Titel: | Untersuchungen über den Proceß der englischen Roheisenbereitung; von R. Bunsen und L. Playfair. |
Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. CIV., S. 433 |
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CIV.
Untersuchungen über den
Proceß der englischen Roheisenbereitung; von R. Bunsen und L. Playfair.
Im Auszug aus dem Report of the British Association for the
Advancement of Science for 1845.
(Schluß von S. 375 des vorigen
Hefts.)
Bunsen und Playfair, über den Proceß der
englischen Roheisenbereitung.
III. Anwendung der
Gichtgase zu technischen Zwecken.
a) Verwendung der Ofengase als Brennmaterial.
Der technische Werth der Ofengase als Brennmaterial hängt
nicht sowohl von der daraus zu erzeugenden Wärmemenge, als
vielmehr von dem bei ihrer Verbrennung erreichbaren
Temperaturmaximum ab. Diese beiden Größen lassen sich aus
der Zusammensetzung der einzelnen Gasgemenge, wie sie sich
für die verschiedenen Tiefen des Ofens ergeben hat, leicht
berechnen. Man würde jedoch in einen großen Irrthum
verfallen, wenn man die auf diesem Wege ermittelten Werthe
in allen Fällen für den Ausdruck des mittleren Nutzeffectes halten wollte, welcher bei
einer Anwendung der Gase im Großen überhaupt erreichbar ist.
Ein solcher Schluß wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die
bei den Analysen gefundenen Zahlen zugleich als
Durchschnittswerts gelten könnten, was aber nicht der Fall
ist, weil die Gasgemenge in den verschiedenen Regionen des
Ofens nicht innig mit einander gemischt sind. Um daher den
aus der Zusammensetzung der Gase für die Praxis gezogenen
Schlüssen eine unumstößliche Begründung zu geben, wollen wir
nur von den früher aus den Ofenmaterialien berechneten
Resultaten ausgehen, welche die Gränze angeben, bis zu
welcher der Brennwerth der Gase möglicherweise herabsinken
kann. Wir werden dadurch auf sichere
Durchschnittszahlen geführt und können mit völliger
Zuversicht darauf rechnen, daß die im Großen zu erlangenden
Resultate sich noch bei weitem günstiger herausstellen
werden, als sie sich aus der Rechnung ergeben.
Unsere Versuche haben zunächst gezeigt, daß die gesammte
Luftsäule, welche den Ofen in einer Tiefe von 24 Fuß bis an
die Gicht durchströmt, aus Gasen besteht, welche selbst noch
nach ihrer völligen Abkühlung mit Leichtigkeit verbrennen.
Der an jedem Punkte bis zu dieser Tiefe geschöpfte Luftstrom
ist daher zu einer Verwendung als Brennmaterial geeignet.
Die Ableitung desselben aus einer bedeutenderen Tiefe
erscheint aber aus dem Grunde verwerflich, weil dadurch die
ganze Wärme, welche zur Unterhaltung des
Verkohkungsprocesses erforderlich ist, dem oberen Theile des
Ofens entzogen werden würde. Einer Abführung aus dem
obersten Theile des Ofens steht dagegen um so weniger ein
Hinderniß im Wege, als dieselben an diesem Punkte die
gesammten brennbaren, gasförmigen Destillationsproducte
bereits enthalten. Die Benutzung der Gase wird durch diesen
Umstand außerordentlich erleichtert, weil dadurch alle die
Schwierigkeiten hinwegfallen, welche die Verwendung der Gase
aus Holzkohlenöfen mit sich bringt. Der Destillationsraum
liegt nämlich dem Reductionsraume bei diesen letzteren Oefen
bedeutend näher, und der im Verhältniß zur Kohle in weit
größerer Menge angewandte Kalkstein und Eisenstein erzeugt
einen so bedeutenden Gehalt an Kohlensäure, daß die Gase
erst unterhalb der Ofenregion, wo die Reduction und
Kohlensäureentwickelung größtentheils vollendet ist, den zu
ihrer Anwendbarkeit als Brennmaterial erforderlichen Gehalt
an brennbaren Bestandtheilen erreichen. Eine Ableitung
derselben unterhalb dieses Reductionsraumes muß aber
nothwendigerweise in den sämmtlichen Processen des Ofens die
größten Störungen herbeiführen, die man in Deutschland
allein dadurch zu vermeiden gewußt hat, daß man dem Ofen nur
einen kleinen Theil des glühenden Luftstroms zu entziehen
pflegt, den größeren Theil aber zur Unterhaltung des
Ofenprocesses opfert. Man wird daher leicht die ungleich
größeren Vortheile ermessen können, die man sich von den
Gasen der mit Steinkohlen betriebenen Oefen, wie sie in
England gebräuchlich sind, versprechen darf.
Die Ableitung der Gase ist schon in den mit Holzkohlen
betriebenen Hohöfen ohne praktische Schwierigkeiten
ausführbar. Man pflegt dieselbe in Deutschland vermittelst
eines in der Mauer des Ofenschachts angebrachten
ringförmigen Canals zu bewerkstelligen, der mit einer nach
unten offenen schrägen Ueberdachung versehen ist, um eine
Verstopfung durch die Ofenmaterialien zu
verhindern. Die Gase strömen bei völlig offener Gicht von
selbst durch diesen Canal, obgleich ihre Pressung so
unbedeutend ist, daß sie sich kaum durch ein Wassermanometer
nachweisen läßt. Die große Windpressung, welche man bei den
englischen Oefen anzuwenden Pflegt, ließ uns daher
vermuthen, daß die darin aufsteigende Gassäule sich in einem
bei weitem comprimirteren Zustande befinden würde. Diese
Vermuthung hat sich bei einer Reihe von Messungen, die wir
an dem zur Aufsammlung der Gase benutzten Ableitungsrohre
angestellt haben, vollkommen bestätigt. Der Druck der Gase,
in Wasserhöhe und englischem Maaß gemessen, verhielt sich in
den verschiedenen Tiefen des Ofens wie folgt:
5
Fuß
0,12 Zoll
8 „
0,40
„
11
„
1,10
„
14
„
1,6 „
20
„
1,8 „
23
„
4,7 „
24
„
5,1 „
Man sieht daher, daß dieser Druck selbst unmittelbar unter
den obersten Schichten der Ofenmaterialien noch bei weitem
bedeutender als derjenige ist, welcher in den deutschen
Hohöfen zur Ableitung der Gase ausreicht.
Es ergibt sich daher,
daß die aus den englischen
Steinkohlenhohöfen entweichenden Gase sich vorzugsweise zur
Verwendung als Brennmaterial eignen, weil ihre vollständige
Ableitung ganz besonders leicht und ohne alle Störung des
Ofenganges geschehen kann.
Wir haben früher bewiesen, daß bei dem Alfretonhohofen unter
den ungünstigsten Verhältnissen immer noch 81,54 Proc.
Brennmaterial an der Ofenmündung verloren gehen. Da nun in
dem erwähnten Ofen in 24 Stunden ungefähr 14 Tonnen Kohlen
verbrannt werden, so ergibt sich ferner,
daß bei dem unseren Versuchen zum Grunde
gelegten Ofen in 24 Stunden mindestens 11,4 Tonnen
Steinkohlen als höchst nutzbares, gasförmiges Brennmaterial
bisher verloren gegangen sind.
Die bei der Verbrennung der Gase des Alfretonhohofens
erreichbare Temperatur haben wir oben zu 1695,2° C.
berechnet.
Bei dieser Berechnung ist auf den Wassergehalt der Gase nicht
Rücksicht genommen. Geht man von der gewiß noch zu geringen
Annahme aus, daß die Gase 12 Wasserdampf
auf 100 trockenes Gas enthielten, wie die von Ebelmen untersuchten Gichtgase
von Clerval, so würde die Verbrennungs-Temperatur
statt der berechneten nur 1237° C. betragen. Es fragt
sich daher, ob es vortheilhafter ist, die Gichtgase heiß mit
ihrem Wasserdampfe, oder abgekühlt ohne denselben, zu
verwenden. Bei dem Veckerhagener Hohofen, so wie überhaupt
bei den kleineren mit Holzkohlen betriebenen Oefen, ist
diese Frage von geringerer praktischer Bedeutung, weil die
Gase hier schon bei 5 Fuß Tiefe unter der obersten
Kohlengicht trocken sind. Bei den großen englischen
Steinkohlenhohöfen dagegen ist sie bei weitem wichtiger, da
die Gase hier erst bei 17 Fuß Tiefe von Wasserdampf befreit
auftreten. Ihre Ableitung in dieser Tiefe würde den ganzen
Verkohkungsproceß stören und daher eine praktische
Unmöglichkeit in sich schließen. Sie können daher nur mit
Wasserdampf beladen aus dem Ofen erhalten werden. Es ist
mithin zu ermitteln, ob ihre Verwendung in diesem Zustande
oder nach ihrer Abkühlung am vortheilhaftesten ist. Eine
einfache Berechnung, die wir hier wohl übergehen können,
zeigt, daß wasserhaltiges Gas von 458° C. und
wasserfreies von 0° dieselbe Flammentemperatur
1695° C. geben. Kaltes wasserfreies Gas und auf
458° C. erhitztes besitzen also einen gleichen Werth
in Beziehung auf die Temperaturhöhe ihrer Flammen. Mit
diesem Resultate aber ist die Entscheidung der praktischen
Frage gegeben: Man wird bei den
englischen Steinkohlenhohöfen die Gase abgekühlt, oder
noch besser, nach ihrer Abkühlung wieder erhitzt,
verwenden müssen. Ihre Flammentemperatur wird durch
dieses Mittel leicht über 2000° C. zu bringen
seyn.
b) Gewinnung von Ammoniak in Form von Salmiak aus den
Gasen der Steinkohlenhohöfen.
Die Gase der Steinkohlenhohöfen enthalten einen sehr
werthvollen Bestandtheil, der den Holzkohlengasen fast
gänzlich mangelt. Sie sind nämlich so reich an Ammoniak, daß
sich die Gegenwart dieser Verbindung besonders in den
tieferen Theilen des Ofenschachts schon durch den Geruch zu
erkennen gibt. Wir haben daher unsere Aufmerksamkeit auf
diesen Bestandtheil ganz besonders gerichtet und dabei die
Ueberzeugung gewonnen, daß die Verwerthung desselben nicht
nur möglich, sondern auch auf die einfachste Weise
ausführbar ist. Man wird dieses Ammoniak mit großer
Leichtigkeit in der Form von Salmiak gewinnen können, wenn
man die Gase vor ihrer Verwendung als Brennmaterial durch
einen geeigneten, mit Chlorwasserstoffsäure versehenen
Condensationsraum leitet. Ein erheblicher Absatz von
Theer dürfte bei einer solchen Condensation kaum zu
befürchten seyn, da dieß Destillationsproduct in die
glühenden Ofenmaterialien stets zurückfließt und darin eine
so erhebliche Zersetzung erleidet, daß wir bei unseren
Versuchen in dem zur Abführung der Ofengase von uns während
eines Zeitraums von 12 Stunden benutzten Rohre kaum Spuren
davon angetroffen haben, obgleich die Temperatur dieses
gegen 30 Fuß über den Ofen hervorragenden Rohres kaum
merklich höher war als die der umgebenden Luft. Läßt man die
durch Condensation des Ammoniaks erhaltene
Salmiakflüssigkeit fortwährend in die Pfanne eines
geeigneten Flammenofens fließen, in welchem man einen
kleinen Theil des Gasstromes über der Oberfläche der
Flüssigkeit verbrennen läßt, so wird man durch eine
zweckmäßige Regulirung des Zuflusses der Flüssigkeit und des
verbrennenden Gasstromes den Abdampfungsproceß leicht so
reguliren können, daß man den Salmiak in einer fortwährend
abfließenden, concentrirten Lösung als metallurgisches
Nebenproduct erhält, zu dessen Gewinnung mithin weder ein
Mehrbedarf an Brennmaterial, noch eine in Betracht kommende
Vermehrung des Arbeitslohns erfordert wird.
Es ist daher von der höchsten Wichtigkeit, die Menge des
Salmiaks festzustellen, welche man aus den Hohöfen auf
diesem Wege gewinnen zu können hoffen darf. Es genügt, zu
diesem Behufe nur die Ammoniakmenge zu ermitteln, welche in
den Destillationsproducten der Steinkohlen sich findet. Da
dieser Bestandtheil, wie wir uns durch besondere Versuche
zum Ueberfluß überzeugt haben, unter dem Einflüsse der
übrigen im Ofenschachte vorhandenen glühenden Producte nicht
die mindeste Zersetzung erleidet, so muß sich derselbe in
den entweichenden Ofengasen unverändert wiederfinden. Wir
haben daher diese Ammoniakmenge bei verschiedenen Proben der
Alfretonkohlen dadurch bestimmt, daß wir dieselben entweder
für sich oder mit Natronkalk der Destillation unterwarfen
und in dem dadurch erhaltenen flüssigen Producte das
Ammoniak auf die gewöhnliche Weise mit Platinchlorid
bestimmten.
100 Theile Alfretonsteinkohlen gaben im Mittel 0,769 Theile
Salmiak. Da nun bei dem Alfretonofen in 24 Stunden 278 1/2
Centner Kohlen verbraucht werden, so ergibt sich die
Thatsache,
daß aus dem Alfretonhohofen täglich 2,14
Centner Salmiak als Nebenproduct ohne erhebliche
Kostenerhöhung des Betriebes und ohne die mindeste Störung
des Eisenprocesses gewonnen werden können.
Es läßt sich übrigens erwarten, daß die verschiedenen in
England und andern Ländern benutzten Steinkohlen große
Abweichungen in Beziehung auf
ihren Stickstoffgehalt darbieten werden. Die Bestimmung
desselben erlangt daher bei der Möglichkeit, das daraus
erzeugte Ammoniak als metallurgisches Nebenproduct zu
gewinnen, eine ganz besondere Wichtigkeit. Wir behalten uns
daher vor, diesen Gegenstand in einer späteren Arbeit
ausführlicher zu verfolgen.
Wir haben, ehe wir diesen Gegenstand verlassen, noch einige
Versuche zu erwähnen, welche beweisen, wie einfach und
leicht die Condensation des in den Hohofengasen auftretenden
Ammoniaks bewerkstelligt werden kann. Da nämlich die Gase
aus den obern Tiefen des Ofens mit Wasserdämpfen gesättigt
sind, welche sich in dem zu ihrer Ableitung dienenden
Bleirohre größtentheils condensirten, so haben wir es
versucht, das Verhältniß des mit diesem Wasserdampf
condensirten Ammoniaks zu dem mit den Gasen fortgeführten zu
bestimmen.
Zu diesem Zwecke wurde das Ofengas, während das zur
Fortführung dienende Eisenrohr von 8 bis 10 1/2 Fuß unter
die Ofengicht herabsank, 2 Stunden 7 Minuten lang durch
concentrirte Salzsäure geleitet. Um das durch die Salzsäure
geströmte Gas seinem Volumen nach mit annähernder
Genauigkeit zu bestimmen, wurde dasselbe zu
wiederholtenmalen in einem 6,24 Liter fassenden Luftballon
von gewöhnlicher Goldschlägerhaut aufgefangen, und die Zeit,
welche zur Füllung desselben erforderlich war, jedesmal
notirt. Sie betrug nach einem wenig von den einzelnen
Beobachtungen abweichenden Mittel 1 Minute 7 Secunden. Das
durch die Salzsäure getriebene Gas entspricht daher 709,6
Litern. Bei der Untersuchung der zu diesem Versuche
benutzten Salzsäure wurden 0,198 Gram. Platinsalmiak
erhalten, welche 0,0152 Ammoniak entsprechen.
Nimmt man nun für die Zusammensetzung des Gases die in einer
Tiefe von 8 Fuß gefundene an, so läßt sich die
Steinkohlenmenge leicht berechnen, welche die obigen 709,6
Liter Gas geliefert haben. In der That, 1000 Kubikcent.
dieses Gases enthalten der Analyse zufolge 547,7 Kubikcent.
Stickstoff. Da nun, wie wir oben gesehen haben, aus den
Ofenmaterialien kein Stickstoff entwickelt wird, so muß
derselbe allein der atmosphärischen Luft angehören, welche,
indem sie eine gewisse Menge Kohks vor der Form verbrannte
und sich mit den gasförmigen Destillationsproducten im
oberen Theile des Ofens vermischte, jene 547,7 Kubikcent.
betragende Gasmenge hervorbrachte. Diese 547,7 Kubikcent.
Stickstoff entsprechen aber, der Zusammensetzung der
atmosphärischen Luft zufolge, 143,84 Kubikcent. oder 0,2066
Gram. Sauerstoff, welche im unteren Theile des Ofens 0,1549
Gram. Kohks zu Kohlenoxyd verbrennen. Da ferner die
Steinkohlen, aus welchen durch Destillation diese
0,1549 Kohks erhalten werden, einem früheren Versuche
zufolge 0,2304 Gram, wiegen, so werden mithin zur Erzeugung
von 1 Liter des obigen Gasgemenges 0,2304, zur Erzeugung der
mit Salzsäure gewaschenen 709,6 Liter Gas aber 163,5 Gram.
Steinkohlen erfordert. Von den 0,2463 Ammoniak, welche den
obigen Versuchen zufolge aus 100 Theilen Steinkohlen
erhalten werden, waren daher nur 0,0093 oder 3,77 Proc. mit
den Gasen abgedunstet, die übrigen 0,2370 Gram, oder 96,23
Proc. aber mit den Wasserdämpfen bereits in dem bleiernen
Ableitungsrohr condensirt. In der That enthielt das Bleirohr
eine klare Flüssigkeit, welche so stark mit Ammoniak
gesättigt war, daß ein darübergehaltenes rothes
Lackmuspapier augenblicklich gebläut wurde. Man sieht
daraus, mit welcher Leichtigkeit sich das Ammoniak schon
ohne Anwendung einer Säure condensiren läßt.
c) Vorkommen von Cyankalium in den Gasen der
Steinkohlenhohöfen.
Außer dem Ammoniak enthalten die Gase noch einen andern
Bestandtheil, der in theoretischer und praktischer Hinsicht
ein gleich großes Interesse darbietet; wir meinen das Cyan,
welches im unteren Theile des Ofens erzeugt wird. Dasselbe
erscheint zuerst unmittelbar über dem Punkte, wo die
Gebläseluft mit dem Brennmaterial zusammentrifft, und
verschwindet wieder in kurzer Erstreckung darüber, so daß
sich in dem tiefsten Theile des Schachtes nur noch Spuren
davon durch den Geruch entdecken lassen. Die Verbindung
dieses Körpers mit dem Kalium scheint bei dem Hohofenproceß
eine höchst wichtige Rolle zu spielen, welche man bisher
übersehen hat. Bei der außerordentlichen Wichtigkeit, welche
das Cyankalium in technischer Beziehung darbietet, ist es in
der That um so mehr zu verwundern, daß die Aufmerksamkeit
der Metallurgen so wenig auf diesen Gegenstand gerichtet
gewesen ist, da das Vorkommen dieser Substanz in der Form
einer Efflorescirung an den Ofenwänden eine eben so alte als
bekannte Erfahrung ist. Es ist uns gelungen, den Ort zu
ermitteln und die Bedingungen festzustellen, wo und unter
welchen die Bildung dieser Substanz im Ofen erfolgt, und wir
glauben, auf unsere Versuche gestützt, die Erwartung
aussprechen zu dürfen, daß die am Hohofen gewonnenen
Erfahrungen die Basis zu einer neuen technischen
Bereitungsmethode der Cyanproducte darbieten werden, welche
vielleicht die alte Methode aus der Reihe der technischen
Processe verdrängen wird. Wir haben, um uns zunächst über
den Ort der Cyankaliumbildung Aufschluß zu verschaffen, die
vordere, über den Herd des Ofens sich erhebende Wand in
einer Höhe von 2 1/2 Fuß über dem Niveau des
Gebläserohrs durchbohrt. Es dringt aus dieser Oeffnung eine
stark leuchtende, gelbe, flatternde Flamme hervor, aus
welcher sich eine dicke, weiße Rauchsäule erhebt. Senkt man
ein eisernes Rohr in diese Oeffnung nur so tief ein, daß es
nicht bis in den Ofen hineinragt, so wird es durch die damit
in Berührung befindliche Ofenmauer kühl genug erhalten, um
die flüchtigen Producte von dieser Stelle ableiten zu
können, ohne daß eine Schmelzung des eisernen Rohres zu
befürchten ist. Die unter einer Pressung von mehreren Fuß
Wasserdruck aus diesem Rohre hervordringenden Gase sind mit
einem weißen Sublimat von Cyankalium so sehr beladen, daß
man sich nur mit großer Vorsicht der Oeffnung des Rohres
nähern darf, um nicht durch die Wirkungen dieser giftigen
Substanz in Gefahr zu kommen. Obgleich das Ableitungsrohr
eine Länge von 22 Fuß besaß, war die aus seiner Mündung in
Gestalt eines Sublimates hervordringende Cyankaliummasse
doch so bedeutend, daß kleine, 2 Linien weite Glasröhren in
kurzer Zeit dadurch verstopft wurden.
Um die Menge dieses mit dem Luftstrom mechanisch
fortgeführten Cyankaliums approximativ zu bestimmen, haben
wir folgenden Versuch angestellt:
Die Mündung des eisernen Rohres wurde luftdicht mit einer
leeren Woulf'schen Flasche
verbunden und das durch diese strömende Gas in eine ähnliche
zweite Flasche geleitet, in welcher es durch eine 4 Zoll
hohe Wasserschicht zu streichen genöthigt war. Das erste
dieser Gefäße füllte sich sogleich mit einem reichlichen
Sublimat von trockenem Cyankalium, während das zweite eine
ziemlich concentrirte Lösung davon enthielt. Von 359,4 Liter
Gas wurden 0,89 Gramme Cyankalium mechanisch fortgerissen.
Dieses Gasvolum enthält 0,0773 Kilogr. Kohlenstoff, welche
0,1150 Kilogr. Steinkohlen entsprechen. Auf 100 Theile
Steinkohlen werden daher mindestens 0,778 Cyankalium
erzeugt. Da nun im Hohofen in 24 Stunden 31200 Pfd. Kohlen
verbrannt werden, so ist es einleuchtend,
daß im Alfretonhohofen täglich mindestens
ungefähr 224,7 Pfd. Cyankalium erzeugt werden, die bisher
unbenutzt verloren gegangen sind.
Als das Rohr, welches zu diesem Versuche gedient hatte, aus
der Oeffnung der Ofenmauer entfernt wurde, zeigte sich
dasselbe mit einer Kruste von geschmolzenem Cyankalium
überzogen, welche sehr schnell an der Luft feucht wurde. Mit
Wasser in Berührung gebracht, entwickelte dieselbe eine
nicht unbedeutende Menge Wasserstoffgas, welches ohne
Zweifel seine Entstehung der Gegenwart von reducirtem Kalium
oder Kohlenoxydkalium verdankte. In dem
Rohre selbst aber hatte sich eine mindestens noch
drei- bis viermal größere Menge Cyankalium als in den
Woulf'schen Flaschen
abgesetzt, so daß die bestimmte Menge sicherlich als weit
hinter der wirklich erzeugten zurückbleibend betrachtet
werden kann.
Es war nach diesem unerwarteten Resultate von besonderem
Interesse die Quelle ausfindig zu machen, durch welche eine
so erhebliche Menge Kalium in den Ofen gelangt. Wir glaubten
dieselbe vorzugsweise in dem Kalkstein suchen zu müssen,
welcher den Untersuchungen verschiedener Chemiker zufolge
nicht selten einen nicht unbedeutenden Gehalt an
kohlensaurem Kali zeigt. Allein es ist uns nicht möglich
gewesen, bei einer mit mehr als 30 Gram, ausgeführten
Untersuchung auch nur die kleinste Spur von diesem Alkali
darin zu entdecken. Dagegen enthält der im Ofen
verschmolzene Eisenstein eine nicht unbedeutende Menge Kali.
Wir verdanken die Mittheilung dieser interessanten Thatsache
dem Hrn. C. Oakes und analysirten
daher den gerösteten Eisenstein,
welcher folgende Zusammensetzung ergab:
Kieselerde
25,775
Eisenoxyd
60,242
Thonerde
6,583
Kalkerde
3,510
Magnesia
3,188
Kali
0,743
Spuren von
Mangan
–––––––
100,041
Eine andere, wiewohl weit geringere Quelle des Kalis ist in
der Asche der Alfretonsteinkohlen
zu suchen. Diese Kohle besteht nämlich nach unserer Analyse
aus:
Kohlenstoff
74,98
Wasserstoff
4,73
Sauerstoff
10,01
Stickstoff
0,18
Wasser
7,42
Kieselerde und
Erden
2,61
Kali
0,07
––––––
100,00.
Da nun die Menge der in 24 Stunden im Ofen verschmolzenen
Erze 33600 Pfd., die Menge der Kohlen aber 31200 Pfd.
beträgt, so empfängt mithin der Ofen täglich mit diesen
Materialien 271,48 Pfd. Kali, welche 377,3 Pfd. Cyankalium
äquivalent sind. Die bedeutende Menge
des im unteren Theile des Ofens auftretenden Kalis wird
durch diese Versuche vollkommen erklärlich.
Die interessanteste und wichtigste Frage, welche sich an
dieses merkwürdige Vorkommen des Cyankaliums knüpft, ist die
über den Ursprung des darin enthaltenen Cyans. Man weiß, mit
welcher Leichtigkeit das Ammoniak, mit Kohle in Berührung,
bei höheren Temperaturen in Cyanammonium übergeht. Es liegt
daher sehr nahe, die Cyanbildung dem Ammoniak zuzuschreiben,
welches unter den Destillationsproducten der Steinkohle in
nicht unerheblichen Mengen auftritt. Wäre diese Ansicht die
richtige, so würde die Bildung des Cyankaliums mit einem
äquivalenten Verlust an Ammoniak in den
Destillationsproducten der Kohle verbunden seyn und mithin
die Gewinnung des einen die Gewinnung des andern
ausschließen. Faßt man indessen die Verhältnisse ins Auge,
unter welchen die Bildung dieser Cyanverbindung erfolgt, so
wird man jede Erklärung, welche dem Ammoniak dabei eine
Rolle zutheilt, unbedingt für unrichtig halten müssen. Der
Herd der Cyanbildung liegt nämlich in dem tiefsten und
heißesten Punkte des Ofens, und es würde eine Ungereimtheit
in sich schließen, wenn man annehmen wollte, daß die Kohlen,
welche, ehe sie bis zu diesem Punkte gelangen, während einer
Zeit von mehr als 80 Stunden einer Glühhitze ausgesetzt
waren, die bis zur Reductionstemperatur des Kaliums steigt,
auch nur die geringsten Spuren von Ammoniak noch auszugeben
im Stande seyn könnten. Es bleibt daher nur noch die Annahme
übrig, daß der Stickstoff der Luft, welcher durch das
Gebläse in den Ofen gelangt, eine directe Verbindung mit der
Kohle zu Cyan eingeht.
Die Möglichkeit einer solchen, Verbindung ist von vielen
Chemikern behauptet worden. Da indessen die Versuche, auf
welche man diese Behauptung gestützt hat, ohne Rücksicht auf
das Ammoniak angestellt sind, welches fast alle Stoffe, wenn
sie einige Zeit der Luft ausgesetzt sind, in sich aufnehmen;
so ist es nicht zu verwundern, daß die directe Erzeugung des
Cyans aus seinen Elementen von den ausgezeichnetsten
Chemikern bisher noch immer in Zweifel gezogen worden ist.
Wir haben es daher nicht für überflüssig gehalten, diese
eben so oft behauptete als widerstrittene Thatsache durch
einen Versuch zu bestätigen, der uns keinen Zweifel mehr an
der Richtigkeit derselben zuzulassen scheint.
Wir haben nämlich gleichzeitig und ganz unter denselben
Verhältnissen einen Strom Kohlensäure und einen Strom
Stickstoff bei sehr hohen Temperaturen über ein stark
ausgeglühtes Gemenge von 2 Theilen Zuckerkohle und 1 Theil
chemisch reinen kohlensauren Kalis geleitet und die dabei
erhaltenen Producte einer sorgfältigen Prüfung unterworfen.
Beide Gase wurden in einem
langsamen Strom über die beiden Potaschegemenge geleitet und
die dasselbe enthaltenden Flintenläufe bis zur
Reductionshitze des Kaliums erhitzt. Das aus dem mit
Kohlensäure erfüllten Flintenlauf hervordringende Gas
verhielt sich wie reines Kohlenoxydgas, war geruchlos und
verbrannte mit reiner, nicht leuchtender Flamme, ohne irgend
ein Sublimat abzusetzen. Der aus dem andern Flintenlauf
hervordringende Stickstoff dagegen war mit einem weißen
Rauch von Cyankalium beladen, welches in solcher Menge
sublimirt wurde, daß die Ableitungsröhre sich sehr bald
verstopfte. Wurde der Stickstoff ganz langsam (nur von
Secunde zu Secunde eine Blase dieses Gases) zugelassen, so
erfolgte eine so vollständige Absorption desselben durch das
Potaschegemenge, daß derselbe gar nicht mehr an der Mündung
des Flintenlaufes zum Vorschein kam. Wurde dagegen die Hitze
bis unter die Reductionstemperatur des Kaliums erniedrigt,
so hörte die Absorption des Stickstoffs augenblicklich auf.
Nach diesem Versuche kann es nicht mehr in Zweifel gezogen
werden,
daß sich in dem Eisenhohofen unmittelbar
über dem Punkte, wo die Gebläseluft die glühende Kohle
trifft, eine bedeutende Menge Cyankalium aus dem Kalium der
Kohle und dem Stickstoff der Luft direct zusammensetzt.
Es hat sich aus unserem Versuche zugleich ergeben, daß das
Cyankalium bei höheren Temperaturen flüchtig ist. Diese
Eigenschaft ist von großem Einflüsse auf die Rolle, welche
dasselbe bei dem Reductionsprocesse des Eisens spielt. In
Dampfgestalt und als festes Sublimat mit dem aufsteigenden
Gasstrom in die höheren Theile des Ofens emporgetrieben,
gelangt es an die Stelle, wo die Reductionsprocesse
auftreten, und übt hier seine bekannte Wirkung als
Reductionsmittel aus. Dabei zerfällt es in Stickstoff,
Kohlensäure und kohlensaures Kali, von denen die ersteren
mit der aufsteigenden Gassäule an die Gicht gelangen, das
letztere aber als nicht flüchtige Substanz mit den
Ofenmaterialien an den Punkt zurückkehrt, wo es unter dem
Einflusse des Stickstoffs und der Kohle von Neuem in
Cyankalium verwandelt wird, so daß auf diesem Wege eine
bedeutende Erzmenge durch eine verhältnißmäßig geringe
Quantität des im unteren Theile des Ofens stets wieder
regenerirten Cyankaliums reducirt werden kann.
Man wird die Wichtigkeit der bisher ganz übersehenen Rolle,
welche das Cyankalium bei dem Hohofenprocesse spielt,
ermessen können, wenn man erwägt, daß sich dieses kräftige
Reductionsmittel nothwendigerweise im Ofen bis zu einer
Menge anhäufen muß, welche nichts weniger als geringfügig
ist. Der Querschnitt des Ofens, wo die höchste Temperatur
herrscht, bildet nämlich eine
Schranke, unter welche hinab das Cyankalium nicht eher in
den tiefern Theil des Ofens gelangen kann, bis seine Masse
durch das stets hinzukommende Kali der Ofenmaterialien so
weit angewachsen ist, daß sich der noch ferner hinzukommende
Ueberschuß an Cyankalium der Verflüchtigung entzieht. Was
dann weiter noch an Cyankalium entsteht, gelangt in den
tiefern Theil des Gestelles und verbrennt daselbst zu
Kohlensäure, Stickstoff und kohlensaurem Kali, dessen Basis
sich in der Schlacke wiederfindet.