Titel: | Bericht über das Verfahren von Vital Roux zum Brennen des ächten Porzellans mit Steinkohlen; von Ebelmen. |
Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. XLVI., S. 207 |
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XLVI.
Bericht über das Verfahren
von Vital Roux zum Brennen des ächten
Porzellans mit Steinkohlen; von Ebelmen.
Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, Jul.
1847, S. 380.
Ebelmen, über das Verfahren zum Brennen des
ächten Porzellans mit Steinkohlen.
Hr. Vital Roux, Porzellanfabricant zu
Noirlac bei Saint-Amand im Dept. Eher, hat der Société
d'Encouragement sein Verfahren mitgetheilt um das ächte
Porzellan mit Steinkohlen zu brennen anstatt mit Holz
(beschrieben im polytechn. Journal Bd. CIV S. 436). Wie wichtig
dasselbe in ökonomischer Hinsicht ist, geht schon daraus hervor,
daß (in Frankreich wie in Deutschland) das Holz bei gleichem
Heizwerth allenthalben viel theurer zu stehen kommt als die
Steinkohlen.
Ich will zuerst auf das Geschichtliche der Erfindung
eingehen.
Zahlreiche Versuche über das Brennen des ächten Porzellans mit
Steinkohlen wurden zu Lille im Jahr 1785 und 1786 angestellt und
zwölf bis fünfzehn Monate fortgesetzt. Die Sammlung zu
Sèvres enthält eine gut gebrannte und recht weiße
Untertasse von einer solchen Operation; es scheint aber nicht,
daß aus diesen Versuchen ein ganz praktisches Verfahren
hervorging. Die Ungleichförmigkeit des Brennens in den
verschiedenen Regionen des Ofens, die Flecken welche durch die
(in die Kapseln eingedrungene) Steinkohlenasche verursacht
wurden und hauptsächlich die gelbe Färbung des Porzellans durch
den Rauch, scheinen die Ursachen gewesen zu seyn, weßhalb man
diese Versuche aufgab.
Die Resultate welche man in der neuesten Zeit in Deutschland
erhielt, scheinen genügender zu seyn. Hr. Kuhn, Director der berühmten Porzellanfabrik zu
Meissen, benutzt seit mehreren Jahren zum Brennen des ächten
Porzellans ein Gemenge von 3 Theilen Lignit (holzartiger
Braunkohle) und ein Theil Steinkohle. So berichtet Brongniart in seinem Traité des arts
céramiques. aber ohne nähere Details-
über die Leitung des Feuers und über die Vortheile und
Uebelstände des Verfahrens. Es scheint jedoch nicht, daß dieses
Brennverfahren, bei welchem die Steinkohle übrigens nur den
vierten Theil des gesammten Brennmaterials ausmacht, auch in
anderen Porzellanfabriken in Gebrauch kam.
Die gemeinen Töpferwaaren, das feine Fayence und das
Fritteporzellan mit bleihaltiger Glasur, lassen sich leicht mit
Steinkohlen brennen; in Frankreich wurde aber nirgends achtes
Porzellan mit Steinkohlen gebrannt, ehe Hr. Vital Roux sein Verfahren
entdeckte.
Der gebräuchliche Porzellanofen für Holzfeuerung hat bekanntlich
die Form eines runden Thurms mit einem halbkugelförmigen Dom
welcher in einen Schornstein ausmündet. Ein Gewölbe aus
Backsteinen, welches in einer gewissen Höhe über der Sohle des
Ofens angebracht ist, trennt ihn in zwei Brennräume; der untere
wird Gutofen (laboratoire du grand
feu), der obere Verglühofen (globe oder degourdi)
genannt. Ein Kamin und Feuercanäle, welche im Gewölbe angebracht
sind, setzen die zwei Etagen des Ofens mit einander in
Verbindung. Diese Oefen haben oft beträchtliche Dimensionen. Das
Brennmaterial gibt man in äußere Brennräume, die sogenannten
Feuerherde (alandiers), welche mehr
oder weniger zahlreich, aber immer in gleicher Entfernung von
einander um die Basis des Ofens herum angebracht sind. Die
Holzscheiter nehmen den oberen Raum des Feuerherds ein, so daß
die einziehende Luft abwärts durch die Zwischenräume derselben
dringen muß um mit allen Verbrennungsproducten dann in den Ofen
zu gelangen. Die Verbrennung erfolgt hier mit umgekehrter Flamme und ohne Rost; die
gleich langen kleingespaltenen Holzscheiter, welche der Arbeiter
parallel zu einander auf den Feuerherd legt, zertheilen die Luft
und vermischen dieselbe mit den Verbrennungsproducten.
In der unteren Etage, welche die Flamme der Feuerherde direct
empfängt, brennt man das mit seiner Glasurmasse versehene
Porzellan, nachdem man jedes Geschirr in eine besondere Kapsel
gebracht hat, welche zu senkrechten Stößen übereinander
angeordnet werden, die von der Sohle bis zum Gewölbe des Ofens
reichen und unter sich nur kleine Zwischenräume für den
Durchgang der Flamme lassen. In den oberen Brennraum oder
Verglühofen gibt man die lufttrocknen Porzellangeschirre, damit
sie durch das erste Brennen darin so fest werden, daß sie in
Berührung mit Wasser nicht mehr aufweichen und folglich ohne
Gefahr glasirt werden können.
Bei dem Brennen des Porzellans mit Steinkohlen nach Vital Roux wurde weder in der inneren
Anordnung der Oefen noch im Einsetzen der Kapseln etwas
geändert; nur die Anzahl der Feuerherde wurde vergrößert: ein
Ofen welcher deren nur vier hatte, mußte sechs bekommen. Ein
Ofen von 5,67 Meter innerem Durchmesser, welcher beim Betrieb
mit Holz sechs Feuerherde hatte, mußte zum Heizen mit
Steinkohlen zehn Herde erhalten. Die Feuerherde sind immer
außerhalb des Ofens, aber auf ganz andere Art angeordnet als für
die Holzfeuerung. Ein tiefer Aschenraum, welcher mit dem Inneren
durch einen unterirdischen Canal verbunden ist, führt die Luft
unter einen mit Steinkohlen beschickten Rost. Die Verbrennung
erfolgt nicht mehr wie bei dem Holz mit umgekehrter Flamme,
sondern auf ähnliche Weise wie in den Flammöfen.
Da eine Zeichnung des Ofens der erwähnten Beschreibung des neuen
Verfahrens beigegeben ist, so kann ich mich hier darauf
beschränken die Resultate mitzutheilen, welche ein in meiner
Gegenwart am 6ten, 7ten und 8ten Jun. v. J. vorgenommener Brand
lieferte.
Der Ofen Nr. 1, welchen man am 6ten Juni um 2 Uhr Nachmittags
anschürte, hat 6,67 Meter inneren Durchmesser; der Gutofen hat
4,83 Meter Höhe von der Sohle bis zur Klappe des Gewölbes; der
Ofen ist mit zehn Feuerherden versehen.
Während der ersten drei Brennstunden wirft man nur alle
Viertelstunden Steinkohlen auf den Rost jedes Feuerherdes; die
Zwischenzeiten von zwei auseinanderfolgender Beschickungen
werden dann immer kürzer; endlich von der vierzehnten Stunde
angefangen bis zum Ende des Brennens werden die Roste zugleich
alle 2 1/2 Minuten beschickt; das Quantum Steinkohlen welches
man auf einmal in jeden Feuerherd bringt, überschreitet nicht 1
1/2 Kilogr.
Zwölf Stunden nach dem Anfang des Brennens sah man zuerst Flamme
im Verglühofen; das Feuer gibt beständig Rauch, welcher im
Augenblick des Beschickens schwarz und sehr reichlich ist; gegen
das Ende des Brennens nimmt er sehr an Intensität ab.
Das Feuern wurde den ganzen Tag am 7ten und die Nacht vom 7ten
auf den 8ten Juni fortgesetzt. Den 8ten, um 6 Uhr Morgens, zog
man die ersten Probescherben; der vordere war fast ausgebrannt,
der hintere aber etwas weniger vorgeschritten; beide waren
weiß.
Um 10 Uhr Morgens zog man neuerdings Probescherben: das Brennen
erwies sich als ausreichend und sehr gleichförmig; nun hörte man
auf zu feuern.
Das Brennen dauerte 44 Stunden; man verbrauchte 214 Hectoliter
oder 14,980 Kil. Steinkohlen von Commentry; durchschnittlich
verbraucht man nach Angabe des Erfinders zwischen 205 und 230
Hectoliter.
Beim Herausnehmen der Kapseln ergaben sich sehr genügende
Resultate; das Porzellan war im allgemeinen schön und von guter
Farbe; ich konnte im Brand nicht ein einziges entschieden gelbes
Geschirr auffinden; einige stachen merklich in Grau.
Alle Kapselstöße waren an ihrem Platze geblieben; das Brennen war
in den verschiedenen Regionen des Ofens, oben wie unten an den
Kapselstößen, ganz gleichförmig.
Die Kapseln verglasten sich auf der Außenseite nicht, wie dieß
beim Feuern mit Holz wegen des Potaschegehalts der vom
Luftstrom mitgerissenen Asche geschieht; dieser Umstand muß
allein schon die Unterhaltungskosten der Kapseln beträchtlich
vermindern.
Das Einsetzen der Geschirre in die Kapseln erheischt eine
besondere Sorgfalt, damit nicht Steinkohlenasche bis in die
Kapseln dringen kann; die schlecht eingesetzten Geschirre zeigen
bräunlichgelbe Flecken, in Folge des Eisengehalts der
Steinkohlenasche; man vermeidet diesen Fehler durch ein
sorgfältiges Senkrechtsetzen des ganzen Kapselstoßes.
Auch muß man für das Verglühen einige besondere
Vorsichtsmaßregeln treffen. Die zu verglühenden Geschirre müssen
im Verglühofen ebenso sorgfältig in Kapseln eingesetzt werden
wie im Scharffeuer: Geschirre welche man nackt (nicht in Kapseln
eingeschlossen) und in directer Berührung mit der Atmosphäre des
Ofens verglühte, verziehen oder verunstalten sich im Scharffeuer
jedesmal bedeutend; man sollte glauben daß irgend ein vom Rauch
mitgerissener Körper ihre Masse durchdrungen und sie
schmelzbarer gemacht hat; die Ursache dieser auffallenden
Erscheinung stellt sich vielleicht bei einer vergleichenden
Analyse der mit und ohne Berührung des Rauchs verglühten
Geschirre heraus.
Hr. Vital Roux fand ferner, daß die
graue Farbe einiger gebrannten Geschirre von einer Schwärzung
beim Verglühen herrührte; ein zu schwaches Verglühen erzeugt
Blasen, sobald die Geschirre dem Scharffeuer ausgesetzt
werden.
Auf meinen Wunsch brachte Hr. Vital
Roux einige Geschirre von
Sèvres-Porzellanmasse in verschiedene Regionen
seines Ofens, welche alle gute Resultate gaben. Das Porzellan
war von sehr schöner Farbe und hielt mit den schönsten Mustern
des in Sèvres mit Holz gebrannten Porzellans den
Vergleich aus. Keines der zehn Stücke, welche in verschiedenen
Stellen des Gutofens mit Steinkohlen gebrannt worden waren,
zeigte Spuren von Gelb.
Hinsichtlich der Güte der Producte und der Gleichförmigkeit des
Brennens läßt also die Steinkohle nichts zu wünschen übrig. Ich
will nun die Resultate in ökonomischer Hinsicht mit dem alten
Verfahren vergleichen. Diese Vergleichung ist sehr leicht, weil
man beim Brennen von Steinkohlen anstatt Holz, dieselben Oefen
ohne wesentliche Abänderung im Innern anwenden kann.
Der Ofen Nr. 1 zu Noirlac verbraucht durchschnittlich per Brand 220 Hectoliter Steinkohlen
oder 16,500 Kil., wovon der Hectoliter in die Fabrik geschafft,
1 Fr. 80 C. kostet, daher sie auf 396 Fr. zu stehen kommen.
Derselbe Ofen verbrauchte per Brand
120 Sters Holz, jeder à 7
Fr., also für 840 Fr.
Folglich beträgt die Ersparniß an Brennmaterial 444 Fr. oder 53
Proc. des früheren Holzpreises.
Diese Ersparniß kann noch viel beträchtlicher werden in der Nähe
von Steinkohlengruben, wo der Hectoliter Kohlen selten auf 1 Fr.
zu stehen kommt.
Vergleicht man nur die Heizkraft beider Brennmaterialien, so
findet man daß 120 Sters Holz, welche ungefähr 42,000 Kil.
wiegen, durch 16,500 Kil. Steinkohlen ersetzt wurden. 1 Kil.
Holz, dessen Heizkraft 3000 Wärme-Einheiten beträgt,
wurde durch 0,39 Kil. Steinkohlen ersetzt, deren Heizkraft (zu
7000 Einheiten per Kil.) nicht über
2730 Einheiten beträgt. Es wurden also, abgesehen von dem
relativen Preise beider Brennmaterialien, an den verwendeten
Wärme-Einheiten ungefähr 10 Proc. erspart.
Die Verminderung der Gestehungskosten des Porzellans durch das
Brennen desselben mit Steinkohlen wird natürlich nach der Lage
der Fabriken verschieden seyn. Man kann annehmen, daß das Holz
zum Brennen der gebräuchlichsten Porzellangeschirre, z.B.
Teller, durchschnittlich 30 Proc. von den Gestehungskosten
ausmacht; dieselben würden sich also durch die Anwendung von
Steinkohlen zu Noirlac um beiläufig 16 Proc. vermindern.
Das gute Brennen des Porzellans scheint bei dem neuen Verfahren
wesentlich davon abzuhängen, daß man den Rost jedes Feuerherds
in sehr kurzen Zwischenräumen und jedesmal nur in geringer Menge
mit Steinkohlen beschickt. Die überschüssige Luft welche, in dem
Augenblick wo man den Rost beschickt, durch alle Thüren der
Feuerherde zugleich in den Ofen zieht, treibt eine große Menge
schwarzen Rauch heraus und unterhält in der Atmosphäre des Ofens
einen Ueberschuß von Sauerstoff, welcher nothwendig zu seyn
scheint, damit das Porzellan nicht von Kohlenstoff durchdrungen
werden und sich gelb färben kann. Ebenso verhält es sich beim
Brennen mit Holz während der Dauer der sogenannten Schicht (poste); bekanntlich lassen während
dieses Zeitraums des Brennens die Arbeiter in kurzen
Zwischenräumen in den Feuerherd alles Holz fallen welches sich
darauf befindet; die obere Mündung des Feuerherds ist nun
entblößt, ein großes Luftvolum dringt in den Ofen und treibt aus
demselben einen schwarzen und reichlichen Rauch. Die Fabrikanten
behaupten einstimmig, daß ohne diese Operation das Porzellan in
der Regel gelb und rauchig werden würde; während der letzten
Stunden des Brennens hört man auf, das Holz zu verrücken
um den Feuerherd zu entblößen; denn wenn die Glasur einmal
angefangen hat zu schmelzen, kann sich die Prozellanmasse nicht
mehr mit Rauch imprägniren.
Die allgemeine Einführung des neuen Brennverfahrens muß
nothwendig die Verlegung der Porzellanfabriken in die Nähe der
Steinkohlengruben zur Folge haben; da man wenigstens 7–8
Theile Steinkohlen braucht um 1 Theil Porzellan zu brennen, so
ist es natürlich viel ökonomischer die ganz zubereitete
Porzellanmasse an die Steinkohlengruben zu schaffen, als die
Steinkohlen an die Kaolinbrüche zu führen. Die Porzellanfabriken
werden sich also um die Steinkohlenbergwerke gruppiren, wie so
viele andere Industriezweige, bei welchen sich die Bedingungen
ihrer Existenz gänzlich veränderten, sobald sie das Holz durch
das mineralische Brennmaterial ersetzen konnten. Natürlich wird
der jetzt schon mäßige Preis des Porzellans durch eine solche
Umwälzung in seiner Fabrication sich noch bedeutend
vermindern.
Die Société
d'Encouragement hat Hrn. Vital
Roux wegen der großen Wichtigkeit seiner Erfindung die
goldene Medaille zuerkannt.