Titel: | Ueber das Gerben der Leinwand; von Millet. |
Fundstelle: | Band 105, Jahrgang 1847, Nr. LIV., S. 201 |
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LIV.
Ueber das Gerben der Leinwand; von Millet.
Aus dem Moniteur industriel, 1847, Nr.
1153.
Millet, über das Gerben der Leinwand.
Man befestigte mittelst kupferner Nägel auf vier Rahmen, welche aus demselben
Holzbrett verfertigt waren, vier Abschnitte neuer Leinwand von demselben Stücke.
Zwei dieser Proben wurden nach dem Aufspannen drei Tage und drei Nächte lang in
einem Trog mit starker Gerbestoffauflösung liegen gelassen, welche man während
dieser ganzen Zeit auf einer Temperatur von 52° R. erhielt. Dann nahm man die
Leinwandstücke heraus und ließ sie im Freien trocknen; nun wurden sie in einem
Keller aufgehängt, dessen Mauern stets feucht waren und auf dessen Boden während der
Regenzeit oft ganze Monate das Wasser stehen blieb, welches vor dem Ablaufen auch
meistens in Fäulniß überging. Unter diesen Umständen konnte man sich sicher
überzeugen, ob der Leinwand durch den Gerbestoff fäulnißwidrige Eigenschaften
ertheilt wurden. Die zwei nicht gegerbten Leinwandstücke wurden ebenfalls mit
kupfernen Nägeln auf ihren Rahmen befestigt und neben den beiden erstern aufgehängt.
Man traf dann die erforderlichen Maaßregeln, um die Circulation der Luft im Keller
zu verhüten und verschloß die Thür desselben gut, um erst nach zehn Jahren die vier Leinwandstücke zu untersuchen.
Nach Verlauf dieser Zeit holte man sie aus dem Keller und setzte sie dem Licht aus um
sie zu untersuchen; es ergab sich, daß die zwei gegerbten Stücke der Fäulniß
vollkommen widerstanden hatten und kein Anzeichen von Zersetzung darboten. Als man
sie mit Zangen an ihren Ecken faßte und so mit Gewalt auseinanderzog, boten sie
einen eben so großen Widerstand dar, wie zu der Zeit, wo man sie in den Keller
gebracht hatte. Die Rahmen, welche gleichzeitig mit der Leinwand gegerbt worden
waren, blieben ebenfalls ganz unversehrt; man bohrte an verschiedenen Stellen Löcher
in dieselben und überzeugte sich dadurch, daß sie keinerlei Veränderung erlitten
hatten. Dagegen hatten sich die Leinwandstücke und Rahmen, welche nicht gegerbt
worden waren, in bedeutendem Grade zersetzt, sie waren halb verfault. Als man diese
Leinwandzeuge mit Zangen auseinanderzog, fand man sie sehr schwach, sie ließen sich
mit wenig Anstrengung zerreißen. Die Rahmen waren ebenfalls in sehr schlechtem
Zustand und besonders an den Fugen mit Schwämmen überwachsen, ein sicheres Zeichen
der Fäulniß.
Man brachte nun die nämlichen zwei gegerbten Leinwandstücke nebst einem der
ungegerbten wieder in den Keller. Das zweite der ungegerbten Stücke wurde, sowie
auch sein Rahmen, von allem darauf befindlichen Schimmel gereinigt und auf dieselbe
Weise gegerbt wie es mit den zwei ersteren Stücken geschehen war, hierauf im Freien
getrocknet und nebst den drei anderen in den Keller gebracht, worauf man dessen
Thüre wieder sorgfältig verschloß. Diese Versuche wurden mit denselben
Leinwandstücken eine beträchtliche Zeit lang, beiläufig zwanzig Jahre, fortgesetzt. Bei der letzten Untersuchung zeigten sich die
zwei gleich anfangs gegerbten Zeuge vollkommen unversehrt, sowie auch ihre Rahmen;
durch die Lohe kann man also nicht nur die Leinwand, sondern sogar das Holz
vollkommen gegen Fäulniß schützen, wenn sie auch in die ungünstigsten Umstände
versetzt werden sollen. Das Leinwandstück und den Rahmen, welche gar nicht gegerbt
worden waren, fand man bei der letzten Untersuchung vollkommen zersetzt. Die bereits
halb verfaulte Leinwand und ihr Rahmen, welche nach dem ersten Theil des Versuchs
gegerbt worden waren, hatten keine weitere Veränderung erlitten; ein Beweis, daß die
Lohe nicht nur die Fäulniß verhindert, sondern auch deren Fortschritte aufhält.
Letzterer Versuch war hauptsächlich in der Absicht angestellt worden, ein Mittel zu
finden, wodurch sich die Dauer guter Gemälde alter Meister verlängern läßt.
Um die Gerbeflüssigkeit mittelst Eichenrinde zu bereiten, nimmt man 50 1/2 Kilogr.
guter grob gemahlener Rinde und infundirt sie mit so viel Wasser, daß man 454 Liter
Flüssigkeit erhält, womit man 50 Meter Leinwand gerben kann. Man kocht die Rinde mit
der angegebenen Menge Wasser zwölf Stunden lang in einem kupfernen Kessel (ein
eiserner taugt nicht, weil der Gerbstoff auf das Eisenoxyd wirkt), ersetzt das
verdampfende Wasser und filtrirt nach beendigtem Auskochen die Flüssigkeit durch ein
Haarsieb. Die so bereitete Flüssigkeit ist wenigstens dreimal so stark wie
diejenige, welche die Häringfischer zum Conserviren ihrer Netze anwenden, und sogar
stärker als diejenige, welche man für die Schiffssegel benutzt, um ihnen eine
längere Dauer zu verschaffen.
Der kupferne Kessel, worin man die Gerbeflüssigkeit bereitet hat, dient sodann als
Behälter zur Gerbe-Operation; man braucht nur ein kreisförmiges Brett von
Eichenholz hineinzulegen, damit der Zeug während des Gerbens den Boden des Kessels
nicht berühren kann. Man läßt die Zeuge darin 48 Stunden lang, erhält während dieser
Zeit die Gerbeflüssigkeit stets auf einer Temperatur von 52° R., und rührt
auch den Zeug mehrmals um, damit er in allen Theilen gleichmäßig gegerbt wird. Wenn man ihn aus dem
Behälter zieht, darf man ihn weder auswinden noch ausdrücken, sondern muß ihn auf
dem Rasen ausgebreitet an der Luft austrocknen lassen.
Das Verfahren die auf den Rahmen ausgespannten Leinwandstücke zu gerben, weicht von
dem beschriebenen im Wesentlichen nicht ab. Man kann zwar die Zeuge eben so gut nach
dem Gerben wie vorher auf die Rahmen aufspannen, aber es ist zweckmäßig, auch die
Rahmen an der Gerbe-Operation theilnehmen zu lassen, wenn sie in der Folge
denselben Einflüssen ausgesetzt werden sollen wie die Zeuge. Diese Rahmen müssen
ganz fertig aber noch nicht zusammengefügt seyn, wenn man sie in die Flüssigkeit
taucht, daher auch der Zeug nicht daran befestigt wird. Der Behälter zum Gerben der
Rahmenstücke ist ein hinreichend langer, 1 Fuß hoher und eben so breiter Trog von
Zink, innen mit Brettern von Eichenholz gefuttert und mit einem Deckel versehen, der
sich auf- und abheben läßt. Man bringt die Flüssigkeit hinein und erhöht ihre
Temperatur mittelst eines Dampfrohrs, so daß sie 48 Stunden lang auf demselben
Wärmegrad erhalten wird. Nachdem die Rahmen hinreichend gegerbt sind, trocknet man
sie und fügt sie zusammen. – Will man sie hingegen gerben, wenn sie schon
zusammengefügt und die Zeuge darauf befestigt sind, so verfertigt man einen Kasten
aus 1 Zoll dicken Eichenholzbrettern, ähnlich einer Packkiste für ein Gemälde. Eine
Seite dieses Kastens bleibt offen, damit man den Rahmen mit dem aufgespannten Zeug
hineinbringen kann. Die gerbende Flüssigkeit wird durch einströmenden Wasserdampf
auf der geeigneten Temperatur erhalten. Auf diese Weise waren die erwähnten zwei
Zeugstücke mit ihren Rahmen gegerbt worden.