Titel: | Bericht über die Preisbewerbung hinsichtlich der Lithographie; der Société d'Encouragement in Paris erstattet von Hrn. Gaultier de Claubry. |
Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. XIII., S. 68 |
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XIII.
Bericht über die Preisbewerbung hinsichtlich der
Lithographie; der Société d'Encouragement in Paris erstattet
von Hrn. Gaultier de
Claubry.
Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, April
1848, S. 189.
Gaultier de Claubry, über die Preisbewerbung hinsichtlich der
Lithographie.
Unsere Gesellschaft hat schon vor vielen Jahren eine Reihe von Preisen für
Verbesserungen in der Lithographie ausgesetzt. Mehrere im Programm enthaltene Fragen
fanden seitdem ihre Lösung und mußten daher gestrichen werden; gleich anfangs war
aber in der Voraussicht, daß die Künstler Verbesserungen zu Tage fördern werden, auf
welche sie die Praxis leitet, von Ihnen bekannt gemacht worden, daß alle eingereichten Erfindungen und Verbesserungen in der
Lithographie gewürdigt werden und den Erfindern der Wichtigkeit derselben
entsprechende Belohnungen zukommen
sollen, und dieses Verfahren wurde mitunter durch sehr
erfreuliche Erfolge gekrönt. Die Commission wird vorher über alle eingegebenen
Gegenstände Mittheilung machen und dann diejenigen bezeichnen, welche zunächst
Belohnungen verdienen.
Es ist von höchster Wichtigkeit, dem lithographischen Künstler eine (chemische oder
lithographische) Kreide (Crayon), welche alle erforderlichen Eigenschaften besitzt,
liefern zu können. Es ließen sich sehr viele Beispiele anführen, daß bedeutende
künstlerische Erzeugnisse in Folge von Fehlern der Kreide, die zu ihrer Ausführung
diente, verunglückten, und mag derjenige welcher sie bereitet noch so geschickt
seyn, so bürgt das Verfahren bei ihrer Bereitung niemals für ihre Güte.
Hr. Philippes ersetzte die auf dem Kochen der Oele
beruhenden empirischen Verfahrungsweisen durch Anwendung von Fettsäuren, welche die
schwarze oder mit Kohle gemengte Kreide durchdringen; dieses Verfahren verspricht
die besten Resultate und ist vollkommen rationell; um sich aber auf Erfahrung
gestützt mit Sicherheit über den Werth dieser Kreide aussprechen zu können, muß die
Sitzung im Jahr 1849 abgewartet werden.
Die HHrn. Narat, Michel, d'Aiguebelles, Villain und Lavaud theilten verschiedene Verfahrungsweisen zur
Anfertigung von Abdrücken mit, setzten aber die Commission nicht in Stand, ein
Urtheil über dieselben abzugeben. Hr. Lottin übergab
Details eines autographischen Verfahrens, welches Nutzen verspricht, dessen Prüfung
aber lange Zeit erheischt.
Hr. Papillon theilt unter dem Namen Typolithographie ein Verfahren mit, die Typographie und Lithographie bei
einem Abzug zu vereinigen. Es erhielten schon mehrere Bewerber dieser Art
Belohnungen; über das neue Verfahren sind erst Versuche anzustellen.
Die HHrn. Jean und Lamoureux,
von der Vervielfältigung vieler in Frankreich verlegten Werke im Ausland unangenehm
berührt, bringen die Anwendung eines Papiers in Vorschlag, dessen Zubereitungsweise
eine solche Nachbildung unmöglich macht. Um ein Urtheil über diesen Gegenstand
abgeben zu können, ist längere Zeit erforderlich.
Hr. Sourel, Lithograph zu Neufchatel in der Schweiz,
reichte Lithographien ein, welche dieselben Effecte wie die nach dem Colas'schen Verfahren dargestellten darbieten, und
erklärt das Verfahren, dessen er sich bedient, wegen Wohlfeilheit und leichter
Anwendbarkeit geeignet zur Vervielfältigung von Medaillen, Siegeln, Münzen u. dgl.
Gegenständen; da er aber sein Verfahren nicht mittheilte, kann über dessen Nutzen
nichts gesagt werden.
Hr. Quinet reichte die Abbildung einer
Punctur-Maschine ein, welche aber nur durch Vergleichung mit früheren
beurtheilt werden kann.
Hr. Brisset, welcher schon eine Belohnung für eine
lithographische Presse von Ihnen erhielt, meldet sich wiederholt als Bewerber wegen
der an seiner Maschine angebrachten Verbesserungen. Auch die HHrn. Nicolle und Barbazant legten
Pressen vor, über welche man ebenfalls erst nach darüber gesammelten Erfahrungen
sich aussprechen kann.
Schon vor sehr langer Zeit schrieben Sie einen Preis aus: für das Auftragen der Schwärze auf die lithographischen Steine
mittelst einer, von der Geschicklichkeit des Druckers unabhängigen Maschine.
Vor mehreren Jahren schon begaben sich zwei Mitglieder der Commission nach Rouen, um
die Verfahrungsweisen zweier Bewerber in Augenschein zu nehmen, worüber seiner Zeit
Bericht erstattet wurde. Der eine dieser Bewerber zog sich zurück; der andere aber
fuhr in der Vervollkommnung seiner Maschine fort. Die gestellte Aufgabe ist nun,
nach Ueberwindung mehrerer unvorhergesehener Schwierigkeiten, gelöst, wofür der
Beharrlichkeit des Bewerbers die vollste Anerkennung hiemit ausgesprochen wird; es
ist dieß derselbe ausgezeichnete Mechaniker, welcher die für die Kattunfabriken so
wichtige Modeldruckmaschine erfand.
Eine der wichtigsten Bedingungen zum Abziehen einer Lithographie ist, daß man die
Schwärze allen ihren Details gleichförmig anhängen mache, jedoch mit Vermeidung des
Beschmutzens oder Einschwärzens des leeren Grundes (empâtage); der feuchte Schwamm, dessen sich der Drucker bedient und die
Erwärmung des Steins durch die Wirkung der Walze, setzen ihn mit Hülfe der
erworbenen Uebung in Stand, die so schwer zu treffende Mitte zu halten, um
einerseits die zu starke Befeuchtung (imbibition) des
Steins durch welche das Anhaften der Schwärze verhindert würde und andererseits eine
zu große Trockenheit zu vermeiden, welche das Beschmutzen des leeren Grundes zur
Folge hätte.
Lange stellten sich dem Erfinder unsägliche Schwierigkeiten entgegen, um zu einer
regelmäßigen Auftragung der Schwärze zu gelangen; als er aber mit der Wirkung der
Walzen die der Ventilation verband, welche den Zweck hat, dem Stein den
erforderlichen Grad von Trockenheit zu ertheilen, wurden seine Bemühungen mit dem
besten Erfolge gekrönt.
Ein Künstler, dessen Versuche Sie früher schon belohnten, Hr. Villeroi, benutzte zu demselben Zweck Walzen von lithographischen Steinen; allein der
Construction und Anwendung seiner Maschine stellten sich große Schwierigkeiten
entgegen.
Hr. Perrot bedient sich nur flacher Steine, die auf einem
sich hin- und herbewegenden Wagen ruhen, welcher vorwärts langsam, rückwärts
aber schnell läuft. Der Vortheil dieses Systems ist leicht einzusehen.
Der Druck auf den Stein wird von einer kleinen Walze ausgeübt, welche an der Seite in
einem Falze gehalten und von einem dickem Cylinder unterstützt wird, welcher
verhindert daß sie sich biegt; zwischen der Walze und dem Stein befinden sich ein
Leder und ein Schutzpapier.
Zwei cylindrische Stampen von Wolle, mit Leder überzogen, über welches
Baumwollensammet gezogen ist, dienen zur Befeuchtung. Der Stein läuft zuerst über
die hohlen Walzen und erhält eine zweite Befeuchtung.
Ein jenen bei Buchdruckerpressen ähnlicher Schwärzapparat enthält die Schwärze. Eine
kleine Uebertragwalze trägt die von dem Schwärzapparat aufgenommene Schwärze auf
eine schnell rotirende Tafelwalze (rouleau-table)
über; eine zweite größere Uebertragwalze (transporteur)
trägt die durch Berührung der ersten erhaltene Schwärze auf eine dicke Tafelwalze
über. Die Durchmesser der Walzen sind so gewählt, daß dieselben Berührungspunkte
sich erst nach einer großen Anzahl von Umdrehungen wieder begegnen können, damit die
Schwärze sich in der Längenrichtung möglichst gleichförmig vertheilen muß.
Die Vertheilung der Schwärze in der Breitenrichtung des Steins ist eine Bedingung von
größter Wichtigkeit beim Abziehen von Steinen, welche nicht von einer gleichförmigen
Zeichnung auf der ganzen Oberfläche bedeckt sind; sie wird mittelst einer kleinen
oscillirenden Laufwalze bewerkstelligt, welche sich bei Berührung der dicken
Tafelwalze in schräger Richtung darbietet und am Ende dieser letztern von einem
Daumen einen Stoß bekömmt, welcher ihre Richtung umkehrt; sie kömmt alsdann auf
ihren Ausgangspunkt zurück, um wieder dieselbe Wirkung hervorzubringen und so
fort.
Eine dritte Uebertragswalze trägt die Schwärze von der dicken Tafelwalze auf eine
große hölzerne Trockenwalze über, welche schnell rotirt; der Rahmen der letztern
bringt die beiden ersteren, während sie nicht auf den Stein wirken, mit zwei
schwärzenden Walzen in Berührung.
Eine zweite Trockenwalze, welche sich in derselben Horizontalebene wie die erste auf dem Rahmen
befindet, wird durch eine Zwischenwalze in Bewegung gesetzt.
Zwei andere Schwärzwalzen sind in der Höhe der ersteren unter der zweiten
Trockenwalze angebracht.
Die Function der Trockenwalzen ist eine zweifache: sie tragen die Schwärze, welche
sie von der dicken Tafelwalze erhalten, auf die vier Schwärzwalzen über und
zerstreuen durch die Schnelligkeit ihrer Bewegung die Feuchtigkeit, welche die
schwärzenden Walzen vom feuchten Stein aufnahmen.
Der Druck der Schwärzwalzen auf den Stein kann mittelst eines besondern Mechanismus
beliebig abgestuft werden; beim Vorwärtsgehen des Steins soll er stark seyn, um die
gehörige Menge Schwärze abzusetzen; beim Zurückgehen aber schwach, um die Reinigung
zu bewerkstelligen.
Der Stein welcher die Presse von einem Ende bis zum andern durchlief, wurde bei
seinem Vorwärtsschreiten von vier Walzen berührt, welche Schwärze auf ihn absetzen,
und auf seinem Rückweg von vier anderen Walzen, welche ihn reinigen und die
Schwärzung regeln.
Schrift- und Strichzeichnungen erfordern keine größere Anzahl Walzen; andere
Zeichnungen aber erheischen deren mehr, und wenn man die Arbeit eines Druckers
verfolgt, so wird man leicht gewahr, daß er seine Walze mehr als achtmal auf den
Stein wirken läßt.
Das Auflegen des Papiers auf eine kleine Tafel und das Hinwegnehmen desselben
geschieht durch Weibspersonen.
Die Geschwindigkeit der Maschine wird durch ein Zahnrad und ein Getriebe erzielt und
man setzt sie durch einen Treibriemen mittelst irgend eines Motors in Bewegung.
Das Programm forderte, daß die mechanische Einschwärzung beim aufeinanderfolgenden
Abziehen von 1000 Exemplaren ziemlich gleiche Abzüge liefert. Die Commission
überzeugte sich, daß diese Maschine bei 6000 Abzügen alle im Programm
vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt und beantragt also, dem Hrn. Perrot den ausgesetzten Preis von 1500 Fr. zu
ertheilen.
Bei der Preisbewerbung im Jahr 1830 theilte ein junger Künstler, Hr. Tudot, ein Verfahren mit, um mittelst der Lithographie
die Wirkungen der sogenannten Schwarzkunst (Tuschmanier) hervorzubringen.Polytechn. Journal Bd. XLIV S. 218. Derselbe
erhielt eine goldene Medaille im Werthe von 2000 Fr., jedoch wurde dieses Verfahren
trotz seiner leichten Ausführbarkeit und der großen Effecte, welche durch dasselbe
erzielbar sind, nur wenig angewandt.
Dem Talent und der Erfahrung des lithographischen Druckers, Hrn. Lemercier, gelang es, da anknüpfend, wo Hr. Tudot stehen geblieben war, das Verfahren sehr zu
vereinfachen und zu erleichtern. Durch ihn wurde die lithographische Zeichnenkunst
so verbessert, daß sie, so zu sagen, eine ganz neue Kunst wurde. Die
Kupferstecherkunst hat solche Meisterwerke hervorgebracht, daß ihre Vermehrung durch
die Lithographie dringend gewünscht werden muß; allein sie setzt eine langwierige
Arbeit voraus, welche es dem Künstler unmöglich macht, das Product seiner Phantasie
unmittelbar auf das Metall zu werfen. Die lithographische Zeichnenkunst lieferte uns
bisher schon Mittel, welche die Dazwischenkunft des Kupferstechers behufs der
Vervielfältigung seiner eigenen Zeichnung überflüssig machen. Das Lemercier'sche Verfahren macht nun vollends dem Künstler
die Arbeit so leicht, als führte er sie mittelst des Bleistifts oder des Pinsels auf
Papier aus und ruft unter seiner Hand Effecte hervor, welche mittelst der
lithographischen Kreide kaum zu erzielen wären. Es besteht kurz in Folgendem:
Man macht mit der lithographischen Kreide eine Zeichnung, überstreut sie mit
gepulverter lithographischer Kreide, welche man mittelst eines Dachspinsels
verbreitet; überarbeitet mit dem Crayon und der chemischen Tusche oder dem
Wischercrayon und erhält so den Ton von der beabsichtigten Stärke.
Man erhält mit dem Wischercrayon (crayon d'estompe) sehr
künstlerische Zeichnungen; der lithographischen Kreide aber zugesetzt ist er ganz
trefflich.
Die Tonsteine (pierres de teinte) erhöhen sehr den Reiz
der Zeichnungen, zu welchen man sie nimmt. Den ersten Gedanken dazu hatte Hr. Julien, Verfertiger der schönen Figuren-Blätter,
welche einen Theil des Werkes „Studien mit zwei Crayons“
ausmachen. Verbessert wurde das Verfahren durch Hr. Lemercier.
Durch Verminderung der Stärke des Firnisses und Verstärkung des Tons mittelst des
Wischercrayons und der chemischen Tusche, Drucken mit mehreren Steinen oder einem
Stein mit zwei Tönen und Bestreuen einiger Partien mit dazu präparirten Farben,
erhält man vortreffliche Resultate.
Ferner verdankt man dem Hrn. Lemercier wichtige
Verbesserungen in der Chromolithographie (Lithographie mit Farben), für welche im Jahr 1838 dem Hrn.
Engelmann ein Preis zuerkannt wurde.Polytechn. Journal Bd. LXVIII S. 237 Die Abbildung
des großen Glasgemäldes in der Kirche zu Dreux beweist, was man von dem Lemercier'schen Verfahren hoffen kann, durch welches bei
verminderter Anzahl der Steine eine Regelmäßigkeit der Schattirungen (Irismanier)
erzielt wird, wie sie bisher noch nie gelang. Die Ausführung ist sehr einfach.
Man reibt einen körnigen Stein mit einem Täfelchen von chemischer Kreide so ein, daß
er ganz davon bedeckt wird; mäßigt den erhaltenen Ton durch Ueberfahren aller Punkte
mit einer harten Bürste, verdünnt ihn dann mittelst eines Stücks Flanell und ruft
hierauf mittelst des Wischercrayons, der Tusche und der Radirnadel alle gewünschten
Formen hervor, wodurch mit einem einzigen Stein mehrere Töne erhalten werden können.
Mehrere Ihnen vorliegende Zeichnungen wurden auf diese Art und in so kurzer Zeit
ausgeführt, daß dieß mit dem Wischer auf Papier nicht schneller möglich wäre und,
wie gesagt, mit der chemischen Kreide viele der erhaltenen Cffecte nicht hätten
hervorgebracht werden können. Hr. Lemercier theilte sein
Verfahren mit größter Zuvorkommenheit jedem Künstler mit, dem es nützlich werden
konnte. Die Commission beantragt, daß demselben eine goldene Medaille im Werth von
3000 Fr. zuerkannt werde.