Titel: | Erfahrungen an den Asphaltdächern in Hamburg. |
Fundstelle: | Band 106, Jahrgang 1847, Nr. LXXII., S. 350 |
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LXXII.
Erfahrungen an den Asphaltdächern in
Hamburg.
Aus den Verhandlungen der Hamburger Gesellschaft zur Beförd. der
Künste und Gewerbe, Bd. III Heft 1.
Erfahrungen an den Asphaltdächern in Hamburg.
Die häufigen Klagen, welche nach dem langen und harten Winter von 1844 auf 1845 einen
auffallenden Contrast zu dem Enthusiasmus bildeten, mit dem man unmittelbar nach dem
großen Maibrande die Bedeckung der Dächer mit Asphalt in Hamburg aufnahm,
veranlaßten die technische Section der Gesellschaft zur Beförderung der Künste und
nützlichen Gewerbe in Hamburg, eine Commission zur Untersuchung der Sachlage in
Betreff dieser Dächer niederzusetzen.
Um hierüber eine Uebersicht zu erlangen, hielt es die Commission für nöthig,
Formulare zu entwerfen, die zur Beantwortung an die resp. Inhaber von Gebäuden mit
Asphaltdächern vertheilt wurden. Es waren auf denselben folgende Fragen
gestellt:
1) Mit welcher Sorte Asphalt und
2) von welcher Compagnie ist das Dach belegt worden?
3) In welchem Jahr und Monat ist die Anfertigung geschehen?
4) Welche Länge und Breite hat ungefähr das Dach?
5) Aus welchem Material besteht die Unterlage, worauf die Asphaltdecke gelegt
ist?
6) Wie hat sich das Dach im Verlauf und namentlich in Folge des letzten Winters
gehalten?
7) Welche Reparaturen sind erforderlich gewesen?
8) Wüßten Sie sonstige Angaben oder Bemerkungen mitzutheilen? Die Antworten, welche
auf etwa 150 der vertheilten Exemplare
einliefen, bilden das Material, aus welchem die nachfolgenden Angaben
zusammengestellt sind.
Asphaltcompagnien, welche sich bei der Dachbedeckung betheiligten, sind
demzufolge:
Ahldener
Asphalt
des Hrn.
Löwitz,
Limmerscher
„
„
Süßenguth,
Lobsanner
„
„
E. Müller,
Seyßeler
„
„
Mewius,
Val de Travers
„
„
Courvoisier,
künstlicher
„
der HHrn.
Bach Gebr. u. Busch,
künstlicher
„
aus Bahrenfeld.
Was die Zeit anbetrifft, in welcher die Asphaltdächer gelegt wurden, so sind
dergleichen in jedem Monat angefertigt worden; der Vergleich zeigt, daß es durchaus
gleichgültig ist, ob man die kalte oder heiße Jahreszeit zur Legung des Daches
wählte, denn Dächer, die im Winter oder im Sommer gelegt wurden, haben sich in
einigen Fällen untadelhaft gehalten, in andern sind sie zersprungen. Hieraus geht
indeß, nach Ansicht der Commission, nicht hervor, daß es gleichgültig sey bei
welcher Witterung der Asphalt aufgebracht werde. Die zu Gebote stehenden Data
gestatten es zwar nicht, in dieser Beziehung Belege anzuführen, weil keine Notizen
darüber vorliegen, wie das Wetter bei Anfertigung der einzelnen Dächer beschaffen
war, indeß läßt sich doch a priori annehmen, daß zu
einer allmählichen, gleichmäßigen Erhärtung der Asphaltdecke in allen ihren Theilen
trockenes Wetter vorzugsweise sich eigne.
Die Unterlage des Daches ist mannichfach abgeändert worden; am häufigsten bildete
Kalk dieselbe, doch wählte man auch zu Zeiten Floren, Schiefer, Mauersteine in
Cement, Kalk oder Lehm; auch wohl Cement, oder Lehm allein, letztern mit Stroh und
Kuhhaaren vermischt.
Auch hier stellt sich nach den vorliegenden Daten heraus, daß durch die Natur der
Unterlage, die übrigens in allen Fällen mit Leinen überspannt wurde, auf welches man
den Asphaltbrei goß, die Haltbarkeit der Dächer nicht bedingt wird; bei sämmtlichen
Unterlagen kommen bald gute, bald beschädigte Dächer vor. Wichtiger dürfte es seyn,
auf die Holzconstruction des Daches hinzuweisen, in Hinsicht welcher einige
Eigenthümer von Asphaltdächern bemerklich gemacht haben, daß die Balken nicht zu
weitläufig gelegt werden müssen. In einem Fall wird eine Zwischenweite von nur 2 Fuß
zwischen den Balken empfohlen. Eine allgemein gültige Vorschrift läßt sich hierüber
natürlich nicht geben, da die Größe des Daches, die Weite, in welcher die Balken
frei liegen u. dergl. in Betracht kommt; jedoch ist es gewiß von Wichtigkeit, daß
man die Schalbretter nicht nur schmal (höchstens 6 Zoll breit) nimmt, sondern ihnen
auch nach ihrer Länge nahe an einander liegende Auflagepunkte gibt. Eine
Zwischenweite der Balken von 3 Fuß dürfte wohl nur in einzelnen Fällen zu
überschreiten seyn.
Durch die vierte Frage: wie lang und wie breit das Dach? hat sich herausgestellt, daß
Dächer von bedeutendem Flächeninhalt, über 2000 Quadratfuß etwa, sich in den
seltensten Fällen gehalten haben; doch ist hiebei nicht zu verkennen, daß Senkungen
so großer Gebäude leichter vorkommen und dadurch Sprünge oder Ablösungen von den
Mauern verursachen können. Zu übersehen ist dagegen nicht, daß die großen
Dachflächen in der Regel durch eine größere Zahl von Schornsteinen, Dachlucken,
einfallenden Lichtern u. dgl. in mehrere Abtheilungen getheilt sind, die, wenn auch
nicht völlig von einander getrennt, dennoch einen Schluß von der Größe der ganzen
Dachfläche, auf die Größe der hier in Betracht kommenden Asphaltfläche im
allgemeinen nicht als statthaft erscheinen lassen würden.
Aus der Beantwortung der Frage: wie hat sich das Dach, namentlich in Folge des
letzten Winters gehalten? hat die Kommission Veranlassung genommen, die
Asphaltdächer, je nach ihrer Beschaffenheit, in drei Gruppen zu theilen. Die erste
Abtheilung enthält die Dächer, welche sich vollkommen untadelhaft und ohne alle
Fehler gehalten haben. In die zweite wurden diejenigen gestellt, die einzelne,
größere oder kleinere Risse zeigten, abgesehen davon, ob sie durch Wechsel der
Temperatur, oder durch setzen des Gebäudes sich gebildet, indem solches mit
Sicherheit nicht getrennt werden konnte. Die dritte Gruppe endlich umfaßt die
durchaus schadhaften Dächer, die durch zahlreiche Risse und Spalten zerspaltet und
zerrissen wurden, und die daher durch leichte Reparaturen nicht wieder in guten
Stand gesetzt werden konnten, was bei jenen der zweiten Abtheilung der Fall war. Die auf
diese Weise erlangten Resultate sind folgende:
Die Anzahl der classificirten Dächer ist 176.
Davon wurden gesetzt
in
Classe
I (gut)
65,
„
„
II (ziemlich gut)
62,
„
„
III (schlecht)
49.
Die Gesammtoberfläche der classificirten Dächer beträgt 337,228 Quadratfuß.
Davon
kamen
in
Classe
I
102,473 Quadratfuß.
„
„
„
„
II
117,981 „
„
„
„
„
III
116,764 „
Man wird demnach zu einer jeden Classe ungefähr ein Drittheil der ganzen Anzahl und
Oberfläche rechnen können.
Die Commission kann es nicht unerwähnt lassen, daß diese Zahlen insofern nur einen
bedingten Werth haben, als sie auf den Zeugnissen der einzelnen Hauseigenthümer
beruhen, von denen anzunehmen ist, daß sie nicht durchweg nach gleichen
Entscheidungsgründen geurtheilt haben. Ganz zuverlässige Verhältnißzahlen hätten nur
dann erlangt werden können, wenn sämmtliche Dächer von denselben Personen genau
untersucht worden wären. Dieses Verfahren hat indeß nicht durchgeführt werden
können, wiewohl allerdings einige Commissionsmitglieder eine Anzahl von Dächern
persönlich besichtigten.
Einen noch geringem Werth würde es haben, wenn man die Dächer der einzelnen
Compagnien in obiger Weise classificiren und daraus Schlüsse auf die eine oder
andere Sorte des Asphalts ziehen wollte, da diese offenbar zu Ungerechtigkeiten
führen könnten. Nur das muß hier erwähnt werden, daß die natürlichen Asphalte einen
entschiedenen Vorrang vor den künstlichen zu behaupten scheinen, und daß von
ersteren bei jeder Compagnie sich Dächer finden, welche zur ersten, andere, welche
zur zweiten, aber auch solche, die zur dritten Classe gehören.
Wenn nun auch hienach die vorliegenden Zeugnisse der einzelnen Hauseigenthümer nicht
mit Sicherheit zu Ableitung von Verhältnissen benutzt werden durften, so enthalten
sie gleichwohl eine Menge sehr schätzbarer Notizen und Beobachtungen von Thatsachen,
aus denen die Commission nachfolgende Ansichten genommen hat.
1) Eine ganz unbestreitbare Thatsache ist es, daß beim Herabsinken der Lufttemperatur
unter eine gewisse Gränze und in Folge desselben, Asphaltdächer Risse und Sprünge
bekommen können und in sehr vielen Fällen bekommen haben.
2) Diese Temperaturgränze ist nicht für jedes Asphaltdach, und auch nicht für jede
Sorte Asphalt die nämliche. Man findet Dächer der verschiedenen Sorten, welche schon
im Winter 1843 bis 1844 bei gelinderm Froste gesprungen sind, während andere diesen
Winter und den größten Theil des Winters 1844 bis 1845 gut bestanden und erst bei
einer Kälte von 16 bis 18 Grad R. zerrissen; und noch andere, welche diesen
Kältegrad unversehrt bestanden.
3) Es muß zwar für jetzt unentschieden gelassen werden, ob diese bis jetzt
unversehrten Dächer bei noch niedrigerer Temperatur zerreißen werden, so wie auch,
wie weit die Gränze, welche sie ertragen können, noch unter der beobachteten liegt;
indeß ist es nicht unwahrscheinlich, daß bei der in unserem Klima vorkommenden
Temperatur von 22 bis 23 Grad R. unter Null noch manche bis jetzt als gut
classificirte Dächer zerspringen werden.
4) Es ist ferner eine unbestreitbare Thatsache, daß der Zusammenhang mancher
(vielleicht der meisten) Asphaltdecken in sich (ihre Cohäsion) größer ist als ihr
Zusammenhang mit dem Wandputz der Umfassungswände, auch wenn die Asphaltlage in
diese eingelassen ist. An einigen Dächern ist es genau beobachtet worden, daß der
Asphalt sich zuerst in dem Mittlern Theile der Umfassungswände löste, daß nur die
Ecken, wo die Mauern einander nahe stehen, festhielten, und erst später der Asphalt
selber Risse bekam, die häufig in diagonaler oder der Diagonale paralleler Richtung
laufen.
5) Dieselbe Erscheinung wiederholt sich auch an Schornsteinen, einfallenden Lichtern
und Dachlucken, von welchen letzteren, da sie häufig mit eisernem oder metallenem
Rahmenwerk umgeben sind, die als gute Wärmeleiter die Temperaturveränderungen rasch
auf den Asphalt wirken lassen, gewöhnlich die ersten Diagonalrisse ausgehen.
6) Das Abschaufeln des Schnees von den Dächern wird in vielen Fällen als die Ursache
des Zerspringens des Asphalts angegeben; gewiß ist, daß letzteres oft unmittelbar
darauf erfolgte. Andere Hauseigenthümer haben zwar eben diesem Abschaufeln die
Conservirung ihrer Dächer zugeschrieben, aber die Commission glaubt dem nicht
beipflichten zu können, sondern hält es a priori für
gewiß, daß die Schneedecke, als schlechter Wärmeleiter, zum Schuß der Asphaltdächer
beiträgt und glaubt, daß diejenigen Dächer, welche ungeachtet des Wegräumens des
Schnees sich gehalten haben, dieß umsomehr gethan haben würden, wenn derselbe liegen
geblieben wäre.
7) Das Einstreuen von Kochsalz in die Rinnen ist in einigen Fällen zu deren
Offenhaltung bei eintretendem Thauwetter mit Erfolg angewendet worden.
8) Eine Dicke der Asphaltlage von 1/2 Zoll oder weniger scheint sich als ungenügend
herauszustellen. Dächer, welche ursprünglich in dieser Dicke belegt waren und
zerrissen, haben, nachdem sie durch einen zweiten Ueberzug von derselben Sorte
verstärkt worden waren, sich gut gehalten.
9) Das Schimmeln, Faulen, Stockigwerden der Holzconstruction der Dächer wird in
einigen Fällen erwähnt, und in anderen bemerklich gemacht daß, um demselben
vorzubeugen, häufige Lüftung der Böden angewendet worden sey. Es dürfte mithin auch
auf diesen wichtigen Umstand die Aufmerksamkeit der Betheiligten zu lenken seyn.
10 Die Vortheile für die innere Einrichtung werden von einigen Besitzern als
wichtiger vorgestellt als die Unbequemlichkeit der ihnen widerfahrenen
Beschädigungen und deren Reparatur.
11) Ist zu bemerken, daß auch theilweise Senkungen der Mauern als Veranlassung von
Dachbeschädigungen angeführt werden. Die Commission glaubt indeß, daß in den
seltensten Fällen diese eine Ursache zum wirklichen Zerreißen der Asphaltdecke seyn
können; dagegen kann deren Trennung von den Umfassungsmauern und Schornsteinen
allerdings häufig darin ihren Grund haben.
Endlich ist
12) zu erwähnen, daß in den meisten Fällen die Reparatur der Beschädigungen als
leicht, rasch und wohlfeil bezeichnet wird, wo nicht ganz neue Ueberzüge zur
Anwendung kommen.
Die ganze Summe der vorliegenden Erfahrungen zusammenfassend, ergibt sich, nach der
Meinung der Commission, folgendes Resultat:
Die unbedingte Anwendung des Asphalts zur Dachdeckung
kann, in der Weise wie es in der ersten Zeit des
Bekanntwerdens dieser Methode der Fall war, in unserm Klima
nicht empfohlen werden, weil die Möglichkeit, und in harten Wintern sogar
die Wahrscheinlichkeit von Beschädigungen der oben beschriebenen Art nicht in Abrede
zu stellen ist, und weder die Wahl einer gewissen Sorte, noch auch die größte
Sorgfalt in der Anfertigung absolute Sicherheit gewährt.
Dagegen kann ebenso wenig dieser Art der Dachbedeckungen die Anwendbarkeit in unserer
Gegend ganz abgesprochen werden, denn auch andere Dächer sind nicht frei von
Reparaturen; manche gut construirte und sorgfältig angefertigte Asphaltdächer von
gehöriger Dicke haben erfahrungsmäßig noch eine sehr niedrige Temperatur (16 bis 18° R.)
ohne Beschädigung ertragen, sie gewähren für die innere Einrichtung manche
Vortheile, welche bei schrägen Dächern nicht zu erreichen sind, und die Reparatur
etwaiger Beschädigungen ist meistens schneller und wohlfeiler zu bewerkstelligen,
als z.B. diejenige eines Pfannendaches.
Zu empfehlen ist, daß diejenigen, welche nach Abwägung der Vortheile und Nachtheile,
sich für die Wahl der Asphaltbedeckung entscheiden, das Holzwerk möglichst fest
construiren, die Balken nicht weiter als 3 Fuß von einander legen, die Schalbretter
oder Latten nur 3 bis höchstens 6 Zoll breit nehmen, auf diese eine Zwischenlage von
Kalkmörtel, Lehm allenfalls mit darin eingedrückten Floren oder Mauersteinen
ausbreiten, darüber Leinwand spannen und dann die Asphaltdecke mehr als einen halben
Zoll dick auftragen lassen.
Vorzügliche Sorgfalt ist auf die Anschlüsse an die Umfassungswände, Schornsteine,
Dachlucken etc. zu verwenden, und falls, wie zu vermuthen, daselbst Trennungen des
Asphalts von den Wänden sich zeigen, so wird in den meisten Fällen ein in der Form
eines Leckbretts an der Wand befestigter, die Fuge deckender Zinkstreifen, der mit
dem Asphalt in keinem Zusammenhang steht, jedoch über
eine, auf dem Asphalt befestigte und mit diesem sich bewegende Erhöhung (Leiste,
Wulst oder dergleichen, welche das vom Seitenwinde gegen die Fuge getriebene Wasser
zurückhält) überfaßt, dem Uebel abhelfen.
Bei Frostwetter ist das Liegenlassen des Schnees zu empfehlen. Zeigen sich dennoch
Risse (welches bei gutem Aspalt und starkem Froste sich häufig durch starkes
Geräusch, Knallen etc. bemerklich gemacht hat), so müssen diese sobald als möglich
mit flüssigem Asphalt ausgegossen werden. Im Nothfall wehrt auch Ausgießen mit Talg
(besser mit Pech) oder Verkittung der Risse dem Eindringen des Wassers –
Mittel, welche durch die Hausbewohner selbst angewendet werden können, bis die
Anstalten zur gründlichen Reparatur herbeizuschaffen sind.
Häufige Lüftung der Böden unter Asphaltdächern trägt zur Dauerhaftigkeit solcher
Bedachungen wesentlich bei, und sind aus diesem Grund Verschalungen an der
Unterseite der Dachbalken und Gypsdecken an denselben zu widerrathen.