen Fundorten der
Kupfererze zerstreut hat.