Titel: | Untersuchungen über den Proceß der englischen Roheisenbereitung; von R. Bunsen und L. Playfair. |
Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. LXXXIX., S. 364 |
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LXXXIX.
Untersuchungen über den
Proceß der englischen Roheisenbereitung; von R. Bunsen und L. Playfair.
Im Auszug aus dem Report of the British Association for the
Advancement of science for 1845.
(Fortsetzung von S. 284 des
vorigen Hefts.)
Mit Abbildungen auf Tab. V.
Bunsen und Playfair, über den Proceß der
englischen Roheisenbereitung.
II. Theorie der mit
Steinkohlen und erhitzter Luft betriebenen
Hohöfen.
Die bisherigen Untersuchungen der Verf. ergaben nur die durchschnittliche Zusammensetzung der
Gichtgase; dabei wurde an einigen Beispielen der Einfluß
erläutert, welchen die Ofenmaterialien auf die mittlere
Zusammensetzung der Gase ausüben, die als Endproducte aller in
den einzelnen Theilen des Ofenschachtes stattfindenden Processe
an der Gicht abziehen. Die Verf. gehen nun zu dem wichtigsten
Theil ihrer Untersuchung über, nämlich zu
den Veränderungen, welche die aufsteigende Luftsäule auf
ihrem Wege von der Form bis an die Mündung des Ofens
erleidet.
Um dieselben zu verfolgen, haben sie eine Reihe Gasproben in
verschiedenen Tiefen des Ofens aufgesammelt. Der Apparat zum
Schöpfen der Gase besteht im Wesentlichen aus einem gegen 26 Fuß
langen Röhrensystem von weichem gezogenem Eisen, das man in
aufrechter Stellung mit den Materialien im Ofen niedergehen
läßt. Dasselbe hatte bei ihren Versuchen 1 Zoll inneren
Durchmesser und war aus einzelnen, 5 Fuß langen Stücken
zusammengeschraubt, deren luftdichte Verbindung durch einen
geeigneten Kitt bewerkstelligt wurde. Um die Tiefe der
Einsenkung jederzeit bestimmen zu können, war das Rohr, welches
anfangs ungefähr 3 Fuß in der Stunde, später aber langsamer
niederging, mit einer Eintheilung versehen. An dem oberen, aus
dem Ofen hervorragenden Theile dieser Röhre befand sich ein
Bleirohr, vermittelst dessen die Gase an einen zum
Experimentiren geeigneten Ort geleitet wurden. Das ganze
Röhrensystem wurde durch eine über einen Flaschenzug geführte
Kette balancirt, die von einem an dem Ofen senkrecht
aufgerichteten hölzernen Balken herabhing. Die bedeutende Hitze
der aus dem Ofen hervordringenden Gichtflamme machte es
nothwendig, diesen Balken von Zeit zu Zeit mit Wasser zu
benetzen, was durch eine in einiger Entfernung aufgestellte
große Feuerspritze geschah.
Zum Aufsammeln der Gase dienten 4 Zoll lange und 3/4 Zoll weite,
auf beiden Seiten zu engen Röhren ausgezogene Glasröhren, die
unter sich und mit dem Bleirohr durch Kautschukverbindungen
vereinigt waren. Der oft mehrere Zoll Wasserhöhe betragende
Druck, unter welchem die dieses Röhrensystem durchströmenden
Gase sich befanden, machte es unmöglich, die Glasröhren, während
sie mit dem Bleirohr frei communicirten, vermittelst des
Löthrohrs abzuschmelzen. Sie haben daher dieselben vor
Beendigung des Versuches jedesmal etwas erhitzt, die
Kautschukverbindungen durch umgelegte Schlingen luftdicht
verschlossen und das Ausziehen vor dem Löthrohre nicht eher
bewerkstelligt, bis der Druck im Innern der Röhren sich durch
Abkühlung so weit verringert hatte, daß kein Ausblasen bei dem
Abziehen weiter zu befürchten war.
Der Ofen, an welchem sie ihre Versuche angestellt haben, ist Fig. 17 im Durchschnitt dargestellt. Er besitzt die
gewöhnliche Größe und Gestalt der in England üblichen Oefen und
wird mit erhitzter Luft von durchschnittlich 330° C.
gespeist. Diese Luft strömt unter einem Quecksilberdrucke von
6,75 Zoll aus einer 2,75 engl. Zoll im Durchmesser haltenden
Düse. Das Eisenerz, welches in diesem Ofen verschmolzen wird,
ist ein thoniger Sphärosiderit, der durch einen vorhergehenden
Röstproceß in ein von Feuchtigkeit, Kohlensäure und Eisenoxydul
befreites Gemenge von Thon und Eisenoxyd umgewandelt wird. Der
Ofen erhält bei regelmäßigem Gange in 24 Stunden 80 Gichten,
deren jede aus 420 Pfd. calcinirtem Eisenstein, 390 Pfd.
Steinkohlen und 170 Pfd. Kalkstein, wie wir bereits angeführt
haben, besteht und 140 Pfd. Roheisen liefert. Von diesen
Materialien wird nur der Kalkstein in faustgroße Stücke
zerschlagen, Kohlen und Eisenstein dagegen in Massen auf den
Ofen gegeben, die nicht selten mehr als 20 Pfd. wiegen. Eisenerz
und Kalkstein werden ohne vorherige Mengung nach einander in den
Ofen gestürzt.
Die Verf. haben sich bei ihren Untersuchungen nur auf die Gase
beschränken können, welche oberhalb und unterhalb der Ofenregion
auftreten, die den Namen der Rast
führt. Die Temperatur in den übrigen Ofentheilen ist nämlich so
hoch, daß das eingesenkte Eisenrohr sich daselbst durch
Erweichung verstopft oder selbst abschmilzt. Die Gase unterhalb
der Rast besitzen zwar eine noch höhere Temperatur, allein sie
lassen sich zur Untersuchung auffangen, wenn man die vordere,
über dem Herd befindliche dünne Wandung des Ofens durchbohrt und
vermittelst eines eingeführten eisernen Rohrs die Gase
ableitet.
Aus der nachstehenden übersichtlichen Zusammenstellung sämmtlicher Analysen sind die
Veränderungen ersichtlich, welche die aufsteigende Gassäule in
den verschiedenen Tiefen des Ofens erleidet.
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
Höhe der Gicht
5
8
11
14
17
20
23
24
34
Stickstoff
55,35
54,77
52,57
50,95
55,49
60,46
58,28
56,75
58,05
Kohlensäure
7,77
9,42
9,41
9,10
12,43
10,83
8,19
10,08
0,00
Kohlenoxyd
25,97
20,24
23,16
19,32
18,77
19,48
26,97
25,19
37,43
Grubengas
3,75
8,23
4,58
6,64
4,31
4,40
1,64
2,33
0,00
Wasserstoff
6,73
6,49
9,33
12,42
7,62
4,83
4,92
5,65
3,18
ölbild. Gas
0,43
0,85
0,95
1,57
1,38
0,00
0,00
0,00
0,00
Cyan
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
Spur
Spur
1,34
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00.
I. Versuch. Die Einsenkung des Rohrs betrug, wie angegeben, 5
Fuß; die Gase zeigten einen eigenthümlichen, von dem der
Steinkohlengase abweichenden Geruch, brannten mit gelbrother,
leuchtender Flamme und waren nicht mit braunen Theerdämpfen
beladen. Zahl der Gichten : 6.
II. Versuch. Einsenkung des Rohrs 8 Fuß. Das Gebläse war vor dem
Versuch eine Stunde lang abgestellt; die Gase wurden aber erst
aufgefangen, nachdem der Ofen wieder einige Zeit in ruhigem
Gange gewesen war. Die Flamme und der Geruch des Gases waren
genau wie beim ersten Versuch. Zahl der Gichten : 14.
III. Versuch. Einsenkung des Rohrs 11 Fuß. Entwicklung von
Theerdämpfen; Geruch nach Steinkohlengas; Flamme hellgelb und
stark leuchtend. Zahl der Gichten : 23.
IV. Versuch. Einsenkung des Rohrs in den Ofen 14 Fuß. Zahl der
aufgegebenen Gichten: 26. Geruch des Gases: theerartig
ammoniakalisch; Theerdämpfe; Flamme: gelblich, nur noch schwach
leuchtend.
V. Versuch. Tiefe der Einsenkung des Rohrs im Ofen 17 Fuß; 32
Gichten; der Gasstrom, welcher einige Zeit zuvor unterbrochen
war, zeigte einen eigenthümlichen Theergeruch. Keine
Theerdämpfe; Flamme: gelblich, wenig leuchtend.
VI. Versuch. Einsenkung des Rohrs 20 Fuß. Gase ohne Theerdämpfe,
stechend ammoniakalisch riechend, Flamme rein blau, nicht
leuchtend. Zahl der Gichten : 38.
VII. Versuch. Einsenkung des Rohrs 23 Fuß. Gas ohne Theerdampf;
schwach, aber deutlich nach Cyan riechend und mit nicht
leuchtender blaßblauer Flamme verbrennend. 42 Gichten.
VIII. Versuch. Einsenkung des Rohrs 24 Fuß. Anzahl der Gichten
und Verhalten der Gase wie im letzten Versuch.
IX. Versuch. Das Gas, welches in unmittelbarer Nähe über der Form
erzeugt wird, zeigt eine so merkwürdige Zusammensetzung, daß die
Verf. ihm eine ganz besondere Aufmerksamkeit widmen zu müssen
glaubten. Zwei bis dritthalb Fuß über dem Punkte gesammelt, wo
die Gebläseluft in den Ofen tritt, enthält es schon keine Spur
von freiem Sauerstoff mehr. Eben so wenig läßt sich darin die
geringste Spur von Kohlensäure entdecken. Oelbildendes Gas und
Grubengas können natürlich ebenfalls unter den Bestandtheilen
desselben nicht auftreten, da es aus Kohlen erzeugt wird, die
während einer langen Zeitdauer der höchsten Weißglühhitze
ausgesetzt waren. Dagegen enthalten diese Gase Cyan, dessen Auftreten an diesem
Punkte des Ofens das höchste Interesse darbietet; dasselbe gibt
sich durch seinen unverkennbaren stechenden Geruch auf das
Deutlichste zu erkennen. Das von den mechanisch mitgerissenen
festen Theilen völlig befreite Gas theilt diesen Geruch selbst
dem Wasser beim Schütteln mit. Es verbrennt, mit Sauerstoff
gemengt, mit leuchtender violettgelblicher Flamme, während die
über der Rast aufgefangenen, aus Stickstoff, Kohlensäure,
Kohlenoxyd, Grubengas und Wasserstoff bestehenden Gasgemenge mit
rein blauer, im hellen Tageslicht kaum sichtbarer Flamme
verbrennen.
Ein Blick auf die Tabelle zeigt, daß das Grubengas noch als ein wesentlicher Bestandtheil
selbst derjenigen Gasgemenge betrachtet werden muß, welche in
einer Tiefe von 24 Fuß im Ofen auftreten. Da dieser
Kohlenwasserstoff, wie einer der Verf. an einem anderen Orte
durch Versuche erwiesen hat, weder durch directe Verbindung des
Wasserstoffs mit Kohle, noch durch Zersetzung des Wassers auf
Kosten der Kohle erzeugt werden kann, sondern vielmehr allein
als ein Destillationsproduct der Kohlen betrachtet werden muß,
so ergibt sich die für die Theorie des englischen
Eisenhohofenprocesses nicht uninteressante Thatsache:
daß die Region des Ofens, in welcher die
Verkohkung der Steinkohlen erfolgt, bis über eine Tiefe von 24
Fuß hinabreicht.
Wenn man erwägt, in welchem unvollkommenen Zustande der
Zerkleinerung die oft 1/4 Cntr. schweren Steinkohlen in den Ofen
gelangen, so kann es übrigens kaum befremden, daß der Raum, in
welchem ihre Umwandlung in Kohks erfolgt, über die Hälfte der
ganzen Tiefe des Eisenhohofens einnimmt.
Die Gasanalysen zeigen ferner, daß der Stickstoffgehalt derselben
bei einer Tiefe von 14 Fuß ein Minimum, ölbildendes Gas,
Grubengas und Wasserstoff dagegen ein Maximum erreichen. Da
diese letzteren Gase nur aus den Steinkohlen unter dem Einflusse
einer erhöhten Temperatur entstehen, so ergibt sich daraus die
Thatsache:
daß der Destillationsproceß der Steinkohlen in
einer Tiefe von 14 Fuß sein Maximum erreicht.
Es wurde bei den einzelnen Versuchen bemerkt, daß die Gase bis zu
einer Tiefe von 14 Fuß frei von Theerdämpfen auftreten, von
diesem Punkte an aber bis zu einer Tiefe von 17 Fuß reichlich
damit beladen sind. Das Verschwinden dieser Dämpfe in den oberen
Tiefen des Ofens beweist daher, daß dieselben bei ihrem
Durchgange durch die glühende Kohlenschicht auf Kosten der dort
herrschenden höheren Temperatur und des daselbst auftretenden
Wasserdampfes eine Zersetzung erleiden, aus welcher sich das
unregelmäßige Verhältniß erklärt, das in diesen oberen
Ofenregionen zwischen der Kohlensäure und dem Kohlenoxydgase
herrscht.
Vergleicht man endlich die verschiedenen Mengen des Kohlenoxyds
und der Kohlensäure in den verschiedenen Tiefen des untersuchten
Ofenraums mit einander, so zeigt sich in dem Verhältniß dieser
Gase keine Spur einer gegenseitigen Abhängigkeit, wie sie bei
den kleineren, mit Holzkohlen betriebenen deutschen Hohöfen
beobachtet wird. Um diese Erscheinung zu begreifen, darf man nur
die Verhältnisse etwas näher ins Auge fassen, welchen die
Möllerung in dem Ofenschacht ausgesetzt ist. Wir haben soeben
gesehen, daß die Steinkohlen den 24 Fuß langen Weg von der
Ofenmündung bis an die Rast zurücklegen müssen, um ihre
flüchtigen kohlenstoffhaltigen Producte und sowohl das
hygroskopisch darin enthaltene, als auch das bei der
Destillation daraus gebildete Wasser abzugeben. Wenn wir nun
auch annehmen, daß die in diesem Theile des Ofens herrschende
Temperatur durch den ununterbrochen vor sich gehenden
Gasificationsproceß nicht so tief erniedrigt ist, daß die
Reduction des Eisenerzes dadurch verhindert wird, so würde
dessenungeachtet diese Reduction der Erze, durch welche das
Kohlenoxyd in Kohlensäure verwandelt und das gegenseitige
Abhängigkeitsverhältniß dieser Gase herbeigeführt wird,
keineswegs in dieser oberen Hälfte des Ofens ihren regelmäßigen
Fortgang nehmen können. Die Erze befinden sich nämlich bei ihrem
Durchgange durch den Ofenschacht zugleich unter dem reducirenden
Einflusse der Ofengase und der oxydirenden Einwirkung des
fortwährend aus den inneren, noch nicht verkohlten Theilen der
großen Steinkohlenstücke hervordringenden Wasserdampfes. Sie
sind daher fortwährend localen Oxydations- und
Reductionsprocessen unterworfen, die das Verhältniß zwischen
Kohlensäure, Kohlenoxyd und Wasserstoff von localen Einflüssen
abhängig machen.
Berücksichtigt man nun, von dieser Thatsache ausgehend, daß
Kohlenoxydgas und Kohlensäure an der Mündung des Ofenschachts,
sowie an der unteren Gränze desselben, in fast gleicher Menge
und in annähernd gleichen Verhältnissen auftreten, so wird man
noch mehr zu der Ansicht veranlaßt, daß der Herd der
Reductionsprocesse in noch tieferen Regionen des Ofens zu suchen
ist. Jeder Zweifel an der Richtigkeit dieser Ansicht muß aber
verschwinden, sobald man auf das Verhältniß zurückgeht, in
welchem der Sauerstoff- und Stickstoffgehalt der
sämmtlichen untersuchten Gasgemenge zu einander stehen. Wäre
nämlich die Reduction des Erzes und die Entwickelung der
Kohlensäure aus dem Kalkstein oberhalb des tiefsten Punktes, bis
zu welchem wir die Gase im Ofenschacht untersucht haben, bereits
vor sich gegangen, so hätte das vor der Form gebildete
Gasgemenge, dessen Gehalt an Stickstoff und Sauerstoff dem
Verhältniß dieser Gase in der atmosphärischen Luft entsprechen
muß, auf seinem Wege bis zu dem von uns erreichten Punkte nicht
reicher an Sauerstoff werden können. Man würde daher hier, wenn
man den Sauerstoff in Abrechnung bringt, welcher dem aus dem
Wasser unter dem Einfluß der Kohle abgeschiedenen, in den Gasen
enthaltenen Wasserstoff entspricht, auf dasselbe Verhältniß von
Sauerstoff und Stickstoff haben stoßen müssen, welches die
atmosphärische Luft darbietet. Wie wenig diese Voraussetzung
wirklich stattfindet, ergibt sich aus der nachstehenden
Zusammenstellung, welche das Verhältniß des verschiedenen Sauerstoff- und Stickstoffgehalts der einzelnen, in den
verschiedenen Tiefen aufgesammelten Gasgemenge enthält.
Stickstoff
79,2
79,2
79,2
79,2
79,2
79,2
79,2
79,2
79,2
Sauerstoff
24,9
23,6
24,6
19,5
25,7
23,7
28,2
27,7
22,8.
Man sieht zunächst aus dieser Zahlenreihe, daß, ganz im
Gegensatze zu dem bei den deutschen Hohöfen beobachteten
Verhalten, das Verhältniß des Sauerstoffs in den Gasen nach der
Gicht hin im Abnehmen begriffen ist. Dieser Umstand erscheint
auf den ersten Blick schwer zu erklären, da keine chemischen
Processe im Ofenschacht denkbar sind, welche den einmal in den
Gasen enthaltenen Sauerstoff vermindern könnten. Allein diese
Anomalie ist bei näherer Betrachtung leicht erklärlich. Die
Sauerstoffverminderung beginnt vornehmlich an dem Punkte, wo die
aus den Steinkohlen durch Destillation erzeugten Gase zur
Entwickelung kommen. Nun liegt es in der Natur der Verhältnisse,
daß diese Gase nicht sogleich in dem Momente, wo sie frei
werden, eine gleichförmige Mengung mit der von den unteren
Theilen des Ofens aufsteigenden Gassäule erleiden. Das an diesen
Punkten aufgefangene Gas ist daher reicher an den gasförmigen
Destillationsproducten der Kohle, als es der durchschnittlichen
Zusammensetzung nach seyn sollte. Namentlich steigt der
Wasserstoff darin bis über 12 Proc. Rührte dieser Wasserstoff,
wie es bei der Berechnung der obigen Zahlenreihe angenommen ist,
allein von dem auf Kosten der Kohle zersetzten Wasser her, so
würde dadurch der Sauerstoffgehalt des Gases stets wachsen
müssen, in welchem Verhältniß auch die Mengung der an
verschiedenen Punkten des Ofens erzeugten Gase vor sich gehen
mag. Ist dagegen der größte Theil dieses Wasserstoffs, wie man
nothwendig annehmen muß, aus der durch eine höhere Temperatur
bedingten Zersetzung des ölbildenden Gases und Steinkohlenöls
hervorgegangen, so muß die Berechnung nothwendig auf einen
kleineren Sauerstoffgehalt führen, als der Wahrheit entspricht.
Diese Thatsache berechtigt uns zugleich zu dem Schlusse:
daß die mittlere Zusammensetzung der Ofengase
an dem Punkte des Ofens, wo die durch Destillation bedingte
Gasentwickelung ihr Maximum erreicht, nicht ermittelt werden kann.
Die Quelle dieser Unsicherheit fällt in den tieferen Punkten des
Ofenschachts, wo das ölbildende Gas und die höheren
Kohlenwasserstoffe gänzlich fehlen, hinweg. Das in einer Tiefe
von 23 und 24 Fuß sich zu 79,2: 27 im Mittel ergebende
Verhältniß beweist daher, daß in den unter 24 Fuß
hinabreichenden Tiefen des Ofens eine Kohlensäureentwickelung
aus dem Kalkstein, oder eine Reduction des Eisenerzes, oder endlich beides zugleich stattfindet. Daß in der That das
Letztere der Fall ist, und daß der Proceß der
Kohlensäureentwickelung, sowie der Reduction des Eisenerzes, ausschließlich nur in der Rast
erfolgt, ergibt sich aus der mittleren Zusammensetzung der Gase,
wie wir solche aus den im Ofen verwendeten Materialien
abgeleitet haben. Diese Zusammensetzung schwankte zwischen
folgenden Zahlen:
Stickstoff
60,907
57,878
Kohlensäure
8,370
9,823
Kohlenoxyd
26,846
24,042
Grubengas
2,536
2,743
Wasserstoff
1,126
4,972
ölbildendes Gas
0,112
0,392
Schwefelwasserstoff
0,045
0,035
Ammoniak
0,058
0,115
––––––––––––––––––
100,000
100,000.
Diese Gasgemenge enthalten:
1) die Destillationsproducte der Kohle;
2) die Verbrennungsproducte derselben;
3) die aus dem Erz durch Reduction und aus dem Kalkstein durch
das Glühen hervorgegangene Kohlensäure.
Das Verhältniß des Stickstoffs zum Sauerstoff ergibt sich, diesen
Analysen zufolge, nach Abzug des dem Wasserstoff entsprechenden
Sauerstoffs, zu 79,2 : 27,33 und 79,2 : 26,67 oder im Mittel
79,2 : 27. Die in den Gasen vorhandenen Verbrennungsproducte der
Kohle würden für sich das der atmosphärischen Luft entsprechende
Verhältniß 79,2 : 20,8 haben geben müssen. Da nun der
Sauerstoffgehalt der Destillationsproducte der Steinkohlen als
verschwindend klein ganz außer Acht gelassen werden kann, so
wird die Vermehrung dieses Sauerstoffverhältnisses von 20,8 auf
27 nur dadurch bewirkt seyn können, daß der gesammte
Kohlensäuregehalt des Kalksteins und der gesammte in Kohlensäure
übergeführte Sauerstoff des Erzes sich den Verbrennungsproducten
der Kohle hinzugesellen. Das in einer Tiefe von 23 und 24 Fuß
geschöpfte Gas enthält aber auf 79,2 Stickstoff 27,6 und 26,5
Sauerstoff, dasselbe muß daher in dieser Tiefe schon allen
Sauerstoff des Erzes sammt der Kohlensäure des Kalksteins
aufgenommen haben.
Diese Thatsache rechtfertigt den Schluß:
daß bei den englischen, mit Steinkohlen und
heißer Luft betriebenen Eisenhohöfen die Reduction des Erzes und
die Abscheidung der Kohlensäure aus dem Kalkstein erst unterhalb
des Ofenschachtes in der Rast vor sich geht.
Die Gränze, wo die Schlackenbildung und Schmelzung des Eisens
beginnt, läßt sich nicht durch eine unmittelbare Beobachtung
feststellen. Da aber die von der Rast getragenen bedeutenden
Eisensteinmassen nicht wohl anders als in flüssiger Form in das
Gestell eindringen können, so wird man sich sicher nicht weit
von der Wahrheit entfernen, wenn man annimmt,
daß der Schmelzraum der mit Steinkohlen
betriebenen englischen Hohöfen an der Mündung des Gestells
liegt.
Um eine deutliche Vorstellung von den Functionen zu haben, welche
die einzelnen Ofentheile bei dem Reductionsproceß des Eisens
übernehmen, haben wir in Fig.
17 die Räume, in welchen die einzelnen Processe in
gesonderter Ordnung erfolgen, in einem Ofenprofil dargestellt,
das genau den Dimensionen des Ofens entspricht, bei welchem wir
unsere Versuche angestellt haben. a,
b umfaßt den Destillationsraum, b, C und C, d begreift den
Raum, wo die Reduction und Kohlensäureentwickelung erfolgt und
die Ofenmaterialien den zum Schmelzen nöthigen Temperaturgrad
annehmen. d, e entspricht dem Raume,
wo die Schmelzung und Schlackenbildung vor sich geht.
Es ist nicht ohne Interesse, den Vorgang, wie er sich bei dem
Proceß der englischen Eisenhohöfen, den vorstehenden
Untersuchungen zufolge, ergeben hat, mit den Resultaten zu
vergleichen, welche sich bei den besonders in Deutschland,
Schweden und Norwegen üblichen, mit Holzkohlen betriebenen
Hohöfen herausgestellt haben.
Wir wählen dazu die Gase des Ofens von Veckerhagen in Kurhessen,
sowie des Bärumer Hohofens in Norwegen.
Gase aus dem Ofen von
Veckerhagen.
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
Tiefe unter der
Ofenmündung
2,8
4,2
5,7
7,2
8,5
11,3
14,2
Stickstoff
62,34
62,25
66,29
62,47
63,89
61,45
64,58
Kohlensäure
8,77
11,12
3,32
3,44
3,60
7,57
5,97
Kohlenoxyd
24,20
22,24
25,77
30,08
29,27
26,99
26,51
Grubengas
3,36
3,10
4,04
2,24
1,07
3,84
1,88
Wasserstoff
1,33
1,27
0,58
1,77
2,17
0,15
1,06
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00.
Das aus diesen Zahlen berechnete Verhältniß zwischen Stickstoff
und Sauerstoff ist:
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
2,8
4,2
5,7
7,2
8,5
11,3
14,2
Stickstoff
79
79
79
79
79
79
79
Sauerstoff
25,6
27,4
18,9
22,2
21,2
26,9
22,8.
Man sieht aus dieser Zahlenreihe, daß die Menge des Sauerstoffs
und Stickstoffs, mit Ausnahme des sechsten Versuchs, dem
Verhältniß von 79 : 21 in den unteren Tiefen des Ofens so nahe
kommt, als sich bei den unvermeidlichen Unregelmäßigkeiten im
Gange eines Ofens von so niedrigen Dimensionen nur immer
erwarten läßt. Die Ursache der in einer Tiefe von 11 Fuß
plötzlich auftretenden Sauerstoffvermehrung muß allein einer
localen Störung zugeschrieben werden, welche darauf beruht, daß
durch eine ungleiche Vertheilung des in den Ofenmaterialien
aufsteigenden glühenden Luftstroms, einzelne Partien des Erzes
in unverändertem Zustande bis zu einer bedeutenden Tiefe in dem
Ofenschacht niedergehen können. Diese Störungen, welche den
Hüttenleuten unter dem Namen des Rohganges wohl bekannt sind,
treten besonders häufig bei so niedrigen Hohöfen auf, wie
derjenige war, bei welchem jene Resultate erhalten wurden.
Betrachten wir daher die im sechsten Versuch gefundene
Zusammensetzung als auf partiellen Störungen beruhend, so
berechtigt uns das in den übrigen Gasen beobachtete Verhältniß
zwischen Stickstoff und Sauerstoff zu dem Schlusse, daß der
Punkt, wo die Reduction der Erze und die Kohlensäureentwickelung
aus dem Kalkstein vollendet ist, bei dem Ofen zu Veckerhagen nur
ungefähr 5 Fuß unter der Ofengicht liegt. Wir haben (Fig. 18), um die große Verschiedenheit zwischen
diesen in England und Deutschland erhaltenen Resultaten
anschaulich zu machen, den Ofen von Veckerhagen in verjüngten
Dimensionen nach demselben Maaßstabe dargestellt, welcher der
Zeichnung des Alfreton-Hohofens zum Grunde gelegt ist,
und dabei die einzelnen Ofenräume durch dieselben Buchstaben wie
dort angedeutet.
Ganz ähnliche Resultate ergeben sich aus der sehr gründlichen
Untersuchung, welche Scheerer und Langberg
Bei der großen Uebereinstimmung der Resultate, welche Bunsen, Scheerer und Langberg, unabhängig von
einander bei ihren in Deutschland und Norwegen
ausgeführten Arbeiten über die Zusammensetzung der Gase
von mit Holzkohlen betriebenen Hohöfen erhielten, muß es
sehr befremden, daß eine ähnliche mit vielem Fleiß von
Ebelmen am Hohofen von
Clerval und Audincourt angestellte
Untersuchung (polytechn. Journal Bd. LXXXV S. 33 und Bd.
XCIV S. 44) auf Ergebnisse geführt hat, welche
wesentlich von denen der Verfasser abweichen. Die
Analysen Ebelmen's
unterscheiden sich zunächst durch die Abwesenheit eines
Gehaltes an Grubengas,
welches einen Bestandtheil der Gichtgase bilden muß, da
es einen wesentlichen Gemengtheil der gasförmigen
Destillationsproducte der Holzkohle
ausmacht. Die Fehlerquelle in Ebelmen's Analysen liegt, wie die Verfasser
nachweisen, in der Unvollkommenheit der von ihm
gewählten Methode, er bestimmte die Natur und das
relative Verhältniß der im Gichtgase enthaltenen
brennbaren Bestandtheile nicht dem Volum nach, sondern indem er dieselben über
glühendes Kupferoxyd leitete, die dabei gebildeten
Verbrennungsproducte auf gewöhnliche Weise auffing und
aus dem Gewichtsverluste des Verbrennungsrohrs auf die
Menge des Grubengases schloß. Die Verf. weisen an einem
Beispiel nach, daß bei diesem Verfahren die Frage, ob
das Gasgemenge 5,82 Proc. Wasserstoff oder statt dessen
3,09 Proc. Grubengas enthielt, von einer nur 3
Centigramme betragenden Gewichtsdifferenz abhängig
gemacht ist. Ueberdieß mußten bei Ebelmen's Versuchen, wie die Verf. ebenfalls
auseinandersetzen, mehrere Umstände verringernd auf den
Gewichtsverlust des Verbrennungsrohrs und daher auch
vermindernd auf den gefundenen Grubengasgehalt und
vermehrend auf den Wasserstoff einwirken. an dem Bärumer Ofen in Norwegen
angestellt haben, obgleich dieser Ofen bedeutend höher ist als
der zu Veckerhagen.
Aus den nachstehenden, von diesen Chemikern erhaltenen Zahlen ist
es ersichtlich, daß eine Verlängerung des Schachts von besonderm
Einflusse auf die Regelmäßigkeit des Ofenganges ist, und daß die
Reduction der Erze und die Kohlensäureentwickelung aus dem
Kalkstein in einer bedeutendem Tiefe des Ofens, aber fast genau
in demselben Abstande von der Form, also von dem Punkte aus
erfolgt, wo die Wärmequelle im Ofen liegt.
Tiefe unter der
Gicht
5,5
8,2
10,8
13,5
16,1
19,3
Stickstoff
64,43
62,65
63,20
64,28
66,12
64,97
Kohlensäure
22,20
18,21
12,45
4,27
8,50
5,69
Kohlenoxyd
8,04
15,33
18,57
29,17
20,28
26,38
Grubengas
3,87
1,28
1,27
1,23
1,18
0,00
Wasserstoff
1,46
2,53
4,51
1,05
3,92
2,96
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
Tiefe unter der
Gicht
5,5
8,2
10,8
13,5
16,1
19,3
Stickstoff
79
79
79
79
79
79
Sauerstoff
31,3
31,0
24,3
22,3
19,9
21,2.
Die Dimensionen des Bärumer Ofens, so weit sie sich aus den von
Scheerer und Langberg darüber gegebenen
Mittheilungen ableiten ließen, sind aus Fig.
19 ersichtlich. Wir haben auch hier, um die Uebersicht
der Verhältnisse dieser drei Oefen zu erleichtern, dieselben
Maaße zum Grunde gelegt und die gleichen Functionen
entsprechenden Ofenräume durch dieselben Buchstaben
bezeichnet.
Die großen Verschiedenheiten, welche sich diesen Betrachtungen
zufolge bei dem englischen und deutschen Hohofenproceß
herausstellen, können nichts weniger als befremdend erscheinen,
wenn man die höchst verschiedenen Bedingungen ins Auge faßt,
unter welchen die Erzeugung des Eisens in diesen Oefen
erfolgt.
Der hauptsächlichste Grund, warum der Reductionsraum des
englischen Hohofens erst in einer so bedeutenden Tiefe beginnt,
ist in dem Umstand zu suchen, daß fast der ganze Schacht durch
einen Verkohkungsproceß der Steinkohlen in Anspruch genommen
wird, der sich um so tiefer in den Ofen hinab erstrecken muß, je
weniger die Steinkohlen in einem erheblichen Zustande der
Zerkleinerung auf den Ofen gebracht werden. Bei den oft mehr als
einen halben Kubikfuß großen, den Ofen durchwandernden
Kohlen- und Erzstücken, kann die von Außen mitgetheilte
Wärme natürlich nur langsam die ganze Masse durchdringen. Der
aufsteigende glühende Luftstrom muß daher während eines viel
längern Zeitraums seine Wärme an die Ofenmaterialien abgeben, um
die nicht weniger als mindestens 30 Proc. des gesammten
Brennmaterials betragenden Destillationsproducte zu gasificiren.
Daß die bei einem so belangreichen Gasificationsproceß latent
werdende Wärme die Temperatur des ganzen oberen Ofenschachtes so
weit erniedrigen muß, daß in diesem Theile des Ofens weder der
Kalkstein seine Kohlensäure verlieren, noch eine Reduction des
Erzes erfolgen kann, leuchtet von selbst ein.
Ein anderer, nicht minder erheblicher Grund der tieferen Lage
dieses Reductionsraumes bei den englischen Oefen liegt in der
Anwendung einer bedeutenderen Pressung der Gebläseluft, welche
die bei den deutschen Hohöfen übliche um das Sechs- bis
Siebenfache übertrifft. Der dadurch bedingte, weit raschere
Niedergang der Ofenmaterialien bewirkt, daß dieselben für eine
gleiche Erhitzungszeit eine weit größere Strecke des Ofens
durchwandern. Alle diese Umstände kommen bei dem in Deutschland
und Schweden üblichen Eisenhüttenproceß weit weniger in
Betracht.
Der Ofen empfängt hier mit den Holzkohlen ein bereits verkohltes
Brennmaterial, welches, gleichwie das Erz und der Kalkstein, in
einem solchen Zustande der sorgfältigsten Mengung und
Zerkleinerung sich befindet, daß es dem glühenden Luftstrom eine
gewiß mehr als hundertmal größere Erhitzungsoberfläche
darbietet. Dabei erfolgt die Verbrennung der Kohlen der geringen
Pressung des Windes zufolge so langsam, daß die Gichten nicht
selten eine zwei- bis dreimal längere Zeit erfordern, um
dieselbe Strecke im Ofen zurückzulegen.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)