Titel: | Ueber die Bereitung des Chloroforms im Großen mittelst Chlorkalk; von Louis Keßler. |
Fundstelle: | Band 108, Jahrgang 1848, Nr. X., S. 17 |
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X.
Ueber die Bereitung des Chloroforms im Großen
mittelst Chlorkalk; von Louis
Keßler.
Aus dem Journal de Pharmacie, März 1848, S.
161.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Keßler, über die Bereitung des Chloroforms im Großen mittelst
Chlorkalk.
Der Apparat zur Bereitung des Chloroforms, Fig. 1, womit in der
Fabrik der HHrn. Wöhrlin und Keßler zu Straßburg die genügendsten Resultate erhalten wurden, besteht in
einem großen Cylinder von Blei, dessen Bleche mit reinem Blei gelöthet sind. In
seinem Innern bewegt sich ein Rührer mit Schaufeln B, B,
welcher den Zweck hat die Wärme auf alle Punkte zu vertheilen und die vollständige
Abscheidung des Chloroforms zu begünstigen.
Am oberen Theil dieses Cylinders ist eine weite Oeffnung A, durch welche man das Gemenge hineinbringt; eine andere viel kleinere
Oeffnung nimmt eine Röhre C, C', C aus Blei auf, durch
welche die Dämpfe abziehen. Auf der anderen Seite wird durch ein Loch D eine bleierne Röhre von größerem Durchmesser
eingeführt, welche man nach Belieben mittelst zweier Hähne a und b entweder mit einem weiten darüber
befindlichen Trichter F oder mit einem kleinen
gußeisernen Dampfkessel in Verbindung setzen kann; der Hahn b, b' ist noch mit einem zweiten Loch versehen, damit man den Wasserdampf
aus dem Kessel in den Cylinder leiten, oder ihn absperren oder aus dem Kessel in die
Luft entweichen lassen kann. In dem Deckel des Kessels ist ferner eine Glasröhre
angebracht, welche am Wasserspiegel endigt und höher seyn muß als der bleierne
Cylinder; sie dient sowohl zum Speisen des Kessels, als auch um den Druck und das
Sinken des Wasserstandes darin anzuzeigen. Die Röhre C, C',
C, durch welche das Chloroform abzieht, endigt sich in ein Schlangenrohr,
welches sich in einem Kühlapparat befindet, und das Ende des Schlangenrohrs mündet
in eine Art Woulf'schen Apparats, dessen erste Flasche
als Recipient dient, die zweite zur Hälfte mit Alkohol und die letzte ganz mit
Schwamm oder Baumwolle, die man mit Alkohol tränkte, gefüllt ist. Jede dieser
Flaschen ist mit einem Hahn und einem langhalsigen Trichter versehen, um sie ohne
Umständlichkeiten entleeren oder füllen zu können.
Den bleiernen Cylinder kann man durch eine große, allenthalben geschlossene hölzerne
Kufe ersetzen.
Die Operation geht ohne die geringste Schwierigkeit von Statten. Wenn die Kufe 3 Hectoliter
Rauminhalt hat, bringt man 40 Kilogr. des stärksten Chlorkalks in einen hölzernen
Trichter E, Fig. 2, welcher auf die
Oeffnung A paßt; innen gehen durch den Trichter zwei
hölzerne Walzen, die ein Walzwerk bilden; wenn man deren Kurbel umdreht, wird das
Chlorkalkpulver zerrieben und lauft in die Kufe aus; auf den Chlorkalk bringt man 4
Kilogr. gelöschten Kalk und dann ein Hectoliter Wasser von wenigstens 64 bis
72° R. Man verschließt und verkittet dann den Apparat und setzt hierauf den
Rührer in Bewegung. Gleich darauf gießt man durch den Trichter F 4 Liter käuflichen Alkohol und den alkoholischen
Rückstand von einer vorhergegangenen Bereitung des Chloroforms in die Kufe.
Gewöhnlich beginnt die Reaction sogleich und das Chloroform destillirt rasch. Im
entgegengesetzten Falle begünstigt man sie, indem man den Hahn a schließt und mittelst des Hahns b einen Dampfstrahl zuläßt. Sobald die ersten Producte erscheinen, läßt
man den Dampf durch den Hahn b in die Luft entweichen,
dann beseitigt man das Feuer, während man dagegen den Hahn a öffnet.
Von nun an besteht die Aufgabe darin, die Reaction so zu reguliren, daß die
Entbindung der Gase durch den Alkohol hindurch und das Auslaufen der Flüssigkeit in
den Recipient ruhig vor sich gehen, jedoch ohne Unterbrechung. Dazu gelangt man
leicht, indem man nach und nach kaltes Wasser durch den Trichter F zugießt und den Rührer in Bewegung setzt.
Um vollkommen versichert zu seyn, daß die in Arbeit befindliche Masse nicht in das
Schlangenrohr übergeht, was sehr gefährlich wäre, ist es gut an dem Apparat einen
sehr beweglichen Schwimmer aus Korkholz anzubringen oder wenigstens denjenigen Theil
der Röhre C, C', welcher im Deckel der Kufe angebracht
ist, durch eine Glasröhre zu ergänzen. Sollte es sich herausstellen, daß in der Kufe
eine lose Fuge ist, deren Verstopfung längere Zeit erheischt, so kann man durch
Eingießen einiger Liter Wasser in einigen Secunden die ganze Arbeit unterbrechen.
Sobald die Entwicklung anfangt ruhiger zu werden und man aus der Menge des Products
schließen kann, daß die Reaction ihrem Ende nahe ist, läßt man neuerdings
Wasserdampf in die Kufe streichen und rührt ihren Inhalt von Zeit zu Zeit um.
Derselbe hat am Ende der Operation eine Temperatur von wenigstens 80° R.,
denn der Wasserdampf verdichtet sich darin keineswegs und die Producte, welche er
mitreißt oder verdrängt, enthalten alles Chloroform und allen Alkohol, so zwar, daß
man von der Masse kaum drei Liter abzudestilliren braucht um sie vollständig zu
erschöpfen.
In diesem Augenblick kann man die Kufe durch eine Seitenöffnung am Boden entleeren
und sich überzeugen daß der abgezogene Rückstand weder nach Alkohol noch nach
Chloroform riecht. Man sammelt das über letzterm stehende Wasser, nimmt den Alkohol
aus den zwei letzten Recipienten, setzt ihm noch soviel frischen zu als für die
folgende Operation erforderlich ist und bringt ihn in die Kufe nach einer neuen
Beschickung. Man kann auf diese Weise täglich drei bis vier Operationen nach
einander vornehmen: da die Reaction zwischen den Substanzen an und für sich gar
nicht lange dauert, so hängt das Uebrige von dem Rauminhalt der hölzernen Kufe
ab.
Man zieht das Chloroform ab und reinigt es durch Waschen mit seinem dreifachen
Gewicht Wasser, nachdem man ihm durch kohlensaures Natron das Chlor entzogen hat;
man destillirt es im Wasserbad über geschmolzenen salzsauren Kalk und erhält vom
Kilogramm angewandten Chlorkalks ungefähr 60–80 Gramme eines Chloroforms,
welches frei von Essigäther, Wasser und Alkohol und zur medicinischen Anwendung
vollkommen geeignet ist.
Wir machen bei dieser Gelegenheit auf eine Verfälschung des Chloroforms aufmerksam,
welche im Handel damit eine große Rolle spielen könnte, nämlich seine Vermischung
mit Aether. Das Chloroform kann viel Aether enthalten und dennoch schwerer als
Wasser bleiben, welches das Gemisch nicht in zwei Schichten trennt; auch maskiren
Geruch und Geschmack des Chloroforms den Aether sehr gut. Diese Verfälschung des
Chloroforms läßt sich, sowie seine Vermischung mit Essigäther, leicht durch die von
Soubeiran angegebene ProbePolytechn. Journal Bd. CVII S.
72. erkennen. Hinsichtlich der Anwendung dieses Verfahrens, um eine Beimischung
von Alkohol zu erkennen, müssen wir aber auf eine Fehlerquelle aufmerksam machen:
eine Mischung von Alkohol und Chloroform welche man in die Probeflüssigkeit gießt,
zertheilt sich nach dem Umschütteln in eine Schicht von reinem Chloroform, welche
auf den Boden sinkt und in Alkohol, der sich auflöst, während, wenn man nicht
umschüttelt, die Tropfen gänzlich auf der Oberfläche bleiben können; ja sogar das
beste Chloroform kann sich in diesem Falle auf der Oberfläche erhalten.
Man kann übrigens die von Soubeiran angegebene Probe in
einer graduirten Röhre vornehmen, indem man das verdächtige Chloroform mit seinem
dreifachen Volum Probeflüssigkeit schüttelt: wenn es nach dem Stehenlassen an Volum
über 1/12 abgenommen hat, ist es zu verwerfen. Man kann auch die Probe mit analytischer
Schärfe vornehmen, wenn man ein für allemal durch Versuche bestimmt, wie viel
Chloroform sich bei steigendem Alkoholgehalt auflöst: dieß ist ungefähr 1/5 des
anfänglichen Volums, wenn das Chloroform mit seinem gleichen Volum Alkohol von
40° Tralles vermischt ist. Wenn hingegen das Chloroform durch Aether
verunreinigt ist, so vermindert sich das Volum nicht, sondern das Ganze schwimmt auf
der Probeflüssigkeit, und wenn es überdieß Alkohol enthält, so verschwindet
letzterer zuvor beim Umschütteln.
Endlich kann man auch das Chloroform auf seine Reinheit mittelst einer kleinen
Glaskugel, wie G
Fig. 3,
prüfen, welche auf dem reinen Chloroform schwimmen muß, nachdem sie hineingetaucht
wurde; während sie auf dem Boden liegen bleibt, wenn die Dichtigkeit des Chloroforms
durch eine Beimischung von Aether oder Alkohol vermindert ist.