Titel: | Ueber das Brunnenbohren mit dem Seil (chinesisches Verfahren); von Hrn. Jobard. |
Fundstelle: | Band 105, Jahrgang 1847, Nr. VI., S. 14 |
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VI.
Ueber das Brunnenbohren mit dem Seil
(chinesisches Verfahren); von Hrn. Jobard.
Aus dem Recueil polytechnique, Februar 1847, S.
81.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Jobard, über das Brunnenbohren mit dem Seil.
„Wenn dieses Verfahren gut wäre, würde es überall sogleich angenommen
werden.“ So pflegt man bei allen Entdeckungen und neuen Vorschlägen
zu sagen; die Erfahrung aber lehrt, daß lange Zeit erforderlich ist, um eine
Wahrheit oder etwas Neues nur zur Kenntniß zu bringen, noch weit mehr aber, um ihm
Eingang zu verschaffen, besonders wenn das Neue viel besser ist als das was es
ersetzen soll. Es ist daher nicht zu verwundern, daß die chinesische Brunnenbohrung, wozu ich die Vorrichtungen vor 18 Jahren (im
Jahr 1828) bei Marienburg (in Belgien) zum erstenmal anfertigen ließ und anwandte,
die artesische Bohrstange noch nicht allgemein verdrängt hat.
Die ersten Winke über dieses Verfahren wurden Europa von den Holländern gegeben; eine
vor ungefähr 160 Jahren in Amsterdam erschienene malerische Reise berichtet, daß die Chinesen in sehr bedeutende Tiefen Löcher in die Erde
bohren mittelst eines mit einer eisernen Hand (yzer-hand) versehenen Seils, welches den
Bohrschwand vom Grund herauf zu Tage fördert. Wäre diese Stelle einem
europäischen Erfinder zu Gesicht gekommen, so hätte die artesische Brunnenbohrung niemals die Verbreitung erhalten können, welche
sie wirklich erlangte, und man sich ihrer vielmehr nur bei kleinen Tiefen und zu engen Löchern
bedient; ein Vorzug muß ihr nämlich eingeräumt werden, bei solchen Bodenarten die
sich mittelst des Hohlmeißels bohren lassen.
Bestätigt ward das chinesische Verfahren durch den Missionär Imbert, welcher im Jahr 1827 veröffentlichte, was er in der Provinz
Ou-Tong-Kiao beobachtete, wo, wie er sagt, auf einem 10 Meilen langen
und 4 Meilen breiten Raum mehr als einmal 10,000 Brunnen sich befinden, die schon
vor undenklichen Zeiten behufs der Benutzung der Salzquellen und Erdharze, auf die
man in einer Tiefe von etwa 1800 Fuß unter der Oberfläche stößt, gegraben wurden.
Einige Brunnen die ihr Salz verloren hatten, wurden bis auf 3000 Fuß Tiefe gebohrt,
wodurch sogenannte künstliche Vulcane gebildet wurden, d.h. Ströme von
Kohlenwasserstoffgas, deren man sich zum Krystallisiren des Salzes in eisernen
Siedepfannen bedient, wovon es 300 in einem einzigen Etablissement gibt. Es ist
wahrscheinlich, daß diese Bohrlöcher durch bedeutende Steinkohlenlager gehen und daß
die Schwadenluft die sogenannten Feuerbrunnen unterhält. Wahrscheinlich würde sich diese Erscheinung unter
denselben Umständen auch bei unsern Steinkohlenlagern einstellen.
Es ist nicht zu bezweifeln daß, wenn man den Gasen im voraus einen Ausweg bahnte, die
Gefahren der zukünftigen Ausbeutung der Steinkohlenlager dadurch sehr vermindert,
vielleicht sogar die Ursachen gewisser Erdbeben gehoben würden, eine Muthmaßung des
Dr. Vidaure, weiland
Präsidenten von Peru, welcher beschloß mehrere derartige Brunnen um die Stadt Lima
herum bohren zu lassen. – Uebrigens könnte dieses Gas, vor seiner Vermengung
mit der Luft aufgesammelt, mit Nutzen zum Heizen verwendet, und auch zum Beleuchten
brauchbar gemacht werden, indem man es mit dem Dampf von Theeröl verbindet; es wäre
für eine Gegend ein unschätzbarer Vortheil, eine unversiegbare Gasquelle zu
besitzen, und man wird sich später noch verwundern, daß man sich so unsägliche Mühe
gegeben hat eines so nützlichen Körpers los zu werden.
Nachdem Pater Imbert's Brief bekannt wurde, erklärte Héricart de Thury, eine Autorität hinsichtlich der
Bohrbrunnen, daß „dieser Missionär redlich alle Details gesammelt habe,
aber ohne alle Kritik, indem es schwer zu glauben sey, daß mit einem solchen
Erdbohrer 3000 Fuß tief in die Erde gebohrt werden könne.“
Dieses Urtheil trug seine Früchte. Niemand wollte sich an ein vom Meister
verurtheiltes Verfahren wagen, mich ausgenommen, da mir die Glaubwürdigkeit des P.
Imbert bekannt ist; ich stand keinen Augenblick an, nach seinen,
allerdings etwas räthselhaften, in der Hauptsache aber unbestreitbaren Angaben mich
aus Werk zu machen.
Als P. Imbert erfuhr, daß seine Angaben von Gelehrten
bezweifelt würden, machte er eine Reise nach den Salzbrunnen, um zu sehen ob er
richtig berichtet habe. Er schrieb dann einen Brief, worin steht: „Ich maß
den Umfang des Bambuscylinders, auf welchen das Seil gewickelt wird, das die
Werkzeuge vom Grund des Bohrlochs heraufzieht, und zählte wie oft das Seil darum
gewunden ist. Der Cylinder hat 50 Fuß im Umfang und das Seil ist 62mal um
denselben gewunden; nun berechne jeder, ob dieß nicht 3100 Fuß ausmacht. Dieser
Cylinder wird von zwei, an einen Göpel gespannten Ochsen in Bewegung gesetzt;
das Seil ist nicht mehr als fingerdick, aus von Hand geflochtenen Bambusriemen
gemacht, und leibet nicht durch Feuchtigkeit.“
Man muß Hrn. v. Thury die Gerechtigkeit widerfahren
lassen, daß er, nachdem er die Zeichnung für unsere Instrumente gesehen hatte, nicht
säumte die Verurtheilung dieses Systems aus seinem Buche wieder zu streichen, und
jetzt hinreichend dafür eingenommen ist, um es denjenigen, die ihn zu Rath ziehen,
als wohlfeiler denn die Stangenbohrung zu empfehlen. Nur ahnt er die Größe dieses
Unterschieds in mehreren Terrains noch nicht; so bohrt z.B. Hr. Goulet-Collet von Reims in dem Kreideboden der
Champagne so tiefe Brunnen, als man nur will, den Fuß zu 3 Frcs., ohne arithmetische
oder geometrische Progression, wie dieß von einigen beim Stangenbohren geschieht;
hienach wäre der Brunnen zu Grenelle auf kaum 5 bis 6000 Frcs. zu stehen gekommen.
Es ist Thatsache, daß Hr. Goulet gegenwärtig seine 89te
Bohrung vornimmt, und daß jeder seiner Brunnen einer Fabrik oder einem Privatmann
150, höchstens für 300 Fr. Herstellungskosten reines Wasser liefert. Der ganze
Bohrapparat des Hrn. Goulet kostet keine 500 Frcs. und
bohrt in Kreide täglich 25 bis 32 Fuß tief.
Vergleicht man diese Bohrkosten mit jenen der Stangenbohrung, so wird man ebenso
darüber staunen, wie der Municipalrath der Seine, welcher nicht daran glaubte und
einen Unternehmer zurückwich, welcher ein um 75 Proc. geringeres Angebot machte als
seine Mitbewerber, die dem Stadtrath bewiesen, daß das Seilsystem nichts tauge
– weil sie sich desselben nicht bedienen wollten. Als Beispiel führen sie das
Mißlingen des Brunnens in der Militärschule zu Paris an, welchen Hr. Selligue unternahm, der bei 600 Fuß Tiefe aufhören mußte,
weil er sein Instrument nicht mehr herausziehen konnte, das in der Bohrhöhle stecken geblieben war
in Folge des Hinunterfallens eines Bolzens, welcher sich zwischen dem Rammblock und
der Wand wie ein Keil wirkend festsetzte; davon aber sagen sie nichts, daß der
chinesische Rammblock zweimal so schnell ging als die Stange zu Grenelle in gleichem
Boden; sie erwähnen nicht der Unerfahrenheit der mit dieser Arbeit zum erstenmal
beauftragten Personen, noch der Unvollkommenheit der von Hrn. Selligue ausgeführten Instrumente, welcher sie nicht nach den ihm von mir
zugestellten Musterrissen construiren wollte, bloß um auf seinen Namen ein Patent nehmen zu können; sie sagen nichts von der 600 Fuß
langen Röhre, welche – so war das Loch perpendiculär und wohl ausgerundet
– mit der Hand bewegt werden konnte.
Ich bin überzeugt, daß eine Untersuchung des Brunnens der Militärschule genügt hätte,
um herauszustellen, daß der chinesischen Bohrung bei weitem der Vorzug gebühre vor
der artesischen. Der Verlust des Rammblocks hätte nicht über eine Stunde Aufenthalt
gekostet, wenn Hr. Selligue den Vorschlag des Hrn. Tillorier angenommen hätte, welcher ihm durch meine
Vermittlung anbieten ließ, nicht nur das Instrument wieder herauszuziehen, sondern
auch die Bohrung bis zum Ende umsonst fortzusetzen; so bewunderungswürdig hatte er
dieses Instrument gefunden. Da Hr. Selligue diese
Vorschläge verschmähte, wollte ich ihm das von Hrn. Tillorier vorgeschlagene Mittel nicht mittheilen, welches einfach darin
bestand, eine große Flasche mit Salzsäure hinunter zu lassen und auf dem Rammblock
zu zerschlagen. Diese Säure hätte die Kreide der das Werkzeug aufhaltenden Wand
rasch zerfressen und das Werkzeug wäre frei geworden. Statt dieses einfachen Mittels
ließ Hr. Selligue sehr starke Ketten von Stahl machen,
hing den Rammblock daran und wollte ihn mit Gewalt Heraufziehen; die Kette brach und
nach mehreren Wochen fortgesetzten Versuchen mußte er diese Methode endlich aufgeben
und 30,000 Frcs. verlieren, von welchen er die sonderbare Idee hatte die Hälfte von
uns, als dem Erfinder dieses perfiden Werkzeugs zu reclamiren.Hr. Selligue ist, wie man jetzt weiß, auch nicht
der Erfinder der nach ihm benannten Leuchtgasbereitung, welche ihm von Hrn.
Jobard mitgetheilt wurde; man vergl.
polytechn. Journal Bd. CII: S. 124.
Die Bohrbrunnen sind nichts neues; die Aegypter kannten dieselben schon, denn man
findet ihrer viele in den Oasen. Der Reisende Shaw sagt,
daß man nur eine Bank eines schieferartigen Steines, welcher das unterirdische Meer
Bahaolaht-el-reel in den Ebenen der Barbarei bedeckt, zu
zerschlagen brauche, damit das Wasser ungestüm daraus hervorsprudle.
Als Moses mit dem Stab auf den Felsen schlug, sprang Wasser heraus; auch läßt der
Pascha von Aegypten diesen Felsen durchbohren, um springende Wasserquellen zu
erhalten. Wir hingegen stellen uns hinsichtlich unserer Wasserleitungen auf die Höhe
der Römer, und tief unter die Türken, welche letztere das hydrostatische Gesetz zur
Gewinnung von Wasser anzuwenden wissen, während bei uns noch Wasserleitungen wie der
Pont du Gard (römisches Baudenkmal im Departement
Gard) ausgeführt werden, um das Wasser über die Thäler hinzuführen. Marseille,
Madrid, Amsterdam geben 30 Millionen aus, um das Wasser in horizontalen Aquäducten
zu leiten, statt mittelst des Rammblocks Brunnen zu bohren. Die Behörden dieser
Städte glaubten das ihrige schon gethan zu haben, als sie auf Anrathen nicht gehörig
unterrichteter Leute bei einigen Hunderten Fuß Tiefe mit dem Bohren aufhörten; das
Loch sollte aber lieber 3000 Fuß tief gegraben werden, ehe man sich auf die
ungeheuren Kosten eines mehrere Meilen langen horizontalen Canals einließe.
Im Jahr 1830 theilte Cuvier der französischen Akademie
einen Bericht über meine Versuche zu Marienburg mit, die nicht über 75 Fuß Tiefe im
Thonschiefer fortgesetzt wurden, aber hinreichten um mich zu überzeugen, daß wenn
ich die chinesischen Instrumente auch nicht genau errathen habe, die meinigen nicht
nur eben so gute, sondern noch viel bessere Dienste thun.
Baron Sello ersann, da ihm meine Instrumente nicht bekannt
wurden, eine Art eisernen Stößels (Keule), am Ende mit einem Stahlkopf versehen, mit
welchem der Stein zerschlagen wird; allein diese Keule muß oft heraufgezogen und ein
Bohrlöffel an ihre Stelle gebracht werden, um den Grund des Lochs auszuräumen. Hr.
Goulet-Collet, dessen Instrumente übrigens
zweckmäßiger sind, unterzog sich ebenfalls dieser doppelten Operation, welche weder
bei den chinesischen noch bei meinen Instrumenten nöthig ist, indem der Rammblock
den in Schlamm verwandelten zermalmten Stein, so wie sich der Schlamm bildet, in
sich aufnimmt, was den großen Vortheil gewährt, immer auf den bloßen Stein zu
arbeiten, ohne Dazwischenlagerung der Abfälle, welche außerdem die Kraft des Schlags
so schwächen daß er ganz unwirksam wird.
Denselben Uebelstand hat das Bohren mit der Stange. Man muß die Stange alsdann
herausziehen, um einen Hohlmeißel oder einen am Ende mit einem Kugelventil
versehenen Löffel daran zu befestigen. Die Operation der Ausräumung ist so
langwierig und ermüdend, daß man sie so lange als möglich aufschiebt. Man kann sich
eine Vorstellung von der verlorengehenden Zeit machen, wenn man weiß, daß man bei 15
bis 1800 Fuß Tiefe zu dieser Verrichtung täglich nichtweniger als 6 bis 8 Stunden
und mehrere Pferdekräfte braucht, während bei den chinesischen Instrumenten nur 6
bis 8 Minuten erforderlich sind, weil das Seil derselben nur auf eine Trommel
gewickelt zu werden braucht, wozu die Kraft von zwei Männern hinreicht.
Die Gegner des chinesischen Verfahrens glauben, das Loch könne von der senkrechten
Linie abweichen; dieser Fall ist dabei aber noch niemals eingetreten; wohl aber bei
der Stangenbohrung. Das mit einem 100 bis 200 Kilogr. schweren Rammblock versehene
Seil ist eine vollkommene Senkschnur, die nicht abweichen
kann, selbst wenn sie auf einen geneigten Felsen auffällt; denn man kann den
Bohrcylinder (Rammblock) oder die durch denselben gehende Stange sehr lang machen,
so daß die Spitze desselben nicht abweichen kann; mit einer Kugel, die wieder
aufspringen und sich einen Weg auf der Seite bahnen könnte, wäre es freilich ein
anderes, ein langer Cylinder aber bleibt immer in der verticalen Richtung.
Viele welche den Stangenbohrer anwenden, das Bohren mit dem Seil aber nur
oberflächlich kennen, behaupten letzteres ohne guten Erfolg versucht zu haben; sie
wissen aber recht gut, daß es, wenn sie dieses Verfahren einführten, um ihr Monopol
geschehen wäre, weil dann ihre kostspieligen Instrumente, ihr Rath und ihre Talente
für jedermann entbehrlich waren. Graben doch die chinesischenchineschen Bauern ebenfalls Salzbrunnen, ohne hiezu jemand zu bedürfen; so einfach
und leicht ist ihr Verfahren. „Wenn zwei Bauern, sagt Pater Imbert, so viel besitzen, daß sie 2 bis 3 Jahre, ohne
etwas zu verdienen, leben können, so verbinden sie sich, um mit einander einen
Brunnen zu bohren, dessen Salzwasser ihnen täglich ungefähr 30 Frcs. einträgt.
Es gibt in der Provinz Ou-Tong-Kiao reiche Leute, welche mehrere
Hundert solcher Brunnen besitzen, aus welchen das Salzwasser mittelst einer
langen Bambusröhre, die unten mit einem Ventil versehen ist, herausspringt.
Wenn den Chinesen das in den Salinen zu Dieuze befolgte Verfahren, das Salzwasser
durch den Druck des süßen Wassers zu heben, bekannt wäre, so würden ihnen ihre
Brunnen einen hundertmal so großen Ertrag liefern; da es aber nicht nur die Chinesen
sind, welchen dieses sinnreiche Verfahren unbekannt ist, so will ich es in Kürze
mittheilen.
Wenn man bei einer Bohrung auf das Salzlager gekommen ist und die Röhren gut aufgesetzt
sind, so läßt man durch das Innere dieser Röhre eine engere hinunter und dann einen
Strom süßen Wassers zwischen diese beiden Röhren hinablaufen; natürlich löst dieses
Wasser das Steinsalz auf, auf welches es zu stehen kömmt; diese Salzauflösung steigt
in beiden Röhren bald bis zu einer gewissen Höhe empor und wenn man fortfährt süßes
Wasser hinablaufen zu lassen, so füllt sich die mittlere Röhre allein mit gesättigtem Wasser, welches so weit hinaufsteigt, daß es von
einer Saugpumpe erreicht werden kann, oder durch eine Seitenöffnung herausläuft,
vorausgesetzt, daß man eine Säule süßen Wassers von hinreichender Höhe anwenden
kann, um den Unterschied der Dichtigkeit zwischen dem süßen Wasser und dem
gesättigten Salzwasser (von 20 bis 24° am Aräometer) auszugleichen.
Das Wasser wird alsdann abgedampft, um das Salz zu gewinnen.
So mächtig der Salzstock oder die Salzmasse, auf welche man stößt, auch seyn mag, so
gelingt es dennoch sie vollkommen aufzulösen, und folglich durch dasselbe Loch
herauszufördern, ohne große unterirdische Bauarbeiten vornehmen zu müssen, wie zu
Wieliczka in Galizien, wo dessenungeachtet der jährliche Ertrag 12 Millionen Gulden
betragen soll.
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 28
stellt den von den Chinesen zum Bohren eines Brunnens durch die Steinmasse
angewandten Stoßapparat in seiner ganzen Einfachheit dar. a ist ein liegender Baum, dessen eines Ende auf dem Boden befestigt ist,
das andere aber das Seil trägt, an welchem der Rammblock (der Bohrcylinder) hängt.
Zwei Männer bringen, indem sie sich rasch auf diesen Baum setzen, ihn zum
Niederbiegen wie eine Feder, und der Rammblock tanzt so zu sagen auf dem Grunde des Erdlochs herum, wie der Stößel in einem
Mörser. In dem Maaße, als der Block tiefer eindringt, wird ein Stück des um den Baum
gewickelten Seils abgewickelt.
Ein in der Höhe des Rands des Bohrlochs am Seil gemachtes Zeichen genügt, um
anzuzeigen wie tief man schon eingedrungen ist. Wenn dieses Zeichen z.B. um 10
Centimeter (3'' 8''') hinabgegangen ist, so kann man sagen, daß 10 Centimeter Masse
über das Instrument von unten hinaufgestiegen sind; das hohle Instrument, welches 10
Centimeter Bohrschwand enthält, wird nun mit Hülfe des Haspels b und der Rolle c
aufgezogen.
Fig. 29
stellt den Apparat vor, womit der erste chinesische Bohrversuch im Jahr 1828 in Europa, in der
Nähe voll Marienburg, angestellt wurde. Der Stoß wurde von Männern hervorgebracht,
die einen federnden Balken a niederzogen, während ein
anderer Arbeiter dem Seil eine drehende Bewegung gab, damit der Block nicht immer
auf dieselbe Stelle niederfiele. Der Haspel b diente um
das Instrument zurückzuziehen. Ich empfehle übrigens dieses Verfahren nicht, weil es
den Arbeiter zur Trägheit veranlaßt, und ziehe eine einfache Handramme vor, wie man
sich ihrer zum Einschlagen der Pfähle bedient.
Fig. 30
stellt eine solche Handramme mit den Zugleinen für die Arbeiter vor, die den
Rammblock nur aufzuziehen und mit seinem ganzen Gewicht herabfallen zu lassen haben.
Es versteht sich übrigens, daß die Zugleinen nicht bleibend befestigt sind (wie die
Zeichnung unrichtig zeigt), sondern sie werden durch ein jedem Arbeiter bekanntes
Mittel, eine Art Bandelierhacken angehängt.
Es ist klar, daß zum Rammen und Wiederaufheben des Werkzeugs beim chinesischen
Verfahren ein beliebiger Motor angewandt werden kann. Eine kleine Dampfmaschine
würde außerordentlich gute Dienste thun, während das System der Stangenbohrung, bei
der Verschiedenheit, Unterbrechung und Unsicherheit seiner Bewegungen, wohl keine
andere als Menschenkraft gestattet. So kann man sich beim Seil der Däumlinge zum
Aufheben des Rammblocks, wie bei großen Hämmern, oder des Mechanismus des
Stampfhammers oder der Oelmühlen bedienen; die Hauptsache ist, die Schläge des
Rammklotzes möglichst zu vervielfältigen, ohne ihn mehr als 1 bis 2 Fuß tief
herunterfallen zu lassen. Wiederholte kleine Stöße sind von besserer Wirkung und
glätten das von ihnen in Felssteine oder hartes Terrain ausgehöhlte Loch besser aus.
Eisendrahtseile mit hänfenen Füllschnüren sind das beste; Hr. Goulet bedient sich einer Kette; das geflochtene Bambusseil, wenn wir es
eben so gut zu drehen wüßten wie die Chinesen, wäre freilich wegen seiner Stärke und
Leichtigkeit allem andern vorzuziehen.
Der unglückliche Corbéron, welcher beim Beginn der
großen Arbeiten für den Baron Aimar durch das
Hinunterfallen in einen Schacht umkam, bediente sich eines Seils aus Aloefasern; Selligue eines armsdicken Hanfseils, welches im Wasser
aufschwoll, zuletzt faulte, sich auffaserte und brach, was zum Theil die Ursache
war, daß er mehrere Bohrlöcher, die er unternommen hatte, wie zu Troyes,
Saint-Denis und Paris, wieder aufgab. Seine, aus einzelnen Stücken
zusammengesetzten Werkzeuge verloren auf dem Grunde der Erdlöcher ihre Zähne, und
die anfangs sehr rasch gehende Arbeit mußte dann plötzlich eingestellt werden. Auf
solche Weise kann das Schicksal der vortrefflichsten Erfindung durch den ersten, der
sich ihrer ungeschickt bedient, eine üble Wendung nehmen.
Fig. 31
stellt den Rammblock (Bohrcylinder) oder Stößer vor, welcher in eisernen Formen
gegossen wird, damit die Zähne an seinem Ende Stahlhärte erhalten. Durch denselben
geht eine eiserne Stange a, die unten mit einer
stählernen Spitze versehen ist, welche als Vorbohrer dient und allemal wieder in das
Richtungsloch fällt. Oben ist die Stange, welche mehrere Meter lang seyn kann, mit
einem stählernen Kranz in Form eines Malteserkreuzes b
versehen, ähnlich demjenigen dessen sich der geschickte deutsche Brunnenbohrer Kind bei seinen Stangen bedient. Ein einfacher Kranz
würde indessen ebenfalls hinreichen, weil man durch denselben nur der eingebildeten
Befürchtung einer Abweichung des Instruments begegnen will. Ich selbst bediente mich
niemals desselben; mein Rammblock war nicht einen Meter hoch und that ganz dieselben
Dienste; ich habe auch Grund zu glauben, daß der chinesische Erdbohrer noch kürzer
ist. Die Hauptsache ist, daß er außen gefurcht (cannellirt) ist und innen eine
kegelförmige Aushöhlung c, c hat, damit er den durch die
Furchen bei jedem Schlag des Erdbohrers in die Höhe springenden Bohrschwand in sich
aufnehmen kann.
Fig. 32
stellt die untere Flüche dieses Instruments dar, welches nur für hartes Terrain und
zum Zermalmen von Steinen (Geschieben), denen man begegnen könnte, bestimmt ist.
Ich habe schon angegeben, wie man erkennen kann, wenn der innere Kegel mit zermalmter
Erdmasse angefüllt, und es Zeit ist ihn aufzuziehen; es versteht sich übrigens von
selbst, daß man Form, Gewicht und Befestigungsart aller dieser Werkzeuge nach
Umständen ändern kann; nur muß man sich vor zusammengesetztem und kleinen
(schwachen) Instrumenten hüten, die leicht zerbrechen und auf dem Grund des
Bohrlochs liegen bleiben können. Für den Fall, daß das Instrument sich los machte,
muß man auch Werkzeuge in Bereitschaft halten, um es wieder anhängen zu können.
Fig. 33
stellt einen Rammblock zum Aushöhlen eines Loches vor, welches weiter als die Röhre
ist, durch die er hinabgelassen wird. Dieses Instrument verrichtet den Dienst eines
Raumerweiterers; es braucht zu diesem Behuf nur seitwärts statt in der Mitte an dem
Seil angehängt zu werden, wie bei a. Es neigt sich
alsdann auf eine Seite und erzeugt bei der Drehung um sich selbst ein Loch, welches
weiter als sein eigener Durchmesser ist, wodurch das Röhrenwerk ohne großen
Kraftaufwand tiefer hinabgelassen werden kann. Ich bemerkte schon, daß das Bohrloch
in der Militärschule zu Paris eine 600 Fuß lange Röhre hatte, welche in ihrer ganzen Länge sehr
beweglich war, so daß sie durch ein Band und seitlich angebrachte, auf den Boden
gestützte Krücken unterstützt werden mußte, weil sie sonst bis auf den Grund des
Lochs hinunter gesunken wäre und dem Instrument nicht gestattet hätte schief zu
arbeiten.
Merkwürdig ist, daß das Bohrloch zu Grenelle bei dieser Tiefe schon mehrere
concentrische Röhren erforderte, obwohl einige Hundert Meter davon in demselben
Terrain schon ein solches Loch gebohrt war. Dieß zu erklären ist von Wichtigkeit.
Das Bohren mit der Stange nämlich hat öftere Einstürtze zur Folge als das
Seilbohren; die Stange schlägt beim Niederfallen heftig gegen die Wände des Lochs,
verdirbt sie und veranlaßt manchmal bedeutende Erweiterungen, was beim Seil durchaus
nicht der Fall ist. Zwar hat Hr. v. Oyenhausen diesem
Anschlagen der Stangen ein Ende gesetzt, indem er sich ihrer nur zum Heraufziehen
des Instruments bedient, und dasselbe nachher allein hinunterfallen läßt. Hr. Kind glaubt daß man zu demselben Zweck besser Holzstangen
anwenden würde und Hr. Degousée benutzt hohle
eiserne Röhren, die mit Luft erfüllt sind, um ihr Gewicht im Wasser zu
vermindern.
Ist dieses alles aber etwas anderes als ein Uebergang zum Seile, welches allen diesen
Bedingungen vollkommen genügt?
Ich gehe nun auf die weichen Terrains über.
Fig. 34
stellt den Steinaufzieher oder Bohrlöffel mit Ventil dar, in Verbindung mit einem
Rammblock.
a sind zwei Ventile, die sich am Boden eines aus starkem
Eisenblech verfertigten Cylinders, der unten gut verstählt ist, nach innen öffnen.
Soll Schlamm, Sand oder Thon herausgeschafft werden, so braucht dieser Bohrlöffel
nur bis auf den Grund des Bohrlochs hinabgelassen zu werden, worauf man den
Rammblock b spielen läßt, welcher an der Stange c sich auf und nieder bewegt und in kurzen Stößen auf
den Löffel schlägt, um ihn in die weiche Masse einzutreiben; diese Masse hebt die
Ventile auf, und dringt in den Cylinder ein. Wird das Ganze heraufgezogen, so
schließen sich, falls die Masse mürbe ist, die Ventile wieder; ist dieselbe aber
bildbar (plastisch), so bleiben sie offen, was aber nicht verhindert die Masse zu
Tage zu bringen.
Sollen nur Kiesel- oder Geröllsteine herausgeschafft werden, so braucht man
bloß den Bohrlöffel ohne Rammblock auf den Kieseln tanzen zu lassen, um ihn voll
heraufzubekommen, weil der bloße Fall dieses Instruments eine sehr schnelle
aufsteigende Strömung im Innern des Cylinders hervorbringt, welche diese Kiesel bis
zu der Höhe des Löffels
wo er mit Löchern d für den Durchlaß des Wassers
versehen ist, emporhebt.
Ich war über die Wirksamkeit dieses Instruments bei der ersten Anwendung desselben
nicht wenig erstaunt. Es scheint nicht, daß die Chinesen ein ähnliches besitzen,
weil sie sich auf das Bohren in Felsen beschränken.
Fig. 35
stellt das von Hrn. Goulet zu Reims angewandte Instrument
dar. Es besteht aus einer Röhre a von starkem Eisenblech
und 2 Meter Länge, welche unten mit einem stählernen Ring und zwei ins Kreuz
gestellten Messern b versehen ist, deren Ansicht von
unten Fig. 36
darstellt. Dieses Instrument hackt, so zu sagen, im Fallen den Grund des Bohrlochs
nach allen Richtungen auf, es hat aber den Fehler, daß mittelst desselben nichts
heraufgebracht wird. Anders wäre dieß, wenn sich im Innern des langen Cylinders in
verschiedenen Höhen kleine hohle Vorsprünge befänden, die sich mit den festen
Stoffen anfüllen würden, welche bei jedem Stoß zugleich mit dem Wasser emporgehoben
werden.
Dieses Instrument ist, wie man sieht, an Ketten aufgehangen; das Schlagen geschieht
dadurch, daß man zwei Arbeiter eine endlose Leiter hinaufsteigen läßt, die mit einer
Hemmung versehen ist, welche das Instrument nach je 2 Fuß wieder herabfallen läßt;
es ist dieß die zum Erdbohren angewandte Tretmühle.
Fig. 37
stellt den Bohrlöffel mit einem einzigen Ventil a
versehen dar, welchen man von Zeit zu Zeit auf den Grund des Bohrlochs
hinunterlassen muß, um den durch das vorhergehende Instrument, Fig. 35, erzeugten dicken
Brei heraufzuholen.
Hr. Goulet hat schon mehrere Moräste durch aufsaugende
Schächte ausgetrocknet; auch horizontale Erdbohrungen hat er, jedoch mit andern
Instrumenten von seiner Erfindung, mit bestem Erfolge ausgeführt.
Das bisher Gesagte ist hinreichend, um von dem Seilbohren die gehörige Vorstellung zu
geben und jeden in den Stand zu setzen, seine Instrumente nach Bedarf abzuändern. Es
versteht sich, daß man immer mehrere solche Bohrwerkzeuge vorräthig haben muß, um
damit wechseln zu können und bei keinem Unfall mit der Arbeit aufgehalten zu seyn,
wie man auch dieselben Bohrcylinder von kleinerem Durchmesser haben muß, wenn man
genöthigt ist die Brunnen zu bohren; dessenungeachtet ist aber der beim Seilbohren
erforderliche Apparat noch lange nicht so kostspielig als derjenige für das
Stangenbohren.