Titel: | Beschreibung eines Apparats um die Gefahren einer Vergiftung bei der Fabrication des Knallquecksilbers zu vermeiden; von J. Chandèlon, Professor an der Universität und pyrotechnischen Schule in Lüttich. |
Fundstelle: | Band 108, Jahrgang 1848, Nr. XII., S. 22 |
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XII.
Beschreibung eines Apparats um die Gefahren einer
Vergiftung bei der Fabrication des Knallquecksilbers zu vermeiden; von J. Chandèlon,
Professor an der Universität und pyrotechnischen Schule in Lüttich.
Aus den Mémoires de la Société royale des
sciences, vom Verfasser mitgetheilt.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Chandèlon's Apparat um die Gefahren einer Vergiftung bei der
Fabrication des Knallquecksilbers zu vermeiden.
Vor dem J. 1836 wurde das Knallquecksilber (zum Füllen der Zündhütchen für
Jagd- und Militärgewehre) in offenen Gefäßen bereitet. Die flüchtigen
Producte, welche sich während der Operation entwickeln und in Salpetergas,
Quecksilber- und Aetherdämpfen, Blausäure etc. bestehen, verbreiteten sich
damals in der Luft der Localität, belästigten die Arbeiter und setzten dieselben
manchmal bedeutenden Gefahren aus, hauptsächlich in Folge ihres Gehalts an Blausäure,
welche nach Gaultier de Claubry
Instruction für Knallquecksilber-Fabrikanten von Gaultier de Claubry, im polytechn. Journal Bd. LXIX S. 45. in wandelbarer und bisweilen beträchtlicher Menge entsteht, was von dem
Concentrationsgrad der Flüssigkeiten abhängt.
A. Chevalier, welcher beim Besuch mehrerer
Knallpulver-Fabriken auf die bezeichneten Uebelstände aufmerksam wurde,
ersann zuerst einen Apparat um dieselben zu beseitigen.Ueber die Knallpulver-Fabriken von Chevalier, polytechnisches Journal Bd. LXI S. 191. Dieser Apparat wurde in der Fabrik von Delion und
Goupillat in Bas-Meudon versucht und dann in
allen derartigen Fabriken eingeführt. Er besteht: 1) aus einer tubulirten Retorte,
welche auf einem Gestell ruht und in welche man die zur Bereitung des knallsauren
Salzes erforderlichen Substanzen bringt; 2) aus einem Condensator, nämlich einer
cylindrischen Röhre aus Steinzeug von 54 bis 60 Zoll Länge auf 8 bis 9 Zoll
Durchmesser, welche mit drei oder vier Vorlagen communicirt, die durch rechtwinkelig
gebogene Glasröhren mit einander verbunden sind und in mit Wasser gefüllten Trögen
stehen. Aus der Röhre der letzten Vorlage entweichen die ätherhaltigen Dämpfe,
welche sich nicht verdichteten. Alle Fugen des Apparats werden mit fettem Kitt
verstrichen und die Retorte wird mit dem Condensator durch einen Pfropf aus weichem
Holz verbunden.
Bei Anwendung dieses Apparats in der pyrotechnischen Militärschule in Lüttich ergab
sich, daß er die Arbeiter gegen die schädlichen Ausdünstungen nicht vollkommen
schützt. Da die Glasröhren, welche die verschiedenen Vorlagen mit einander
verbinden, keinen so großen Durchmesser haben, daß die Masse von Dämpfen, welche
sich im Augenblick der Reaction entbinden, abziehen könnten, so entsteht im Innern
des Apparats ein so bedeutender Druck, daß der Kitt an den Tubulirungen entweder
sich ablöst oder Risse bekommt. Aus Furcht die Retorte könnte zerspringen, darf man
die entstandenen Oeffnungen nicht verstopfen und ist sogar bisweilen genöthigt, den
Druck dadurch zu vermindern, daß man auf einen Augenblick einen von den Pfropfen der
ersten Vorlage herauszieht.
Ein nicht weniger nachtheiliger Umstand besteht darin, daß man aus den Vorlagen die
durch Condensation entstandenen Flüssigkeiten nur mittelst eines Hebers abziehen
kann, oder indem man den Apparat auseinander nimmt; diese Operationen sind aber wegen der giftigen
Natur dieser Flüssigkeiten außerordentlich gefährlich.
Um diese Uebelstände zu vermeiden, habe ich folgenden Apparat in Vorschlag gebracht,
welcher jetzt in der pyrotechnischen Schule in Lüttich eingeführt ist; Fig. 20 ist
ein Aufriß, Fig.
21 der Grundriß und Fig. 22 der senkrechte
Durchschnitt desselben.
Er besteht 1) aus zwei gläsernen Ballons A, A' von 40
Liter Rauminhalt, die auf einem Gestell ruhen, und in welche man die Substanzen zur
Erzeugung des Knallquecksilbers bringt. Jeder dieser Ballons ist am oberen Theil
seines Halses, welcher matt geschliffen ist, mit einer Hülse B aus Holz versehen, die mit einem Bleiblech überzogen ist und sich dicht
anpassen läßt. Diese Hülse (Halsring) bildet durch ihre kreisförmige Nuth a einen hydraulischen Verschluß mit den Röhren C, C, welche die Ballons mit dem
Verdichtungs-Apparat verbinden. Diese Röhren werden durch eiserne Stangen
gestützt, welche im Boden des Laboratoriums eingelassen sind. 2) Aus einer Reihe von
vier großen Woulf'schen Flaschen oder Vorlagen aus gemeinem SteingutBrown stone-ware der Fabrik von Stephen
Green in Lambeth.
D, D, D, D die unten mit einem Hahn E, ebenfalls von Steinzeug, versehen sind, durch welchen
die Producte der Verdichtung in das Rohr F ablaufen;
oben haben sie Tubulirungen b, b, b, b mit hydraulischer
Absperrung, in welche die Röhren (aus Steinzeug) G, G, G,
G passen, welche die verschiedenen Vorlagen mit einander verbinden. Jede
Vorlage hat einen Rauminhalt von beiläufig 90 Litern; die erste hat drei
Tubulirungen, die anderen haben nur zwei. 3) Aus einer Röhre von Steinzeug H mit hydraulischem Verschluß, welche durch die Mauer
des Locals geht und die in den Vorlagen nicht verdichteten schädlichen Dämpfe in den
Schornstein K leitet. 4) Aus einem Rohr oder einer
Leitung F von Steinzeug, welche im Boden des
Laboratoriums angebracht ist; in sie laufen die in den Vorlagen verdichteten
Flüssigkeiten durch die Hähne aus, um in den Sättigungstrog abzuziehen, welcher sich
im Freien außerhalb des Laboratoriums befindet.
Nachdem der Apparat ganz zusammengestellt ist, gießt man zuerst in jede Tubulirung
b so viel Wasser als zu ihrer Absperrung nöthig ist;
dann beseitigt man die Röhre C und gießt in einen der
Ballons
4,2 Liter Alkohol von 36 Proc. Tralles;
andererseits löst man mit Beihülfe von Wärme auf
0,367 Kilogr. Quecksilber in
4,111 Kil. Salpetersäure von 36° Baumé
und sobald diese Auflösung bereitet und ihre Temperatur auf
64° R. gesunken ist, gießt man sie mittelst eines Trichters mit langer Röhre
in den Ballon, welcher den Alkohol enthält.
Dann bringt man die Röhre C wieder an ihre Stelle, füllt
die Nuth der Hülse des Ballonhalses mit Wasser und läßt die Operation von selbst
vorschreiten. Nach einigen Augenblicken beginnt die Reaction, die große Masse der
entstehenden Dämpfe zieht durch die verschiedenen Flaschen, welche in Folge ihrer
Abkühlung mittelst kalten Wassers den größeren Theil derselben verdichten; der
kleine Antheil, welcher der Verdichtung entgeht, zieht durch den Schornstein ab,
ohne den Arbeitern zu schaden.
Der Arbeiter, welcher den Apparat bedient, hat im Verlauf der ganzen Operation nichts
anderes zu thun, als von Zeit zu Zeit kaltes Wasser in jede Tubulirung zu gießen, um
dasjenige zu ersetzen, welches sich darin erhitzt hat: diese Flüssigkeit begibt sich
in Folge der Construction der Tubulirung in das Innere der Vorlage.
Wenn die Einwirkung des sauren salpetersauren Quecksilbers auf den Alkohol beendigt
ist, hebt man neuerdings die Röhre C ab, verschließt die
nun offene Tubulirung sogleich mittelst einer Glasglocke und beginnt mit dem zweiten
Ballon eine neue Operation, welche in jeder Hinsicht wie die erste ausgeführt wird.
Mit obigen Verhältnissen bekommt man 0,60 Kil. feuchtes oder 0,45 Kil. trockenes
Knallquecksilber und 3 1/2 Liter verdichtete Flüssigkeit.Die Sättigung und Behandlung der verdichteten Flüssigkeit zur Gewinnung von
Quecksilber und Alkohol, übergeht der Verfasser; wir verweisen in dieser
Hinsicht auf Chevalier's Bemerkungen in der
angeführten Abhandlung.A. d. R.
Abgesehen von den angegebenen Vortheilen, ist dieser Apparat auch weniger kostspielig
als der frühere.