Titel: | Ueber die Farbstoffe des Krapps; von Dr. Schunck. |
Fundstelle: | Band 106, Jahrgang 1847, Nr. LX., S. 293 |
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LX.
Ueber die Farbstoffe des Krapps; von Dr.
Schunck.
Aus dem Philosophical Magazine, Jul. 1847, S.
46.
Schunck, über die Farbstoffe des Krapps.
Die sogenannten Farbstoffe haben keine weiteren
allgemeinen chemischen Eigenschaften, als die Uebereinstimmung, daß sie lebhafte
Farben besitzen oder gefärbte Verbindungen eingehen können. Genau betrachtet,
gehören einige derselben zu den Harzen, andere zu den Extractivstoffen; versuchen
wir aber den Begriff der Farbstoffe nach den chemischen Eigenschaften dieser Körper
zu bestimmen, so können wir unmöglich eine große Anzahl Substanzen ausschließen,
die, wie das Tannin und Catechin, unter gewissen Umständen braune Substanzen
erzeugen, welche in keiner Weise von den glänzend rothen Farbstoffen der Orseille
und des Campecheholzes verschieden sind. Einige Farbstoffe werden schon als fertig
gebildet in verschiedenen Theilen der Pflanzen und Thiere gefunden, andere werden
künstlich aus farblosen Substanzen dargestellt, indem letztere eine vollständige
Veränderung erleiden; noch andere endlich entstehen von selbst beim ersten Grade der
Oxydation oder Fäulniß in Folge des Erlöschens des Lebens. Bei der Untersuchung von
in ihren Eigenschaften und ihrer Entstehung so verschiedenen Substanzen würde es
unmöglich seyn, in dieser kurzen Notiz allgemeine Resultate in Betreff der ganzen
Classe anführen zu wollen, ich begnüge mich deßhalb mit einem kurzen Bericht der
Resultate einiger Untersuchungen, die ich mit einem einzigen Zweig dieses
Gegenstands anstellte.
Ich richtete zuerst meine Aufmerksamkeit auf den Krapp, theils weil die in ihm
enthaltenen Farbstoff beinahe noch unbekannt sind, theils auch, weil der Krapp ein
Artikel von so großer Wichtigkeit in der Färberei ist, daß seine Untersuchung in
unmittelbarer Beziehung mit dem praktischen Nutzen steht.
Ich will nicht alle die so zahlreichen Untersuchungen über den Krapp erwähnen, ich
gedenke bloß, daß Robiquet in dem Krapp einen flüchtigen
Farbstoff entdeckte, welchem er den Namen Alizarin gab,
und daß Runge ferner darin fünf verschiedene Farbstoffe
fand und beschrieb: den Krappurpur, das Krapproth, das Krapporange, das Krappgelb
und das Krappbraun. Meinen Untersuchungen zufolge stimme ich mit Runge überein, indem ich glaube, daß der Krapp mehr als einen Farbstoff
enthält, obwohl ich der Meinung bin, daß die von ihm gefundenen und beschriebenen
Substanzen nicht rein waren. Bevor ich aber diesen Gegenstand näher ins Auge fasse,
will ich die erhaltenen Resultate in Bezug auf das Alizarin anführen. Das Alizarin
ist ohne Zweifel die interessanteste und die am genauesten bekannte aller in dem
Krapp enthaltenen Substanzen; seine Gegenwart ist leicht, auch schon bei
oberflächlicher Prüfung, wahrzunehmen. Wenn man Krapp in dünner Schicht auf eine
Metallplatte aufstreut und erwärmt, ohne jedoch die Hitze so weit zu treiben, daß
die holzigen Theile der Wurzel verkohlen könnten, so finden wir nach Verlauf einiger
Stunden die Oberfläche der Wurzel mit kleinen rothen oder orangefarbenen Krystallen
bedeckt, die aus Alizarin bestehen. Auf gleiche Weise gibt ein Auszug des Krapps,
mit Wasser, Alkohol oder Alkalien, zur Trockne verdampft und gelinde erhitzt, ein
krystallinisches Sublimat von Alizarin, welches verschieden von Hellgelb bis zu
Dunkelroth oder Braun gefärbt ist. Einer der ersten Punkte, auf welchen ich meine
Aufmerksamkeit richtete, war, zu untersuchen, ob das Alizarin schon als solches in
der Wurzel existirt, oder ob es erst bei der Sublimation gebildet werde. Robiquet, der Entdecker, nimmt es als in der Pflanze
fertig gebildet an und betrachtet dasselbe als den vorzüglichsten Farbstoff des
Krapps, der durch bloße Sublimation gereinigt werde. Seine Untersuchungen können uns
jedoch nicht von seinen Ansichten überzeugen, da das Krappextract, welches mit
Wasser oder Alkohol dargestellt wurde und bei der Sublimation Alizarin lieferte,
keine Spur von Krystallen enthält; einige Chemiker schlossen daraus, daß das
Alizarin ein Zersetzungsproduct, durch die Hitze erzeugt, und der Pyrogallussäure,
der Pyroweinsäure und anderen ähnlichen Substanzen an die Seite zu stellen sey. Ich
meinerseits glaube bestätigen zu können, daß das Alizarin als solches in der Pflanze
vorkommt, da ich es auf mehr als einem Weg in krystallinischer Form ohne Mitwirkung
der Wärme erhielt. Extrahirt man Krapp mit kaltem Wasser, so erhält man eine braune
Flüssigkeit, die ohne Wirkung auf Lackmus ist. Setzt man dieselbe aber mehrere
Stunden der atmosphärischen Luft aus, so nimmt sie deutlich saure Eigenschaften an,
und wenn wir sie sorgfältig betrachten, so sehen wir in ihr lange, haarförmige
Krystalle, die aus Alizarin bestehen. Wenn die Flüssigkeit noch weiter dem Einfluß
der atmosphärischen Luft ausgesetzt bleibt, so scheidet sich eine gelbe, amorphe
Substanz ab, auf die ich später zurückkommen werde. Weiterhin erscheint eine
Gallerte und nach einigen Tagen tritt vollständige Fäulniß ein. Es scheint, als wenn
das Alizarin im Krapp, oder wenigstens in dem in Wasser löslichen Theile, mit Kalk
verbunden sey.Bei Einwirkung der atmosphärischen Luft bildet sich durch einige Substanzen,
die durch den Einfluß des Sauerstoffs in der Flüssigkeit aufgelöst werden,
etwas Säure, die den Kalk aufgelöst erhält, während sie einige Substanzen
abscheidet, die mit dem Kalk verbunden waren. Das Alizarin wird nun, als eine Substanz von schwach sauren Eigenschaften,
zuerst abgeschieden und darauf die anderen Substanzen.
Je frischer der Krapp ist, desto reiner wird das Alizarin, das man durch Aussetzen an
die atmosphärische Luft abscheidet; zuweilen bildet sich auf der Oberfläche der
Flüssigkeit ein dicker, hellgelber Schaum; meistens aber ist das Alizarin mit
braunen und rothen Substanzen gemischt, von denen es nur schwierig befreit werden
kann. Es ist deßhalb rathsam, die Krystalle, die sich nach zwölfstündigem Hinsetzen
abgeschieden haben, durch Filtriren zu trennen. Diese Krystalle werden mit Wasser
gewaschen und mit verdünnter Salpetersäure erwärmt, bis sie eine glänzend gelbe
Farbe angenommen haben; sie werden darauf in warmem Alkohol gelöst und scheiden sich
daraus beim Erkalten in gelben, durchscheinenden Blättchen und Nadeln von schönem
Glanze aus. Auf diese Weise dargestelltes Alizarin hat folgende Eigenschaften: Es
ist von rein gelber Farbe ohne Beimischung von Roth; es verflüchtigt sich ohne
Rückstand. Der Dampf desselben krystallisirt beim Erkalten in Form schöner gelber
Blättchen und Nadeln. Der Einwirkung der kräftigsten Reagentien ausgesetzt, erleidet
es kaum eine Veränderung; es löst sich unverändert in kalter, concentrirter
Schwefelsäure. Concentrirte Salpetersäure verändert es beim Sieden ebenfalls kaum.
Chlor läßt es unverändert. Es ist unlöslich in Wasser, löslich aber in Alkohol mit
gelber Farbe. In Alkalien löst es sich mit prächtig Purpurrother Farbe. Seine
Verbindungen mit alkalischen Erden sind von rother Farbe und nur wenig in Wasser
löslich; seine Verbindungen mit Erden und Metalloxyden sind in Wasser unlöslich und
erzeugen mehrere rothe Farbenüancen. Es ertheilt dem mit essigsaurer Thonerde und
essigsaurem Eisenoxyd gebeizten Tuche keine Färbung, was von seiner Unlöslichkeit in
Wasser herrührt. Auf diesem Wege erhält man jedoch nur wenig Alizarin, ungefähr 1
Gran von einem Pfund Krapp, obgleich die Wurzel mehr davon enthält.
Ich will nun zwei andere Farbstoffe beschreiben, die ich aus dem Krapp darstellte.
Wenn man Krapp mit kaltem oder heißem Wasser extrahirt und zu der Flüssigkeit eine
starke Säure, wie die Salzsäure oder Schwefelsäure, bringt, so entsteht ein
flockiger, rothbrauner Niederschlag. Dieser Niederschlag wird durch Filtriren getrennt und
ausgesüßt, bis alle Säure entfernt ist. Beim Behandeln mit siedendem Wasser wird ein
Theil desselben mit brauner Farbe gelöst. Bringt man zur filtrirten Lösung einige
Tropfen Säure, so entsteht ein dunkelbrauner Niederschlag, der seinen Eigenschaften
nach den eigenthümlichen Farbstoffen, wie dem Orceïn, Hämatoxylin und anderen
ähnlich zu seyn scheint. Er löst sich in Alkalien mit rother Farbe und ertheilt dem
vorher gebeizten Tuche eine lebhafte Farbe. So viel mir bekannt ist, ist diese
Substanz bei den Untersuchungen über diesen Gegenstand nicht näher beschrieben
worden, obgleich sie vorzüglich zur Bildung der Krappfarben beitragen mag. Ich
unterwarf sie bis jetzt nur der oberflächlichen Prüfung. Der Rückstand, der beim
Behandeln mit siedendem Wasser blieb, wurde mit verdünnter, erwärmter Salpetersäure
behandelt, wodurch jede Spur der vorigen Substanz zerstört wird und der Rückstand
eine glänzende gelbe Farbe und eine mehr pulverförmige Beschaffenheit annimmt.
Dieses gelbe Pulver enthält Alizarin, was die Krystalle zeigen, die man bei
vorsichtigem Erwärmen dieser Substanz erhält; man gewinnt dadurch sämmtliches in dem
Krapp enthaltenes Alizarin, das aber mit einer andern, amorphen Substanz gemischt
ist, von welcher man es nur schwierig trennen kann. Durch Krystallisiren aus Alkohol
kann die Trennung nicht bewerkstelligt werden, da beide in gleicher Menge darin
auflöslich sind. Auf gleiche Weise verhalten sie sich gegen die Alkalien, Erden und
die meisten Metalloxyde. Es glückte mir, eine Methode ausfindig zu machen, die
Trennung zu bewirken: das Gemenge beider wird in einer geringen Menge Aetzkali
aufgelöst und zu der Auflösung Eisenchlorid gesetzt, welches einen dunkelrothbraunen
Niederschlag bewirkt, der aus einer Verbindung beider Substanzen mit Eisenoxyd
besteht. Beim Sieden dieses Niederschlags mit überschüssigem Eisenchlorid löst sich
die Verbindung des Alizarins mit dem Eisenoxyd zu einer dunkelbraunen Flüssigkeit,
während die Eisenoxydverbindung mit der andern Substanz ungelöst zurückbleibt.
Bringt man zu der filtrirten Lösung Salzsäure, so scheidet sich das Alizarin in
gelben Flocken aus und kann durch Umkrystallisiren aus Alkohol gereinigt werden. Die
andere Substanz, die ich unbenannt lasse, wird aus der Eisenverbindung, welche beim
Behandeln mit Eisenchlorid zurückbleibt, durch Zersetzen mit Salzsäure gewonnen und
ausgewaschen, bis alles Eisenoxyd entfernt ist. Sie scheint also ein Farbstoff zu
seyn, der sich in Alkalien mit rother Farbe löst und mit den Erden und Metalloxyden
rothe Verbindungen gibt. Er ist in Wasser unlöslich, in Alkohol aber mit gelber
Farbe löslich. Im allgemeinen scheint er sich demnach den Harzen anzureihen. Er konnte nicht in
krystallinischer Form dargestellt werden. Aus einer warmen concentrirten Lösung in
Alkohol scheidet er sich beim Erkalten als gelbes Pulver ab. Gebeizter Zeug wird
durch denselben nicht gefärbt.