Titel: | Ueber die Kartoffelkrankheit und die Verheerungen, welche Insecten in Getreide anrichten, das auf den Aeckern einer kranken Kartoffelernte gewachsen ist; von Hrn Vincent. |
Fundstelle: | Band 108, Jahrgang 1848, Nr. LXIII., S. 304 |
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LXIII.
Ueber die Kartoffelkrankheit und die
Verheerungen, welche Insecten in Getreide anrichten, das auf den Aeckern einer kranken
Kartoffelernte gewachsen ist; von Hrn Vincent.
Aus den Comptes rendus, Oct. 1847, Nr.
19.
Vincent, über die Kartoffelkrankheit.
In mehreren Orten der Umgegend von Brest (Frankreich), vorzüglich aber in der
Gemeinde Brelés, wurden bis zum Monat August gesunde Kartoffeln geerntet. Das
Aussehen derselben, am 15. August noch ganz befriedigend, war vom 25. desselben
Monats an ein anderes; von da an zeigten sich große grauliche Flecken auf den
Kartoffeln. Diese. Art Fäulniß, welche sich auf die Oberfläche der Knollen zu
beschränken schien, drang bald immer tiefer, und kaum waren acht Tage verflossen,
als schon ein Viertheil der im Boden aufbewahrten Ernte von der Krankheit erreicht
war.
Die näheren Bestandtheile der Kartoffeln waren nun je nach dem Zustande der Knollen
in veränderlichen Verhältnissen vorhanden. So erhielt man, wenn man den Versuch mit
Kartoffeln anstellte, welche kaum über 14–20 Tage von der Krankheit befallen
waren:
trockenes Parenchym (Zellgewebe)
5,70 Proc.
Stärkmehl
20,00 „
während gesunde Kartoffeln folgende Resultate gaben:
trockenes Parenchym
7,4 Proc.
Stärkmehl
17,2 „
In den kranken Kartoffeln befindet sich also das Stärkmehl in größerer Menge im
Verhältniß zum Zellgewebe; ferner ist das Stärkmehl aus kranken Kartoffeln niemals
so weiß als dasjenige aus gesunden, bildet auf dem Boden der Gefäße keine compacte
Masse, und wenn man die von dem Waschwasser noch bedeckte Stärkesubstanz 14 Tage
lang an der Luft stehen läßt, so geht die ganze Masse in Gährung über und es
entwickelt sich eine beträchtliche Menge Ammoniak.
Auch die mikroskopische Beobachtung weist, wie die chemische Analyse, in den kranken
Theilen einen größern Gehalt von Stärkmehlkörnern nach, welche von der Faser-
oder Zellensubstanz beinahe völlig getrennt sind; letztere ist von einer Menge zu
der Linne'schen Gruppe Acarus
(Milbe) gehörender Insecten so zu sagen zerstört oder vielmehr außer Zusammenhang
gebracht ist. Das erwähnte Insect ist äußerst klein und kann nur mittelst des
Mikroskops wahrgenommen werden; man findet es inmitten der graulichen, weichen,
durch Zerstörung des Parenchyms entstandenen Substanz. Es bewirkt gewissermaßen die
Abscheidung des Stärkmehls; man sieht in der That, wie es mit seinen Vorderfüßen die
faserigen Gewebe packt, zerreißt und damit immer mehr auf die gesunden Theile
vorrückend, fortfährt. Die so zerrissene Kartoffel, unter dem Mikroskop betrachtet,
sieht aus wie durch Feuchtigkeit zusammenklebende Gummistücke.
Wenn die Krankheit schon einen Monat lang dauerte, so bemerkt man hie und da auf den
Knollen braune oder schwärzliche Flecken; die Zersetzung der organischen Materie
macht rasche Fortschritte; ein übler Geruch verkündigt schon von weitem die
Krankheit; die Anzahl der Insecten ist viel größer. Auf einigen schon zersetzten
Theilen erheben sich weiße krystallinische Büschel, ausgewittertem Salze ähnlich;
auf den Objectträger des Mikroskops gebracht, erscheinen diese vermeinten Krystalle
wie eine Reihe an der Basis erweiterter, gegen das Ende spitzig zulaufender, weißer,
durchscheinender, ineinander mündender (anastomosirter) Röhren mit secundären und
tertiären Verzweigungen.
Auf diese Stufe der Verderbniß gelangt, im Zustand der Fäulniß, ernährt die Kartoffel
noch Larven eines andern Insectes, welches Verheerungen an den Getreidearten
anstellt. Wirklich ist das Liegenlassen der kranken Kartoffeln an der Stelle, wo sie
angebaut wurden, als äußerst gefährlich zu bezeichnen und kann die traurigsten
Folgen haben. Folgendes ist ein Beispiel davon.
Ein im vorigen Jahr zum Theil zum Anbau von Kartoffeln bestimmtes Feld gab eine
reiche Ernte an Kartoffeln, die jedoch von der bekanntlich sehr verbreiteten
Krankheit befallen waren. Auf diesen Bau folgte der Anbau von Weizen auf dem ganzen
Acker. An den ersten Tagen des Mai's sah man mit Staunen gelbe Halme bloß in einem
Theil des Bodens, während die daneben befindlichen Furchen alle Anzeichen einer
guten Ernte darboten.
Dasselbe war in einem etwa eine halbe Meile entfernten Land der Fall, worin ebenfalls
vorher Kartoffeln waren; gegen Ende Aprils verloren die jungen Halme ihre Frische,
wurden gelb und gingen bald in Zersetzung über. Das Insect befand sich im
Mittelpunkt des Halms, aber ganz am Fuß desselben.