Titel: | Ueber Verbesserungen in der Dampfschifffahrt; von Hrn. v. Séguier. |
Fundstelle: | Band 106, Jahrgang 1847, Nr. LXIX., S. 340 |
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LXIX.
Ueber Verbesserungen in der Dampfschifffahrt; von
Hrn. v.
Séguier.
Aus den Comptes rendus, Sept. 1847, Nr.
11.
Séguier, über Verbesserungen in der
Dampfschifffahrt.
Die Anwendung der Dampfkraft zum Treiben der Schiffe, wozu Papin im J. 1690 die Idee faßte, welche im J. 1778 vom Marquis v. Jouffroy ausgeführt und endlich im J. 1807 von Fulton in Amerika praktisch ins Werk gesetzt wurde, ist
seitdem nicht so vervollkommnet worden, daß die neuesten Verbesserungen im
Verhältniß mit unseren Fortschritten in der Mechanik und der Schifffahrt stehen.
Und dennoch veranlaßte die Lösung dieses wichtigen Problems zahlreiche
Untersuchungen; die hauptsächlichen Neuerungen aber beschränkten sich bis jetzt
vorzüglich auf die als Triebkraft am Bord der Schiffe angewandte Dampfmaschine; es
wurde bald der mit Hochdruck, bald jener mit Niederdruck, bald den einfachwirkenden,
bald den doppeltwirkenden der Vorzug gegeben; man veränderte ihre Form, theilte sie
auf verschiedene Weise ab, setzte sie in den verschiedensten Stellungen im Schiffsraum ein und
bemühte sich, ihr Volum zu vermindern. Um eine größere Leichtigkeit zu bezwecken,
trachtete man in letzterer Zeit vorzüglich den Verdampfungsflächen der Kessel eine
größere Entwickelung zu geben, indem man dabei ihren Rauminhalt verminderte, und die
Anwendung der von dem Franzosen Séguin d. ält.
behufs der schnellen Locomotion auf Eisenbahnen erfundenen röhrenförmigen Kessel
machte hauptsächlich größere Schnelligkeit der Seereisen mittelst Dampfschiffen
möglich.
Auch den ungeheuren Verbrauch an Brennmaterial suchte man zu vermindern. Diese unter
mehr als einem Gesichtspunkt so wichtige Frage erfreute sich dennoch bisher keiner
andern Lösung als einer zweckmäßigen Anwendung der Expansion des Dampfs; und bei
aller Mühe, die man sich hierin gab, ist der Unterschieb zwischen der neuesten und
besten Expansionsmaschine und der ältesten mit vollem Dampf, nicht so bedeutend, daß
man nicht wünschen müßte, sich dereinst den noch so fern liegenden Gränzen, welche
die Theorie den Nutzeffecten des Wärmestoffs anweist, besser zu nähern.
Es unterliegt heutzutage auch keinem Zweifel mehr, daß die Dampfmaschinen und ihre
Kessel noch sehr großer Verbesserungen fähig sind. Wir wollen uns hier keineswegs
auf diese wichtigen und schwierigen Fragen einlassen und glauben, daß schon bei
rationellerer Anwendung der Kraft der gegenwärtig gebräuchlichen Motoren bedeutende
Verbesserungen in der Dampfschifffahrt erzielbar sind, nämlich daß ungeheure
Verluste am Nutzeffect beim Treiben der Schiffe durch bloße Abänderung der
fortschaffenden Organe zu vermeiden wären.
Wir verkennen keineswegs die Schwierigkeiten eines Fortschritts auch nur von diesem
einzigen Gesichtspunkt aus; denn die zahlreichen Versuche hinsichtlich der
fortschaffenden Organe sind uns gar wohl bekannt. Die Schaufelräder, deren man sich
zu allererst bediente, bieten, sobald sie nicht mehr unter den normalen Umständen,
wie bei ihrer Einsetzung, ihren Dienst verrichten, große und auffallende Uebelstände
dar. So oft eine Radschaufel durch das Schwanken des Schiffs oder das Schollen der
Wogen, wenn auch noch in horizontaler Stellung, der Flüssigkeit begegnet, wirkt sie
nicht forttreibend auf das Schiff, sondern es in die Höhe hebend, und da das Gewicht
des Schiffs viel größer ist als die Kraft, welche dem Schaufelrad seine rotirende
Bewegung mittheilt, so muß das Rad momentan aufgehalten werden oder wenigstens
langsamer gehen. Man begreift, daß auf diese Weise eine ungeheure Menge Kraft auf
Kosten der Fortbewegung des Schiffs unnütz absorbirt wird. Da ferner alle Schaufeln desselben
Rads fest mit einander verbunden sind, so müssen – wenn eines derselben,
indem es sich vergebens in die Höhe zu begeben strebt, nur noch eine
Winkelgeschwindigkeit beibehält, die geringer ist, als die durch das Schiff erlangte
fortschreitende Bewegung (und dieses ist, wenn die See nicht ganz ruhig ist,
Unaufhörlich der Fall) – die untern Schaufeln selbst Hindernisse für den
Fortgang werden, weil sie in diesem Fall zum Querschnitt des Schiffs als
Widerstandsfläche hinzutreten. Es ist mithin gewiß, daß das Fortschreiten eines
Dampfschiffs durch die Wellen mittelst gewöhnlicher Schaufelräder, die es
wechselweise forttreiben und anhalten, nur das Product einer Differenz zwischen den
positiven und negativen Kraftäußerungen ist, deren größere Summe positiv bleibt, und
daß folglich die Geschwindigkeit seines Laufes immer nur dieser Differenz
proportional seyn kann.
Wollte man auf einem Dampffahrzeug die Wirkung des Motors aufheben, um bei gutem Wind
nur mit Segeln zu fahren, so würde die Fläche der untern Radschaufeln einen
constanten Widerstand bilden, der zu demjenigen der Hauptrippe des Schiffs noch
hinzukäme.
Diesem großen Uebelstand ist nicht anders zu begegnen, als durch Aushängen oder
Auslösen der Räder, so daß sie leer laufen oder durch das sehr langwierige, zuweilen
auch gefährliche Ausnehmen der Schaufeln aus dem untern Theil des Rades.
So sinnreich die Mechanismen auch sind, welche bisher angewandt oder wenigstens
vorgeschlagen wurden, um die Räder auszulösen, und aus Treibrädern bewegte Räder zu
machen, so hört damit doch der Widerstand nicht auf, welchen sie noch in Folge der
Reibung ihrer Achse in deren Lagern und der Einwirkung der Luft auf ihre in Bewegung
befindlichen Schaufeln entgegensetzen. Damit ist aber die Dauerhaftigkeit des Motors
(des Segelwerks) bedroht; man zog deßhalb bisher das gründlichere Hülfsmittel, das
Ausnehmen der Schaufeln, ungeachtet seiner Umständlichkeit und Gefahr vor.
Um den offenbaren Verlust an Nutzeffect zu vermeiden, welcher stattfindet, so oft die
Ruderräder nicht unter den normalen Umständen im Wasser gehen, suchte man ihre
Schaufeln beweglich zu machen; man beabsichtigte dabei die Schaufeln bei ihrem
Eintritt ins Wasser noch in horizontaler Stellung dem Schlag der Wellen zu entziehen
und sie bei ihrem Austritt von der Wassermasse, welche sie unnützerweise mit in die
Höhe heben, zu befreien. Es wurden Versuche mit Rädern mit articulirten Schaufeln
angestellt, aufgegeben und wieder aufgenommen; die Vortheile welche diese Art Räder bisher gewährten,
wurden durch die schnelle Zerstörung ihres Mechanismus immer wieder aufgewogen.
Auch die festen Schaufelräder wurden auf verschiedene Art abgeändert; die Schaufeln
wurden z.B. statt in gerader Richtung, schief in Beziehung zur Achse eingesetzt; man
hat sie sowohl in ihrer Länge als ihrer Höhe auf verschiedene Weise gebrochen; es
wurden Räder mit krummen Schaufeln verfertigt; man versuchte auch Schaufeln mit
vielen Löchern, um ihren Widerstand bei gleicher Oberfläche zu vergrößern, nach der
Constructionsweise der Steuerruder der kleinen chinesischen Fahrzeuge. Trotzdem ist
die Verstärkung der Triebkraft noch immer das einzige Hülfsmittel, welches man den
unbestreitbaren Fehlern der gewöhnlichen Schaufelräder mit Erfolg entgegensetzen
kann. Die Mängel dieser Räder sind für Jeden, der sie, besonders auf dem Meer, in
Thätigkeit sah, so augenscheinlich, daß schon in der ersten Zeit der
Dampfschifffahrt in Amerika, und etwas später in Frankreich und England, eine Menge
Treibapparate statt derselben erdacht und versucht wurden. Man ersetzte sie durch
endlose Ketten mit einer Menge schaufelartiger Bretter versehen, die parallel mit
dem Kiel des Schiffs an seinen beiden Seiten wirkten; man ahmte die directe Wirkung
des Schwanenfußes durch abwechselnde Bewegung articulirter handförmiger
Vorrichtungen nach; auch die schiefe Kraftäußerung des Fischschwanzes durch einfache
oder doppelte, sich über Kreuz bewegende Ruder und durch Schrauben mit einem oder
mehreren Gängen. Alle diese Versuche hatten keinen Erfolg. Damit soll aber nicht
gesagt seyn, daß mit keinem dieser Mittel der Zweck erreicht werden kann; vielmehr
ist zu vermuthen, daß die Versuche nicht mit hinlänglich starken Dampfmaschinen
angestellt wurden; denn eines derselben, die Schraube z.B., welche man nach den
ersten Versuchen verwarf, in der neuesten Zeit aber mit kräftigen Motoren wieder
versuchte, liefert jetzt ganz befriedigende Resultate, welche ihr den Vorzug vor den
Ruderrädern einräumen. Dieses, von Duquet gegen die
Hälfte des vorigen und von Dallery am Anfang dieses
Jahrhunderts als hydraulischer Motor, als Treibapparat für Dampfschiffe
vorgeschlagene Organ, diese Schraube blieb dennoch außer Gunst, bis die Amerikaner
durch Aufopferung ungeheurer Summen sie wieder in Ruf brachten.
Die Versuche im Großen, welche mit der Schraube in neuerer Zeit angestellt wurden,
stellten sowohl ihre Vorzüge als ihre Fehler heraus. Ihre unbestreitbaren Vorzüge
sind: Einfachheit, kleines Volum, Leichtigkeit, Einsetzung unter dem Meeresspiegel,
unter den Seiten oder dem Hintertheil des Schiffs. Ihre Fehler sind von zweierlei
Art: die einen liegen
hauptsächlich in ihrer Wirkungsweise, die andern in ihrer Einsetzung. Die Schraube,
deren entwickelte Oberfläche nur beschränkt seyn kann, muß, um in der Flüssigkeit
einen hinlänglichen Stützpunkt zu finden, mit einer bedeutenden Geschwindigkeit auf
dieselbe wirken; das Wasser muß ihr, ohne Zeit zu haben von der Stelle zu welchen,
die Trägheit seiner Masse entgegensetzen, widrigenfalls die Wirkung beinahe null
bleibt. Einigen Erfolg hatte man von der Schraube erst dann, als man ihr durch
kräftige Motoren eine so schnelle drehende Bewegung mittheilen konnte, daß das
Wasser die Rolle einer Schraubenmutter spielen mußte. Man kann sich in diesem Fall
durch directe Beobachtung leicht überzeugen, daß die Schraube das Wasser um so
weniger in Schwanken versetzt, je schneller sie arbeitet. Da also durch die
außerordentliche Geschwindigkeit dieses Organs der Widerstand gegen die Flüssigkeit
gegeben ist, so erhält das Schiff nothwendig seinen Impuls von einem einzigen Punkt
aus, dem Ende des Wellbaums. Hierin aber zeigen sich die Fehler der Schraube. Die
Kraftäußerung, welche das Ende des Wellbaums zu ertragen hat, ist gleich dem
Widerstand des Schiffs, also der zu seiner Bewegung angewandten Kraft. Da die
Zerstörung der mechanischen Organe um so schneller erfolgt, und der Verlust an
Nutzeffect um so größer ist, je zusammengedrängter die Oberflächen sind, zwischen
welchen die Reibungen stattfinden, so kann sich die ungeheure Wirkung, welche bei
einem Schiff von z.B. 450 Pferdekräften das einzige Ende des Wellbaums der Schraube
zu ertragen hat, unmöglich auf eine große Anzahl von Molecülen vertheilen, ohne daß
man den Radius dieses Wellbaums vergrößert. Da nun die Reibungen den Halbmessern
proportional sind, so werden die Verluste an Nutzeffect durch die Reibung bei diesem
Treiborgan um so empfindlicher, jemehr sie nothwendig vervielfältigt werden durch
die sehr zahlreichen Umdrehungen, welche eine Hauptbedingung ihres guten Erfolgs
sind. Die Unmöglichkeit oder außerordentliche Schwierigkeit, die Schraube, so wie
die Zapfen ihres Wellbaums zu besichtigen, heben großentheils die wirklichen
Vortheile ihrer Einsetzung unter dem Meeresspiegel wieder auf. Bei ihrer
gegenwärtigen Stellung am Hintertheil des Schiffs muß man ihr, um sie mit der
Dampfmaschine in Verbindung zu setzen, welche wegen ihres Gewichts nur gegen die
Mitte des Schiffs zu angebracht werden kann, die Bewegung durch einen zu langen
Wellbaum mittheilen, als daß keine nachtheiligen Schwingungen stattfinden sollten.
Die Schraube wird, wie das Schaufelrad, bei Anwendung der Segel zum beständigen
Hinderniß, selbst wenn man sie auslöst und leer gehen läßt; von allen Uebelständen
aber ist der ärgste unstreitig die Unmöglichkeit, mit diesem einzigen Organe, die bei seiner
Beschädigung erforderlichen Reparaturen im Meer vorzunehmen. Dieser Hauptfehler ist
von solcher Wichtigkeit, daß einer der geschicktesten französischen Schiffbauer,
welcher beauftragt war ein Schraubenschiff für den Staat zu bauen, sich entschloß
die Schraube mit großen Unkosten in ein bewegliches Gestell, zwischen einen
doppelten, metallenen Hintersteven einzusetzen, so daß sie in einem Schacht über den
Wasserspiegel heraufgezogen werden konnte; dieser kühne Versuch, der bei neuern
Schiffsbauten keine Nachahmung fand, ist wohl ein Beweis für den Fehler der
Schraube; ob derselbe aber damit auch siegreich bekämpft ist, lasse ich
dahingestellt.
Kurz, wenn man die Flußfahrzeuge mit den ersten amerikanischen Dampfbooten
vergleicht, so erscheinen die Fortschritte sehr unbedeutend; die Seeschiffe
anbelangend, findet man, daß nur ihre Dimensionen vergrößert wurden; ihr Hohlraum
wurde vergrößert, wenn die Seestriche, welche diese Schiffe befahren, es
gestatteten. Die geringe Breite, welche ihnen gewöhnlich gegeben wird, benimmt ihnen
die Stabilität; die Nothwendigkeit, in der Mitte ihrer Länge einen sehr großen Raum
für die Maschinen und Kessel frei zu lassen, welche mit einem oder mehreren Kaminen
versehen sind, hindert sie mit einem Mastwerk auszurüsten, das mit den Dimensionen
ihres Rumpfes in Verhältniß steht; ihre Maste, mit dem leichtesten Tackelwerk
versehen, setzen trotz ihrer Kleinheit ihrem Gang einen nachtheiligen Widerstand
entgegen, wenn man sich des Motors allein bedient. Aus dem Vorhergehenden ist also
zu schließen, daß die Dampfschifffahrt auf dem Meer ihre Vollkommenheit noch nicht
erreicht hat. Wie wir im Eingang schon sagten, glauben wir, daß ein Fortschritt
dadurch möglich ist, daß die vorhandenen Mittel besser angewandt werden, daß man die
Kraft des Dampfs besser mit der Wirkung des Windes verbindet – eines Motors
der nichts kostet. Es ist anzunehmen, daß diese beiden Triebkräfte verbunden werden
können, ohne einander zu schaden, und daß sie je nach dem gegebenen Fall, entweder
die Summe ihrer vereinten Triebkraft, oder jede für sich das Product ihrer größten
Kraftäußerung liefern müssen.
Um diese Resultate zu erzielen, construirte ich ein Schiffchen mit einem Rad, dessen
Schaufeln nach dem Radius stehen, einem Schiffsrumpf, dessen den Piroguen mit
Balancier ähnliche Form der bei den Wilden gebräuchlichen entlehnt ist, und einem
halb aus Holz, halb aus Eisen zusammengesetzten Mastwerk von veränderlicher Höhe.
Dasselbe befindet sich zum Versuche auf der Seine; seine nähere Beschreibung desselben behalte ich
mir vor und bemerke nur noch, daß ich für die Ausführung desselben dem Hrn.
Delamorinière,
Oberingenieur der königl. Marine, zu Dank verpflichtet bin.