Titel: | Ueber die Bereitung der phosphorsauren Ammoniak-Bittererde mittelst Urin; von Boussingault. |
Fundstelle: | Band 104, Jahrgang 1847, Nr. LXXXV., S. 392 |
Download: | XML |
LXXXV.
Ueber die Bereitung der phosphorsauren
Ammoniak-Bittererde mittelst Urin; von Boussingault.
Aus den Annales de Chimie et de Physique, Mai 1847, S.
117.
Boussingault, über die Bereitung der phosphors.
Ammoniak-Bittererde mittelst Urin.
Hr. Stenhouse hat vor einiger
Zeit ein Verfahren angegebenPolytechn. Journal Bd. XCVIII S.
448., wodurch man in Stand gesetzt ist, die Phosphorsäure der im menschlichen
Urin enthaltenen phosphorsauren Alkalien für die Landwirthschaft zu benutzen. Man
braucht nämlich diese Flüssigkeit nur mit Kalkmilch zu versetzen, welche einen
Niederschlag von phosphorsaurem Kalk hervorbringt.
Ich vermuthete, daß es gelingen dürfte, mittelst eines Bittererdesalzes nicht nur die
Phosphorsäure abzuscheiden, sondern auch einen Theil des Ammoniaks, welches sich
während der Fäulniß des Urins entwickelt. Die Versuche, welche ich deßhalb
anstellte, überzeugten mich, daß es in der That sehr leicht ist dieses Resultat zu
erzielen; man erhält so einen Dünger, welcher zwei für die Vegetation nützliche
Bestandtheile des Urins enthält, die Phosphorsäure und das Ammoniak.Ein englischer Chemiker, Dr. Smith, hat bereits denselben Vorschlag gemacht;
er benutzte zur Gewinnung des phosphorsauren Doppelsalzes kohlensaure oder
schwefelsaure Bittererde, während der Verfasser salzsaure Bittererde
anwendet; man vergl. polytechn. Journal Bd. CIII S. 468.
Im Monat Junius vermischte ich 63 Kilogr. frischen, Morgens gesammelten Urins mit
salzsaurer Bittererde. Nach fünf Tagen hatte der Urin ein milchartiges Aussehen und
von dieser Zeit an nahm der Niederschlag von phosphorsaurer
Ammoniak-Bittererde rasch zu. Einen Monat später goß ich ab und sammelte das
phosphorsaure Salz auf Leinwand, um es auszuwaschen. Dieses Salz war sehr weiß und
bestand aus lauter kleinen Krystallen; an der Luft getrocknet wog es 460 Gramme: der
Urin lieferte also beiläufig 7 Proc. phosphorsaure Ammoniak-Bittererde. Das
dem Urin beigemischte Bittererdesalz verminderte sehr den üblen Geruch, welchen er sonst
bei seiner Fäulniß verbreitet; man begreift übrigens, daß keine Entwickelung von
kohlensaurem Ammoniak stattfinden konnte, weil sich dasselbe sogleich in ein fixes
Salz umsetzen mußte.
Das beschriebene Verfahren scheint mir in allen Anstalten, wo man eine große Menge
Urin sammeln kann, eine vortheilhafte Anwendung zu gestatten, z.B. in den Fabriken,
Spitälern, Gefängnissen, welche sich in den Städten befinden; denn man erhält auf
diese Weise einen sehr wirksamen Dünger in Form eines leicht zu versendenden
Pulvers. Die Verminderung des üblen Geruchs verdient ebenfalls Berücksichtigung;
offenbar muß ein Bittererdesalz in diesem Falle als desinficirender Körper wirken.
Wenn sich aber die erwähnten Anstalten auf dem Lande befinden, würde das Verfahren
wenig Nutzen gewähren; denn es springt in die Augen, daß wenn die Frage des
Transports wegfällt, man nichts besseres thun kann, als große Massen Urin, worüber
man zu verfügen hat, ohne alle Zubereitung direct anzuwenden; der Zusatz eines
Bittererdesalzes würde in diesem Falle nur den Vortheil gewähren, daß er den Verlust
durch ammoniakalische Dämpfe verhindert, welcher jedoch nach meiner Meinung bei
weitem nicht so groß ist als man anzunehmen pflegt.