Titel: | Verfahren um die Theilung der Kreisränder von Winkelmessern und der Nonien auf eine einfache Art herzustellen; von C. F. Schneitler in Berlin. |
Autor: | C. F. Schneitler [GND] |
Fundstelle: | Band 108, Jahrgang 1848, Nr. LXX., S. 337 |
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LXX.
Verfahren um die Theilung der Kreisränder von
Winkelmessern und der Nonien auf eine einfache Art herzustellen; von C. F. Schneitler in
Berlin.
Mit einer Abbildung auf Tab. VI.
Schneitler, über Theilung der Kreisränder von Winkelmessern und der
Nonien.
Als im Jahre 1844 die ingeniös construirte Theilmaschine von A. Oertling auf der hiesigen Gewerbe-Ausstellung zu sehen war, konnte
man sich überzeugen, daß dieselbe alle an getheilte Kreisränder u.s.w. zu machende,
billigen Ansprüche erfülle und daß darüber hinausgehende überhaupt wohl kaum noch in
den Gränzen der Möglichkeit liegen dürften. Diese Maschine, die auf eine ebenso
sinnreiche, wie einfache Weise das Princip der Ramsden'schen mit dem der Reichenbach'schen
Theilmaschine verband und alle erforderlichen Selbstcorrectionen besitzt, war mit
einer seitens der preußischen Regierung gewährten Unterstützung – man sagte
von 8000 Rthlr. – vom Erfinder gebaut, und derselbe wurde auch später vom
Staate verpflichtet, die Theilung der Kreisränder anderer Mechaniker für einen
bestimmten, mäßigen Preis auf der Maschine zu besorgen.
Da aber ein so theures Kunstwerk anzuschaffen nicht in den Mitteln der meisten
Mechaniker liegt, und da es selbst einem Einzelnen schwerlich angemessen rentiren
dürfte, so will ich mir erlauben, einen Vorschlag, den angegebenen Zweck zu
erreichen, hier näher auseinander zu setzen, ihn der Beachtung und zu Versuchen
empfehlen und bemerke dabei, daß derselbe schon vor vier Jahren die Billigung meiner
Freunde und sachverständiger Bekannten hatte, daß mich aber anderweite Arbeiten
bisher abhielten, selbst Versuche zu machen, die, wie das Nachfolgende zeigt, sehr
leicht bewerkstelligt werden können.
Ich schlage nämlich vor: die Theilungen der Kreisränder und
Nonien mit Hülfe der Daguerreotypie zu bewirken, und füge dem hinzu, daß,
wenn ich so hergestellte Kreisränder auch nicht gerade für vollkommenere Winkelmesser anempfehlen
möchte, ich dieselben doch für Winkelmesser untergeordneten Ranges, namentlich für
die Feldmesser- und Patent-Boussole etc., ebenso zweckmäßig wie
genügend erachte.
Es scheint mir folgender Weg zur Erreichung meiner Absicht zu führen.
Da man mit dem Daguerreotyp eigentlich nur abbildet oder schon vorhandene Bilder
vervielfacht, so kann dasselbe nicht das Geschäft der Kreistheilung übernehmen;
vielmehr gehe ich von der Annahme aus, daß bereits ein eingetheilter Kreisrand etc.
vorhanden sey, von welchem durch das Daguerreotyp Abbildungen genommen werden.
Gewöhnlich bedient man sich zu den gebräuchlichen Winkelmessern Kreisränder von
6–8'' Durchmesser, die den Uebelstand haben, daß ihre Theilung höchstens nur
bis auf Sechstheil-Grade gehen. Von den feineren Unterabtheilungen der Grabe
hängt aber die Genauigkeit ab, mit welcher man einen Winkel der Wahrheit nahe finden
kann, denn bekanntlich sind und bleiben alle Winkelmessungen nur eine Annäherung an
die Wahrheit. Eine bis auf Minuten gehende Eintheilung achtzölliger Kreisränder ist
jedoch nicht gut möglich und ausführbar, da die Theilungsstriche, selbst mit den
besten mechanischen Hülfsmitteln, nicht bis auf 1/10, 1/20, 1/30 etc. Grade genau
und ohne in einander zu laufen zu ziehen sind.
Um dieß nun durch das Abbilden mit dem Daguerreotyp zu erreichen, muß ein
eingetheilter Kreisrand von solchem Durchmesser vorhanden seyn, daß eine vollkommen
richtige Theilung auf 1/10, 1/20, 1/30 etc. Grade desselben noch möglich ist. Die
Herstellung eines solchen, in allen Unterabtheilungen der Grade richtigen
Kreisrandes ist rein Sache der Mechanik und keineswegs leicht; allein daß sie zu
lösen ist, darf ich als bekannt voraussetzen. Ein solcher eingetheilter Kreisrand,
der am besten auf einer versilberten MetallplatteWird die Metallplatte versilbert und die Theilstriche mit einer schwarzen
Farbe überzogen, so wird dieß bei der Abbildung durch das Daguerreotyp sehr
viel zum deutlichen Hervortreten der einzelnen Theilstriche beitragen., nöthigenfalls auch auf einem aufgespannten Bogen Papier herzustellen seyn
dürfte, müßte in Hinsicht der Unterabtheilungen seiner Grade sowohl, als auch in
Rücksicht der Gleichheit und Feinheit der Theilstriche mindestens die
hauptsächlichsten Prüfungen aushalten.
Nimmt man nun einen Kreisrand, dessen Durchmesser 2 Decimalfuß hat, so kommen auf
jeden der 360 Grade 3,4906 Linien. Wird ein Theilstrich als sehr fein angenommen, so ist er
ungefähr 0,01 Linie breit. Zieht man die Breite von 30 Theilstrichen auf einen Grad
(mithin wird derselbe in 1/30 Grade oder von 2 zu 2 Minuten getheilt) = 0,3 Linien
von 3,4906 Linien ab, dann bleibt für den Zwischenraum der einzelnen Theilstriche
0,106 Linie übrig, eine Breite, die man wird ausführen und unterscheiden können.
Die Bezeichnung der einzelnen Grade und deren Unterabtheilungen würde auf dem großen
Kreise, den ich Normal-Kreisrand nennen will, so
geschehen, wie in Fig. 31 ein Grad im vergrößerten Maaßstabe bezeichnet worden ist. Es
würden nämlich zwischen fünf concentrischen Kreisen die ganzen Grade, wie hier 35
und 36, durch eine Linie vom (ersten) Kreisrande bis an den fünften der
concentrischen Kreise, die 1/3 und 2/6, 2/3 und 4/6 Grade durch eine Linie bis an
den vierten concentrischen Kreis u.s.w. bezeichnet, so daß die Theilstriche für je
zwei Minuten, von denen fünf ohne Zahlenbezeichnung sehr leicht zu übersehen sind,
von dem ersten bis zum zweiten Kreise reichten. Die Bezeichnung der Theilstriche
geschieht insoweit mit Zahlen, als in der Figur angegeben worden ist; nur müssen
diese Zahlen so geschrieben werden, als wenn man sie im Spiegel lesen wollte, da
bekanntlich durch die camera obscura des Daguerreotypes
die Bilder in umgekehrter Ordnung erscheinen.
Aehnlich wie diesen Normal-Kreisrand kann man auch einen Normal-Nonius herstellen, auf welchem n
Theile des Normal-Kreisrandes in n + 1 Theile
getheilt sind.
Sind demnach ein Normal-Kreisrand und -Nonius hergestellt, welche die
nothwendigsten Prüfungen aushalten, so ist es möglich Kreisränder und Nonien, wie
viel man auch und in welcher Größe man haben will, mit Hülfe des Daguerreotypes so
herzustellen, daß sie dieselbe Eintheilung haben, wie der Normal-Kreisrand
und -Nonius und zur genauen Winkelbestimmung dienen können.
Wenn man nämlich den Normal-Kreisrand in eine schickliche Lage und Beleuchtung
bringt, so kann man ihn mit dem Daguerreotyp, ebenso wie einen Gegenstand oder Bild
anderer Art, abbilden und in jeder Größe vervielfältigen. Die Größe des
Daguerreotypbildes richtet sich nach der Entfernung des Daguerreotypes vom Objecte.
Um hierbei nun aller Berechnung überhoben zu seyn, kann man sich eines einfachen
Verfahrens bedienen, indem man auf eine Metallplatte mehrere concentrische Kreise
von solchen Durchmessern zieht, als die Kreisränder haben sollen, welche man mit
Hülfe des Daguerreotypes herstellen will. Diese Metallplatte bringt man zuerst in
die camera obscura und sieht nach, ob das Spiegelbild,
welches den Normal-Kreisrand gibt, in denjenigen Kreis der Metallplatte genau
paßt, dessen Größe der durch das Daguerreotyp herzustellende Limbus haben soll: ist
dieß nicht der Fall, so stellt man das Daguerreotyp so lange, bis es genau
eintrifft. Aehnlich verfährt man bei dem Nonius.
Die Metallplatte, auf welcher man einen Kreisrand oder Nonius von beliebigem oder
bestimmtem Durchmesser durch das Daguerreotyp herstellen will, muß mit aller
möglichen Genauigkeit vor dem Auftragen des Grundes zu einer Ebene gemacht werden.
Sodann wird erst der Grund aufgetragen, wozu am besten Silbergrund passen wird, da
auf ihm die Eintheilung am deutlichsten hervortritt. Das Uebrige ist Sache der
Daguerreotypie, wie z.B. das Jodiren, Firnen u.s.w. In Betreff der Vollkommenheit
des Apparates sind jedoch die beiden Bedingungen unerläßlich: daß nämlich der
Spiegel der camera obscura genau unter 45°
geneigt sey, weil bei einer schiefen Stellung die Bilder nicht Kreise, sondern
elliptische Formen bekämen, und daß die Linse des Objectivglases genau centrirt sey,
damit die Bilder nicht excentrisch würden.
Ist nun ein solcher Kreisrand mittelst des Daguerreotypes hergestellt und das Bild
überall gelungen, was man durch Mikroskope untersuchen kann, so wird die Platte vom
Mechanikus mit aller Schonung des Bildes bearbeitet und als Kreisrand in einen
Winkelmesser eingesetzt. Die praktische Ausführung muß es lehren, ob es nicht besser
sey, die Bearbeitung des Limbus vor dem Daguerreotypiren
vorzunehmen.
Es wird nun ganz allein von guten Mikroskopen abhängen, um die genauesten Resultate,
die eine Winkelmessung mit einem solchergestalt hergestellten Kreisrande gibt, auch
ablesen zu können. Daß die Beihülfe eines Mikroskopes keine Vertheuerung eines
Winkelmessers oder Zeitverlust beim Gebrauche eines solchen herbeiführt, beweist die
Erfahrung, indem man bei Theodoliten überall Loupen oder Mikroskope anwendet.
Die Herstellung eines Nonius mittelst des Daguerreotypes hat schon mehr
Schwierigkeiten, indem es dabei besonders darauf ankommt, daß der Kreisrand des
Nonius im Durchmesser genau dieselbe Größe hat, als der erste concentrische Kreis
des Normal-Kreisrandes. Dieß ist jedoch auch zu erreichen möglich, besonders
wenn der Normal-Nonius ebenfalls auf einer Metallplatte sich befindet, und
der zum Nonius gehörige Kreis vollständig auf derselben verzeichnet ist. Die durch
das Daguerreotyp erhaltenen Nonien werden in den Limbus als volle Kreisscheiben,
welche genau in denselben passen und sich, in einer Ebene mit demselben, darin
herumbewegen lassen, eingesetzt, denn die s. g. fliegenden Nonien würden sehr bald die
Theilung, welche aller Schonung bedarf, verderben. An diese Scheiben-Alhidade
setzt man nun zwei Nonien, die um 180° von einander entfernt sind. Die
richtige Einsetzung der Nonien, sowie überhaupt die Bearbeitung und Zusammensetzung
eines Instrumentes mit Kreisrand und Nonius nach dem dargelegten Verfahren ist rein
Sache des Mechanikers.
Welcher Grad von Genauigkeit mit solchergestalt hergestellten Kreisrändern und Nonien
zu erreichen, ist leicht zu berechnen. Bei der Ablesung der Gradzahlen selbst hängt
sehr viel von den über den Nonien oder Kreisrändern angebrachten Mikroskopen ab, wie
schon oben bemerkt worden.
Daß auf diese Weise eingetheilte und hergestellte Kreisränder und Nonien beim
Gebrauch vor Feuchtigkeit und Staub besonders zu hüten sind, braucht kaum erwähnt zu
werden. Ihre Anwendung wäre besonders bei den Theodoliten von außerordentlichem
Werthe. Nicht minder würde die Boussole durch Anwendung daguerreotypirter
Kreisränder, wenn dieselben auch nur bis 3 oder 5 Minuten getheilt sind, diejenige
Genauigkeit erhalten, welche man ihr schon längst durch Nonien zu geben
beabsichtigte, wenn nicht das Anbringen derselben immer neue Fehler hervorgerufen
hätte. Mit einem guten Mikroskope könnte man auch dann durch die Boussole die Winkel
so genau erhalten, als die Eintheilung zuließe, besonders wenn man noch
unberücksichtigt läßt, welchen Abweichungen das Instrument überhaupt unterliegt.
Was die Kosten der Herstellung von Kreisrändern und Nonien durch das Daguerreotyp
anbetrifft, so sind dieselben an und für sich selbst sehr gering, wenn man erst
einen Normal-Kreisrand und -Nonius besitzt. Diese würden allerdings
einige Kosten verursachen, wenn man es nicht vorzieht, vorläufig zu Versuchen
dieselben auf Papier zu construiren. Man hätte dabei nur zu erwägen, in wie kleine
Theile die Originale zu theilen wären, um die bestimmte Theilung bei den
gebräuchlichsten Winkelmessern in Anwendung bringen zu können.
Die Dauer daguerreotypirter Kreisränder wird natürlich nicht diejenige der durch die
Theilmaschine hergestellten Kreisränder etc., welche eingerissene Theilstriche
haben, seyn; allein bei gehöriger Schonung wird sie auch recht gut die Hälfte jener
betragen. Und dann ist es ja ein Leichtes, die Eintheilung eines Kreisrandes oder
Nonius auf dieselbe Platte wiederholen zu lassen, was ganz geringe Kosten
verursachen dürfte.
Vorstehendes Verfahren empfehle ich angelegentlich der Prüfung der Betheiligten, da
es offenbar Vortheile verheißt und schwerlich unüberwindliche Schwierigkeiten
darbieten dürfte. Es wäre mir von Interesse, das Resultat solcher Versuche durch diese Zeitschrift
kennen zu lernen. Schließlich bitte ich um jede billige Nachsicht, da es mir nur
darum zu thun ist, der Sache selbst und der Wissenschaft einen Dienst zu
leisten.