Titel: | Ueber die Temperatur der Geyserquellen in Island (Versuche über den Siedepunkt des vollkommen luftfreien Wassers und eine Ursache der Dampfkessel-Explosionen). |
Fundstelle: | Band 105, Jahrgang 1847, Nr. CII., S. 443 |
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CII.
Ueber die Temperatur der Geyserquellen in Island
(Versuche über den Siedepunkt des vollkommen luftfreien Wassers und eine Ursache der
Dampfkessel-Explosionen).
Aus dem Edinburgh new philosophical Journal, April
1847.
Ueber den Siedepunkt des luftfreien Wassers.
Hr. Flourens theilte der französischen Akademie der
Wissenschaften die Resultate einiger Beobachtungen der HHrn. Descloizeaux und Bunsen vom Jul. 1845 über die
intermittirenden kochenden Quellen des Geysers und Strockr mit, welcher letztere 140
Yards vom großen Geyser entfernt ist. Diese Beobachtungen bezogen sich auf die
Temperatur des Wassers und wurden in der großen Wassersäule oder Quelle einer jeden
durch Hineinhängen von Thermometern in verschiedenen Tiefen, zu verschiedenen
Zeiten, vor und nach dem Ausbruch angestellt. Der große Geyser ist 22 Meter tief und
die Versuche ergaben, daß die Temperatur der Wassersäule vom Grunde aufwärts
allmählich abnahm, die höchste Temperatur auf dem Grunde, vor einer großen Eruption,
127,6 Centigr. (102,8° R.), und die niederste 122° C. (97,6°
R.) nach einer Eruption betrug. Die Temperatur des Wassers an der Oberfläche war
85,2° C. (68,16° R.), wenn diejenige auf dem Grund 127° C.
(101,6° R.) betrug.
Nach einem Ausbruch stand das tiefste Thermometer auf 121,6° C. (97,3°
R.), neun Stunden nachher auf 123,5° C. (98,9° R.) Von 11 Uhr
Vormittags am 6. Jul. bis 2 Uhr 55 Minuten Nachmittags am 7. Jul. fand keine
Eruption statt, so daß eine Zeit von fast 28 Stunden dazwischen war; und das Wasser
hatte zu dieser letztern: Zeit auf dem Grund 127,6° C. (102,8° R.);
eine Viertelstunde darauf fand eine schwache Eruption statt.
Der Strockr ist eine kreisrunde Quelle, 44 1/2 engl. Fuß tief, mit einer etwa 8 Fuß
weiten Oeffnung, die abwärts schnell abnimmt und in einer Tiefe von etwa 27 1/4 Fuß
unter der Oberfläche nur 10 1/4 Zoll weit ist. Die Wassersäule zwischen den
Eruptionen hat eine mittlere Tiefe von 27 1/2 Fuß, so daß ihre beständig kochende
Oberfläche sich in der Regel 10 bis 13 Fuß unter der Bodenfläche befindet. Die
Temperatur des Wassers auf dem Grunde variirte von 112,9 bis 114,2° C. (89,1
bis 91,2° R.) und dieselbe Temperatur ging durch eine Tiefe von 20 Fuß fort,
wo sie dann niedriger zu werden anfing, und an der Oberfläche des Wassers stand das Thermometer auf
100° C. (80° R.)
Diese Beobachtungen über die Temperatur des Wassers sind sehr merkwürdig und wichtig.
Wir haben eine Temperatur von beinahe 102° R. auf dem Grunde einer freien
offenen Wassersäule, in welche Thermometer an einer von der Oberfläche
hinuntergelassenen Schnur gehangen werden konnten, während man erwarten sollte, daß
sobald eine Wasserschichte auf dem Grund eine höhere Temperatur angenommen hat, sie
in die Höhe steigen und von einer kältern und schwerern Schicht ersetzt werden würde
und daß auf diese Weise eine beständige Strömung durch die Säule stattfinde, bis
alles Wasser die Temperatur von 80° R. hätte, wo dann das Sieden anfinge und
fortdauerte. Vielleicht kann der Druck der Wassersäule die hohe Temperatur auf dem
Grund erklären, namentlich wenn die freie Circulation dadurch verhindert wird, daß
die Wände der Quelle nicht vertical sind, und noch mehr, wenn Vorsprünge der
Seitenwände den Durchmesser verengern. Doch können vielleicht die Versuche des Hrn.
Donny über die Cohäsion der Flüssigkeiten (im 17. Bd.
der Abhandlungen der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Brüssel) einiges
Licht auf diese Erscheinung am Geyser werfen. Durch eine Reihe sorgfältig
angestellter Versuche fand Hr. Donny:
1) daß die Beständigkeit des Siedepunkts des Wassers unter dem gewöhnlichem Druck der
Atmosphäre davon abhängt, daß es eine beträchtliche Menge Luft enthält;
2) daß ein merklicher Unterschied stattfindet zwischen dem Siedepunkt des Wassers,
welches Luft enthält und des von Luft befreiten Wassers;
3) daß eine kleine Menge in Wasser aufgelöster Luft hinreicht, um die zwischen den Molecülen des Wassers stattfindende Cohäsion
bedeutend zu vermindern;
4) daß wenn Wasser von Luft möglichst befreit ist, die Cohäsion der Molecüle so
zunimmt, daß eine höhere Temperatur erforderlich ist, um sie zu überwinden und der Siedepunkt bedeutend erhöht wird.
Es gelang Hrn. Donny von Luft befreites Wasser unter
gewöhnlichem Luftdruck auf 135° C. (108° R.) zu erhitzen, ohne daß es
ein Anzeichen von Sieben darbot – woraus hervorgeht, daß die Cohäsion der
Molecüle nahezu dem Druck von drei Atmosphären auf lufthaltiges Wasser gleich war.
Es ist dieß eine sehr wichtige Thatsache, die bei Erklärung vieler geologischer
Erscheinungen, namentlich der mit der Auflösung der Kieselerde in Beziehung stehenden, wohl
zu beachten ist.
Die fernern Angaben des Hrn. Donny in derselben Abhandlung
scheinen die heftigen und intermittirenden Eruptionen des Geysers erklären zu
können; indem er bewies, daß wenn luftbefreites Wasser einer so bedeutenden
Temperaturerhöhung ausgesetzt wird, daß die Cohäsionskraft der Molecüle dadurch
überwunden wird, eine so augenblickliche und bedeutende Dampferzeugung stattfindet,
daß eine Explosion entsteht. Da nun lange kochendes Wasser immer mehr von Luft
befreit wird, so erklärt Hr. Donny das plötzliche Bersten
der Dampfmaschinenkessel durch dieselbe Ursache.