Titel: | Ueber die Anwendung des Eisenvitriols zum Reinigen des Leuchtgases; von Hrn. Martens, Prof. der Chemie an der Universität in Löwen. |
Fundstelle: | Band 108, Jahrgang 1848, Nr. XCIII., S. 441 |
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XCIII.
Ueber die Anwendung des Eisenvitriols zum
Reinigen des Leuchtgases; von Hrn. Martens, Prof. der Chemie an der Universität in Löwen.
Aus dem Recueil de la Société polytechnique,
1847, Nr. 35.
Martens, über die Anwendung des Eisenvitriols zum Reinigen des
Leuchtgases.
Das Steinkohlengas macht in unserer Gasanstalt, wenn es aus der cylindrischen Vorlage
tritt, einen langen Weg, ehe es in den Reinigungsapparat gelangt; es durchlauft
gußeiserne Röhren welche zusammen über 50 Meter Länge haben und auf ihrer Außenseite
zu einem großen Theil mit kaltem Wasser umgeben sind. Auf diesem Wege setzt das Gas
viel Theer und ammoniakalisches Wasser ab, welche man sammelt. Den Theer verwendet
man zum Begießen der Kohks womit das Feuer gespeist wird. Das in den Cisternen
gesammelte ammoniakalische Wasser benutzt man hauptsächlich um die Vegetation zu
begünstigen, theils in Gemüsegärten, theils bei natürlichen Wiesen, auf welchen man
es am Anfang des Winters mit bestem Erfolg verbreitet. Das aus angegebene Weise
erkaltete Gas gelangt zu einer Reihe von vier Reinigungsapparaten, großen
cylindrischen Gefäßen aus Gußeisen, welche dicht verschlossen, wenigstens zur Hälfte
mit Flüssigkeit gefüllt und in zwei fast gleiche Fächer durch eine horizontale metallene
Scheidewand abgetheilt sind; das Gas welches durch die Flüssigkeit passirte,
zertheilt sich unter dieser Wand, um rings an deren Umfang zu entweichen, dessen
Entfernung von den Seiten des Gefäßes nur einige Linien beträgt. Die Leitungsröhren
des Gases tauchen ungefähr 2 Decimeter (7'' 5''') in die Flüssigkeit. Der erste
Reinigungsapparat, welcher der kleinste ist, hat ungefähr 8 Hectoliter Inhalt und
enthielt bei dem bisherigen Verfahren bloß Wasser; dieses Wasser ließ ich durch eine
Auflösung von 50 Kilogr. Eisenvitriol in 4 Hectoliter Wasser ersetzen. Von diesem
Gefäß zieht das Gas in die drei anderen Reiniger, welche ungefähr 10 Hectoliter
Inhalt haben; in jeden derselben gibt man 6 Hectoliter Kalkmilch, mit 18 Hectoliter
Wasser und 4 Hectoliter Kalkhydrat bereitet. Die Kalkmilch wird alle 24 Stunden
erneuert und beständig durch eine Rührvorrichtung bewegt, welche eine kleine
Dampfmaschine treibt. Diese Kalkmilch dient zum Reinigen des Gases von 100 bis 150
Hectoliter Steinkohlen, welche man alle 24 Stunden destillirt. Man zieht hier die
Kalkmilch einem Gemenge von Heu mit gelöschtem Kalk vor, weil man sich überzeugt
hat, daß sie das Gas besser reinigt und daß die Apparate ungeachtet des größeren
Drucks im Innern fast niemals Gas entweichen lassen.
Dadurch, daß man das Wasser im ersten Reiniger durch sein gleiches Volum obiger
Eisenvitriollösung ersetzte, wurden mehrere Vortheile erzielt. Das Gas wurde fast
gänzlich von Schwefelwasserstoff befreit, denn während es früher das mit Bleiessig
getränkte Papier schwärzte, erzeugte es auf demselben nur noch bräunliche Flecken;
auch bläute es noch das geröthete Lackmuspapier.
Der Hauptvortheil des veränderten Verfahrens bestand aber 1) in der großen Ablagerung
von Theer, welcher sich in der Eisenvitriollösung viel reichlicher als in bloßem
Wasser absetzt; 2) in einer viel reichlicheren Verdichtung der wässerigen und
ammoniakalischen Dämpfe, welche das Gas mit sich reißt; während der großen Kälte in
diesem Winter haben sich daher die Gasleitungsröhren auch nicht mehr durch Eiszapfen
verstopft, wodurch den Unternehmern der Gasbeleuchtung viele Unkosten und
Unannehmlichkeiten erspart wurden. Daß sich der Theer in einer Eisenauflösung ohne
Vergleich besser als im Wasser absetzt, rührt wohl von der Fällung des
Schwefeleisens her, welches den Theer mit sich reißt; und daß von den Dämpfen welche
das Gas mit sich reißt, ein größerer Antheil verdichtet wird, ist wohl in der
vollständigeren Absorption des Ammoniaks begründet, welches immer andere Dämpfe
mitzuziehen strebt. Man hat sich hier überzeugt, daß eine Auflösung von 50 Kilogr. Eisenvitriol in 4
Hectoliter Wasser, welche sich im ersten Reinigungsapparat befindet, allerdings zur
Reinigung des Gases von 250 bis 300 Hectolitern Steinkohlen hinreicht; die Auflösung
wird dann aber durch die große Menge Theer und Schwefeleisen, welche sich in ihr
niederschlagen, so dick, daß man sie erneuern muß. Bisher hat man den Rückstand
nicht zu benützen gesucht, weil sich das schwefelsaure Ammoniak in Belgien nicht
vortheilhaft genug verkaufen läßt. Man ist aber entschlossen die Anwendung des
Eisenvitriols nicht mehr aufzugeben, weil seit derselben die Flamme des Gases viel
schöner ist und nicht den geringsten Rauch gibt; auch glaubt der Director der
Anstalt, daß vor der Anwendung des Eisenvitrols das Gas Theer mitriß, welcher die
Flamme rauchen machte.
Da das Gas bisher noch eine Spur Schwefelwasserstoff zurückhielt, so empfahl ich
unlängst die Kalkmilch des zweiten Reinigungsapparats ebenfalls durch eine Auflösung
von Eisenvitriol zu ersetzen, so daß nur noch zwei Kalkapparate übrig blieben.
Seitdem enthält das Gas keine Spur von Schwefelwasserstoff mehr, aber es bläut noch
das rothe Lackmuspapier; seine Flamme ist weiß und gibt keinen Rauch.In den Berliner Gasanstalten wird das mittelst Kalkmilch gereinigte
Steinkohlengas mit Eisenvitriollösung nachgereinigt; man vergleiche
polytechn. Journal Bd. CVIII S.
49.
In der Gasfabrik zu Saint-Mandé (bei Paris) hat man den Eisenvitriol in
trockenem Zustande in dünnen Schichten in den
gewöhnlichen Reinigungsapparaten anzuwenden versucht; der Zweck wurde dadurch
vollständig erreicht. Der Rückstand, ein Gemenge von Schwefeleisen und
schwefelsaurem Ammoniak mit Sägemehl, läßt sich vortheilhaft als Dünger
verkaufen.
In derselben Anstalt hat man auch die feingepulverte Knochenkohle einer
Zuckerraffinerie als Reinigungsmittel anzuwenden versucht, nachdem man sie vorher
mit Schwefelsäure behandelt hatte, um den basisch phosphorsauren Kalk in saures Salz
zu verwandeln. Die Reinigung des Gases war vollkommen genügend. Der Rückstand,
welcher aus Sägemehl, schwefelsaurem und phosphorsaurem Ammoniak und schwefelsaurem
Kalk besteht, ist als ein schätzbarer Dünger unmittelbar verkäuflich. Derselbe
Versuch wurde mit bestem Erfolg in der Muster-Gasanstalt zu Grenelle (bei
Paris) wiederholt, welche die besten thönernen
Gasretorten liefert. (Moniteur industriel, 1847, No. 1202.)