Titel: | Ueber die Ursachen, warum gewisse Glasröhren und Cylinder zerspringen, wenn sie auch nur schwach gerieben werden; von G. Bontemps, Glas- und Krystallfabrikant zu Choisy-le-Roi bei Paris. |
Fundstelle: | Band 106, Jahrgang 1847, Nr. LXXIV., S. 358 |
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LXXIV.
Ueber die Ursachen, warum gewisse Glasröhren und
Cylinder zerspringen, wenn sie auch nur schwach gerieben werden; von G. Bontemps, Glas-
und Krystallfabrikant zu Choisy-le-Roi bei Paris.
Aus dem Moniteur industriel 1847 Nr.
1174.
Bontemps, über die Ursachen warum gewisse Glasröhren und Cylinder
beim Reiben zerspringen.
Das Glas ist, wie alle Körper, den Gesetzen der Ausdehnung durch die Wärme
unterworfen; sein Volum wird um so größer, je höher seine Temperatur steigt. Indem
es vom geschmolzenen Zustand im Glashafen die während der Arbeit abnehmenden
verschiedenen Temperaturen bis zu derjenigen der Atmosphäre herunter durchmacht,
nimmt es also beständig an Volum ab. Es theilt diese Eigenschaft mit den Metallen;
der Unterschied aber, welcher es charakterisirt, besteht darin, daß das Glas kein
Wärmeleiter ist; zwei entgegengesetzte Theile desselben Glasstückes können also sehr
verschiedene Temperaturen haben.
Wir gehen nicht in das Detail der bekannten Operationen bei der Glas- und
Krystallfabrication ein, und bemerken nur, daß das Aeußere eines Glasgefäßes welches
man verfertigt, schon fest wird, während die innern Theile noch streckbar sind.
Diese Eigenschaft des Glases macht das sogenannte Kühlen
desselben nothwendig. Die Nothwendigkeit des Kühlens beweisen am auffallendsten die
sogenannten Glasthränen, Tropfen Glases, die man in
Wasser fließen läßt, und welche äußerlich von der Temperatur des Wassers ausgesetzt,
auf der Außenseite erstarren, während die innern Molecüle noch im geschmolzenen
Zustand sind: diese Molecüle können, wenn sie auf die Temperatur des Wassers
Herabkommen, sich nicht zusammenziehen, weil sie mit den schon erstarrten äußern Molecülen
mechanisch verbunden sind; die Folge davon ist ihr Zustand übermäßiger Spannung, so
daß nur das Ende des Schwänzchens der Glasthräne abgebrochen zu werden braucht, um
das plötzliche Auseinanderfahren aller Molecüle zu bewirken, wobei die sogenannte
Thräne in Pulver zerfällt. Eine ähnliche Wirkung findet statt, wenn man die
verfertigten Glasgegenstände, ohne sie in Wasser zu werfen, der Temperatur der
Atmosphäre überläßt; so werden die Proben (montres), die man in den Glashütten macht, um die Güte
und Farbe des Glases eines Glashafens, den man anbricht, zu erkennen, und die nur
etwas dicke kleine Blasen (ampoules) sind, von der Pfeife des Glasmachers abgenommen, ohne gekühlt zu werden, um sie ein paar Minuten darauf
anzusehen; da nun diese Proben außerhalb vor den innern Molecülen erstarren, so
befinden sich letztere, wie die Glasthränen, in einem Zustand großer Spannung, in
deren Folge diese Proben durch den geringsten Stoß oder die geringste Reibung in
tausend Stücke zerbrechen; manchmal zerbrechen sie nicht sogleich, sondern es geht
eine Art Schwingung voraus; zuweilen wird auch ihr Zerbrechen durch eine
Temperaturveränderung veranlaßt.
Soll also Glas oder Krystall von guter Beschaffenheit seyn, so müssen die innern
Molecüle sich zugleich mit den äußeren zusammenziehen können; zu diesem Behuf kömmt
das verfertigte Stück in den Kühlofen, der gewöhnlich aus
einer 12 bis 15 Meter langen von Backsteinen erbauten Kammer besteht, deren eines
Ende nur etwas über das Braunrothglühen erhitzt wird, wobei das Glas beinahe noch
streckbar ist, doch nicht mehr in dem Grad, um seine Form zu verlieren. Die
Glasstücke werden auf Wägen von Eisenblech gelegt, welche vom andern, nicht erhißten
Ende der Kammer aus allmählich fortgezogen werden, so daß sie in 15 bis 24 Stunden
an letzterm ankommen, also langsam durch abnehmende Temperaturen bis zu derjenigen
der Atmosphäre übergehen.
Es gibt Glas, welches mehr gekühlt werden muß als anderes; man nennt dasselbe trockneres, spröderes Glas. In der Regel kühlt sich das
Krystallglas leichter als das gewöhnliche Glas; es wird dieß dem darin enthaltenen
Bleioxyd zugeschrieben, welches es geschmeidiger macht.
Die Glasscherben, oder das Bruchglas, geben umgeschmolzen
ein viel spröderes Glas als das aus frischem Material, d.h. aus Kieselerde, Alkalien
und Metalloxyden bereitete. Zwar wird selten Glas ohne Zusatz von Bruchglas
geschmolzen; es fällt aber um so weniger spröde aus, je weniger Bruchglas zugesetzt
wird.
Es leuchtet ein, daß die complicirteren Glasgegenstände, welche nicht überall von
gleicher Dicke sind, bei welchen Theile, wie Füße, Henkel u.s.w. angesetzt sind, mit
größter Sorgfalt gekühlt werden müssen. Dünne und in der Dicke gleiche Gegenstände
bedürfen der Kühlung weniger. In diesem Fall sind in der Regel die Röhren,
namentlich die dünnen; und da die Röhren der Länge nach zu 6, 10 ja 15 Meter auf
einmal gemacht und dann auf hölzerne Querleisten gelegt werden, so kühlt man sie in
der Regel nicht.Um Röhren zu verfertigen, bläst der Arbeiter eine kurze und dicke Röhre; er
erhitzt sie, noch an der Pfeife haftend, stark wieder. Ein anderer Arbeiter
steckt an das der Pfeife entgegengesetzte Ende der Röhre ein eisernes
Stängchen, an dessen Ende sich etwas heißes Glas befindet, um der Röhre
anzuhängen, und dann gehen beide Arbeiter mehr oder weniger rasch
auseinander, je nach dem Durchmesser welchen die Röhre bekommen soll. Alle Barometer- und Thermometerröhren etc. werden auf diese Weise
verfertigt, und in der Regel hat dieses Nichtkühlen keine Übeln Folgen, weil
diese Röhren dünn sind; die Röhren für Manometer aber, welche dicker sind und einen
stärkeren Druck auszuhalten haben, müssen auf das sorgfältigste gekühlt werden. Alle
von mir für Dampfmaschinen verfertigte gläserne Manometerröhren werden gekühlt. Zu
diesem Behuf wird die Röhre, beim Ausziehen in die Länge, so lange sie noch heiß
ist, in die erforderlichen Längenstücke getheilt; es genügt zu diesem Abtheilen das
Berühren mit einem kalten Eisen, und die 30, 40 bis 50 Centimeter langen Stücke
werden nun in den Kühlofen gebracht. Auch die langen Röhren der offenen
Luft-Manometer von 3 bis 5 Meter Länge lasse ich kühlen, und diese Röhren
werden ihrer Länge nach nur allmählich in den Kühlofen gebracht; denn wenn man
sogleich die ganze Röhre hineinbrächte, so wäre das zuerst hineinkommende Ende bald
in einem Theil der Kammer, dessen Temperatur für die Kühlung des Ganzen zu niedrig
ist.
Der Fehler der zerbrechenden Röhren ist hiemit angegeben. Die Ursache ist lediglich
Mangel an Kühlung, und man sieht aus dem Vorhergehenden, warum Temperaturwechsel und
Reibungen, vorzüglich im Innern, das Brechen gewisser Röhren herbeiführen, deren
Molecüle wegen mangelnder Kühlung sich in dem Zustand einer gespannten Schnur
befinden. Es hat hieran durchaus keine Entglasung Schuld; denn selbst entglastes
Glas ist dem Zerbrechen wegen Mangels der Kühlung weniger unterworfen; es verliert
zum großen Theil die Eigenschaften des Glases und kann ziemlich rasche
Temperaturveränderungen ertragen, ohne zu zerbrechen.
Das Verfahren die Röhren einige Zeit lang in kochendem Wasser zu erhalten (wobei sie
jedoch zuerst in kaltes oder lauwarmes Wasser eingelegt werden und dieses bis zum
Sieden erhitzt, dann aber erkalten gelassen wird, ehe man die Röhren wieder
herausnimmt), wäre allerdings eine Ergänzung der Kühlung für die zu rasch von
80° R. auf die Temperatur der Atmosphäre übergegangenen Stücke; wenn dieser
Uebergang aber gehörig stattgefunden hat, verbessert diese Operation nichts an den
Eigenschaften der Röhre, und wenn der zu rasche Uebergang bei Temperaturen über
80° R. stattfand, wäre diese Operation natürlich unwirksam; außerdem hätte
sie noch den Uebelstand (sofern nicht destillirtes Wasser genommen würde), die
Röhren mit den sich darauf bildenden Ablagerungen von Kalk etc. zu beschmutzen. Die
Maschinenverfertiger, welche Röhren für Manometer etc. brauchen, müssen daher den
Glasmachern empfehlen, diese Röhren aus nicht trocknem,
d.h. nicht beinahe ausschließlich aus Glasbruch gemachtem
Glas zu verfertigen, und sie gut zu kühlen, und man
verlange vom Glasfabrikanten, daß er auf seiner Factura eigens anführe, daß die
Röhren sorgfältigst gekühlt worden seyen.
Gibt es Mittel, um zu erkennen, ob die Röhren zweckmäßig verfertigt wurden? Man
könnte sie durch innerliches Reiben mit einem harten Körper probiren, oder durch
Reibung einen gewissen Wärmegrad erzeugen, um zu sehen, ob die Röhre diesen Proben
widersteht. Es gibt aber auch einen physikalischen Unterschied zwischen vollkommen
gekühltem und nicht gekühltem Glas, indem letzteres wegen mangelnder Homogeneität
(Gleichartigkeit) das Licht zersetzt und polarisirt. Man kann sonach mit einem
Bruchstück der Röhre, welches man in den Polarisationsapparat bringt, erkennen, ob
das Glas gekühlt wurde oder nicht. Doch ist zu beachten, daß selbst das hinlänglich
gekühlte Glas bis zu einem gewissen Grad Polarisations-Erscheinungen gibt,
weil die Kühlung keine vollkommene ist. Es ist aber ein sehr deutlicher Unterschied
zwischen der Polarisationswirkung eines hinlänglich gekühlten Glases und eines
schlecht gekühlten; dieß würde also einen Physiker in Stand setzen, bei einem Streit
zwischen dem Glasfabrikanten und Maschinenverfertiger positiv zu entscheiden.
Bisher lieferten die Glashütten in der Regel schlechte Röhren, weil man sie auf die
Wichtigkeit und Nothwendigkeit, dieselben mit den verlangten Eigenschaften zu
erzeugen, nicht aufmerksam machte.