Titel: | Ueber Verhütung der Achsenbrüche bei Eisenbahnwagen; von F. Busse, Bevollmächtigter der Leipzig-Dresdener Eisenbahn-Compagnie. |
Autor: | Friedrich Busse [GND] |
Fundstelle: | Band 104, Jahrgang 1847, Nr. LXXXVI., S. 402 |
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LXXXVI.
Ueber Verhütung der Achsenbrüche bei
Eisenbahnwagen; von F.
Busse, Bevollmächtigter der Leipzig-Dresdener
Eisenbahn-Compagnie.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Busse, über Verhütung der Achsenbrüche bei
Eisenbahnwagen.
Hiemit übergebe ich allen Verwaltungsbehörden von Eisenbahnen meine nachstehend
beschriebene Erfindung, wodurch denselben vielleicht die schwerste Sorge und
Verantwortlichkeit abgenommen werden dürfte. Ich stelle diese Erfindung zu
unbeschränkter Benutzung unter nachfolgenden Bedingungen, deren Erfüllung ich einzig
und allein der Ehrenhaftigkeit der gedachten Verwaltungsbehörden anheim gebe,
anstatt daß ich solche unter Privilegien- oder Patentschutz stelle.
Ich gestatte demnach jeder Verwaltungsbehörde ihre Wagen nach meiner Erfindung neu
erbauen oder alte danach einrichten zu lassen und alle beliebigen Versuche damit
anzustellen.
Für den Fall jedoch, daß meine Erfindung in Gebrauch genommen wird, bedinge ich mir
ein Honorar von fünf Thaler für jedes Rad, welches unter den nach meinem Principe
erbaueten oder eingerichteten Wagen auf die Bahn gebracht wird.
Man wird diese Bedingung nicht unbillig finden, da es bekannt ist, daß durch einen
einzigen Achsenbruch oft Tausende an Reparaturkosten verursacht worden sind.
Von dem mir auf solche Weise zufallenden Honorar bestimme ich 25 Proc. als Geschenk
den Unterstützungscassen oder Pensionsfonds für die Eisenbahnbeamten. Davon sollen
20 Proc. dem Pensionsfond der Eisenbahnbeamten zufallen, deren Verwaltungsbehörde
das Honorar zahlt, und 5 Proc. der Unterstützungscasse der Leipzig-Dresdener
Eisenbahn-Compagnie, so lange ich dem Betriebe derselben vorstehen werde.
Beschreibung der von mir erfundenen Construction von
Eisenbahnwagen zu dem Zweck Achsenbrüche und deren verderbliche Folgen zu
verhüten.
Jedermann, der mit den Eigenthümlichkeiten des Eisenbahnbetriebs sich vertraut
gemacht hat, wird auch die Ueberzeugung gewonnen haben, daß die Achsen der Fahrzeuge
ein Gegenstand von höchster Wichtigkeit sind, weil durch den Bruch derselben nicht
nur die größten Gefahren für die Reisenden, sondern auch die kostspieligsten
Reparaturen an den Fuhrwerken wie an der Bahn herbeigeführt werden.
Ich habe mir deßhalb seit Jahren schon die Aufgabe gestellt alle Möglichkeiten zu erschöpfen, um das Brechen der Achsen zu
verhüten.
Zunächst habe ich versucht, durch verschiedene Constructionen von Achsen dieselben in
sich selbst haltbarer zu machen und unter andern auch Achsen ohne durchgängige Schweißung in Vorschlag gebracht. In meinen öffentlichen
Mittheilungen habe ich die Gründe entwickelt, weßhalb ich glaube, daß namentlich die
nach meinem System construirten Achsen aus Flach- oder Winkeleisen
(polytechn. Journal Bd. CII S. 99) der
Zerstörung länger als andere widerstehen dürften.
Um jedoch diese Voraussetzungen vollständig erweisen zu können, bedarf es einer Reihe
von Jahren und auch diese werden kaum ein sicheres Resultat geben können, denn nach
allen bisherigen Beobachtungen scheint es leider nur zu fest zu stehen, daß die
Beschaffenheit des Eisens überhaupt ein unüberwindliches Hinderniß entgegenstellt,
um Achsen in ihrer jetzigen Gestalt oder vielmehr für die
bisher gebräuchliche Anwendungsart derselben so haltbar herzustellen, daß
sie nicht brechen.
Es ist sogar mit Gewißheit anzunehmen, daß alle Achsen, wenn solche wie jetzt benutzt
werden, über kurz oder lang brechen, ihre Construction möge seyn, wie sie immer
wolle.
Es liegen Erfahrungen vor, nach welchen von einer Anzahl Achsen aus einer Fabrik bei
völlig gleichartiger Benutzung einige nach wenig Tagen schon gebrochen sind, während
andere davon in sehr verschiedenartig längern Zeiträumen brachen und wieder andere
von denselben nach zehnjährigem Gebrauch noch halten.
Man hat demnach durchaus kein Mittel, um mit Sicherheit wissen zu können, ob eine
Achse überhaupt haltbar, wie lange solche diensttüchtig oder wann ein Bruch
derselben zu befürchten sey.
Die verschiedenen Hypothesen, die über die Ursachen der Achsenbrüche aufgestellt
sind, will ich hier unberührt lassen und nur zwei der einleuchtendsten davon hier
anführen, nämlich daß diese Ursachen in dem mit jeder Raddrehung veränderten
hämmernden Schlage des Gewichts der Achse zwischen beiden Rädern auf die gewöhnliche
Bruchstelle dicht an der Nabe begründet sind, oder aber nach andern Ansichten in dem
Druck der auf den Zapfen der Achse liegenden Last des Wagens auf die Räder als
Hebelpunkt und der hieraus erfolgenden, immerfort sich drehenden, biegenden Wirkung
auf den Theil der Achsen zwischen den Rädern.
Es mag dahin gestellt bleiben, welche von beiden Hypothesen die mehr oder minder
richtige ist.
Die Aufgabe, welche zu lösen ich mir gestellt habe, ist: die
Wirkung zerstörender Einflüsse auf die Achsen unschädlich zu machen.
Daß durch die Construction der Achsen bei der bisherigen
Anwendungsart der Bruch derselben zu vermeiden seyn werde, deck steht nach meiner
jetzigen Ansicht, wie schon gesagt, die natürliche mangelhafte Beschaffenheit des
Eisens entgegen.
Ich habe deßhalb meine seitherige Hoffnung, auf diesem Wege das erwünschte Ziel zu
erreichen, aufgeben und auf andere Mittel sinnen müssen.
Diese Mittel bietet die Mechanik und zwar, wie ich glauben
darf, in hinlänglicher Vollkommenheit.
Ich unterstütze die Achse an den bekannten Bruchstellen.
Dadurch wird, wie ich weiterhin näher erläutern will, die Achse zwischen den Rädern
verkürzt, also nicht allein die Tragfähigkeit
außerordentlich vermehrt und die hämmernde Last derselben bedeutend vermindert,
sondern auch die Einwirkung nach der zweiten Hypothese (nämlich der Druckpunkt der
Last) in die Mitte der Radnabe verlegt, mithin fast unwirksam und unschädlich
gemacht.
Ich verhindere sonach die Molekulartrennung, respective Zerbiegung des Eisens oder
bringe solche doch auf das äußerste Minimum.
Bei der seitherigen Anwendungsart der Achsen hat jedes Rad nur ein Auflager in der
Achsenbüchse.
Ich gebe aber jedem Rade zwei Auflager und zwar zu beiden
Seiten desselben dicht an der Nabe und lege auf jedes derselben eine Feder. Durch
diese Anordnung wird die Last eines vierrädrigen Wagens auf acht Punkte der Achse
gebracht und zwar zu beiden Seiten der Räder, anstatt daß solche jetzt auf nur vier
Punkten und einseitig neben denselben liegt.
Um dieses in Ausführung zu bringen gebe ich dem Wagen, oder vielmehr den Achsen,
einen besondern Rahmen a (Fig. 16 u. 17), den ich
Achsenrahmen nennen will, welcher in die Stelle der jetzigen Achsenbüchse tritt, die
Räder zu beiden Seiten umschließt und wie die Achse selbst, von einem Rad zum andern
hinüberreicht a, a
Diese Construction mit dem Achsenrahmen, verkürzten Achsen und doppelten
Lagern zwischen den Rädern habe ich übrigens vor zwei Jahren schon
ausgeführt und solche manchem in- und ausländischen Techniker offen
zur Ansicht gestellt. Ich beabsichtigte bei dieser Ausführung zugleich die
Möglichkeit zu versuchen, jedes Rad für sich umlaufen zu lassen. Weßhalb ich
diese, für Curven wichtig scheinende Construction sistirt habe, darauf komme
ich vielleicht später noch einmal zurück.. Unter diesen Rahmen werden die acht Achsenpfannen b befestigt, in welchen die zu beiden Seiten der Räder auf eigenthümliche
Weise abgedrehten Achsenschenkel c laufen, die mit
selbstwirkenden Oelhebern d versehen sind, ganz in der
Art wie meine schon veröffentlichte Patentachsenbüchse, womit die Wagen tausende von
Meilen durchlaufen können, ohne einer erneuerten Schmierung zu bedürfen, was
besonders bei dieser Construction wichtig ist. Auf den Achsenrahmen kommen die
Federn e zu liegen, welche auf den entsprechenden
Punkten den correspondirenden Wagenrahmen A tragen, an
welchem die sogenannten Achsenhalter befestigt und mit dem Achsenrahmen verbunden
sind. Diese Achsenhalter brauchen nur einfach zu seyn und können in sehr beliebiger
Gestalt entweder mit der äußern Achsenbüchse, wie hier angenommen, oder mit sonst
einem Punkt des Achsenrahmens in Verbindung gebracht werden.
Dem Einwande, daß dieser Wagen in seinen acht Achsenpfannen mehr Friction haben
werde, begegne ich durch die Bemerkung, daß ein jetzt gebräuchlicher Wagen mit sechs
Rädern, den ich hier als Gegensatz aufstelle, nicht weniger Friction hat, aber keine
so schwere Last zu tragen vermag, als der meinige auf vier Rädern. Auch können die
Reibungsflächen in den Pfannen b beliebig größer oder
kleiner genommen werden. Ueberdieß ist es ja auch bekannt, daß nicht die
Reibungsfläche, sondern der Druck auf dieselbe den Frictionswiderstand bedingt.
Ein etwaniger Einwurf, daß diese Construction theurer sey als die bisher gewohnte,
würde sich selbst widerlegen. Was der Achsenrahmen, die doppelten Federn etc.
kosten, balancirt sich allein schon überreichlich durch die schwerere Ladung, welche
hier vier Räder mit größerer Sicherheit tragen, als sechs Räder nach der jetzigen
Construction. Ueberdieß aber kosten die hier in Wegfall kommenden zwei Räder mit
Achse mehr als mein Achsenrahmen mit allem Zubehör.
Man könnte vielleicht meinen, daß der Achsenrahmen gar nicht nöthig und es genügend
sey zu beiden Seiten des Rads nur eine Achsenbüchse mit Feder aufzusetzen, allein
dieser Meinung müßte ich aufs entschiedenste widersprechen, weil dann die
Einwirkungen der vorstehend in Frage gestellten Einflüsse auf die nachgiebigen
innern Federn e, e drückend oder hämmernd die Zerstörung
der Achsen in gleicher Weise wie bisher herbeiführen würden.
Durch die feste unterstützende Auflage des Rahmeus auf die Achse aber wird diese
verkürzt, gleichsam in drei Achsen (zwei tragende und eine verbindende) zerlegt,
erhält dadurch eine sehr große Tragfähigkeit und wird, wie schon gesagt, gegen die
gedachten zerstörenden Einwirkungen vollständig geschützt.
So wird auch unter andern durch den Achsenrahmen die Möglichkeit gegeben, den Wagen
auf eine beliebig große Zahl von sehr schwachen Federn zu legen und demselben
dadurch eine äußerst weiche und sanfte Bewegung zu ertheilen.
Der Achsenrahmen kann nach Bedürfniß auch für eine Achse allein in Anwendung kommen,
z.B. für die Vorderachse der Locomotiven, deren Bruch der gefährlichste ist. In
diesem Fall kommt der Achsenhalter getrennt an beide Endpunkte des Rahmens, oder man
braucht nur die Feder umgekehrt, mit den Spitzen nach unten zu legen.
Das Unglück auf der Versailler Bahn z.B. würde wahrscheinlich verhindert worden seyn,
wenn die Vorderachse der Locomotive einen solchen Tragrahmen gehabt hätte.
Um die Wagen mit vier oder acht Rädern der jetzigen Construction für die meinige
einzurichten, ist nur erforderlich durch entsprechende Einsetzung der beiden
Längenstücke B oder auf sonst eine beliebige Weise an
dem Tragrahmen A das nöthige Auflager für die innern
Federn zu erhalten.
Es ist übrigens selbstredend, daß meine Construction mit unzähligen Abänderungen
auszuführen steht; als meine Erfindung aber nehme ich hauptsächlich in Anspruch:
die Anwendung von vier Unterstützungspunkten an einer Achse,
anstatt daß bisher nur deren zwei benutzt worden sind, sowie die Anwendung eines
besonderen Achsenrahmens, welcher die tragenden Theile der Achsen unterstützt
respective verkürzt, wodurch denselben eine außerordentlich große Tragfähigkeit
gegeben und die Zerstörung des Eisens an den Bruchstellen verhütet oder doch in
hohem Grade vermindert wird.
Dem Sachverständigen wird meine Beschreibung vollkommen deutlich seyn, überdieß aber
beziehe ich mich auf die angefügten Zeichnungen, wovon Fig. 16 die Seitenansicht
des Wagens, mit dem darüberliegenden Wagenrahmen A, Fig. 17, den
Querschnitt durch die Mitte der Achse der Länge nach darstellen.
Eine Erklärung der Fig. 16 ist für den Sachverständigen nicht erforderlich und selbst über
Fig. 17
dürften, außer dem Vorstehenden noch weitere Erläuterungen überflüssig seyn, da die
Construction meiner hier benutzten, mit selbstwirkendem Oelschmierapparat versehenen
Achsenbüchse durch meine Beschreibung derselben im polytechn. Journal Bd. XCV S. 163 bekannt ist, auf welche ich
mich beziehe.
Die Achse ist anstatt des bisher gebräuchlichen Vorderkopfes mit einem Ring oder
Wulst in der Mitte des Zapfens d abgedreht, welcher als
Oelheber dient. Diese Wulst taucht in das darunter befindliche, den Untertheil der
Achsenbüchse bildende Oelbehältniß m und führt das Oel
bei der Drehung des Rades immerfort nach oben in die Achsenpfanne, welche nach der
bekannten Art an den Zapfen gegossen ist. Auch verhütet diese Wulst die seitliche
Abnutzung der Pfanne, da die Reibungsfläche n, welche
durch einfliegenden Sand etc. sich schnell abnutzt, nun nach o gebracht und der untere Theil der Büchse durch einen in dem doppelten
Oeldamm p befindlichen, sich an die Achse legenden
Filzwulst (welchem beliebig auch eine Feder untergelegt werden kann) geschlossen
ist. Es liegen Pfannen vor, welche ein Jahr lang auf diese Weise gelaufen sind und
keine Abnutzung seitwärts an dem Wulst zeigen. Der Einguß des Oels geschieht
entweder von vorn oder seitwärts durch die Oeffnung r.
Es kann solches aber auch von oben her eingegossen werden oder durch einen in den
Raum s gelegten Docht überziehen. Das Einfachste bleibt
aber, das Oel unten einzugießen, weil alle Dochtvorrichtungen unsicher sind. So
lange nun das Oel in dem Behältniß m hoch genug steht,
daß der Wulst d es erreichen kann, so lange erfolgt auch
die vollkommenste Schmierung der Achsenpfanne. Der von der Pfanne sich abschleifende
Schlamm legt sich in die Vertiefung bei m und treibt das
dünne Oel nach oben. Man kann in das Oelbehältniß auch einige Korkstöpsel legen,
welche oben schwimmen, sich an den Zapfen legen und sich drehend, demselben
immerfort das Oel mittheilen.
Dergleichen Achsenbüchsen haben über 3000 Meilen durchlaufen, ohne daß ein Tropfen
Oel nachgefüllt oder eine Achse warm geworden wäre.
Es bleibt mir nur noch übrig die hauptsächlichsten Vortheile zusammenzustellen,
welche meine Construction den Eisenbahnverwaltungen gewähren wird:
1) Achsenbrüche und deren gefährliche oder kostspielige Folgen erscheinen fast als
unmöglich. Selbst dann, wenn ein Achsenbruch bei dieser Construction noch als
möglich angenommen werden soll, so wird derselbe nur dicht an der innern
Achsenpfanne g erfolgen können, deßhalb aber ohne
schädliche Wirkung seyn, da das Rad in solchem Fall in seinen beiden an dem
Achsenrahmen liegenden Achsenpfannen, also auch auf der Schiene, bleiben würde.
2) Eine Ueberladung und deren verderbliche Einwirkung ist auf keine Weise zu
befürchten, da mein Wagen auf vier Rädern mit gestützten respective verkürzten
Achsen, die drei- oder mehrfach größere Last tragen wird als es die bisher
gebräuchliche Construction gestattet.
3) Meine Construction wird demnach mehr Sicherheit als jede andere gewähren, für das
Leben der Reisenden sowie für alle Transportgegenstände, und gegen die
Beschädigungen, kostspieligen Reparaturen, Verluste etc., welche durch Achsenbrüche
so häufig an den Fuhrwerken, der Bahn, den Frachtgütern oder sonstigen
Transportgegenständen entstehen.
4) Mein Achsenrahmen bietet das Mittel um wirksame Hemmapparate wohlfeiler und so anzubringen, daß die Federn völlig freies Spiel
behalten.
5) Diese Construction ist mehr als jede andere geeignet um die Achsen des Tender und
einer beliebigen Anzahl von Wagen eines Trains durch Treibriemen oder andere
geeignete Bewegungsmittel mit den Treibrädern der Locomotive in Verbindung zu
setzen, wodurch das Gleiten der Treibräder verhütet und die dadurch verloren gehende
Locomotionskraft auf die verbundenen Tender und Wagenräder übertragen würde. Man
wird so auf eine einfache Weise mit ungekuppelten und nicht schweren Locomotiven die
Ersteigung von Anhöhen sowie die regelmäßige Fortbewegung des Trains bei Glatteis
etc. erlangen.