Titel: | Ueber den Einfluß der freien und latenten Wärme auf die Elasticität des Kautschuks; von Ch. Page, Prof. der Chemie in Washington. |
Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. XCI., S. 378 |
Download: | XML |
XCI.
Ueber den Einfluß der freien
und latenten Wärme auf die Elasticität des Kautschuks; von Ch. Page, Prof. der Chemie in Washington.
Aus
Silliman's
American Journal of Science, Nov. 1847.
Page, über den Einfluß der freien und latenten
Wärme auf die Elasticität des Kautschuks.
Es ist eine bekannte Thatsache, daß wenn man einen Streifen
Kautschuk mit Gewalt ausspannt, er ganz heiß wird, weil sich
latente Wärme entwickelt in Folge der Compression der Theilchen
in einer Richtung, welche durch ihre Ausdehnung in einer anderen
Richtung entsteht; läßt man den Streifen sich wieder
zusammenziehen, so wird die so entwickelte Wärme absorbirt oder
latent und der Streifen besitzt dann seinen ursprünglichen Grad
von fühlbarer Wärme. Folgende interessante Thatsache, die ich
vor 10 Jahren zum erstenmal beobachtete, veranlaßte mich über
diesen Gegenstand besondere Versuche anzustellen: wenn man den
Kautschukstreifen im ausgespannten Zustande schnell abkühlt
(indem man ihn befeuchtet und dann durch Schwingen oder rasches
Bewegen desselben in der Luft die Feuchtigkeit verdunstet), so
wird man finden daß er seine Elasticität verloren hat und
dieselbe nicht mehr erlangt, wenn man ihn auch noch so lange
liegen läßt; er sieht dann einem Stück gefrorenen Kautschuks
ähnlich, ist aber nicht ganz so starr. Ein Stück Kautschuk,
welches einer bedeutenden Kälte ausgesetzt und dadurch steif und
unelastisch wurde, erlangt in einer Atmosphäre von 16° R.
und darunter seine Elasticität bald wieder. Den Kautschuk,
welchem durch Compression seine latente Wärme benommen wurde,
konnte ich dagegen mehrere Wochen in einer Atmosphäre von
21° R. aufbewahren, ohne daß er in seinen normalen
Zustand zurückkehrte. Wenn man die Wärme viel über 21° R.
steigert oder ihn bei 21° R. mit einem guten Wärmeleiter
in Berührung bringt, so erlangt er nach und nach seine latente
Wärme wieder und ist in wenigen Minuten auf seine ursprünglichen
Dimensionen gebracht. Wenn man ihn in der Hand faßt, so hat man
eine eigenthümliche Empfindung, dem Kriechen eines Insects
ähnlich. Kneift man nacheinander Theile des unelastischen
Streifens zwischen dem Daumen und Finger, so zieht er sich in
diesen Theilen stark zusammen, während die anderen unbetroffen
bleiben, und man erhält so eine Schnur von Knoten oder
Knöpfchen, die man beliebig lange in diesem Zustande erhalten
kann, wenn man sie nicht anfaßt und in einer mäßigen Temperatur
aufbewahrt. Bei der Untersuchung mit einem empfindlichen Thermometer zeigen die dicken und dünnen Theile gleiche
Temperatur; hinsichtlich ihres Gehalts an Wärme unterscheiden
sie sich aber beträchtlich und man kann hinsichtlich der
latenten Wärme sagen, daß der dicke Theil positiv und der dünne
negativ ist. Es zeigt sich also bei der erwähnten Aufbewahrung
in den einzelnen Theilen kein Bestreben die latente Wärme zu
vertheilen oder auszugleichen. Wenn man den unelastischen
Streifen in der Hand einschließt, fühlt man einige Kälte wegen
seiner raschen Absorption von Wärme.
Ein ähnlicher Unterschied findet zwischen dem natürlichen und
künstlichen Kautschuk statt. Der künstliche Kautschuk wird
gegenwärtig auf zweierlei Art bereitet: entweder durch Auflösen
in Terpenthinöl und nachheriges Trocknen, oder ohne Beihülfe
irgend eines Auflösungsmittels durch bloßes Mahlen des
natürlichen Kautschuks zu einer teigartigen Masse, welche man
zwischen einer Reihe von erhitzten Walzenpaaren in dünne Blätter
verwandelt (während des Walzens entwickelt sich viel
Elektricität). Der auf die eine oder andere Weise behandelte
natürliche Kautschuk zeigt die oben erwähnte Eigenthümlichkeit
fast gar nicht mehr.
Die Gutta-percha sieht dem Kautschuk sehr ähnlich, wenn
man sie auf oben angegebene Weise oder durch Einwirkung von
Kälte unelastisch gemacht hat. Nach Dr. Maclagan gibt sie bei
der Elementar-Analyse 86,36 Kohlenstoff und 12,15
Wasserstoff, während der Kautschuk nach Faraday aus 87,2 Kohlenstoff und 12,8 Wasserstoff
besteht. Die Gutta-percha gibt bei der trockenen
Destillation ähnliche Producte wie der Kautschuk; wie dieser ist
sie in Steinkohlenöl, Cautschin und Aether auflöslich, hingegen
in Wasser und Alkohol unauflöslich. „Ihre
merkwürdigste Eigenschaft ist nach Maclagan der Einfluß der Wärme auf sie. Bringt man
sie in Wasser von 35° R., so erleidet sie keine
Veränderung, außer daß sie leichter vom Nagel Eindrücke
annimmt; erhöht man aber die Temperatur auf 50° R.
oder darüber, so wird sie nach und nach so weich und
biegsam, daß man ihr jede Form ertheilen und sie zu langen
Blättern auswalzen kann. Im weichen Zustande besitzt sie
eben so viel Elasticität wie der gewöhnliche Kautschuk,
behält aber diese Eigenschaft nicht lange, sondern wird bald
wieder hart und erlangt in einiger Zeit (welche von der
Temperatur und der Größe des Stücks abhängt) wieder ihre
ursprüngliche Härte und Starrheit.“ Sollten
Kautschuk und Gutta-percha nicht isomere Körper seyn und
also diese Unterschiede auf der verschiedenen Anordnung der
Atome beruhen? Die specifische Wärme der Gutta-percha
wurde meines Wissens noch nicht bestimmt, es
wäre aber interessant beide Körper in dieser Hinsicht zu
vergleichen.