Titel: | Bericht des Hrn. Gasparin über die Abhandlung des Hrn. Chevandier: die Elementarzusammensetzung der verschiedenen Holzarten und den Ertrag der Waldungen betreffend. |
Fundstelle: | Band 105, Jahrgang 1847, Nr. XVIII., S. 55 |
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XVIII.
Bericht des Hrn. Gasparin über die Abhandlung des Hrn. Chevandier:
die Elementarzusammensetzung der verschiedenen Holzarten und den Ertrag der Waldungen
betreffend.Polytechn. Journal Bd. CIV S. 99.
Aus den Comptes rendus, März 1847, Nr.
11.
Ueber die Zusammensetzung der Holzarten und den Ertrag der
Waldungen.
Der Verbrauch an Brennmaterial, der sich früher auf den häuslichen Bedarf und auf
jene Industriezweige beschränkte, welche den Wärmestoff direct bei den Körpern
anwandten die sie behufs der Schmelzung behandelten, oder um gewisse Bestandtheile
aus ihnen zu entwickeln, stieg außerordentlich, seitdem die mechanischen Künste den
Dampf als Triebkraft benutzen. Die im Westen Europas befindlichen Steinkohlenlager
genügen der Industrie zu diesem Zweck; je weiter man sich aber gegen Osten entfernt,
desto wichtiger wird die Erzeugung und Erhaltung des Holzes, welches hier durch
nichts ersetzt werden konnte.
Die Deutschen werden hinsichtlich der Forstcultur als unsere (der Franzosen)
Lehrmeister betrachtet und doch muß man, wenn man ihre in andern Beziehungen so
schätzenswerthen Werke liest, worin sie die Frucht ihrer Erfahrungen niedergelegt
haben, erstaunen daß man darin neben unendlichen Details über die Bewirtschaftung der
Wälder und deren Abholzung nur sehr unbedeutende Belehrung über die Physiologie der
Bäume, über deren Entwicklung im Verhältniß zur Natur des Bodens, über ihre
relativen Producte nach der Beschaffenheit des Erdreichs, des Klima's, der Lage etc.
findet, so daß man die Erträgnisse mehrerer Lagen und verschiedener cultivirter
Baumarten zu vergleichen vermöchte. Bei den Deutschen ist also die Waldcultur mehr
ökonomische Verwaltung als Wissenschaft.
Der Franzose Duhamel ist der einzige, welcher in der
Waldcultur wahrhaft wissenschaftliche Principien aufstellte. Nur bei ihm finden sich
auf das Forstwesen anwendbare approximative Ziffern. Hr. Chevandier folgte ihm auf dieser Bahn mit Benutzung aller physikalischen
und naturwissenschaftlichen Hülfsmittel. Durch die neuern Fortschritte, welche die
Agricultur den Bemühungen einiger ausgezeichneten Chemiker und Physiker verdankt,
aufgeklärt, wollte er die Forstcultur derselben Vortheile theilhaftig machen und
versah uns in einer Reihe von Abhandlungen schon mit zahlreichen, auf die
vorzüglichsten Umstände der Holzgewinnung anwendbaren Coefficienten. Er ermittelte
die Elementarzusammensetzung der verschiedenen Holzarten, die in verschiedenen
Perioden nach der Fällung darin enthaltene Wassermenge, ihre mechanischen
Eigenschaften, den Einfluß des Wassers auf die Production der Waldungen. Seine
letzte der Akademie vorgelegte Abhandlung, deren Prüfung Sie Ihrer Commission
übertragen haben, besteht eigentlich aus zweien. In der ersten kömmt er auf die
Zusammensetzung der Holzarten, hinsichtlich der Aschenmenge welche sie geben,
zurück. Die Einäscherungen, deren Anzahl sich jetzt bis auf 524 beläuft, setzten ihn
in Stand das Verhältniß der im Holz enthaltenen Asche nach der Baumspecies, nach den
einzelnen Theilen des Baumes und nach der geologischen Beschaffenheit des Bodens zu
bestimmen.
Die geologische Beschaffenheit des Bodens scheint nur von geringem Einfluß auf das
Verhältniß der Asche zu seyn; dagegen ist letzteres sehr verschieden nach der
Species, von der Weide an, die 2 Proc. Asche hat, bis zur Birke, welche nur 0,85
eines Proc. liefert.
Auch die verschiedenen Theile eines Baumes bieten verschiedene Mengenverhältnisse
dar; bei einem bejahrten Baum enthält der Stamm am wenigsten und das kleine
Zweigwerk am meisten Asche. Die jungen Bäumchen enthalten in der Regel weniger Asche
als die alten Bäume.
Im Verlauf seiner Arbeit kam der Verf. auf die merkwürdige, die Aufmerksamkeit der
Physiologen verdienende Thatsache, daß bei demselben Muster eine wiederholte Analyse
zwei verschiedene Verhältnißmengen von Asche, nämlich 2,64 und 0,69 Proc. der angewandten
Substanz gab. Dieselbe Anomalie ergab sich bei 10 andern Mustern. Ist nun diese
ungleichmäßige Vertheilung der Asche in der Holzsubstanz, diese locale Ablagerung
fixer Bestandtheile, die Folge einer organischen Anordnung, oder nur eines Zufalls
oder einer Krankheit? Diese Frage bleibt noch zu beantworten übrig.
Der zweite Theil der Abhandlung beschäftigt sich mit einem ganz verschiedenen Theil
der Wissenschaft, nämlich mit dem Mittlern Ertrag einer Hektare Waldung. Obwohl der
Verf. darin die Waldungen der Vogesen mit den badischen vergleicht und die
Aehnlichkeit ihrer Production darthut, ist es doch einleuchtend, daß ehe ähnliche
Arbeiten sich auch auf andere Länder erstrecken, die vorliegende in mehreren
Beziehungen nur als eine statistische betrachtet werden kann. Der Verf. constatirt,
daß in dieser Gegend der jährliche Ertrag einer Hektare Mittelwald, je nach der
Beschaffenheit des Bodens, im Vogesensandstein innerhalb der Gränzen von 1137 Kil.,
und im irisirenden Mergel innerhalb 2,590 Kil. trocknen Holzes liegt. Das Product
der Hochwälder ist nach dem Boden nicht, wohl aber nach den Baumarten, aus welchen
sie bestehen, verschieden; diese Gränzen sind bei Hochwäldern von Weißbuchen 2,560
Kil., und bei jenen von Tannen 3,903 Kilogr. trocknen Holzes.
Es wurde uns die Frage gestellt ob die Ziffer dieser Producte hinsichtlich ihrer
Elemente der Ziffer der landwirtschaftlichen Producte entspreche. Hr. Liebig hatte nämlich behauptet „daß man auf
gleichgroßen Bodenflächen von Waldung oder Wiese, in einem Erdreich, welches die
zur Vegetation unerläßlichen mineralischen Bestandtheile enthält, ohne einen
kohlenstoffhaltigen Dünger angewandt zu haben, eine ebenso große Menge
Kohlenstoff, und in vielen Fällen sogar noch eine größere in Form von Holz oder
Heu erntet, als ein cultivirtes Erdreich an Stroh, Körnern und Wurzeln
producirt.“
Chemische Briefe. Hr. Chevandier stellte schon seit dem Erscheinen
seiner ersten Abhandlung hierüber vergleichende Versuche an. Da bekanntlich die
Pflanzen, je nach ihrer Natur, sich der im Boden enthaltenen oder in der Luft
schwebenden Elemente ihrer Ernährung und Zusammensetzung mit mehr oder weniger
Begierde bemächtigen, so läßt es sich schon voraussehen, daß das vergleichende
Resultat auffallende Verschiedenheiten darbieten werde. Dieß beweisen auch die
Ziffern dieser Abhandlung; so erzeugen die Hochwälder von Weißbuchen jährlich:
Trocknes Holz
2560
Kohlenstoff
1245
Stickstoff
25
Die von Tannen erzeugen
Trocknes Holz
3903
Kohlenstoff
1894
Stickstoff
39
Auf den Feldern des Hrn. Dailly, in der Nähe von Paris,
finden wir folgende Resultate:
1600 Kilogr. Getreide geben mit Stroh und Stoppeln,
Trockne Substanz
5777
Kohlenstoff
2288
Stickstoff
41,42
90,000 Kilogr. Luzerne geben
Trockne Substanz
7110
Kohlenstoff
3377
Stickstoff
146,46
In reichem Erdreich derselben Art erhielten wir folgende Resultate: 3000 Kilogr.
Getreide geben mit Stroh und Stoppeln:
Trockne Substanz
8250
Kohlenstoff
3575
Stickstoff
82
und 15,800 Luzerne-Heu
Trockne Substanz
13,272
Kohlenstoff
6235
Stickstoff
183
Die Pflanzen also, welche aus demselben Boden und in demselben Klima, je nach ihrer
Natur und ihrem Product verschiedene Quantitäten von Bestandtheilen erzeugen, sind
keineswegs identisch.
Der relative Ertrag der Schlagwaldungen und Hochwälder ist ein in der
Forstwissenschaft noch sehr im Streit liegender Punkt. Die ökonomische Frage, welche
der Verf. in einer zukünftigen Abhandlung zu besprechen sich vorbehält, bei Seite
lassend, gelangte er zu Resultaten, welche Beachtung verdienen.
Hinsichtlich der Schlagwälder fand er, daß ihr Ertrag unter dem Einfluß steht: 1) der
Fruchtbarkeit des Bodens; so findet man bei derselben Bodenart, dem irisirenden
Mergel z.B., ein Product von 3502 Kilogr. auf dem sehr guten Erdreich, und von nur
1522 Kilogr. auf dem
mittelmäßigen; 2) der Bodenart; so haben wir bei mittelmäßiger Fruchtbarkeit
folgende Producte auf verschiedenen Bodenarten:
Vogesen-Sandstein
1359
bunter Sandstein
1694
Muschelkalk
1761
irisirender Mergel
2007
d.h. das Product ist um so größer, je weniger durchdringlich und je hygroskopischer
der Boden ist, folglich je schneller er durch die Einwirkung der Sonne austrocknet,
und je kürzer die Dauer seiner Vegetationszeit ist.
Bei den Hochwäldern verschwindet dieser geologische Einfluß des Bodens und zwar eben
weil die Bäume ihren Schatten auf den Boden werfen und dadurch die Austrocknung
verhindern, und sie, wenn der Boden tief geht, ihre Wurzeln tiefer hinein senken.
Der Verfasser erinnert, daß dieser Einfluß der dem Boden zuträglichen Befeuchtung so
bedeutend ist daß, wenn in kothigem Boden gewachsene Tannen jährlich nur um 1,80
Kilogr. zunehmen, die in trockenem Boden gewachsenen um 3,40 Kilogr. zunehmen;
andererseits nehmen die vom Regenwasser befeuchteten um 8,20 Kilogr. zu und die von
Flüssen bewässerten um 11,60 Kilogr.
Der Verf. bestimmt hierauf das Alter, in welchem der Zuwachs bei den verschiedenen
Baumspecies am stärksten ist; bei der Eiche ist es das von 77 Jahren; bei der Buche
80 Jahren; bei der Tanne, die in sehr gutem Boden gewachsen ist 115 Jahren; in
mittelmäßigem Boden 76 Jahren; bei der gemeinen Föhre in gutem Boden 51 Jahren und
in mittelmäßigem Boden 50 Jahren.
Der mittlere jährliche Ertrag der Hochwälder war:
In sehr gutem Boden
4279
Kil. trocknen
Holzes
„ gutem
Boden
3480
„
„
„ leidlichem
Boden
2849
„
„
„ mittelmäßigem Boden
2398
„
„
„ schlechtem
Boden
2082
„
„
Wenn man diesen Ertrag mit dem der Schlagwaldungen vergleicht, so findet man, daß
wenn der Ertrag der Hochwälder durch die Einheit ausgedrückt wird, der der besten
Schlagwälder = 0,52, und der der geringern = 0,38 ist.
Diese Zahlen werden ihren vollen Werth erst in der nächsten Arbeit des Verf.
erhalten, worin er die ökonomische Frage zu behandeln und die Streitfrage zu entscheiden
sich vorsetzt, welche die Forstwirthe hinsichtlich des den Schlag- oder den
Hochwäldern zu gebenden Vorzugs theilt. Allein er muß sich wohl hüten vor jedem zu
unbedingten Schluß, ehe er auch andere Lagen untersucht hat, als diejenigen wo er
jetzt seine Studien macht. Der Strich Landes z.B., welcher sich über das südöstliche
Frankreich und die afrikanische Küste hinzieht, und dem herrschenden austrocknenden
Nordwind ausgesetzt ist, bietet die Erscheinung einer sehr heißen und sehr trocknen
Sommerzeit dar, wo die Erde alle ihre Feuchtigkeit verliert, auch unter dem Schatten
der Bäume. Das Wachsthum derselben findet daher allemal im Frühjahr und Herbst
statt, wo reichliche Regenfälle den Boden der Schlagwälder sowohl, als der
Hochwälder befeuchten. Wir fragen nun, ob alsdann die Hochwälder nicht einen Theil
der Vortheile verlieren, welche ihnen in andern Gegenden der Schatten gewährt. Es
ist dieß bloß eine Frage, die aber gewiß in Betrachtung gezogen zu werden verdient.
Auch die Baumarten haben einigen Bezug auf diese Frage und man wird z.B. vorher zu
untersuchen haben, ob der langsame Wuchs der Steineiche, das große Alter, welches
sie erreichen muß um das Maximum ihres jährlichen Zuwachses zu erlangen, die
Beantwortung der Streitfrage nicht noch verwickelter machen.
Am Schlüsse kömmt Hr. Chevandier auf die in seiner ersten
Abhandlung behandelte Frage über die Absorption des Kohlenstoffs der Luft durch die
Pflanzen zurück und zeigt, daß die eine Hektare Bodens bedeckende Luft bei der
größten Production von 3449 Kilogr. Kohlenstoff, in 20 Jahren, und im Fall der
geringsten Production in 260 Jahren ihrer Kohlensäure beraubt würde; daß im erstern
Fall der Wald täglich 22,33 Kil., und im letztem 1,73 Kil. Kohlenstoff absorbirt;
endlich, daß das Gesammtvolum einer Hektare Tannen von 145 Jahren, welches durch
707,910 Kil. trocknen Holzes ausgedrückt wird, eine nur 33 Millimeter dicke
Steinkohlenschicht liefern würde.