Titel: | Untersuchungen über den Proceß der englischen Roheisenbereitung; von R. Bunsen und L. Playfair. |
Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. LXIV., S. 271 |
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LXIV.
Untersuchungen über den
Proceß der englischen Roheisenbereitung; von R. Bunsen und L. Playfair.
Im Auszug aus dem Report of the British Association for the
Advancement of Science for 1845.
Bunsen und Playfair, über den Proceß der
englischen Roheisenbereitung.
I. Fundamental-Untersuchungen.
Um die Theorie der Eisenhohöfen, welche mit Steinkohlen betrieben
werden, im Gegensatz zu den mit Holzkohlen betriebenen Hohöfen
festzustellen, sind die Verfasser in ähnlicher Weise von der
Zusammensetzung der gasförmigen Ofenproducte ausgegangen, wie es
Einer von ihnen früher bei den Holzkohlenhohöfen versucht hat.
Sie haben sich zuerst durch eine Reihe der sorgfältigsten
Versuche überzeugt, daß die von ihnen angewandte eudiometrische
Analyse der Gase einen Grad von Genauigkeit zuläßt, wie sie
sonst kaum durch die schärfsten analytischen Mittel zu erreichen
ist und daß die Gegenwart des Stickstoffs keinen störenden
Einfluß bei der eudiometrischen Bestimmung explosiver Gasgemenge
ausübt.
Die Natur der Gase, welche dem Schachte der Eisenhohöfen
entströmen, richtet sich wesentlich nach der Beschaffenheit des
Brennmaterials, welches zu dem Schmelzproceß verwandt wird.
Kohks, Holzkohlen und Holz liefern ein Gas, welches an
brennbaren Bestandtheilen nur Kohlenoxyd, Wasserstoff und
Grubengas enthält. Die aus Steinkohlen in Schachtöfen erzeugten
Gase können an brennbaren Bestandtheilen außer den erwähnten
noch ölbildendes Gas und gasförmige Kohlenwasserstoffe von
verschiedener Zusammensetzung enthalten. Leitet man die durch
Destillation von Steinkohlen erhaltenen Gase durch ein mit einer
Auflösung von Bleioxyd in Kalihydrat gefülltes Absorptionsrohr,
so erhält man einen Niederschlag, welcher aus einem Gemenge von
Schwefelblei und kohlensaurem Bleioxyd besteht; Kohlensäure und
Schwefelwasserstoff sind daher ebenfalls Bestandtheile dieser
Gase. (Von Schwefelkohlenstoffdampf findet sich dagegen keine
Spur darin, da das durch die erwähnte Lösung gereinigte Gas
nicht die mindeste Spur eines Geruches nach Schwefelkohlenstoff
zeigt, sondern vielmehr völlig geruchlos ist.) Wenn man die von
Kohlensäure und Schwefelwasserstoff auf angegebene Weise
befreiten Steinkohlengase durch einen mit Antimonsuperchlorid
gefüllten Kaliapparat leitet, so wird das ölbildende Gas sammt
den beigemengten Kohlenwasserstoffen von demselben vollständig
absorbirt.
Die den Eisenhohöfen entströmenden Gase müssen außerdem noch
Stickstoff enthalten, welcher als Bestandtheil der durch das
Gebläse eingeführten Luft im unverbundenen Zustande mit den
Verbrennungs- und Destillationsproducten des Ofens sich
mischt. Endlich enthalten die Gase noch Dämpfe von Steinkohlenöl
und Ammoniak, welches in Gasgestalt, mit Wasserdampf gemengt,
entweicht und mit diesem in einem Kühlapparat zu einer
Flüssigkeit condensirt werden kann, worin das Ammoniak durch
seine charakteristischen Reagentien leicht zu erkennen ist.
Die Gase der Steinkohlenhohöfen, als ein Gemenge der
Destillationsproducte des Brennmaterials mit den
Verbrennungsproducten und dem Stickstoff der Luft, enthalten
also folgende Substanzen:
1) Stickstoff,
2) Ammoniak,
3) Kohlensäure,
4) Kohlenoxyd,
5) Grubengas,
6) ölbildendes Gas,
7) Kohlenwasserstoffe von
unbekannter Zusammensetzung,
8) Wasserstoff,
9) Schwefelwasserstoff,
10) Wassergas.
Der Eisenhohofen muß als ein Apparat betrachtet werden, der zur
Ausführung der verschiedenartigsten chemischen Processe bestimmt
ist. Diese Processe beginnen an der Gicht des Ofens und
erstrecken sich in einer ganz bestimmten Reihenfolge bis auf die
Sohle desselben. Die Endproducte aller dieser Processe kommen
einerseits im Herd und andererseits an der Gicht zum Vorschein:
hier in der Gestalt einer brennbaren Luftsäule, dort in
flüssiger Form als Schlacke und Roheisen.
Zu den Veränderungen, welche die sämmtlichen Producte auf diesem
Wege erleiden, steht die Natur dieser brennbaren Luftsäule in
einer so engen Beziehung, daß ihre verschiedene Zusammensetzung
in den einzelnen Sectionen des Ofens auf das Genaueste den Gang
der Umwandlungen ausdrückt, welche die in Wechselwirkung
tretenden Materialien auf ihrem Wege bis zur Form erleiden. Die
Untersuchung dieser Luftsäule, insofern sie den Schlüssel zur
Lösung aller der Fragen enthält, welche sich an die Theorie und
den praktischen Betrieb der Eisengewinnung knüpfen, ist daher
von der höchsten Wichtigkeit. Die successiven Veränderungen,
welche dieselbe bei ihrem Durchgange durch den Ofen erleidet,
lassen sich nur durch eine directe Untersuchung der in den
verschiedenen Regionen desselben geschöpften Gase feststellen.
Zur Ermittelung der durchschnittlichen Zusammensetzung
der an der Gicht entweichenden Gase kann man sich dagegen einer
Methode bedienen, welche zwar nicht diese Zusammensetzung
selbst, aber doch die engen Gränzen festzustellen erlaubt,
zwischen welchen dieselbe schwankt.
Um zunächst auf diesem Wege den Antheil kennen zu lernen, welchen
die Steinkohle für sich an der Bildung der Hohofengase nimmt,
ist es nöthig, die Erscheinungen etwas näher ins Auge zu fassen,
welche ein nur mit diesem Brennmaterial gefüllter Ofen
darbietet. Die Verf. legen dabei das Ergebniß einer frühern
Untersuchung von Einem von ihnen zum Grunde, welches nach
wiederholten Beobachtungen Anderer sowohl, als nach den
mannichfaltig aus der Praxis entnommenen Resultaten als völlig
verbürgt betrachtet werden kann. Es ist nämlich nach dieser
Untersuchung, die in den nachstehenden Resultaten eine neue
Bestätigung findet, als erwiesen zu betrachten:
1) daß der durch das Gebläse in den Ofen eingeführte Sauerstoff
vollständig, fast unmittelbar über der Düse, zu Kohlenoxyd
verbrennt;
2) daß die Kohle ihre gasförmigen Destillationsproducte weit
oberhalb des Punktes verliert, wo ihre Verbrennung erfolgt.
Es ist demnach einleuchtend, daß bei dem regelmäßigen Gange des
Ofens die Gasification des Brennmaterials gleichzeitig an zwei
völlig von einander getrennten Punkten erfolgt. In einer
gewissen Entfernung unter der Gicht entweichen die Gase, welche
bei dem an dieser Stelle die Verkohkung bedingenden
Destillationsproceß frei werden. Weiter unten im Gestell wird
die Gasification vollendet, indem hier die in dem oberen Theile
des Schachtes von ihren flüchtigen Producten befreite Kohle
verbrennt. Die durch diese Destillation und Verbrennung
erzeugten Producte sind es, welche, gemengt mit dem Stickstoff
der verbrannten atmosphärischen Luft, an der Gicht als eine
brennbare Luftsäule zum Vorschein kommen. Erwägt man nun, daß
die Menge der Steinkohle, welche, den Destillationsraum des
Ofens durchwandernd, ihre Gase verliert, der Kohlenmenge
entsprechen muß, welche vor der Form verbrennt, wie auch die
Luftmenge beschaffen seyn mag, die durch das Gebläse zugeführt
wird: so begreift man leicht, daß die Zusammensetzung der
Gichtgase gegeben ist, wenn man die Destillationsproducte einer
beliebigen Gewichtsmenge Steinkohlen zu den
Verbrennungsproducten der Kohks addirt, welche durch
Destillation derselben Gewichtsmenge Steinkohlen erhalten
werden.
Da es aber zur Bestimmung dieser Verbrennungsproducte keines
weiteren Versuches bedarf, so reducirt sich die Frage über die
Constitution der Steinkohlengichtgase auf die Untersuchung der
Menge und Zusammensetzung der flüssigen und
gasförmigen Producte, welche eine Steinkohlenart bei der
Destillation ausgibt. Die Producte einer solchen Destillation
werden aber unter übrigens ganz gleichen Umständen sehr
verschieden ausfallen, je nachdem die dabei entwickelten
flüchtigen Substanzen mit dem im Glühen begriffenen
Brennmaterial in Berührung kommen, oder, ohne darauf
einzuwirken, entweichen. Im ersteren Falle erhält man die
unmittelbaren Zersetzungsproducte der Steinkohle, im letzteren
zugleich noch die übrigen, aus der Einwirkung dieser
Zersetzungsproducte auf die glühende Kohle hervorgehenden
Verbindungen.
Die Bedingungen des ersten Falles finden sich mehr oder weniger
in solchen Oefen vereinigt, bei denen die Materialien sich in
einem Zustande großer Zerkleinerung befinden und möglichst
langsam den Weg von der Gicht bis zu dem Punkte der Verbrennung
zurücklegen. Die Kohlen werden unter diesen Verhältnissen bei
der größern Erhitzungsoberfläche, welche sie dem aufsteigenden
glühenden Luftstrome darbieten, gleichmäßig durch ihre ganze
Masse erhitzt, und der Theer, welcher sich in dem obern Theile
des Ofens condensirt, kann durch eben diesen aufsteigenden
Luftstrom abdestillirt werden, ehe die damit imprägnirten,
langsam niedergehenden Schichten den Punkt des Ofens erreichen,
wo die zur weiteren Zersetzung der Destillationsproducte nöthige
Temperatur auftritt. Da die unter solchen Umständen erzeugten
Gichtgase einen geringen Gehalt an brennbaren Bestandtheilen
darbieten müssen, der auf ein Minimum herabsinkt, wenn zwischen
den erzeugten Destillationsproducten und den glühenden Kohlen
gar keine Wechselwirkung weiter eintritt, so ist es von
Wichtigkeit, die durchschnittliche Zusammensetzung solcher
Gichtgase zu bestimmen, welche nur die ursprünglichen brennbaren
Destillationsproducte der Steinkohlen, aber keineswegs die Gase
enthalten, die aus der Berührung eben dieser
Destillationsproducte mit der glühenden Kohle hervorgehen.
Die Zusammensetzung eines solchen Gasgemenges ist um so
interessanter, als sie die Gränze bezeichnet, bis zu welcher im
ungünstigsten Falle der Gehalt an brennbaren Bestandtheilen in
den Hohofengasen herabsinken kann.
Um behufs der Untersuchung die Destillationsproducte der
Steinkohlen unter diesen Bedingungen zu
erzeugen, ist es am einfachsten, sich einer, mit den
betreffenden Kohlen gefüllten, schwer schmelzbaren Glasröhre zu
bedienen, welche man in horizontaler Lage von ihrem hinteren
verschlossenen Ende aus nach vorn hin erhitzt. Nach den
Untersuchungen der Verf. zerfallen die Gasforth- und
Alfreton-Steinkohlen bei dieser trockenen Destillation in folgende
Producte:
Gasforthkohlen.
Alfrentonkohlen.
Kohle
68,925
67,228
Steinkohlentheer
12,230
9,697
Wasser
7,569
42,397
Grubengas
7,021
6,638
Kohlenoxyd
1,135
1,602
Kohlensäure
1,073
1,139
condensirbarer
Kohlenwasserstoff
und ölbildendes
Gas
0,753
0,513
Schwefelwasserstoff
0,549
0,253
Wasserstoff
0,499
0,370
Ammoniak
0,211
0,163
Stickstoff
0,035
–
––––––––––––––––––––––––––––––––
100,000
100,000.
Aus diesen Resultaten läßt sich die Zusammensetzung der
Gichtgase, z.B. von einem nur mit Gasforth-Steinkohlen
gespeisten Ofen leicht finden. Es ist nämlich einleuchtend, daß
die in der Analyse aufgeführten 68,92 Proc. Kohle vor der Form
durch die Gebläseluft in Kohlenoxydgas verwandelt werden. Da
nun, wie wir oben gesehen haben, für jeden Gewichtstheil
Steinkohle, welcher in der Nähe der Gicht seine Gase durch
Destillation verliert, ein entsprechender Gewichtstheil Kohle
vor der Form verbrennt, so braucht man nur die Menge des
Kohlenoxyds, welche durch Verbrennung der 68,92 Proc. Kohle
erhalten wird, sammt dem bei dieser Verbrennung aus der
atmosphärischen Luft abgeschiedenen Stickstoff zu den übrigen in
der Analyse aufgeführten gasförmigen Producten zu addiren, um
die Zusammensetzung der Gichtgase dem Gewichte nach zu
erhalten.
Diese Berechnung gibt:
Stickstoff
64,135
Kohlenoxyd
33,758
Grubengas
1,464
Kohlensäure
0,224
condensirte
Kohlenwasserstoffe
0,154
Schwefelwasserstoff
0,114
Wasserstoff
0,107
Ammoniak
0,044
–––––––
100,000.
Berechnet man mit Beziehung auf diesen Umstand die
Zusammensetzung der aus einem nur mit Gasforthkohlen gespeisten
Ofen entweichenden Gase dem Volumen nach, so ergibt sich:
Stickstoff
62,423
Kohlenoxyd
33,168
Grubengas
2,527
Kohlensäure
0,139
condensirte
Kohlenwasserstoffe
0,151
Schwefelwasserstoff
0,091
Wasserstoff
1,431
Ammoniak
0,070
–––––––
100,000.
Das erhaltene Resultat gibt ein einfaches Mittel an die Hand, den
Einfluß zu bestimmen, welchen die gasförmigen
Destillationsproducte der Steinkohle auf die Zusammensetzung der
Ofengase ausübt. Denkt man sich die Steinkohlen, von ihren
flüchtigen Producten befreit, der Einwirkung eines Luftstroms in
einem Schachtofen ausgesetzt, so wird ein Luftvolumen, welches
62,423 Stickstoff enthält, durch den Einfluß der glühenden Kohle
in ein Gasgemenge von folgender Zusammensetzung verwandelt
werden:
Stickstoff
62,423
Kohlenoxyd
32,788.
Demnach enthält das Gemenge:
Durch Verbrennung
erzeugte Gase
StickstoffKohlenoxyd
62,423 32,788
Durch Destillation
erzeugte Gase
KohlenoxydGrubengasKohlensäureölbildendes
GasSchwefelwasserstoffWasserstoffAmmoniak
0,380 2,527 0,139 0,151 0,091 1,431 0,070
–––––––
100,000.
Man sieht daher, daß der Einfluß, welchen die gasförmigen
Destillationsproducte der Steinkohlen auf die Zusammensetzung
der Hohofengase ausüben, ziemlich bedeutend ist.
Das Verhältniß der durch die Gichtgase verlorenen Wärme zu der im
Ofen realisirten, ergibt sich durch eine einfache Betrachtung.
Die nachstehende Zusammenstellung gibt über die in
Wärmeeinheiten ausgedrückte Wärmemenge Aufschluß, welche aus 100
Gewichtstheilen des Gasgemenges durch Verbrennung erhalten
werden kann, und zeigt zugleich den Antheil, welchen die
einzelnen Bestandtheile an dieser Wärmeentwickelung nehmen:
I.
II.
64,135
Stickstoff
geben
0
33,758
Kohlenoxyd
„
84463
1,464
Grubengas
„
19719
0,224
Kohlensäure
„
0
0,154
ölbildendes Gas
„
1898
0,114
Schwefelwasserstoff
„
510
0,107
Wasserstoff
„
3713
0,044
Ammoniak
„
267
–––––––
––––––––
100,000
Gichtgas geben
110570 Wärmeeinheiten.
Die Zahlen II sind aus den nachstehenden Angaben über die
Verbrennungswärme berechnet, welche sich unter Dulong's hinterlassenen Papieren
gefunden haben:
1 Kilogr. Kohle erhitzt
bei dem Verbrennen zu
Kohlenoxyd 1
Kilogr. Wasser auf
1499.
1 Kilogr. Kohle erhitzt
bei dem Verbrennen zu
Kohlensäure 1
Kilogr. Wasser auf
7371.
1 Kilogr. Kohlenoxyd
erhitzt bei dem Verbrennen zu
Kohlensäure 1
Kilogr. Wasser auf
2502.
1 Kilogr. Wasserstoff
erhitzt bei dem Verbrennen zu
Kohlensäure 1
Kilogr. Wasser auf
34706.
1 Kilogr. Grubengas
erhitzt bei dem Verbrennen zu
Kohlensäure 1
Kilogr. Wasser auf
13469.
1 Kilogr. ölbildendes
Gas erhitzt bei dem Verbrennen zu
Kohlensäure 1
Kilogr. Wasser auf
12322.
1 Kilogr.
Schwefelwasserstoff erhitzt bei dem Verbrennen zu
Kohlensäure 1
Kilogr. Wasser auf
4476.
1 Kilogr. Ammoniak
erhitzt bei dem Verbrennen zu
Kohlensäure 1
Kilogr. Wasser auf
6060.
Die Wärmemenge, welche während des Entweichens dieser noch nicht
in den Gichtgasen zur Entwickelung gekommenen 110570
Wärmeeinheiten gleichzeitig im Ofen erzeugt wird, ist durch den
Stickstoffgehalt der Gase bestimmt. Dieser Stickstoff entspricht
nämlich der Luftmenge, welche während der Bildung des an der
Gicht entweichenden Gasgemenges im unteren Theile des Ofens
verbrennt. Die im vorliegenden Falle gefundenen 64,126
Stickstoff entsprechen 83,29 atmosphärischer Luft, welche die
Umwandlung von 14,367 Kohlen in Kohlenoxydgas bewirken. Die
Menge der dabei freiwerdenden Wärme beträgt den Dulong'schen Versuchen zufolge
21536°.
Bei einem nur mit Gasforthkohlen gespeisten Schachtofen können
daher im günstigsten Falle nur 16,30 Proc. Brennmaterial
realisirt werden. Die übrigen 83,70 Proc.
entweichen als noch nutzbares Brennmaterial.
Die technische Anwendbarkeit der Gase hängt aber nicht allein von
der Wärmequantität ab, welche durch ihre Verbrennung erzeugt
wird. Eine andere, nicht minder erhebliche Frage betrifft die
Temperatur, welche bei ihrer Verwendung als Brennmaterial
erreicht werden kann.
Um diese zu bestimmen, bedarf es keines besondern Versuchs. Sie
läßt sich aus der Zusammensetzung der Gase, ihrem Brennwerth und
der Wärmecapacität der daraus hervorgehenden
Verbrennungsproducte berechnen. 1 Kilogr. des Gases gibt bei der
Verbrennung mit atmosphärischer Luft, wie wir oben gezeigt
haben, 1105,7 Wärmeeinheiten. Die dabei gebildeten
Verbrennungsproducte wiegen aber 2,1385 Kilogr. Beständen diese
2,1385 Kilogr. aus Wasser, so würden sie, da die ganze Menge der
freiwerdenden Wärme in sie übergeht, auf die Temperatur
1105,7/2,1385 erhitzt werden. Da nun die Wärmecapacität des
Wassers zu der der Verbrennungsproducte sich wie 1 : 0,2665
verhält, die durch gleiche Wärmemengen in gleich schweren
Körpern hervorgebrachten Temperaturerhöhungen aber der
respectiven Wärmecapacität derselben umgekehrt proportional
sind, so ergibt sich für die Temperatur des mit Luft
verbrennenden Gasgemenges der Ausdruck 1105,7/(2,1385 + 0,2665)
= 1940° C.
Bei den bisherigen Betrachtungen haben wir den Einfluß, welchen
die aus dem Eisenstein und kohlensauren Kalk entweichenden
Producte auf die Zusammensetzung der Gase ausüben, außer Acht
gelassen. Da dieser Einfluß, je nach der Menge der angewandten
Materialien, ein verschiedener ist, so wird es nöthig, dabei ein
bestimmtes Beispiel zum Grunde zu legen. Wir wählen dazu einen
mit erhitzter Luft gespeisten Ofen, welcher sich auf dem
ausgezeichneten Alfreton-Eisenwerke des Hrn. Oaks zu Riddingshouse befindet.
Zur Erzeugung von 140 Pfd. Roheisen (pig-iron) werden angewandt:
420 Pfd.
calcinirtes Eisenerz,
390 „
Steinkohlen,
170 „
Kalkstein.
100 Theile Steinkohlen geben dem obigen Versuche zufolge 67,228
Kohks. Diese Kohksmenge entspricht nicht genau dem durch
Verbrennung gebildeten Kohlenoxydgas. Es ist zuvor noch der
Aschengehalt der Steinfohlen davon in Abrechnung zu
bringen, welcher 2,68 Proc. beträgt. Es entsprechen mithin diese
67,228 nur 64,548 reinem Kohlenstoff.
Von diesem Kohlenstoff geht außerdem noch ein Theil mit dem
gebildeten Eisen eine Verbindung ein und wird dadurch der
Verbrennung entzogen. Nimmt man nach den Untersuchungen von Bromeis den mittleren Kohlengehalt
des grauen Roheisens zu 3,3 Proc. an, so sind, da die
Eisenproduction auf 100 Kohlen 35,8 beträgt, noch 1,18 Kohle von
diesen 64,548 in Abrechnung zu bringen. Denkt man sich die
übrigbleibenden 63,368 Kohlenstoff mit Luft zu Kohlenoxyd
verbrannt, so erhält man als Verbrennungsproduct ein Gemenge
von:
Stickstoff
285,100
Kohlenoxyd
147,858.
Von diesen 147,558 Kohlenoxydgas wird ein Theil auf Kosten des
Eisenerzes in Kohlensäure verwandelt. Die auf 100 Steinkohlen
erzeugte Menge Roheisen beträgt 35,8 und entspricht 34,62 reinem
Eisen, bei dessen Reduction 14,83 Sauerstoff an das
Kohlenoxydgas abgegeben werden. Dadurch werden 25,952 desselben
in 40,782 Kohlensäure verwandelt. Ferner beträgt die Menge des
Kalksteins, welche auf 100 Kohlen zugesetzt wird, 43,59. Dieser
Kalkstein besteht der Analyse zufolge aus:
Kalk
54,4
Kohlensäure
42,9
Magnesia
0,6
Thon
0,8
Feuchtigkeit und
Verlust
1,3
––––––
100,00.
Für die der Berechnung zum Grunde gelegten 100 Steinkohlen
entweichen daher noch 18,7 Kohlensäure aus dem Kalkstein.
Faßt man das Resultat dieser Betrachtungen zusammen, so ergibt
sich, daß 100 Theile Steinkohlen durch den im obern Theile des
Ofens erlittenen Verlust an gasförmigen Stoffen auf 67,228 Kohks
reducirt werden, die, nachdem sie bis zur Düse niedergegangen,
in Gestalt von Kohlensäure und Kohlenoxydgas, mit dem Stickstoff
der atmosphärischen Luft und der Kohlensäure des Kalksteins
gemengt, nach der Mündung des Ofens zurückkehren, ein Gasgemenge
bildend, welches besteht aus:
Stickstoff
282,860
Kohlensäure
59,482
Kohlenoxyd
121,906
–––––––
464,248.
Addirt man dieses Gasgemenge statt der bei dem Versuch erhaltenen
Kohle zu den durch Destillation von 100 Steinkohle erhaltenen
gasförmigen Stoffen, so ergibt sich folgende Zusammensetzung für
die der Gicht entströmenden Ofengase:
I.
II.
Dem Gew.
nach:
Dem Vol. nach:
Stickstoff
59,559
60,907
Kohlensäure
12,765
8,370
Kohlenoxyd
26,006
26,846
Grubengas
1,397
2,536
Wasserstoff
0,078
1,126
condensirbare
Kohlenwasserstoffe
0,108
0,112
Schwefelwasserstoff
0,053
0,045
Ammoniak
0,034
0,058
–––––––
–––––––
100,000
100,000.
Aus den in I. enthaltenen Zahlen läßt
sich das Verhältniß der im Ofen bei dem Proceß zu realisirenden,
zu der in Gestalt eines nutzbaren gasförmigen Brennmaterials an
der Mündung des Ofens entweichenden Wärme leicht bestimmen. Es
werden nämlich bei der Verbrennung:
Wärmeeinheiten.
aus Stickstoff
59,559
0
Kohlensäure
12,765
0
Kohlenoxyd
26,006
65067
Grubengas
1,397
18826
Wasserstoff
0,078
2704
ölbildendem Gase
0,108
1331
Schwefelwasserstoff
0,053
238
Ammoniak
0,034
208
––––––––––––––––––
also aus
100 Gichtgas
88374
Wärmeeinheiten erzeugt.
Die gefundenen 88374 Wärmeeinheiten können mithin als Maaß für
die Wärmemengen betrachtet werden, welche durch Verbrennung der
Hohofengase zur Realisation gebracht werden können. Um das
Verhältniß des im Ofen realisirten Brennmaterials zu diesem an
der Gicht unbenutzt verschwendeten zu ermitteln, darf man nur
die Wärmeeinheiten berechnen, welche bei der Erzeugung dieser
100 Gewichtstheile Ofengas im Ofen selbst zur Entwickelung
kommen. Die einzige Quelle der Wärmeentwickelung im Ofen ist die
Oxydation des Kohlenstoffes. Diese Oxydation geschieht auf
Kosten des Sauerstoffs, welcher in der eingeblasenen Luft und im
Eisenoxyd enthalten ist. Betrachten wir daher zunächst den
Einfluß, welchen die Verbrennung des Kohlenoxyds auf Kosten des
im Eisenoxyd enthaltenen Sauerstoffs auf die Wärmeentwickelung
im Ofen ausübt. Aus den bekannten, von Dulong hinterlassenen Versuchen über die
Verbrennungswärme ergibt sich, daß die Wärmemenge, welche bei
der Verbrennung von 1 Liter Sauerstoff mit Eisen oder mit
Kohlenoxydgas entwickelt wird, fast vollkommen gleich ist. Das
erstere gibt 6216 und das letztere 6260 Wärmeeinheiten. Da die
unbedeutende Differenz dieser Zahlen innerhalb der Gränzen der
Beobachtungsfehler liegt, so läßt sich daraus, wie bereits Ebelmen gezeigt hat, der Schluß
ziehen, daß bei der Reduction des Eisenoxyds auf Kosten von
Kohlenoxydgas Thermoneutralität stattfindet und
daß mithin der Reductionsproceß des Eisenoxyds
ohne Einfluß auf die Wärmeentwickelung im Ofen ist.
Die Verbrennung des Sauerstoffs der Luft ist daher die einzige
Wärmequelle im Ofen.
Um die dadurch erzeugte Wärme festzustellen, genügt es, wie wir
oben gesehen haben, die Sauerstoffmenge zu berechnen, welche mit
den in den Gasen befindlichen 59,559 Gewichtstheilen Stickstoff
in der Form von atmosphärischer Luft in den Ofen gelangte. Die
bei der Verbrennung dieses Sauerstoffs zu Kohlenoxydgas in
Freiheit gesetzte Wärme ist die einzige, welche im Ofen zur
Realisation kommt. Sie beträgt der Rechnung zufolge 20001. Für
diese Anzahl Wärmeeinheiten gehen daher 88374 unbenutzt mit den
Gichtgasen verloren. Es folgt daraus die merkwürdige
Thatsache:
daß in dem Alfretonhohofen unter den
ungünstigsten Verhältnissen und ohne Rücksicht auf die mit den
erhitzten Gichtgasen verlorene freie Wärme 81,54 Proc. zur
Benutzung geeignetes Brennmaterial verloren gehen und nur 18,46
Proc. zur Unterhaltung des Eisenprocesses verwandt werden.
Das Temperaturmaximum, welches durch Verbrennung der Gase
erreicht werden kann, läßt sich leicht aus folgenden
Betrachtungen ableiten:
1 Kilogr. Gas gibt, mit atmosphärischer Luft
verbrannt, 1,9338 Kilogr. Verbrennungsproducte, deren
Zusammensetzung und specifische Wärme sich wie folgt ergibt:
Zusammensetzung.
Spec. Wärme.
Stickstoff
68,016
0,1859
Kohlensäure
29,896
0,0661
Wasserdampf
2,088
0,0176
––––––––––––––––––––––––
100,000
0,2696.
Dividirt man mithin die bei der Verbrennung von 1 Kilogr. Gas
entwickelten Wärmeeinheiten 88374 durch das Product aus der
Menge der gefundenen Verbrennungsproducte in die specifische
Wärme derselben, d.h. durch 1,9338 × 0,2696, so ergibt
sich für die Temperatur der Flamme 1695,2° C.
Man begreift leicht, daß das bei dem Betriebe des Ofens der Gicht
entströmende Gasgemenge noch reicher an brennbaren
Bestandtheilen seyn muß, als es die eben angestellte, von den
ungünstigsten Bedingungen ausgehende Berechnung ergeben hat.
Denn aus der Wechselwirkung, welche zwischen der glühenden Kohle
und den flüssigen Destillationsproducten stattfindet, gehen eine
Menge gasförmige Producte hervor, die nothwendigerweise den
Brennwerth der Ofengase vergrößern müssen. Die oberste, stets
erneuerte kalte Erz- und Kohlenschicht wirkt condensirend
auf den aus dem Brennmaterial entweichenden Wasserdampf und
Steinkohlentheer. Beide tröpfeln in flüssiger Gestalt in die
tieferen glühenden Kohlenschichten zurück und werden daselbst
zum Theil in Wasserstoff und Kohlenoxydgas zerlegt. Ein anderer
Theil des Theers zerfällt in Grubengas und Kohle. Was dieser
Zersetzung entgeht, gelangt von Neuem in die obere kalte
Erzschicht und erleidet dort abermals denselben
Zersetzungsproceß.
Um diesen Einfluß, welchen die glühenden Kohlen auf die flüssigen
Destillationsproducte ausüben, durch einen Versuch festzustellen
und annäherungsweise die Gränze zu bestimmen, bis zu welcher der
Gehalt an brennbaren Bestandtheilen in den Gichtgasen anwachsen
kann, haben die Verf. den erwähnten Versuch mit den
Alfreton-Steinkohlen auf die Art wiederholt, daß das zur
Destillation der Steinkohlen dienende Rohr vom vorderen Theile nach hinten erhitzt wurde, um die
flüssigen und gasförmigen Destillationsproducte über die bereits
im Glühen begriffene Kohle streichen zu lassen und dadurch einen
ähnlichen Zersetzungsproceß herbeizuführen, wie er im Hohofen
stattfindet. 100 Theile Alfreton-Steinkohlen gaben bei
der Destillation:
Kohle
65,123
Theer und Wasser
16,594
Grubengas
6,233
Kohlenoxyd
6,328
Kohlensäure
2,289
ölbildendes Gas
1,559
Schwefelwasserstoff
0,172
Wasserstoff
1,421
Ammoniak
0,281
Eine Vergleichung dieser Destillationsproducte mit den früher aus
demselben Material erhaltenen, aber nicht mit der glühenden
Kohle in Berührung gekommenen, zeigt auf das deutlichste den
Einfluß, welchen die glühende Kohle auf den Theer und
Wasserdampf ausübt. Die flüssigen Producte und die Kohle
vermindern sich und an ihrer Stelle tritt Kohlenoxyd,
Wasserstoff und ölbildendes Gas auf, entstanden durch eine
Oxydation der Kohle auf Kosten des Wasserdampfes und durch
Zersetzung des Theers, unter dem Einflusse einer erhöhten
Temperatur.
Berechnet man, von den zuletzt entwickelten Principien ausgehend,
die Zusammensetzung der Gichtgase, welche der eben gefundenen
Zusammensetzung der Destillationsproducte entspricht, so ergeben
sich folgende Resultate:
I.
II.
Dem Gew. nach:
Dem Vol. nach:
Stickstoff
58,218
57,878
Kohlensäure
15,415
9,823
Kohlenoxyd
23,956
24,042
Grubengas
1,555
2,743
Wasserstoff
0,354
4,972
ölbildendes Gas
0,389
0,392
Schwefelwasserstoff
0,043
0,035
Ammoniak
0,070
0,115
–––––––––
–––––––––
100,000
100,000.
Das Verhältniß der Bestandtheile in diesem Gasgemenge kann als
der Gränze naheliegend betrachtet werden, bis zu welcher
überhaupt der durchschnittliche
Gehalt an brennbaren Bestandtheilen in den Gichtgasen anwachsen
kann, welche sich unter Verhältnissen bilden, wie sie bei den
großen, mit Steinkohlen betriebenen Eisenhohöfen stattfinden.
Man ersteht zugleich daraus, daß die Vermehrung der brennbaren
Gemengtheile des Gases, welche durch die Wechselwirkung der
glühenden Kohle und flüssigen Producte bedingt wird, sich
vorzugsweise auf den Wasserstoff und das ölbildende Gas
erstreckt. Berechnet man aus den gefundenen Zahlen nach den
früher entwickelten Principien die Wärmemenge, welche bei der
Bildung von 100 Gewichtstheilen des Gases im Ofen entwickelt
wird, und vergleicht man dieselbe mit der Wärme, welche durch
Verbrennung dieser Gasmenge selbst erhalten werden kann, so
ergibt sich das Verhältniß 98583 : 19550, woraus folgt,
daß in dem Alfreton-Hohofen unter den
den günstigsten naheliegenden Verhältnissen nur 16,55 Proc,
Brennmaterial im Ofen zur Realisation gelangen, 83,45 Proc. aber
an der Gicht in der Form brennbarer Gase verloren gehen.
1 Kilogr. des Gases gibt, mit Luft verbrannt, 1,9290 Kilogr.
Verbrennungsproducte, welche bestehen aus:
Stickstoff
67,33
Kohlensäure
29,83
Wasserdampf
2,84
––––––
100,00.
Da die aus dieser Zusammensetzung berechnete specifische Wärme
der Verbrennungsproducte 0,2740 beträgt, so ergibt sich die
Temperatur der Flamme dieser Gase, wenn sie mit Luft verbrannt
werden, zu 1768° C.
Die Temperatur der unter den annähernd günstigsten Verhältnissen
erzeugten Gase des Alfreton-Eisenhohofens beträgt daher
1768° C.
(Fortsetzung folgt.)