Titel: | Ueber die Ermittelung der Verfälschung des Rohrzuckersyrups mit Stärkesyrup, und des Rohrzuckers mit Stärke-Traubenzucker, auf chemischem Wege; von G. Reich. |
Fundstelle: | Band 106, Jahrgang 1847, Nr. LXXXIX., S. 439 |
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LXXXIX.
Ueber die Ermittelung der Verfälschung des
Rohrzuckersyrups mit Stärkesyrup, und des Rohrzuckers mit Stärke-Traubenzucker,
auf chemischem Wege; von G.
Reich.
Reich, über die Ermittelung der Verfälschung des Rohrzuckersyrups
mit Stärkesyrup.
Da in den Gegenden, wo man fabrikmäßig Stärkezucker und Syrup aus dem Stärkemehl
bereitet, bei billigem Preise der Kartoffeln der Stärkesyrup zur Verfälschung des
Rohrzuckersyrups und der Stärkezucker zur Verfälschung des Rohrzuckers sehr häufig
benutzt wird, so scheint es von Interesse zu seyn, eine Methode anzugeben, wodurch
diese Verfälschungen auf chemischem Wege ermittelt werden können, welches bisher
seine große Schwierigkeiten hatte.
Der Stärkesyrup wird bekanntlich auf zweierlei Weise fabrikmäßig bereitet:
1) durch Behandlung von 100 Theilen reinem Stärkemehl und 400 Theilen Wasser, während
7 bis 9stündigem Kochen, nach dem Zusatz von 3 bis 4 Theilen Schwefelsäure. Die
Stärke wird dadurch in Dextrin und dann in Stärke- (Trauben-) Zucker
verwandelt, worauf die Schwefelsäure mit Kalk als Gyps präcipitirt wird;
2) durch Einwirkung von 2 Theilen Diastase oder 35 Theilen Malz auf 100 Theile Stärke
mit 2420 Theilen Wasser gemischt, und bei einer Temperatur von 50 bis 60° R.
einige Zeit digerirt.
Nach der ersten Bereitungsart kann der Stärkesyrup Dextrin (sogenanntes künstliches
Gummi) und Gyps enthalten. Ist nun mit einem solchen Stärkesyrup der Rohrzuckersyrup
verfälscht, so kann diese Verfälschung durch einen Zusatz von absolutem Alkohol oder
von mindestens 80° Richter zu einer concentrirten wässerigen Lösung entdeckt
werden, indem dadurch der etwa darin aufgelöste Gyps und das darin enthaltene
Dextrin gefällt wird. Der auf dem Filter gesammelte Niederschlag wird mit erwärmtem
spiritushaltigem Wasser ausgewaschen, welches das Dextrin auflöst und den Gyps
zurückläßt. Die Dextrinauflösung wird abgedampft und mit Salpetersäure erhitzt,
wodurch, wenn das von dem Niederschlag Aufgelöste und Abgedampfte Dextrin enthält,
sich Oxalsäure bildet, die mit Ammoniak gesättigt, mit einem aufgelösten neutralen
Kalksalze oxalsauren Kalk gibt, der geglüht sich in kohlensauren Kalk verwandelt.
Das auf dem Filter Zurückgebliebene wird auf Gyps nach bekannter Weise, mit salpetersaurem
Baryt auf Schwefelsäure und mit oxalsaurem Ammoniak auf Kalk geprüft.
Nach der zweiten Bereitungsart vermittelst Diastase kann der Stärkesyrup nur Dextrin
enthalten, weßhalb er auch Dextrinsyrup genannt wird. Ist nun der Rohrzuckersyrup
mit dextrinhaltigem Stärkesyrup verfälscht, so ermittelt man diese Verfälschung
dadurch, daß man zu einer concentrirten wässerigen Lösung des zu prüfenden Syrups
absoluten Alkohol oder von mindestens 80° Richter setzt; es scheidet sich
Dextrin aus, welches auf einem Filter gesammelt, wie bereits erwähnt, mit
Salpetersäure erhitzt und weiter geprüft wird. – Am besten gelingt die
Prüfung mit absolutem Alkohol, wenn die concentrirte Lösung des Syrups (von 1 Theil
Syrup und 2 Theilen destillirtem Wasser) so lange in Alkohol getröpfelt wird, bis
der Niederschlag zu verschwinden anfängt. Dextrin ist bekanntlich in 30procentigem
Spiritus löslich.
Enthält der zur Verfälschung des Rohrzuckersyrups verwendete Stärkesyrup weder Gyps
noch Dextrin, so ist die Ermittlung mit Schwierigkeiten verbunden. Die Trommer'sche Kupferprobe, welche sich auf das Verhalten
der Kaliverbindungen des Dextrin, Rohr- und Traubenzuckers zu dem
schwefelsauren Kupferoxyd stützt, ist unsicher, so daß nach dem Trommer'schen Verfahren die Reinheit des Rohrzuckers oder
Rohrzuckersyrups zu erkennen fast nicht möglich ist. Ebenso gibt das Biot'sche und Ventzke'sche
Verfahren mit dem Polarisations-Instrumente keinen sichern Anhaltspunkt, da
die vollständige Entfärbung des zu prüfenden Syrups oft schwierig ist und durch
einen Gehalt von Dextrin die Prüfungsmethode unsicher wird.
Das Verhalten der concentrirten Schwefelsäure zu dem Stärkezucker gibt aber ein
Mittel an die Hand, wodurch die erwähnte Verfälschung erkannt werden kann. Die
concentrirte Schwefelsäure bildet nämlich mit dem Stärkezucker eine bestimmte
chemische Verbindung, die von Péligot entdeckte
Zuckerschwefelsäure, welche Barytsalze nicht fällt, und
mit fast allen Basen lösliche Verbindungen gibt. Rohrzucker dagegen wird durch
concentrirte Schwefelsäure verkohlt und dabei andere Producte, z.B. Ameisensäure,
gebildet, ebenso Rohrzuckersyrup (unkrystallisirbarer Zucker), von Ventzke Syrupzucker genannt, nach Soubeiran niemals Stärkezucker enthaltend, sondern ein Gemenge von
krystallisirbarem Zucker und Fruchtzucker, welche beide sich mit der concentrirten
Schwefelsäure nicht zu Zuckerschwefelsäure verbinden. Bei einer vorsichtigen
Behandlung kann dieses Verhalten der Schwefelsäure zum Erkennen der Reinheit des
Rohrzuckers und Rohrzuckersyrups angewendet werden.
Um einen Gehalt von Stärkesyrup in dem Rohrzuckersyrup auf diese Weise zu entdecken,
setzt man zu dem zu prüfenden Syrup, welcher im Wasser- oder Dampfbad durch
Verdampfen möglichst eingeengt wird, in kleinen Portionen (tropfenweise)
concentrirte Schwefelsäure in geringem Ueberschuß und vermeidet durch gehörige
Abkühlung eine zu starke Erhitzung. Nach einem halbstündigen Stehen löst man den
sorgfältig behandelten Syrup in destillirtem Wasser auf, filtrirt und setzt in einem
Porzellanmörser bei fortwährendem Reiben zu dem Filtrat bis zur Sättigung
kohlensauren Baryt, filtrirt wiederum die Flüssigkeit von dem gebildeten
schwefelsauren Baryt und dem etwa in Ueberschuß zugesetzten kohlensauren Baryt ab.
Wird zu dieser abfiltrirten Flüssigkeit durch Zusatz von verdünnter Schwefelsäure
oder von einer aufgelösten schwefelsauren Verbindung ein Niederschlag erzeugt, so
war Zuckerschwefelsäure durch die Verbindung der concentrirten Schwefelsäure mit dem
darin enthaltenen Stärkezucker gebildet worden, die an die Baryterde gebunden in der
abfiltrirten Flüssigkeit aufgelöst enthalten ist, woraus mit Gewißheit auf einen
Gehalt von Stärkesyrup oder Stärkezucker zu schließen ist.
Ebenso kann man auf diese Weise die Menge des in dem Rohrzuckersyrup enthaltenen
Stärkesyrups bestimmen, zu welchem Zweck folgendes Verfahren angewendet werden
kann.
Man setzt zu einer in einem geräumigen flachen Becherglase oder in einer flachen
Porzellanschale abgewogenen Menge des zu prüfenden Syrups, welche nach der
Bestimmung des Gewichts durch Abdampfen in dem Becherglase oder der Porzellanschale
im Dampf- oder Wasserbad möglichst eingeengt wurde, tropfenweise concentrirte
Schwefelsäure in geringem Ueberschuß, ungefähr die Hälfte des Gewichts der
abgewogenen Menge Syrups, rührt bei jedesmaligem Zusatz von etwas concentrirter
Schwefelsäure mit einem Glasstab gehörig um und vermeidet eine zu starke Erhitzung
durch sorgfältige Abkühlung. Nach einem halbstündigen Stehen setzt man bei
fortwährendem Umrühren 20 Theile destillirtes Wasser in kleinen Portionen dazu und
filtrirt die Flüssigkeit. Nachdem man das Filter mit destillirtem Wasser
ausgewaschen hat, setzt man zu der filtrirten Flüssigkeit kohlensauren Baryt bis zur
vollständigen Sättigung. Von dem entstandenen schwefelsauren Baryt und von dem im
Ueberschuß zugesetzten kohlensauren Baryt wird die Flüssigkeit durch ein Filter
getrennt und der auf dem Filter zurückgebliebene schwefel- und kohlensaure
Baryt mit destillirtem Wasser vollständig ausgewaschen. Die in der abfiltrirten
Flüssigkeit enthaltene zuckerschwefelsaure Baryterde wird durch verdünnte
Schwefelsäure, oder mit einer verdünnten Auflösung von schwefelsaurem Natron
gefällt, der entstandene schwefelsaure Baryt auf ein Filter gebracht, mit
destillirtem Wasser vollständig ausgewaschen, getrocknet, geglüht und gewogen. Aus
der erhaltenen Menge des schwefelsauren Baryts wird die Menge der mit der Baryterde
verbunden gewesenen Zuckerschwefelsäure berechnet und aus ihrer Zusammensetzung die
Menge des Stärkesyrups der in dem Rohrzuckersyrup enthalten ist. Oder man verwandelt
vorher reinen Stärkesyrup von bestimmtem specifischen Gewicht in Zuckerschwefelsäure
und verbindet diese auf angegebene Weise mit Baryterde und fällt diese mit
verdünnter Schwefelsäure. Aus der erhaltenen Menge schwefelsaurer Baryterde läßt
sich dann sehr leicht der Gehalt ermitteln, wenn man diesen mit der aus dem
geprüften Syrup, dessen specifisches Gewicht bestimmt ist, erhaltenen Menge
schwefelsauren Baryts mit Rücksicht auf die specifischen Gewichte beider Syrupe
vergleicht.
Zur Controle kann man noch zu einer andern bestimmten Gewichtsmenge des zu prüfenden
Syrups eine abgewogene Menge (ungefähr die Hälfte) concentrirte Schwefelsäure
setzen, deren Gehalt an wasserfreier Schwefelsäure man genau kennt, wobei man die
nöthigen und angegebenen Cautelen sorgfältig beobachtet, namentlich die Entwickelung
von schwefliger Säure vermeidet. Nachdem der auf das Filter gebrachte kohlensaure
und schwefelsaure Baryt sorgfältig ausgewaschen ist, bringt man den Trichter mit dem
Inhalt auf ein anderes Glas und behandelt diesen mit so viel verdünnter Salzsäure,
als zur Auflösung des im Ueberschuß zugesetzten kohlensauren Baryts nöthig ist. Der
auf dem Filter zurückgebliebene schwefelsaure Baryt, also der mit der Schwefelsäure gebildet wurde, die in Ueberschuß
zugesetzt ist und die sich nicht mit dem Stärkezucker zu Zuckerschwefelsäure
verbinden konnte, wird, nachdem er vollständig ausgewaschen ist, getrocknet, geglüht
und gewogen. Ebenso wird der Baryt aus der Flüssigkeit
durch verdünnte Schwefelsäure gefällt, die den zuckerschwefelsauren Baryt aufgelöst
enthält, aus dessen erhaltener Menge, nachdem er ausgewaschen, getrocknet, geglüht
und gewogen wurde, diejenige Menge wasserfreie Schwefelsäure berechnet werden muß,
die mit dem Stärkezucker die Zuckerschwefelsäure bildete. Die aus der Gewichtsmenge
beider Niederschläge von schwefelsaurem Baryt berechnete wasserfreie Schwefelsäure
muß mit der Menge wasserfreier Schwefelsäure übereinstimmen, welche die abgewogene
und verwendete Menge concentrirte Schwefelsäure enthält.
Eine Verfälschung des Rohrzuckers mit Stärkezucker läßt sich nach der gegebenen
Methode ebenfalls qualitativ und quantitativ ermitteln, nur ist die größte Vorsicht
bei dem Zusatz der concentrirten Schwefelsäure zu beobachten, damit deren energische Einwirkung und zu
starke Erhitzung vermieden werde. Uebrigens hängt das Gelingen der Procedur von der
größten Sorgfalt des Experimentators ab.
Sollte der zur Verfälschung angewandte Stärkesyrup Gyps und Dextrin enthalten, so
müssen diese nach bekannter Methode aus einer andern abgewogenen Menge quantitativ
bestimmt und in Rechnung gebracht werden.
Bei Beendigung vorstehender Arbeit habe ich andere, sichere und bequeme
Prüfungsmethoden, um die erwähnten Verfälschungen auf chemischem Wege ermitteln zu
können, aufgefunden, die ich nachträglich noch mitzutheilen mir erlaube.
Nach mehreren vergeblichen Versuchen habe ich in dem sauren
chromsauren Kali ein sicheres Prüfungsmittel aufgefunden, durch welches
sehr leicht die Verfälschung des Rohrzuckersyrups (Syrupzucker Ventzke's) mit Stärke- oder Dextrinsyrup
entdeckt werden kann. Wenn man nämlich eine heiße concentrirte Lösung von saurem
chromsauren Kali zu reinem Rohrzuckersyrup (Syrupzucker) setzt und in einem
Probirglase über einer Spiritusflamme bis zum Sieden erhitzt, so fahren, nach der
Entfernung aus der Flamme, beide Substanzen auf einander energisch einzuwirken so
lange fort, bis der Syrup von dem sich bildenden Chromoxyd eine schöne grüne Farbe
angenommen hat, die besonders durch die Verdünnung mit destillirtem Wasser
hervortritt. Eine concentrirte Lösung von saurem chromsauren Kali mit reinem
Stärkesyrup oder Dextrinsyrup gemischt und bis zum Sieden erhitzt, zeigte, mit
Wasser verdünnt, keine Veränderung. Wurde Rohrzuckersyrup
mit einem Drittel bis Achtel Stärkesyrup gemischt, so verhinderte letzterer die
energische Einwirkung des sauren chromsauren Kalis auf den Syrupzucker. Das Gemisch
schäumte zwar etwas mehr während des Siedens, als reiner Stärkesyrup, jedoch ohne
die Farbe zu verändern, auch hörte das Schäumen sofort auf, wenn die Flamme davon
entfernt wurde. Sollte bei einem geringen Gehalt von Stärke- oder
Dextrinsyrup das saure chromsaure Kali auf den damit zu prüfenden Syrup eine
Farbenveränderung hervorbringen, so wird niemals die schöne grüne Farbe zum
Vorschein kommen, die man bei dem reinen Rohrzuckersyrup erhält, und es läßt sich
aus der Farbennüance mit Gewißheit auf einen Gehalt an Stärke- oder
Dextrinsyrup schließen. Das charakteristische Verhalten des Rohrzuckersyrups
(Syrupzuckers) zu einer concentrirten Lösung des sauren chromsauren Kalis bezeichnet
denselben als eine besondere Zuckerart. Während der energischen Einwirkung des
sauren chromsauren Kali auf den Syrupzucker gibt die Chromsäure Sauerstoff ab, es
wird Chromoxyd gebildet, welches wahrscheinlich als chromsaures Chromoxydkali in dem
Syrupzucker aufgelöst, demselben die schöne grüne Farbe ertheilt.
Nach diesem Verhalten ist das saure chromsaure Kali ein sicheres Erkennungsmittel der
Reinheit des Rohrzuckersyrups, keineswegs aber ein Prüfungsmittel, um die
Verfälschung des reinen Rohrzuckers mit Stärkezucker zu entdecken, indem sich eine
concentrirte Lösung von saurem chromsauren Kali zu einer concentrirten Lösung von
reinem Rohrzucker vollkommen indifferent verhält.
Dagegen habe ich an dem salpetersauren Kobaltoxyd ein
vortreffliches Prüfungsmittel gefunden, um eine Verfälschung des Rohrzuckers mit
Stärkezucker zu ermitteln, welches sich auf das Verhalten der Kaliverbindungen des
Dextrin-Stärkezuckers und Rohrzuckers zu dem salpetersauren Kobaltoxyd
stützt. Setzt man nämlich zu einer concentrirten Lösung von reinem Rohrzucker etwas
reines, geschmolzenes kaustisches Kali, erhitzt sie bis zum Sieden, und tröpfelt,
nachdem sie mit destillirtem Wasser verdünnt ist, eine Auflösung von salpetersaurem
Kobaltoxyd zu, so erscheint sofort ein schön blau-violetter Niederschlag von
Kobaltoxyd, der nach längerem Stehen ins Grünliche übergeht.
Eine concentrirte Stärkezuckerauflösung mit kaustischem Kali, wie erwähnt behandelt,
und mit destillirtem Wasser verdünnt, erzeugt mit salpetersaurem Kobaltoxyd nicht
den bezeichneten Niederschlag. Ist die Flüssigkeit gehörig verdünnt, so bleibt sie
durch Zusatz von salpetersaurem Kobaltoxyd klar; ist die Auflösung concentrirt, so
sondert sich ein schmutzig hellbrauner Niederschlag ab. Ein geringer Gehalt von
Stärkezucker im Rohrzucker verhindert das Entstehen des blau-violetten
Niederschlags, so daß das salpetersaure Kobaltoxyd als ein vortreffliches Mittel zur
Entdeckung der erwähnten Verfälschung erscheint. Die Kaliverbindung des Syrupzuckers
verhält sich zu dem salpetersauren Kobaltoxyd ganz dem Stärkezucker gleich, so daß
es als Prüfungsmittel auf eine Verfälschung des Rohrzuckersyrups mit Stärke-
oder Dextrinsyrup nicht benutzt werden kann. (Gewerbe-Vereins-Blatt der Provinz
Preußen.)