Titel: | Ueber das zweckmäßigste Verfahren Fleisch zu kochen, Fleischbrühe und Fleischextract zu bereiten und das Fleisch einzusalzen; von Hrn. Prof. J. v. Liebig. |
Fundstelle: | Band 106, Jahrgang 1847, Nr. XV., S. 55 |
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XV.
Ueber das zweckmäßigste Verfahren Fleisch zu
kochen, Fleischbrühe und Fleischextract zu bereiten und das Fleisch einzusalzen; von
Hrn. Prof. J. v.
Liebig.
Liebig, über das zweckmäßigste Verfahren Fleisch zu kochen und
Fleischextract zu bereiten etc.
Hr. Prof. J. v. Liebig theilt in seinen Annalen der Chemie und
Pharmacie, Juniheft 1847, S. 257–269 eine umfangreiche
wissenschaftliche Arbeit, seine Untersuchungen „über die Bestandtheile der
Flüssigkeiten des
Fleisches“ mit, welcher wir nachstehende für die Praxis wichtige
Resultate entnehmen.
Ueber das Kochen des Fleisches.
Es geht aus dieser Untersuchung hervor, daß durch das Kochen des Fleisches eine
wesentliche Aenderung in seiner Zusammensetzung bewirkt wird; je nach der Dauer des
Kochens und der Wassermenge tritt eine mehr oder weniger vollständige Scheidung der
löslichen von den unlöslichen Bestandtheilen des Fleisches ein. Die Fleischbrühe
enthält lösliche Phosphate mit alkalischen Basen, milchsaure, inosinsaure Salze,
phosphorsaure Bittererde und nur Spuren von phosphorsaurem Kalk; das gekochte
Fleisch enthält vorzugsweise phosphorsauren Kalk und phosphorsaure Bittererde.
Es ist klar, daß wenn das als Speise genossene Fleisch in dem Leibe wieder in Fleisch
übergehen, wenn ihm die Fähigkeit bleiben soll, sich in dem ursprünglichen Zustande
wieder zu erzeugen, so darf dem frischen Fleisch bei seiner Zubereitung zu einem
Nahrungsmittel keiner seiner Bestandtheile entzogen werden. Wenn in irgend einer
Weise seine Zusammensetzung geändert, einer der Bestandtheile, der zu seiner
Constitution gehört, entzogen wird, so ändert sich in gleichem Verhältniß die
Fähigkeit des Fleischstückes, die ursprüngliche Form und Beschaffenheit, von der
seine Eigenschaften im lebendigen Körper abhängen, in dem lebenden Körper wieder
anzunehmen.
Es ergibt sich hieraus, das das gekochte Fleisch, wenn es ohne die Fleischbrühe
genossen wird, zur Ernährung um so weniger sich eignet, je größer die Wassermenge
war, in der es gekocht wurde, und je länger das Kochen dauerte.
Durch Ausziehen des gehackten Fleisches mit kaltem Wasser verliert es seinen ganzen
Gehalt von Albumin (Eiweiß). Der fibrinreiche ausgewaschene Rückstand, mit Wasser
gekocht, ist völlig geschmacklos; es ist klar, daß alle
schmeckenden und riechenden Bestandtheile des Fleisches in dem Fleische selbst
sich in löslichem Zustande befinden und beim Kochen in die Fleischbrühe
übergehen. Der Geruch und Geschmack des gebratenen Fleisches rührt von den
löslichen Bestandtheilen der Fleischflüssigkeit her, welche durch den Einfluß der
höheren Temperatur eine schwache Veränderung erlitten haben. Fleisch, welches durch
Auskochen mit Wasser geschmacklos geworden ist, erhält den Geschmack und alle
Eigenthümlichkeiten des gebratenen Fleisches, wenn es mit einem bis zum
Dunkelbraunwerden abgedampften kalten Wasserauszug von frischem Fleische befeuchtet
und damit erwärmt wird.
Alle Fleischsorten verhalten sich in dieser Hinsicht auf gleiche Weise; die
riechenden und schmeckenden Bestandteile sind in dem gebratenen Fleische in Lösung
oder in löslichem Zustande vorhanden. Die Flüssigkeit, die man durch Auslaugen von
verschiedenen Fleischsorten mit kaltem Wasser, und nach dem Erhitzen zum Sieden,
nach dem Gerinnen des Albumins erhält, besitzt stets den allgemeinen Geschmack einer
Fleischbrühe aber jede für sich hat außerdem noch einen besondern Geschmack, welcher
an Geschmack und Geruch des gebratenen Fleisches der verschiedenen Fleischsorten
erinnert, so zwar z.B., daß wenn dem gekochten Fleisch vom Ochsen die concentrirte
Fleischflüssigkeit von Rehfleisch oder Hühnerfleisch zugesetzt wird, daß sich
alsdann dieses Fleisch vom Rehoder gebratenem Hühnerfleisch nicht unterscheiden
läßt. Ein kleiner Zusatz von Milchsäure (von sehr wenig frischem Sauerkraut z.B.),
oder von Chlorkalium, welches stets einen Bestandtheil aller Fleischbrühen ausmacht,
erhöht das pikante des Fleischbrühgeschmacks, sowie auf der andern Seite eine
alkalische Flüssigkeit, oder der Zusatz von Blut den Fleischbrühgeschmack bis zum
Faden herabbringt.
Die Fleischfaser für sich ist überall von einer albuminhaltigen Flüssigkeit umgeben;
davon durch Auslaugen befreit, ist sie von allen Thieren von gleicher
Beschaffenheit. Beim Kochen mit Wasser wird die ausgelaugte Fleischfaser hart und
hornartig, und dieß um so mehr, je länger das Kochen dauerte. Es ist demnach klar,
daß die zarte Beschaffenheit des gekochten oder gebratenen Fleisches von der Menge
des zwischen die Fibrinfaser gelagerten und gerinnenden Albumins herrührt; das
Zusammengezogen- oder Hartwerden der Fibrinfaser wird dadurch bis zu einem
gewissen Grade gehindert. Diese Beschaffenheit hängt übrigens noch ab von der Dauer
des Kochens, denn auch das Albumin wird durch das Kochen fester, ohne übrigens
jemals eine zähe Beschaffenheit anzunehmen.
Der Einfluß des heißen Wassers auf die Qualität des Fleisches und der Fleischbrühe
bedarf hienach kaum einer weiteren Auseinandersetzung.
Wird das zur Speise bestimmte Fleisch in den Topf gethan, wenn
sich das darin befindliche Wasser im starken Aufwallen befindet und das Sieben
einige Minuten unterhalten, alsdann so viel kaltes Wasser hinzugeschüttet, daß
die Temperatur des Wassers dadurch auf 59 oder
56° R. herabgebracht wird und in dieser Temperatur
einige Stunden erhalten, so hat man alle Bedingungen vereinigt,
um dem Fleischstück die zum Genusse geeignetste Beschaffenheit
zu geben.
Durch das Einbringen in das siedende Wasser coagulirt sogleich von der Oberfläche
abwärts das Albumin, welches in diesem Zustand eine Hülle bildet, die dem außerhalb
befindlichen Wasser nicht mehr gestattet, in das Innere des Fleischstückes zu
gelangen, aber die Temperatur pflanzt sich allmählich bis zum Innern fort und
bewirkt dort die Ueberführung des rohen Fleisches in den Zustand des gekochten oder
gebratenen Fleisches. Das Fleisch bleibt saftig und so schmackhaft als es beim
Braten nur werden kann, denn der größte Theil der schmeckenden Bestandtheile des
Fleischstückes bleibt unter diesen Umständen im Fleisch.
Wenn man sich erinnert, daß das Albumin des Fleisches schon bei einer Temperatur von
42° R. zu gerinnen anfängt, daß es bei 40° R. (Berzelius) vollkommen geronnen ist, so sollte man voraussetzen, daß es
nicht nöthig wäre, das Fleisch bei seiner Zubereitung einer höheren Temperatur
auszusetzen. Aber bei dieser Temperatur gerinnt der Farbstoff des Blutes noch nicht,
das Fleisch ist genießbar, aber das bluthaltige Fleisch erhält unter diesen
Umständen eine sogenannte blutige Beschaffenheit, die es erst dann verliert, wenn es
durch seine ganze Masse hindurch eine Temperatur von 52 bis 56° R. angenommen
hat.
In dem Innern eines sehr großen Fleischstückes, welches gekocht oder gebraten worden
ist, kann man an der Farbe, die das Fleisch zeigt, mit Sicherheit die Temperatur der
verschiedenen Stellen beurtheilen. An den blutigen Stellen war die Temperatur
niedriger als 50° R. Beim Kochen oder Braten von Vögeln, deren Fleisch weiß
ist und wenig Blut enthält, übersteigt die Temperatur des Innern bei einer guten
Zubereitung selten 43 bis 48° R., sie werden, wie man sagt, rascher gar wie
blutreiches Fleisch.
Durch das Umwickeln kleiner Fleischstücke mit Speck wird das Austreten der
schmeckenden Bestandtheile in die Fleischflüssigkeit und das Verdunsten des Wassers,
welches ein Festerwerden zur Folge hat, gehindert und die Oberfläche abwärts in der
Beschaffenheit erhalten, welche sonst nur das Innere größerer Fleischstücke
besitzt.
Zweckmäßigstes Verfahren zur Bereitung von
Fleischbrühe.
Das Einbringen des Fleischstückes in siedendes Wasser ist für die Zubereitung des
Fleisches das beste, aber für die Qualität der Fleischbrühe das ungünstigste
Verfahren. Wird im Gegensatz das Fleischstück in kaltes Wasser gethan und dieses
ganz allmählich zum Sieden gebracht, so tritt vom ersten Augenblicke an ein Austausch der in
dem Fleischstück enthaltenen Fleischflüssigkeit und des außerhalb befindlichen
Wassers ein. Die löslichen und schmeckenden Bestandtheile des Fleisches treten an
das Wasser; das letztere gelangt in das Innere des Fleischstückes und laugt dieses
mehr oder weniger stark aus; das Fleisch verliert, die Brühe gewinnt an schmeckenden
Bestandtheilen; durch das Austreten von Albumin, welches gewöhnlich abgeschäumt
wird, verliert vorzüglich die Oberfläche des Fleischstücks ihre kurze
Beschaffenheit, sie wird zähe und hart. Je dünner das Fleischstück ist, desto mehr
tritt diese letztere Beschaffenheit ein, und wenn es in diesem Zustande ohne die
Brühe genossen wird, verliert es nicht bloß an seiner Ernährungsfähigkeit, sondern
auch an seiner Verdaulichkeit, insofern die Fleischflüssigkeit selbst, deren
Bestandtheile sich in der Fleischbrühe befanden, an der Magenverdauung keinen
Antheil mehr nehmen kann. Die Fleischbrühe enthält nämlich zwei Hauptbestandtheile
des Magensaftes.
Man hat sich lange Zeit hindurch gefallen lassen, der beim Kochen des Fleisches sich
lösenden Leimsubstanz, welche der concentrirten Fleischbrühe die Eigenschaft des
Gelatinirens ertheilt, die Haupteigenschaften oder Eigenthümlichkeiten der
Fleischbrühe zuzuschreiben, allein es kann keinen größern Irrthum geben. Die
einfachsten Versuche beweisen, daß die Quantität der gelösten Leimsubstanz in einer
gut bereiteten Fleischbrühe so klein ist, daß sie gar nicht in Rechnung genommen
werden darf, um ihre Eigenschaften zu erklären; die Leimsubstanz ist an und für sich
ganz geschmacklos, und von ihr kann der Geschmack der Fleischbrühe nicht
herrühren.
Um die Menge der unter den günstigsten Verhältnissen sich durch Kochen des Fleisches
lösenden Leimsubstanz zu bestimmen, wurde feingehacktes Fleisch mit kaltem Wasser
ausgelaugt, ausgepreßt und der Rückstand (Fleischfaser und Membranen) mit der
zehnfachen Wassermenge fünf Stunden lang im Sieden erhalten, die Flüssigkeit
abgepreßt und im Wasserbade zur Trockne gebracht. Die erhaltenen Brühen waren vom
Kalb und Ochsen geschmacklos, oder vielmehr von fadem, den meisten ekelhaftem
Geschmack. Die vom Kalbfleisch gelatinirte, als sie bis auf die Hälfte, die vom
Ochsenfleisch, als sie bis auf 1/16 abgedampft worden war. Bei diesem mehrstündigen
Kochen hatten die Fleischfaser und Membranen vom Kalb nur 1 1/2 Proc., die vom
Ochsen etwas mehr als 1/2 Proc. ihres Gewichts an das Wasser abgegeben; von dem
Aufgelösten beträgt die Leimsubstanz sicher nicht die Hälfte des Gewichts, da ein
Theil oder Bestandtheil des Fibrins unter diesen Umständen ebenfalls in Lösung
übergeht.
Aus 1000 Gewichtstheilen Ochsenfleisch wurden
erhalten:
a)
durch kaltes Wasser ausziehbare Bestandtheile (zur
Hälfte aus Albuminbestehend, welches durch Kochen gerinnt)
60 Th.
b)
durch fünfstündiges Auskochen mit Wasser (größtentheils
Leimsubstanz)
6 „
c)
mageres, saft- und geschmackloses Fleisch
(Faser)
164 „
d)
Fett
20 „
e)
Wasser
750 „
––––––––
1000 Th.
Das Hühnerfleisch enthält bei gleichem Gewichte mehr an löslichen Bestandtheilen als
das Ochsenfleisch. Aus 1000 Th. Hühnerfleisch löst das kalte Wasser 80 Th. auf, von
denen 47 aus Albumin bestehen.
Aus dem beschriebenen Verhalten ergibt sich von selbst das beste Verfahren um in der kurzen Zeit von wenigen Minuten die stärkste und
aromatischste Fleischbrühe darzustellen. Wenn man 1 Pfd. ausgebeintes,
mageres, fettfreies Ochsenfleisch in feingehacktem Zustande, so wie man es für die
Fleischwürste verwendet, mit seinem gleichen Gewichte kaltem Wasser gleichförmig
mischt und langsam zum Sieden erwärmt und die Flüssigkeit nach minutenlangem
Aufwallen von dem geronnenen Albumin und dem hart und hornartig gewordenen Fibrin
durch Auspressen mittelst einer Serviette trennt, so erhält man ein gleiches Gewicht
der aromatischsten Fleischbrühe, von einer Stärke, wie sie selbst durch
stundenlanges Kochen von einem Stücke Fleisch nicht erhalten werden kann. Mit etwas
Kochsalz und den anderen Zuthaten versetzt, womit man die Fleischbrühe würzt und mit
braungebratenen Zwiebeln oder gebranntem Zucker etwas dunkler gefärbt, stellt sie
die beste Fleischbrühe dar, die sich überhaupt aus einem Pfunde Fleisch bereiten
läßt. Der Einfluß, den die (bräunliche) Farbe dieser Brühe oder das Gefärbtseyn in
Folge der Vorstellungen, die sich an die Farbe knüpfen, auf den Geschmack ausübt,
läßt sich bei dieser Gelegenheit mit Leichtigkeit darthun. Die mit etwas Caramel
gefärbte Fleischbrühe hat nach dem Urtheil aller Personen einen weit stärkeren
Geschmack, wie dieselbe Fleischbrühe im ungefärbten Zustande, obwohl der Caramel in
der Wirklichkeit den Geschmack in keiner Weise erhöht.
Ueber die Bereitung von Fleischextract zur Verproviantirung
von Schiffen und Festungen etc.
Läßt man das Fleisch mit dem Wasser längere Zeit kochen, oder die Fleischbrühe
kochend verdampfen, so nimmt sie bei einiger Concentration von selbst eine
bräunliche Farbe und einen feinen Bratengeschmack an. Dampft man sie im
Wasserbade, oder wo möglich in einer noch niedrigeren Temperatur zur Trockene ein,
so erhält man eine dunkelbraune weiche Masse, von welcher eine halbe Unze hinreicht,
um ein Pfund Wasser, dem man etwas Kochsalz zusetzt, in eine starke und
wohlschmeckende Fleischbrühe zu verwandeln.
Dieser Fleischextract läßt sich mit den in England und Frankreich bereiteten
sogenannten Suppen- oder Bouillontafeln nicht vergleichen, denn diese
letzteren sind nicht aus Fleisch gemacht und bestehen aus mehr oder weniger reinem
Leim, der sich von dem Knochenleim nur durch seinen hohen Preis unterscheidet.
Aus 32 Pfd. knochen- und fettfreiem, magerem Ochsenfleisch (8 Pfd. trockenem
Fleisch und 24 Pfd. Wasser) erhält man 1 Pfd. von diesem Extract, der seines hohen
Preises wegen kaum einen Gegenstand des Handels abgeben dürfte; wenn aber die
Erfahrungen der Militärärzte mit denen von Parmentier
übereinstimmen, wonach „der trockene Fleischextract im Gefolge eines
Truppencorps den schwer verwundeten Soldaten ein Stärkungsmittel darbietet,
welches mit etwas Wein seine durch einen großen Blutverlust erschöpften Kräfte
augenblicklich hebt und ihn in den Stand setzt, den Transport in das nächste
Hospital zu ertragen“
Siehe Proust, Annal. de Chim. et de Phys. 3.
sér. T. XVIII p. 177., so scheint es mir eine wahre Gewissenssache zu seyn, den Vorschlag Parmentier's und Proust's der
Aufmerksamkeit der Regierungen zu empfehlen.
Jetzt, wo man die Zusammensetzung dieses Extracts etwas genauer kennt, dürfte es
jedem geschickten Apotheker leicht seyn, den ächten von dem falschen zu
unterscheiden. Von dem wahren Fleischextract lösen sich nahe an 80 Proc. in
Weingeist von 85 Proc., während von derselben Flüssigkeit von den gewöhnlichen
Suppentafeln selten mehr als 4–5 Proc. gelöst werden. Der Kreatin- und
Kreatiningehalt, welcher letztere in der weingeistigen Lösung sogleich durch
Zinkchlorür erkannt wird, so wie die Natur der nach der Einäscherung bleibenden
Salze, die vorzugsweise aus löslichen Phosphaten bestehen, geben Anhaltspunkte genug
zur Beurtheilung der Güte des ächten Fleischextractes ab.
Für die Verproviantirung von Schiffen und Festungen halte ich diesen Fleischextract
für nicht minder wichtig, um den Gesundheitszustand der Mannschaft in denjenigen
Fällen zu erhalten, wo es an frischem Fleische und Gemüse fehlt und die Mannschaft
auf gesalzenes Fleisch angewiesen ist.
Ueber das Einsalzen von Fleisch.
Es ist Jedermann bekannt, daß beim Einsalzen von Fleisch dasselbe mit Kochsalz
eingerieben und bestreut wird, und daß sich an den Stellen, wo sich Fleisch und Salz
berühren, eine Salzlacke bildet, welche den dritten Theil, bis die Hälfte der
Flüssigkeit beträgt, die einen Bestandtheil des frischen Fleisches ausmachte.
Ich habe gefunden, daß diese Salzlacke die Hauptbestandtheile einer concentrirten
Fleischbrühe enthält, daß also beim Einsalzen die Zusammensetzung des Fleisches und
in einem noch größeren Verhältniß geändert wird, wie dieß durch das Kochen
geschieht. Beim Kochen bleibt das in hohem Grade nahrhafte Albumin in geronnenem
Zustande in dem Fleischstücke, aber beim Einsalzen trennt sich Albumin vom Fleisch;
aus der zum Sieden erhitzten Salzlacke scheidet sich eine Menge Albumin als
Gerinnsel ab. Die Salzlacke reagirt sauer, sie gibt mit Ammoniak, bei Zusatz eines
Bittererdesalzes, einen reichlichen Niederschlag von phosphorsaurem
Bittererdeammoniak, sie enthält Milchsäure, eine reichliche Menge Kali, und daß sie
Kreatin enthält, was ich übrigens von dem großen Ueberschuß an Kochsalz nicht zu
trennen vermochte, läßt sich ohne Zweifel aus ihrem Kreatiningehalt erschließen. Die
mit Kalk neutralisirte Salzlacke gibt nämlich nach dem Auskrystallisiren des
Kochsalzes eine Mutterlauge, aus der sich nach einiger Zeit, bei Zusatz von Alkohol
und dann von Chlorzink, das mehrmals erwähnte Kreatinindoppelsalz absetzt.
Es ist hienach vollkommen verständlich, daß dem Fleisch beim Einsalzen, wenn dieß so
weit getrieben wird, daß sich eine Salzlacke bildet, durch das Austreten der
Fleischflüssigkeit eine Anzahl von Stoffen entzogen werden, die zu seiner
Constitution nothwendig sind und daß es im Verhältniß zu diesem Verlust von seiner
Ernährungsfähigkeit verliert; wenn diese Bestandtheile nicht von andern Seiten her
ersetzt werden, so ist klar, daß ein Theil des Fleisches zu einem für die Gesundheit
sicher nicht zuträglichen Respirationsstoffe wird. Es ist ferner gewiß, daß durch
gesalzenes Fleisch, wenn seine Quantität nicht vermehrt wird, auf die Dauer hin der
Gesundheitszustand eines Individuums nicht erhalten werden kann, insofern durch
seine Bestandtheile die durch den Stoffwechsel ausgetretenen Körpertheile nicht
vollkommen ersetzt und die in dem ganzen Körper verbreitete Flüssigkeit
(Fleischflüssigkeit) in ihrer normalen Zusammensetzung nicht erhalten wird. Eine
Aenderung in der Beschaffenheit des Magensaftes und damit der Producte des
Verdanungsprocesses muß als eine Folge des lange anhaltenden Genusses von gesalzenem
Fleisch angesehen
werden, und wenn während der Verdauung die Stoffe, welche zur Umwandlung desselben
unentbehrlich sind, von anderen Theilen des Körpers genommen werden, so müssen diese
ihren normalen Zustand verlieren.
In meinen Versuchen war anfänglich zum Einsalzen des Fleisches ein Kochsalz genommen
worden, welches sich in einer späteren Untersuchung als sehr reich an Chlorcalcium
und Chlormagnesium erwies; diese Untersuchung wurde dadurch herbeigeführt, daß in
der damit erhaltenen Salzlacke nur Spuren von Phosphorsäure nachweisbar waren. Das
äußere Ansehen des Fleisches erklärte schon diese nicht erwartete Erscheinung, es
war nämlich wie mit einem weißen Schaume bedeckt, der zum größten Theil aus
phosphorsaurem Kalk und phosphorsaurer Bittererde bestand; die Erdsalze des
Kochsalzes hatten sich mit dem phosphorsauren Alkali der Fleischflüssigkeit in
phosphorsauren Kalk und Bittererde umgesetzt, von der sich in der sauer reagirenden
Salzlacke nur sehr kleine Mengen lösen konnten.
In der Anwendung eines an Kalk- und Bittererde reichen Kochsalzes zum Salzen
mag ein Grund liegen, der den Genuß von damit gesalzenem Fleisch minder schädlich
macht. Es ist nämlich klar, daß wenn mit einem solchen Fleische Gemüse genossen
werden, welche reich an Kali sind, wie dieß bei allen stattfindet, in diesem Falle
die Bedingungen vorhanden sind, um während der Verdauung die fehlenden
phosphorsauren Alkalien wieder zu erzeugen. Daß diese wirklich unter diesen
Umständen erzeugbar sind, dieß geben die Analysen der Milch und des Futters der
grasfressenden Thiere zu erkennen, welche keine phosphorsauren Alkalien, sondern
phosphorsauren Kalk und Bittererde neben Salzen mit alkalischen Basen enthalten.
Vergleicht man Fleisch mit andern animalischen Speisen, mit Eiern und Käse, so ist
die Verschiedenheit in die Augen fallend, und die Schwerverdaulichkeit derselben im
Vergleich mit Fleisch ist ohne Zweifel in der ungleichen Zusammensetzung
begründet.
Wenn man in Betracht zieht, daß die Fleischflüssigkeit aller bis jetzt untersuchten
Thiere eine constante Beschaffenheit besitzt, daß, abgesehen von den Bestandtheilen
derselben, die von dem beigemischten Blute stammen, sowie von geringen Mengen
riechender oder schmeckender Stoffe, von denen der Nebengeschmack der Fleischbrühe
jeder einzelnen Fleischsorte abhängig ist, die Fleischbrühe von Ochsenfleisch sich
in keiner Weise von der vom Fuchsfleisch unterscheidet, so scheint mit Recht hieraus
gefolgert werden zu können, daß die Menge und die Natur der löslichen Bestandtheile
in dem Muskelsystem zu den Functionen der Muskeln nothwendig sind; es scheint sich
ferner daraus zu ergeben, daß in der Beurtheilung der Ernährungsfähigkeit einer
Speise die Zusammensetzung des Blutes nicht zum Anhaltspunkt gewählt werden darf,
weil noch eine Anzahl von Factoren mit in Rechnung genommen werden müssen, die im
Blute fehlen, oder nur in geringer Menge darin vorhanden sind.